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Neuntes Kapitel Schwert und Peitsche

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„Willkommen, Freunde der Perlen!“, tönte der Beleibte und klimperte mit seinen beringten Fingern durch die Luft. Er drehte sich um sich selbst, um seine Worte in alle Richtungen der Anwesenden zu wenden.

„Ihr edlen und wohlhabenden Käufer werdet am heutigen Abend vieles in makelloser Gestalt erblicken und mit euren geübten Augen viele Beispiele der Lieblichkeit schauen, welche seltene Zierden eines jeden Hauses sein werden!“

Ich konnte nur einen Teil der anderen Gäste erkennen: Es waren vor allem Männer in gesetztem Alter und mit untersetzten Körpern, mit gierigem Blick und gierigem Gaumen, denn sie sprachen den gereichten Köstlichkeiten reichlich zu. Aber auch einige hagere, finster dreinschauende Asketen waren darunter, die das Konfekt verschmähten und nur am Weinpokal nippten, wohl um nüchtern die Preise zu kalkulieren. Es stand ihnen gewiss auch der Sinn nach anderen Verlustigungen. Ob es die waren, die der Gastgeber nun ankündigte, konnte ich kaum wissen. Anderes befürchtete ich.

„Aber zuvor ein wenig Unterhaltung, um neben dem Leiblichen auch das Auge zu erfreuen oder sogar noch dessen Blick zu schärfen.“

Auf einen Wink erklang Musik – wenngleich man niemanden sah, der dort aufspielte. Ich lauschte und schaute dann auf einen Punkt über dem Scheitel des Beleibten. Und tatsächlich sah ich, dass die Decke des Raumes ein zweifach mannsgroßes Loch, nein, eine Aussparung besaß, deren Ränder von Tüchern und Ketten behangen und so kaschiert waren. Das Innere des Kreises lag im Halbdunkel, doch von dort floss die Musik herab. Im oberen Geschoss musste sich ein Ensemble von Spielern befinden, welche die traditionellen Instrumente Dauhas nutzten: al daf, eine Art Tamburin, al tabl, die langgestreckte Trommel, sowie tasat, die wie Schellen oder Zimbeln benutzt wurden und doch nur Schalen aus Zinn waren. Auch erkannte ich den hohlen Klang des galah, eines großen Tonkrugs. Der Krug und die Schalen wurden gemeinhin von Perlenfischern benutzt, um von ihren Taten zu singen oder sich während der Arbeit über Wasser zu unterhalten. Dass dieserlei Musik nun bei der Auktion von Sklavinnen erklang, die verhüllend oder eben ganz enthüllend als Perlen bezeichnet wurden, schien mir empörend und despektierlich.

Nun kamen Frauen in dünnen Schleiern heran, die in der raschen Bewegung wehten und flogen, in vielerlei Farben und in mannigfacher Zahl. Es begann also ein Schautanz, der dem orientalischen Mann und dem europäischen Orientalisten ein prickelndes Gefühl vermitteln mochte, ich wandte mich jedoch uninteressiert ab und musterte die Gäste, die Kunden, vor allem aber das, man mochte sagen: Schallloch in der Zimmerdecke.

Meine planenden Gedanken wurden unterbrochen, als ich von der Seite angesprochen wurde. Ich schaute nach der Stimme und sah vor meinen Augen einen gewaltigen Säbel – mit Smaragden daran. Die Klinge steckte jedoch in der goldverzierten Scheide, ich wurde nicht vom blanken Metall bedroht. Stattdessen ragte ein Mann neben mir auf, den ich aufgrund des Säbels sogleich erkannte, obgleich ich nun zum ersten Mal sein Gesicht sah. Es war Youssef al-Fuladhy. Er war in schlichte Gewänder gekleidet, sein Smaragdsäbel war Prunk genug. Gleichzeitig zeichnete dieser ihn aus, als den einzigen offen Bewaffneten im Raum.

Er schaute mich von oben herab an, und so stand ich auf, um ihm von Angesicht zu Angesicht gegenüberzustehen. Neben mir erhob sich auch Halef. Al-Fuladhy würdigte ihn keines Blickes.

„Es scheint mir“, begann der Sklavenhändler, „dass Euch die Darbietungen nicht recht zusagen.“ Er wies auf die tanzenden Frauen mit den schwebenden Schleiern.

„Nicht mein Geschmack“, gab ich zurück.

