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Fünftes Kapitel In Dauha

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Es behagte mir nicht, Marijke van Beverningh eröffnen zu müssen, dass wir eine Sklavenkarawane ausgemacht hatten, diese aber nicht angreifen konnten, sondern ihr in weitem Abstand bis nach Dauha folgen mussten. Als Grund gab ich vor, dass die Verbrecher gut bewaffnet waren – was eigentlich kein Hindernis sein sollte, denn das waren wir auch, noch dazu gute Kämpfer. Ich mahnte aber vor der Gefahr eines Angriffs, da dann die Sklavinnen verletzt werden könnten. Und zwar nicht durch fehlgehende Schüsse, sondern weil die Sklavenhändler wohl skrupellos genug wären, die Frauen zu töten, bevor sie in die Hände anderer gerieten, seien es Konkurrenten oder Befreier. Ich verschwieg die magische Natur der Fesseln, wies aber darauf hin, dass wir vielleicht Schwierigkeiten haben könnten, diese hier vor Ort zu lösen, und selbst dies mit Gefahren für die Sklavinnen verbunden sei. Ich sagte vage etwas von Gift, und Haschim bestätigte mich. Die anderen glaubten uns: So etwas trauten sie den Schurken zu. Halef aber hatte mir sehr wohl angesehen, dass es sich um etwas anderes handelte – denn er kannte seinen Sihdi gut. Und die Magie des Orients.

Sir David stimmte mir aus anderen Gründen zu.

„In der Tat halte ich es für geschickter“, verkündete er, „erst in Dauha zuzuschlagen, denn dort können wir nicht nur diese slave-traders zur Strecke bringen, sondern auch die Hintermänner und Hehler und was sonst noch an Gelichter dort sein Unwesen treibt. Wir warten also ab und greifen nicht an. Das ist strategisch und taktisch klug.“

Der Lord fühlte sich gewissermaßen als militärischer Berater unserer Strafexpedition, da er ja zwei Soldaten mit Unteroffiziersrang befehligte. Obgleich ich mich darüber wunderte, dass Sir David nicht seinen üblichen Anspruch der Unbesiegbarkeit oder zumindest Übermächtigkeit propagierte, so war ich froh, dass er die aktuelle Gefahr für die gefangenen Frauen bedachte – welche auch immer diese sein mochte.

Marijke van Beverningh überlegte kaum und stimmte zu, wenngleich ich sah, wie sie innerlich schwankte und es sie schmerzte, ihrer Rache noch nicht nachgehen zu können. Dennoch entschied sie sich richtig. Ich bewunderte ihre strikte Konzentration, denn ich selbst bin, wenngleich ebenfalls zielstrebig und hartnäckig, doch stets auf vielerlei bedacht und aufmerksam. Denn ich gebe ja nicht nur auf meine Umwelt in all ihren Facetten Acht, um mich und die Meinen zu schützen, sondern weil ich eben auch allem meine komplette Sinneshingabe erteilen muss, um später genau darüber berichten zu können. Doch die Holländerin schien mir allzu sehr auf ihr eines Ziel ausgerichtet. Sie hinterfragte also meine Aussagen und Einschätzungen nicht. Dies mochte daran liegen, dass sie mir vollends vertraute. Aber jenes völlige Fehlen von Neugierde oder Interesse verwunderte mich doch. Man verstehe mich nicht falsch: Ich meine damit nicht, dass ich davon ausging, eine Frau müsse allein ihres Geschlechts wegen stets alles ganz genau wissen wollen. Ich fürchtete hingegen, dass solcherart Scheuklappen einem jeden den Überblick nehmen und ihn auch Gefahren übersehen lassen. Gleichzeitig blickt man starr nach vorn – und sieht vielleicht Feinde, wo keine sind, weil man partout welche erkennen und unschädlich machen will. Deshalb fürchtete ich eine etwaige unbedachte Handlung jener so tapferen, aber vielleicht auch unberechenbaren Frau. Ich gebe zu: Marijke van Beverningh war mir ein verschlossenes Buch. Wer wusste, was geschah, wenn es geöffnet wurde …

Entlang der östlichen Küste von Katar ritten wir auf Dauha zu. Hier gab es im Landesinnern Salzwüsten und am Meer weite Mangrovensümpfe. Der beste Hafen von Katar lag in der Bucht von Dauha, der nächste vergleichbare in dieser Gegend erst wieder jenseits des von Inseln durchsetzten arabischen Golfs, an der Küste von Abu Dhabi bis zu Musandam.

