Читать книгу Polizeiliche Presse- und Öffentlichkeitsarbeit im digitalen Zeitalter - Jan Schabacker - Страница 7

3Public Relations aus einem Guss – oder: Warum die Trennung von Presse- und Öffentlichkeitsarbeit nicht mehr zeitgemäß ist

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Für die Polizei bedeutet die rasante Entwicklung der digitalen Kommunikation im World Wide Web ein Umdenken in ihrer strategischen Vorgehensweise in der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Themen können nicht mehr nur über einen Kanal, beispielsweise mit einer Pressemitteilung, kommuniziert werden. Das Gebot der Stunde lautet: crossmediale Kommunikation. Viele Kanäle stehen mittlerweile zur Verfügung, die nicht mehr einzeln betrachtet werden können, sondern je nach Informationen mit einheitlichen Kernbotschaften in unterschiedlichen Sprachformen bedient werden müssen. Und diese Entwicklung ist nicht abgeschlossen. Wir müssen uns darauf einstellen, dass immer neue Online-Kanäle, insbesondere im Social-Media-Bereich, zukünftig eine Rolle spielen werden. Das sollte uns aber keine Sorgen bereiten, denn wichtig ist vor allem die Erkenntnis, dass die Kernveränderung in der Kommunikation bereits vollzogen ist. Die Kernveränderung liegt in der Nutzungsmöglichkeit des World Wide Webs als globales Kommunikationsmedium für jeden, der über eine Online-Verbindung verfügt. Vor diesem Hintergrund lernen wir, crossmedial zu denken und zu handeln, Kommunikationswege zielgruppenspezifisch zu analysieren und die unterschiedlichen Kanäle entsprechend den daraus gewonnenen Erkenntnissen zu bedienen.

Warum spreche ich heute von Public Relations der Polizei und nicht mehr vom tradierten Begriff der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit? „Jede Kommunikation mit Öffentlichkeiten intendiert mehr als eine Mitteilung; sie zielt, geplant oder spontan, bewusst oder unbewusst, darauf ab, eine Beziehung zu den angesprochenen Publika zu schaffen. Jede Kommunikation mit Öffentlichkeiten ist im Prinzip Public Relations.“ (Horst Avenarius, Vorsitzender des deutschen Rats für Public Relations, 2008) Diese Definition aus der Kommunikationswissenschaft zeigt, wie breit der Begriff der Public Relations gefasst werden kann. Orientiert man sich an einer weiten Auslegung der eigenen Aufgaben, hat das für die verantwortlichen Dienststellen der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit bei der Polizei zweierlei Vorteil: Zum einen können Sie Einfluss auf jede Form der Kommunikation Ihrer Behörde mit der Öffentlichkeit nehmen, was schon deshalb sinnvoll ist, weil jede Form der Kommunikation heute geeignet ist, eine öffentliche mediale Wahrnehmung zu erzeugen. Zum anderen leistet ein Paradigmenwechsel hinsichtlich der Fachterminologie einen wertvollen Beitrag zur Beschleunigung der Veränderungsprozesse innerhalb der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Und dieser Prozess ist vor allen Dingen von einem Zusammenwachsen der bislang immer noch häufig getrennten Bereiche der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit geprägt. Auch wenn die organisatorische Anbindung vielerorts in einer Dienststelle verankert ist, zeigt allein die Trennung der Begriffe „Pressearbeit“ und „Öffentlichkeitsarbeit“, dass hier bisher gesonderte Bereiche gesehen wurden, obwohl Pressearbeit immer Teil der Öffentlichkeitsarbeit war. Natürlich benötigt ein Pressesprecher zusätzliches Handwerkszeug genauso wie ein Social-Media-Manager. Zwar sind die meisten Polizeipressestellen in Deutschland im Hier und Jetzt angekommen, setzen sich aktiv mit Social Media auseinander und versuchen aktiv, Themen crossmedial zu platzieren. Die Trennlinie zwischen Pressesprechern und Öffentlichkeitsarbeitern ist aber vielerorts noch scharf gezogen.