Ich musterte mit arrogantem Blick das Gesicht vor mir. Es war hart und kräftig, mit kleinen schwarzen Augen und einem großen schwarzen Schnurrbart. Er schien mir tatsächlich kein Araber zu sein, sondern doch Perser oder von nördlich des Kaukasus herstammend. Einen Akzent erkannte ich jedoch nicht.

„Dann könnte ich Euch etwas bieten. Loransa al-Beri hat mir von Euch berichtet …“

„Wer soll das sein?“

„Mein Zuträger. Ihr habt Ihn auf dem Basar kennengelernt.“

Der Verschlagene!

„Ich habe keinen Tee mit ihm genommen. Kennenlernen ist zuviel gesagt.“

„Nun, dann hat er Euch jedoch erkannt. Als einen Mann mit gewissen Vorlieben.“

Youssef al-Fuladhy musterte nun doch Halef, jedoch weniger sein Gesicht als seine Kurbatsch. Halef erkannte so wie ich den Zusammenhang, und wir wechselten einen Blick. Al-Fuladhy missverstand diesen – zu unserem Vorteil.

„Darf ich Euch bitten, mir zu folgen?“, lud er uns ein und wies in Richtung des hinteren Hauses.

„Interessanter als dies kann es nur sein“, gab ich gelangweilt zurück. Halef rückte seine Kurbatsch zurecht. Al-Fuladhy lächelte und ging voran.

Wir folgten einem Weg durch die abteilenden Tücher und Troddeln, ohne dass wir die anderen Gäste störten. Die Musik wurde leiser, als wir den Raum verließen, in einem schmalen Gang das Haus durchmaßen und zu einem Innenhof gelangten, der von Fackeln erleuchtet war. Ihr Schein ließ die Bogengänge ringsum in tiefe Schatten fallen, und die danchal, welche aus den Wänden über den Bögen ragten, wirkten wie schwarze Finger, die sich im flackernden Licht zu bewegen schienen.

An der gegenüberliegenden Seite des Hofs sah ich ein Tor, dessen Flügel standen offen, und ich konnte schwach weitere Gebäude erkennen, wohl Stallungen und Lagergebäude. Zu beiden Seiten des Tors sah ich zwei der schwarzen Wachen al-Fuladhys mit ihren riesigen Säbeln. Der Innenhof besaß einen großen Brunnen, dessen gekachelte Umrandung schimmerte, jedoch war der artesische Springquell versiegt, das Beckenrund trocken. In dem gemauerten Kreis drängten sich furchtsam zwei Dutzend Frauen, spärlich bekleidet, aber frisiert und geschminkt – die Sklavinnen! Die meisten besaßen helle Haut, helles Haar, doch auch einige Afrikanerinnen und Inderinnen waren darunter, und eine noch immer stolz dreinblickende Frau mit Zügen, die ich nicht genau im Orient verorten konnte. Ihr Blick traf sich mit meinem, und ich war erstaunt, dass es schien, als erkenne sie mich. Es mochte aber nicht meine Person sein, die jene Regung bei der Frau auslöste. Sie erkannte vielleicht mein Schauspiel und dass ich nicht der Grausame war, als der ich mich gab. Doch wenn es ihr gelang, mich zu durchschauen, dann musste ich auf der Hut sein!

Neben dem Brunnen lauerte der ausgezehrte Zauberer mit seiner straff über die Gesichtsknochen gezogenen Haut. Sein kahler Schädel schimmerte im Flammenlicht. Ich war versucht, den Musaddas hervorzuziehen, um zu prüfen, ob die magischen Fesseln der Frauen bereits gelöst waren, doch ich konnte es nicht wagen.

Auf der anderen Seite des Brunnens stand der Mann in der dunklen Dschellaba, deren Kapuze noch immer den Kopf bedeckte und ihn wie einen mittelalterlichen Henkersknecht erscheinen ließ. Zu seinen Füßen kauerte eine Sklavin mit dunkel schimmernder Haut – und ich erkannte mit Entsetzen, dass die Farbe ihres Körpers nicht allein von ihrer Herkunft herrührte und der Glanz nicht vom Schweiß der Angst, sondern von Blut, das aus Striemen und Schnitten ihres Leibes rann. Von Abu Kurbatschs Hand ringelte sich der Natternleib der langen Peitsche.