Dauha nun war eine Stadt oder vielmehr Siedlung von kurzer, aber bewegter Geschichte. Sie wurde erst vor einem halben Jahrhundert gegründet, war jedoch danach stets örtlich und schicksalhaft mit dem nahen und kaum eineinhalb Jahrhunderte älteren Al-Bidda verbunden – insofern, dass europäische Chronisten beide verwechselten und gleichsetzten, von den unterschiedlichsten Schreibweisen von Engländern und Deutschen ganz abgesehen. Dies sind jedoch lässliche Dinge, bedenkt man die kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Stämmen und Nationen, die hier tobten. Zweimal wurde die Doppelsiedlung zerstört, im Krieg zwischen Bahrain und Katar, durch Kanonaden von See aus durch die Briten, und auch die verschiedenen Beduinenstämme mit ihren wechselnden Loyalitäten zu den größeren Mächten schonten Bauten und Menschen nicht. Nun lagen Dauha und Al-Bidda unter Kontrolle der Osmanen, die ihre Truppen in die Festungsbauten gesandt hatten.

Es war die Stadt – ich will sie weiterhin Dauha nennen, denn unter diesem Namen steigt sie an Bedeutung – eine Ansammlung von tausend Häusern und vier- bis fünfmal so vielen Menschen. Sie lag am Scheitelpunkt einer schön gerundeten Bucht voller Korallenbänke, das Land ringsum sehr flach und sandig, sodass man die Siedlung von Land kommend auf zehn Meilen kaum auszumachen vermochte.

Als wir näherkamen, erkannten wir die genauere Gestalt der Stadt: Zum Zentrum hin erhob sich von den flachen Außenbereichen sachte ein Felsgrat, eine halbe Meile vom Ufer entfernt. Von diesem Grat reckten sich zwei niedere Hügel, die ein schmales Tal flankierten. Diese Hügel wiederum liefen in Sandbänke aus, mit natürlichen Kanälen flachen Wassers. Die Hügel trugen niedrige, aber trutzige Festungen, in der üblichen Bauweise des Landes errichtet aus Korallenfels und Kalkstein, der dunkel sandfarben ist und somit die runden Türme und Mauern mit der Wüste verschwimmen lässt, schaut man von See darauf. Doch derart geschützt ist der Hafen sicher, der das Ziel der Kauffahrer in ihren kleinen Dhaus mit den trapezförmigen Segeln ist und auch jenes der Kaufleute, die es in größeren Schiffen wagen, das Korallenmeer zu queren, welches voller Fährnisse ist. Doch die weiten Handelsrouten locken und all die Waren aus Mesopotamien und Persien und Indien und den reichen Ländern jenseits des Subkontinents.

So sahen wir also viele geblähte Segel in Weiß und Rot und anderen Farben, und im Hafen war das Wasser voll von Schiffen und das Land voller Menschen.

Hier würden wir gewiss Hilfe und einen Unterschlupf mit Kiel und Masten finden, wenn wir erst die Sklavinnen befreit hatten. Doch zunächst mussten wir uns ein Quartier suchen. Und den Ort des Sklavenhandels finden.

Ich kannte niemanden in Dauha, und auch Haschim hatte sich noch nie an diesen Teil der arabischen Halbinsel begeben, selbst wenn er sagte, man erzählte sich heimlich von einem Ort in den Salzmarschen zwischen Katar und Abu Dhabi, an dem seltsame Dinge vorgingen, denen er recht gern nachgegangen wäre. Doch dies musste warten.

Aus der Ferne konnten wir beobachten, welchen Weg die Sklavenkarawane einschlug, nachdem sie die Grenze zur Stadt passiert hatte. Es war uns gelungen, beim Herannahen an Dauha allmählich und unauffällig unseren Abstand zu verringern, und auch in den Straßen und Gassen vermochten wir trotz des Wimmelns und Wirkens all der Bewohner, Gäste, Händler, die einhergingen und sich umtrieben, dennoch auszumachen, zu welcher Karawanserei mit Lagerhaus sich die vermeintliche ehrbare Warenkarawane begab. Hier hatten wir also unseren ersten Anhaltspunkt.