Selbst in Nordrhein-Westfalen, wo der Gleichklang von Social Media und Pressearbeit großgeschrieben wird, ist das traditionelle Denken des Öffentlichkeitsarbeiters und des Pressesprechers nur langsam aufzuweichen. Ein Beispiel: Die Einführung eines neuen Geschwindigkeitsmessverfahrens mittels einer sogenannten semistationären Messanlage in Nordrhein-Westfalen wurde durch die Pressestelle meiner Behörde, des Landesamtes für Zentrale Polizeiliche Dienste, mit einer Pressemeldung über Internet, Intranet und Facebook aktiv kommuniziert. Nach Vorstellung der ersten Anlage mit Beteiligung der Medien erhielt eine weitere Polizeibehörde ein solches Gerät. Ein Pressesprecher der Behörde nahm Kontakt zu mir auf und bat um weitere Informationen zu dem Thema. Ich stellte sie ihm zur Verfügung, verbunden mit der Frage, ob ich Fotos von der Anlage mitsenden solle oder ob er bereits selbst welche gefertigt habe und ob gegebenenfalls unterschiedliche Motive oder Videomaterial für Facebook und Co. gewünscht seien. Die Antwort: Er sei Pressesprecher, an Pressemitteilungen würden sie nur selten Bilder hängen und um das Internet und so weiter kümmert sich die Öffentlichkeitsarbeit.

Das Geschehen zeigt zweierlei: Zum einen war noch kein ausgeprägtes Verständnis für die Relevanz der Bilder in der modernen PR spürbar. Zum anderen aber existierte in dieser Behörde zum damaligen Zeitpunkt eine ganz klare Trennlinie zwischen Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Nun kann man sagen, dass in der sachbearbeitenden Funktion eine klare Trennung auch weiter sinnhaft ist, crossmediales Denken vielleicht eher den Leitungsfunktionen obliegen muss, da Pressesprecher und Öffentlichkeitsarbeiter sich in ihrer speziellen Ausbildung doch gravierend unterscheiden. Das stimmt sicherlich in Teilen. Der Pressesprecher verfügt über anderes Spezialwissen als der Öffentlichkeitsarbeiter. Sind auf der Sprecherseite beispielsweise besondere Ansprüche an Interviews und Statements vor Mikrofon und Kamera gefragt, spielt der Öffentlichkeitsarbeiter pointiert die Klaviatur der Online-Medien inklusive des polizeilichen Intranets. Trotzdem müssen die zu sendenden Botschaften auf den unterschiedlichen Kanälen in ihrer Intention deckungsgleich sein. Deshalb ist es auch unabdingbar, von vornherein in den Köpfen aller Protagonisten in der PR einer Behörde crossmediales Denken zu verankern. So entsteht die Möglichkeit, zeitgleich auf unterschiedlichen Kanälen zu agieren und vor allem einen Einklang des Wordings zu erreichen. Das Wording beschreibt den Sprachgebrauch, also letztendlich die formulierten Botschaften und Inhalte zu einem bestimmten Thema. Dazu kommen wir später im Detail.

Die Entwicklung eines Wordings sollte im Idealfall gemeinsam unter Einbeziehung unterschiedlicher Expertisen geschehen. So entstehen gute Ergebnisse, mit denen sich am Ende alle an der PR-Aktion beteiligten Personen identifizieren können. Letztendlich wird in Zukunft die Bedienung aller Medienkanäle aus einer Hand notwendig, aber auch möglich sein, um Personalressourcen bestmöglich zu nutzen. Dazu muss in der Ausbildung das notwendige Handwerkszeug für die gesamte PR zur Verfügung gestellt werden. Nordrhein-Westfalen spiegelt das in seiner Ausbildung bereits wider. Alle Öffentlichkeitsarbeiter und Pressesprecher erwerben in der Grundausbildung Kenntnisse über die allgemeine Öffentlichkeitsarbeit, durchlaufen aber auch ein Interview- und Schreibtraining für die Pressearbeit.