Youssef al-Fuladhy wandte sich an mich und Halef gleichermaßen. „Ihr könnt Euch vor dem Kauf in Stimmung bringen. Doch wenn Ihr die Ware beschädigt, müsst Ihr sie auch kaufen.“ Er zeigte auf Abu Kurbatsch und dessen erbarmungswürdiges Opfer. „Oder Ihr bringt zu einem Ende, was begonnen wurde. Das ist kostenfrei …“

„Sehr entgegenkommend“, befand ich mit innerer Abscheu. „Das wird meinen Gefährten freuen.“ Ich bedeutete Halef die Erlaubnis, zu Abu Kurbatsch zu gehen, wandte mich aber al-Fuladhy zu. „Ich lege selbst keine Hand an. Der Ehrenmann beschmutzt sich nicht die Hände, sondern nutzt Auge und Ohr.“

Halef schlenderte hinüber, während er auf den Griff seiner Kurbatsch trommelte. „Das nennt Ihr eine Peitsche?“, fragte er Abu Kurbatsch. „Sie mag zwar lang sein, aber der Kenner bevorzugt eine solche wie die meine. Damit ist man näher am Geschehen.“ Nur ich vernahm den Unterton, der erkennen ließ, wie sehr Halef die Worte verabscheute. Sie verfehlten jedoch ihre Wirkung nicht. Abu Kurbatsch sah auf, und ich glaubte, seinen brennenden Blick im Dunkel der Kapuze zu spüren. Doch er wusste, dass er diese Beleidigung Halefs ertragen musste, denn dieser war in seinem Verständnis ein zahlungskräftiger Kunde wie auch ich.

Da sich Halef Zeit ließ und die Kurbatsch im Gürtel behielt, sprach ich zu al-Fuladhy. „Da wir von Waffen sprechen – einen prächtigen Säbel habt Ihr da. Ist er persisch?“

Al-Fuladhy zwirbelte ein Ende seines Schnauzbarts. „Gewiss. Ihr seid ein Mann der Genüsse – vielleicht auch der sanfteren? Der Dichtkunst und Poesie, der Erzählungen, welche nach langen Mühen auch den härtesten Mann entspannen mögen … Kennt Ihr die Legende von Arsalan?“

„Ein erbauliches Geschichtlein über geflohene Prinzessinnen, ägyptische Kaufleute und einen Thronerben, der am Ende obsiegt.“ Ich verzog das Gesicht. „Etwas süßlich.“

„Nun, das Interessante daran ist wohl der Gegenspieler, der ganz nach dem Geschmack von Männern wie uns ist: Fulad-Zereh!“

„Der gehörnte Dämon, welcher Malek Khazen, dem Feenkönig über das Land Zahrgiha, als General diente?“

„Ihr kennt die Geschichte! Ja, Fulad-Zereh diente als General, doch er fand dann seine Berufung darin, schöne Frauen zu entführen und …“

„… zu verkaufen?“

„Nun, er verschleppte sie in seinen Bau. Aber sogar ein Dämon, vielmehr noch ein Mann, kann doch nur für eine gewisse Anzahl selbst Verwendung finden …“

Ich schaute wieder auf den Säbel. „Dann ist dies also …“

Al-Fuladhy packte den Smaragdgriff und zog den Säbel, ließ die Klinge im Licht blitzen. „Shamshir-e Zomorrodnegar! Das Schwert des Dämons, welches einst König Suleiman gehörte und seinen Träger vor aller Magie schützt!“

„Und die einzige Waffe war, die Fulad-Zereh töten konnte – was Arsalan auch gelang.“

„Nun, Dämonen sind überheblich und nicht so klug wie Menschen. Ich achte sehr auf meine Klinge.“

„Ihr wollt mir tatsächlich weismachen, dies sei Suleimans und des Dämons Klinge?“ Ich gab mich nicht allzu höhnisch – und hob dann sogleich die Hand, bevor al-Fuladhy antworten konnte. „Nein, nicht mich wollt Ihr täuschen. Aber all die anderen! Um Furcht zu schüren! Und deshalb seid Ihr wohl der Beste Eurer Profession.“

„Wohl erkannt, mein Herr!“, raunte al-Fuladhy und zwinkerte. „Gewiss ist dies nur ein recht guter Säbel. Die Smaragde sind nur Glas. Aber…“ – Er deutete auf dem Griff herum. – „… nach und nach ersetze ich sie durch echte. Dieser und dieser und diese dort. Und wenn ich einen wahren Smaragdsäbel besitze, setze ich mich zur Ruhe.“