Wir würden wechselnde Wachen aufstellen und die Örtlichkeit beobachten, um so in Erfahrung zu bringen, wann man die Sklavinnen dorthin bringen wollte, wo der Sklavenmarkt stattfand. Dass dies nicht an jenem nüchternen Ort geschehen konnte, lag auf der Hand: Zwischen Kisten und Säcken und Bündeln, mit Staub und Spinnweben, Sand und Stroh, würde kein reicher Mann seinen Goldbeutel erleichtern. Die Geschäfte mussten in einer angemessenen Lokalität stattfinden. Nicht unter freiem Himmel. Denn es mochten Briten auftauchen, um ihre Auflagen durchzusetzen, oder die Osmanen auf die Idee kommen, eben doch die Auflagen der Briten zu erfüllen, um ihrerseits die katarische Halbinsel ihrem Reich einzuverleiben.

Der Sklavenmarkt würde also verborgen stattfinden, in einem respektablen Haus, selbst wenn dies nur für das Äußere und die Einrichtung gelten mochte. Es war uns aber nicht angeraten, den schurkischen Händlern und ihrer erbarmungswürdigen Ware zu folgen, wenn denn die Stunde des Verkaufs nahte – dann wäre es zu spät. Wir mussten schon vorher wissen, an welchem Ort der Handel stattfand, um die Befreiung planen zu können.

Wir beschlossen, uns aufzuteilen. So konnten wir in drei Schichten wachen und weiterhin dreifach forschen, und dies zudem ohne das Aufsehen, welches wir als derart bunte Gruppe in gemeinsamem Logis erregt hätten. Haschim bot mit seinen Beduinen in Dauha ohnehin einen üblichen Anblick; auch Sir David und die Schotten waren als Briten nicht ungewöhnlich, zumal man Marijke van Beverningh leicht für die Gemahlin des Lords halten konnte. Dass die Dame alle nötigen Gespräche auf Arabisch führte und Sir David wohl besser schwieg, würde ihn kaum kümmern, diese Aufteilung kannte er seit einem Dreivierteljahr, und dankbar war er wohl auch. Halef und ich wollten uns zunächst im Hafen umschauen. Ich hatte so eine Ahnung, dass sich dies lohnen mochte – und dieses Gefühl stammte nun beileibe nicht von Goldringen oder überirdischen Gaben. Es war jenes, das mich auf all meinen bisherigen Reisen nie getrogen hatte: das Glück des Abenteurers oder eben die Fügung des Schicksals. Wir drängten uns durch das Gewimmel, nachdem wir eine billige, aber vertrauenswürdige Unterkunft in der Nähe besorgt hatten, wo wir die Pferde und das weniger wertvolle Gepäck unterstellen konnten.

Es war erstaunlich, unter all den Rufen auf Arabisch und Türkisch – respektive der unterschiedlichen Dialekte dieser beiden Sprachen – auch die Zungen Indiens zu vernehmen, wenngleich ich im Vorübergehen nur Hindi, Urdu und Tamil ausmachte. Was verwundert es also, dass ich aufhorchte, als ich wiederum Englisch mit irischem Akzent vernahm. Ich wandte mich hoffnungsvoll um, vielleicht war hier ein möglicher Vertrauter gefunden – doch der kleine, untersetzte Mann mit seinem runden, etwas traurigen Gesicht war kein Kapitän und auch kein Schiffseigner. Stattdessen war er mit einem langen Schlaks von Burschen dabei, allerlei Gepäck zu ordnen, aus dem vor allem Teleskope ragten. Ich vernahm, dass sie wohl nach Ar Ru’ays reisen wollten, einem Ort am nördlichsten Punkt der katarischen Halbinsel, welche von dem kleinen Inselchen Ras Rakan gekrönt wird, was „Kopf des Ritters“ bedeutet. Und die beiden Briten wollten, soweit ich dies beim Vorübergehen richtig verstand, sich dort oben tatsächlich als Vogelkundler betätigen und „Spezies sammeln“. Nun, vielleicht waren sie auf den Spuren des Naturforschers Darwin unterwegs und wollten Finken fangen, wenngleich nicht auf dem südamerikanischen Archipel der Galapagos, sondern eben auf dem Kopf des Ritters. So hat eben jeder sein Pläsier, vor allem der Brite.

Als ich gegenüber Halef einen diesbezüglichen Scherz machen wollte, wurde ich unterbrochen, denn jemand hatte mich meinerseits entdeckt und rief mich an. Auf Deutsch!

Ich wandte mich um und sah – ich glaubte es kaum – den Kapitän Frick Turnerstick!

Sklavin und Königin

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