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I. Zum Systemdenken im Recht

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Der Ausdruck „System“ lässt sich vom griechischen Wort „systema“ herleiten, was so viel wie „Zusammenstellung“ bedeutet.[39] Ein wissenschaftliches System ist aber mehr als eine bloße Aneinanderreihung von Gesichtspunkten: es soll das vorhandene Wissen zu einer – im besten Fall logisch strukturierten – Einheit zusammenfügen. Kant nennt das System ein „nach Prinzipien geordnetes Ganzes der Erkenntnis“.[40] Verstanden in diesem Sinne, ist das System bzw. ein systematisches Vorgehen heute kennzeichnendes Merkmal jeder Wissenschaft.[41]

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Ansätze zu juristischer Systembildung finden sich bereits in der Antike, allerdings nicht im griechischen Recht, sondern erst in Rom. Die ersten Formen juristischer Systembildung sind wohl das Ergebnis einer Rezeption der griechischen Philosophie und Wissenschaftslehre durch die römische Jurisprudenz.[42] Ciceros verlorengegangene Schrift „de jure civili in artem redigendo“ soll, so wird heute angenommen, eine Strukturierung des römischen Rechts im Geist der griechischen Wissenschaftslehre eingefordert haben. In der Praxis blieb dieser Ansatz aber weitgehend folgenlos: Die klassischen römischen Juristen orientierten sich ganz überwiegend an Einzelfällen und beschränkten sich auf eine eher „assoziative(…) Stoffanordnung“.[43]

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Die bekannteste Ausnahme ist das für Unterrichtszwecke konzipierte Institutionensystem des Gaius. Es diente der europäischen Zivilrechtswissenschaft bis in das 19. Jahrhundert hinein als Referenzwerk, und immer wieder wurde versucht, auf seiner Grundlage leistungsfähigere Systeme zu entwerfen.[44] Wichtige Etappen der „Arbeit am System“ in der europäischen Rechtsgeschichte bilden die Vernunftrechtswissenschaft der Aufklärung und der wissenschaftliche Positivismus der Begriffsjurisprudenz.[45]

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Als ein Hauptvertreter der Begriffsjurisprudenz gilt der junge Rudolf von Jhering. In den 50er Jahren des 19. Jahrhunderts postulierte er eine „naturhistorische Methode“, wonach rechtsdogmatisches Arbeiten als bloßes Konstruieren mit Begriffen gedeutet werden könne.[46] Jhering hat sich allerdings in späteren Arbeiten entschieden von dieser Ansicht distanziert und das jeweils geltende Recht als Ergebnis von Interessenkonflikten gedeutet.[47] Legt man ein solches Verständnis von Recht zugrunde, so ist auch die Systematik des Rechts grundsätzlich abhängig von den sie bestimmenden Interessen, sie ist also nicht etwa a priori vorgegeben, sondern dem historischen Wandel unterworfen.[48]

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