„Ein erfolgreicher Mann und ein kluger dazu“, lobte ich. „Darf ich Eure prächtige Waffe und gleichermaßen Juwelenschatulle einmal führen?“ Ich wies zu Halef, der seine Kurbatsch bereitgemacht hatte. „Ich habe gern etwas in der Hand, wenn das Schauspiel beginnt. Aber aus verständlichen Gründen bin ich an diesem Ort meiner Waffen ledig.“

„Aber gewiss!“, tönte al-Fuladhy, blickte kurz auf meine beiden Goldbeutel und reichte mir den Säbel. Er lag gut in der Hand. Und dies war das einzige Gefühl, dass sich mir mitteilte, trotz meiner jüngsten Empfindlichkeit für magische Dinge. In mir regte sich nichts. Was daran liegen mochte, dass die Waffe eben allzu irdisch und nicht magisch war. Oder daran, dass Haschim nicht in der Nähe war, der mich stets der Magie näherbrachte. Aber über solche Hintergründe durfte ich jetzt nicht nachsinnen. Stattdessen musste ich handeln – vorgeblich und tatsächlich. Ich schwang den Säbel ein wenig und blickte über den Innenhof, in die Dunkelheit hinter dem geöffneten Tor. Die Wachen blickten in die Finsternis und wussten nicht, dass sie ihrerseits beobachtet wurden.

„Ist es nicht etwas heikel, dass das Tor offensteht?“, fragte ich und ließ ein wenig Besorgnis in meine Stimme fließen.

„Aber Ihr dürft doch nicht besorgt sein! Hier gibt es keine Probleme mit Behörden wie andernorts. Und die lachhafte Konkurrenz wagt nichts – auch wegen dem, was Ihr in Händen haltet.“ Er zeigte zurück zum Haus. „Heute wird der Verkauf gut sein! Und mein Profit reichlich – neue Smaragde für Shamshir!“

„Nein. Für al-Fuladhy.“

„Für Fulad-Zereh!“, lachte der Sklavenhändler und stutzte dann. „Ich habe Euch meinen Namen nicht …“

Ich schwang den Säbel und legte die Klinge an seinen Hals. „Dennoch weiß ich, wer Ihr seid. Und wer ich bin? Ich bin Euer Arsalan!“

Al-Fuladhy wollte einen zornigen Befehl an seine Wache ausstoßen, doch es war schon zu spät. Halef stieß den Griff seiner Peitsche in die Kapuze Abu Kurbatschs. Dieser war so überrascht, dass er seinen Nilpferdziemer fallen ließ, und mit dem zweiten Stoß hatte Halef ihn auch schon betäubt, sodass er in seiner Dschellaba zu einem unordentlichen Haufen zusammensackte.

Der hagere Zauberer sprang in einem Satz zu seinem Herrn al-Fuladhy, hob die Krallenhände in einer magischen Geste gegen mich – und stutzte!

Ich lachte. „Shamshir schützt vor allem Zauber!“, rief ich höhnisch, und schon hatte Halef dem Magier seinen Kurbatschgriff über den blanken Scheitel gezogen. Auch dieser fiel besinnungslos zu Boden.

Am Tor gab es Tumult! Ein Fuhrwerk kam rasselnd zum Halt, dann prallten klirrend Klingen gegeneinander! Ich sah, wie sich die schwarzen Wächter des Sklavenhändlers im Kampf mit Lindsays schottischer Garde maßen, die ihre Pappenheimer schwangen, nein, es waren natürlich ihre schottischen Schwerter, und sie nutzen sie meisterhaft, denn die Wächter schlugen mit ihren schweren Riesenklingen fehl, während die Schotten flink auswichen und Hieb auf Hieb setzten. Ich erkannte, dass die Wächter der Karawane wohl doch nur zur Abschreckung gedient hatten und keine geschickten Klingenkämpfer waren. Was Wunder! Ihre gewaltigen Säbel mochten beeindruckend und prächtig sein, aber sie waren doch eher Henkerswerkzeuge als Kriegerwaffen! Die Schotten führten einen wahren Schwerttanz auf, wenngleich ich wohl weiß, dass es in den Highlands viel mehr Tradition ist, das auf dem Boden liegende Schwert zu umtanzen. Ich meine selbstverständlich, dass die beiden Macs – man verzeihe, ich konnte sie hier nicht unterscheiden – sich tänzergleich und elegant bewegten und ihre Breitschwerter mit dem Korbgriff nicht minder. Und schließlich hatten ihre Klingen genug Blut gezogen, dass die schwarzen Säbelriesen ihre Waffen klirrend fallen lassen mussten und gegen die Torflügel sanken.