Eine große Rolle in den Public Relations spielen heute nicht nur die Texte, sondern vor allen Dingen Video- und Bildmaterial. Die Zeiten, in denen mit einer brillant formulierten Pressemitteilung die Medien, die Gesamtberichterstattung und somit die öffentliche Wahrnehmung eingefangen werden konnte, sind lange vorbei. Zu viele Protagonisten bestimmen den Stream unterschiedlicher Kanäle der Berichterstattung und lassen sich durch reines Texten nur schwer beeinflussen. Die Macht der Bilder ist jedoch um ein Vielfaches größer, sind sie doch für den Betrachter erheblich authentischer und faktischer als jeder Textbeitrag. Gelingt es, die Botschaften mit Bildern oder kurzen Videobeiträgen in den Köpfen zu verankern und das Thema für den „Kunden“ zu visualisieren, erziele ich erheblich größere Wirkung, als mit reinem Textmaterial. Der Gedanke über die Visualisierung eines Themas ist somit zwingender Bestandteil jeder Überlegung moderner PR, egal zu welchem Thema. Auch in diesem Zusammenhang müssen Presseund Öffentlichkeitsarbeiter im Idealfall eng zusammenrücken, um gemeinsam zu entscheiden: Welches Bild haben wir? Welche Bilder benötigen wir gegebenenfalls noch, um unser Thema gut aufbereitet zu platzieren?

Damit erschließen sich die Gründe, warum wir heute nicht mehr von der klassischen Presse- und Öffentlichkeitsarbeit sprechen, sondern von Public Relations der Polizei. Der Begriff ist allumfassend und schließt keinen Kommunikationsweg aus. Er symbolisiert die einheitliche Öffentlichkeitsarbeit und zieht keine Trennlinien zwischen der Pressearbeit als besonderer Form der Öffentlichkeitsarbeit und allen anderen Kommunikationswegen oder der Unterstützung von Kommunikation durch Bilder, Videos, Grafiken und Layouts. Gute PR ist heute aus einem Guss. Kernbotschaften müssen entwickelt und über unterschiedliche Kanäle an die Zielgruppen transportiert werden, gutes Bildmaterial und Videos müssen effektverstärkend die Themen visualisiert an den Kunden herantragen. Dann geschieht auch kein Bruch in der Kommunikation zwischen einzelnen Medien.

Für die polizeiliche PR bedeutet das natürlich auch gravierende Veränderungen. Denn wenn wir unsere Ziele der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit erreichen wollen, müssen wir all diese Kanäle im Blick behalten und, wenn nötig, auf ihnen auch aktiv tätig werden. Nur so haben wir die Möglichkeit, die Deutungshoheit für unsere Themen auf allen Medienkanälen zu halten und sie aktiv mitzugestalten. Schauen wir also im Einzelnen, wie die Instrumente aussehen und wie sie zu bedienen sind.

Vor dem Blick auf einzelne Werkzeuge muss aber eine für die Polizei ultimativ verpflichtende Voraussetzung für jegliches polizeiliches Handeln geprüft werden. Es sind die rechtlichen Voraussetzungen, die es auch in den Public Relations zu beachten gilt.

Merke:

Keine Trennung von Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. PR muss aus einem Guss erfolgen. Kernbotschaften werden mediengerecht aufbereitet über unterschiedliche Kanäle veröffentlicht.

Bild und Video gewinnen in der PR immer mehr Bedeutung. Texte werden weniger konsumiert, Arbeitsschwerpunkte verschieben sich.

Deutungshoheit behalten. Alle Medienkanäle müssen im Blick gehalten werden, um die Gesamtkommunikation zu verfolgen und aktiv mitzugestalten.

Polizeiliche Presse- und Öffentlichkeitsarbeit im digitalen Zeitalter

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