Youssef al-Fuladhy hatte die Darbietung wütend, aber regungslos betrachtet – sie war keinesfalls nach seinem Geschmack gewesen, was nicht allein an der eigenen Klinge an seinem Hals lag. Und Halef hatte den Mann, der sich Abu Kurbatsch nannte, mit dessen eigener Nilpferdpeitsche gefesselt. Der Schinder lag noch immer bäuchlings auf dem Boden, sein Kopf von der Kapuze verhüllt. Der Peitschenriemen war lang genug, um ihm Handgelenke und Fußgelenke so zu verbinden, dass er sich nicht rühren konnte.

„Ein feiner Zeitvertreib, Sihdi!“, rief Halef halblaut und steckte den Dolch des Mannes in seinen Gürtel.

Mittlerweile war Sir David durch das Tor geschritten, hatte seine Schotten beglückwünscht und sie mir entgegengesandt, während er selbst auf die verschreckten Sklavinnen im Brunnen zuging und in unelegantem Arabisch verkündete, dass die Rettung nahe sei. Dann wiederholte er das ganze auf Englisch. Was er hernach in versuchtem Französisch von sich gab, verstand selbst ich nicht. Sein Tonfall und seine Gesten mochten aber beruhigend genug sein, dass die europäischen Sklavinnen zweifellos begriffen, was gerade geschah.

McIlroy und McMurray traten zu mir – aus der Nähe ließen sie sich leicht unterscheiden – und richteten ihre Schwerter auf Youssef al-Fuladhy, damit ich den Säbel sinken lassen konnte. Ich nahm die Goldscheide und schob den Säbel hinein.

„Ich könnte die Smaragde herausbrechen, die du mir gezeigt hast. Als Entschädigung für die Frauen“, sagte ich. „Aber das ist nicht annähernd genug.“

Ich wandte mich an die Schotten. „Fesselt den Mann. Please, me lads!“

Die beiden hoben die Brauen und feixten. Der Akzent schien mir gelungen zu sein.

Während al-Fuladhys Hände in seine Gürtelschärpe geknotet wurden, ging ich zu dem reglosen Kahlkopf hin, den ich mit meiner Finte verwirrt hatte. Auch ihn fesselte ich mit dem langen Tuchstreifen, der ihm um den dürren Leib gewunden war. Dann folgte ich einer Eingebung und verband ihm die Augen mit seinem Halstuch. Ich durchsuchte ihn nur knapp nach Messer oder Dolch, mit dem er sich hätte befreien können, fand aber nur Dinge, von denen eher Haschim wusste, wozu sie dienten. Mir schienen sie nur sonderbar, da nicht alltäglich: ein paar Münzen von fremder Form, ein Bündel kurzer rechteckiger Stäbe, ein Rollsiegel und dergleichen. Ich stopfte sie in den seltsamen leeren Beutel aus Flechtwerk, der in den Gewandfalten verborgen war.

Ich hatte bereits gehört, dass eine Stimme wechselnd in sanftem Arabisch, auch Englisch und Französisch den Sklavinnen Mut und Hoffnung zusprach. Marijke van Beverningh hatte den Hof betreten. Ich blickte auf und sah, wie sie sachte, aber zur Eile drängend, die Frauen aus dem Brunnen und zum Tor geleitete, wo die Wagen standen; Sir David assistierte ihr etwas ungelenk.

Ich blickte zurück zum Hintereingang des Hauses. Noch immer vernahm ich die leise Musik, dennoch konnte jederzeit der Gastgeber zur Auktion rufen und würde dann erwarten, dass al-Fuladhy und Abu Kurbatsch die Sklavinnen hereinbrachten. Oder er sandte nach ihnen. Bis dahin sollten wir verschwunden sein.

„Sihdi!“, rief Halef – zu laut!

Ich wandte mich um und sah Halef entsetzt auf den gefesselten Kahlkopf zeigen, der sich am Boden wand und kehlige Laute von sich gab, wobei er den Hals reckte, um die Stirn gen Himmel zu richten. Unter der Augenbinde rannen zwei Fäden Flüssigkeit heraus, die weder Tränen noch Blut waren. Ich roch plötzlich Rauch, und es schien mir, als würden die Enden der danchal, die ringsum aus den Wänden ragten, zu glühen beginnen. Dann aber stieß der Mann einen erneuten Schmerzenslaut aus. Ich wollte hinzulaufen, um wie auch immer zu helfen – da spürte ich etwas und schaute zurück. Haschim kam mit seinen beiden Beduinen aus dem Haus, noch immer klang die Musik. Haschim hatte die Hand erhoben und den Mund geöffnet, es sah aus, als habe er mir eine Warnung zurufen wollen.

Als sich unsere Blicke trafen, schaute er ein wenig erstaunt, lief dann aber an mir vorüber, wobei er mich wie flüchtig an der Schulter berührte. Ich begriff aber, dass er – etwas prüfen wollte. Dann beugte er sich rasch zu dem – nein, nicht zu dem Kahlköpfigen hinab, sondern zu der Tasche aus Flechtwerk, öffnete sie behutsam und kehrte sie rasch um. Die Münzen, die Stäbe, das Rollsiegel fielen zu Boden. Sie knisterten und – stießen einander ab, wie Magnetsteine. Der Kahlköpfige verstummte und lag still. Haschim blickte auf und deutete mahnend mit dem Finger auf mich.

„Dies dürft Ihr niemals wieder tun, Kara Ben Nemsi. Wenn Ihr wisst, dass jemand ein solcher ist, meidet seine Besitztümer. Rührt sie nicht an.“

„Aber ich habe nichts gespürt …“, begann ich.

Haschim lächelte milde. „Ihr dürft Euch nicht allzusehr auf das verlassen, an was Ihr nicht wirklich glaubt.“ Dann zeigte er auf den Smaragdsäbel. „Der falsche Shamshir hingegen … Aber das wisst Ihr ja selbst.“

Ich wog die Klinge in der Hand. Selbst in der Scheide spürte man, dass es ein guter Säbel war. Dann zeigte ich auf al-Fuladhy und Abu Kurbatsch.

„Was geschieht mit ihnen?“

„Wir nehmen sie mit“, sagte die Holländerin kalt. Das Fackellicht funkelte in ihren Augen. Sogleich schien mir der Vorschlag der Frau nicht gut – wer wusste, was sie …

Haschim hatte aus dem Hauseingang eine Öllampe geholt, zog den brennenden Docht heraus und goss das Öl in einem verschlungenen Muster auf die Gegenstände am Boden. Dann ließ er den Docht fallen. Schwache Flammen liefen über die vom Öl gezeichneten Linien und ein stechender Geruch stieg auf.

„Wir nehmen die Männer mit“, befand Haschim. „Hier werden sie zu rasch befreit. Und wir haben ausreichend Wachen.“

Ich nickte notgedrungen. Die Beduinen zerrten Abu Kurbatsch auf die Füße, nachdem Halef den Peitschenriemen mit dem Dolch des Mannes durchtrennt hatte, sodass dieser noch immer an Händen und Füßen gebunden war.

„Das war die Kurbatsch“, feixte er und wandte sich an die Beduinen. „Nehmt Abu Mehlsack und tragt ihn fort!“ Die Beduinen musterten Halef reglos. Haschim lachte leise und gab ihnen einen Wink, dann schleiften sie ihn zum Tor hinaus. Die Schotten eskortierten Youssef al-Fuladhy, indem sie ihm ihre beiden Schwerter an den Hals hielten.

Haschim nahm den reglosen Kahlkopf auf die Arme, dessen Körper dünn und leicht wie der eines Kindes schien. Ich blickte erstaunt. Haschim schaute ernst zurück. „Er wäre beinahe gestorben“, flüsterte er. „Selbst einer des Linken Pfads hat dies nicht verdient.“

Ich fühlte Schauder und Scham zugleich.

Haschim schüttelte den Kopf.

„Es ist gut. Wenn er erwacht, wird er leben, wenngleich nicht wie zuvor. Er wird nie wieder Sklavenketten führen. So ist es am Ende gleich.“

Dann trug Haschim den Zauberer zum Tor. Halef und ich blieben zurück, schauten einen Augenblick über den leeren Hof. Die Musik verstummte. Dann gingen auch wir.

Sklavin und Königin

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