Читать книгу Polizeiliche Presse- und Öffentlichkeitsarbeit im digitalen Zeitalter - Jan Schabacker - Страница 9

4.1Pressearbeit: Kein Selbstzweck, sondern rechtliche Verpflichtung mit Verfassungsrang und Pfeiler unserer demokratischen Grundordnung

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Die Tatsache, dass die Pressearbeit in jeder Behörde unter allen Maßnahmen der Public Relations einen außerordentlich hohen Stellenwert genießt, hat zwei Gründe: Zum einen ist sie nach wie vor entscheidend, um im Falle medialer Krisen die Position der eigenen Behörde maßgeblich positiv zu beeinflussen. Zum anderen ist sie vor allem aber auch rechtliche Verpflichtung für alle staatlichen Institutionen und damit tatsächlich ein Grundpfeiler unseres Demokratieverständnisses. Der Rechtsanspruch der Presse auf Information und freies Handeln ist Basis unserer Demokratie. Diese Tatsache lohnt es sich immer wieder vor Augen zu führen. Nur allzu häufig erlebe ich bis in höchste Leitungsebenen, auch auf ministerieller Ebene, dass dieser Ansatz im Eifer dynamischer Kommunikationsprozesse nur wenig oder gar nicht bedacht wird. Ein Satz, den jeder Pressesprecher in diesem Zusammenhang nach langjähriger Tätigkeit deutlich mehr als einmal von gehobenen Leitungsfunktionen gehört hat, lautet: „Dazu sagen wir jetzt nichts.“ Diese Aussage ist in vielen Fällen rechtlich bedenklich, denn die Presse hat einen Anspruch auf Informationen durch staatliche Institutionen, der verfassungsrechtlich nicht höher aufzuhängen ist. Er resultiert aus Artikel 5 Grundgesetz (GG).

Artikel 5 Grundgesetz: Meinungsfreiheit

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

Um die tief greifende Bedeutung dieser wenigen Sätze für unsere demokratische Grundordnung und im Weiteren für unsere Aufgabe zu verstehen, ist es hilfreich, sich klarzumachen, in welchem Verhältnis Journalisten, und damit die Presse, und behördliche Institutionen auf Basis dieses Grundrechts zueinander stehen. Für Pressesprecherinnen oder Pressesprecher steht nur allzu häufig die Frage im Raum, warum eine gute Zusammenarbeit mit den entsprechenden Redakteuren, mit denen man sich im Grunde bei regelmäßigem Kontakt gerade im lokalen Bereich häufig ja auch gut versteht, nicht zu jedem Zeitpunkt möglich ist. Die Antwort ist relativ simpel: Die Presse übt eine Kontrollfunktion über staatliches, und damit auch über polizeiliches, Handeln aus. Insbesondere die Exekutive, und ganz besonders die Polizei, ist mit ihren beträchtlichen Eingriffsbefugnissen in die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger, bis hin zum Eingriff in das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit, eine Institution, die im demokratischen Konstrukt bedingungslos nach den Buchstaben der Gesetze und geltender Rechtsverordnungen handeln muss. Jeder durch staatliche Organisationen durchgeführte Grundrechtseingriff bedarf einer klaren rechtlichen Legitimation. Es ist Aufgabe der Presse, die Einhaltung dieser klaren Regeln zu kontrollieren, Verstöße oder Fehlhandlungen aufzudecken und der Bevölkerung so die Möglichkeit zu geben, sich über mögliche Missstände zu informieren.

Insofern ist der Journalist in der Regel geradezu auf der Suche nach Fehlern, die staatliche Institutionen begehen, auch wenn er das so offen nicht kommuniziert. Pressesprecherinnen und Pressesprecher sind in ihrem Handeln stets bemüht, die Polizei in ein gutes Licht zu stellen, sie quasi auch durch Presse- und Öffentlichkeitsarbeit zu bewerben. Das ist eine klare Interessenskollision: Während auf der einen Seite das Ziel darin besteht, ein möglichst positives Bild einer Polizeibehörde zu zeichnen, wird auf der anderen Seite, überspitzt dargestellt, permanent das Haar in der Suppe gesucht. In diesem Spannungsbogen muss das Verhältnis zwischen Behörde und Presse dauerhaft wahrgenommen werden. Mir persönlich hat das Voraugenführen dieser Situation insbesondere in medialen Krisen immer sehr geholfen, das Verhalten von Journalisten zu abstrahieren. Hinzu kommen weitere Kriterien, die den Umgang mit Pressevertretern in besonders belastenden Situationen entschärfen, aber bleiben wir zunächst bei den rechtlichen Grundlagen.

Das oben beschriebene Grundverständnis für das Verhältnis von Presse und Staat muss jeder Pressesprecher und jede Pressesprecherin für sich verinnerlicht haben. Nur dann kann die Aufgabe der Pressearbeit für eine Behörde professionell umgesetzt werden. Es ist aber nicht nur obligatorisch für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der PR-Dienststelle (so nennen wir ab sofort die Fachdienststellen für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit), dieses Rechtsverständnis für sich zu erwerben, sondern es ist zusätzlich Aufgabe der Pressesprecherinnen und Pressesprecher, auch allen Beschäftigten einer Polizeibehörde dieses besondere rechtsstaatliche Verhältnis zu erklären. Immer wieder wird in vermeintlich unbedeutenden Sachverhalten in der Zusammenarbeit mit der eigenen Behörde deutlich, dass die Kolleginnen und Kollegen, die allesamt Fachleute für bestimmte Aufgaben innerhalb der Polizei sind, über diese Expertise nicht verfügen. Das brauchen sie auch nicht, denn dafür gibt es ja eine Fachdienststelle, die mit Rat und Tat zur Seite steht. Es ist Aufgabe der Pressesprecherinnen und Pressesprecher, das besondere Verhältnis immer wieder auch denjenigen zu erklären, über deren Arbeit wir schließlich berichten oder zu deren möglichen Fehlern wir unter Umständen Stellung beziehen müssen. Auch, wenn viele die Journalisten kritisch sehen, erschließt sich ihnen bei Erklärung doch im Grundsatz die Tragweite der Aufgabe der Presse und damit auch die der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit respektive der PR der eigenen Behörde.

Auf Unverständnis stößt in diesem Zusammenhang häufig die oft als sensationsheischend und reißerisch wahrgenommene Form der Berichterstattung durch die Medien. Und auch den Pressesprecherinnen und Pressesprechern fällt es in diesem Zusammenhang oft schwer, den grundrechtlich verbrieften Auftrag der Presse zum verantwortungsvollen, kritischen Blick auf staatliches Handeln in der Berichterstattung wiederzufinden. Aber diese Bewertung hilft im Kern nicht weiter, denn über Art und Weise der Berichterstattung bestimmen die Medien selbst. Alles andere wäre tatsächlich eine konkrete Einschränkung der freien Berichterstattung und damit der Pressefreiheit. Diese Wahrnehmung leistet aber tatsächlich einen nicht unerheblichen Beitrag zum Spannungsfeld zwischen Journalisten und Behörden.


Grafik: Interessenskonflikt

Expressis verbis verlangt Artikel 5 GG die Gewährleistung der Pressefreiheit. Eine Zensur ist unzulässig. Dass die Zensur in einer Demokratie ein unzulässiges Mittel der Kommunikationsbeeinflussung ist, erschließt sich den meisten sofort. Jeder Polizeibeamte, der gefragt würde, ob Zensur durch staatliche Institutionen zulässig sei, würde ad hoc die richtige Antwort mit dem Brustton der Überzeugung geben: Selbstverständlich nicht! Aber auch dieses Thema kann in der praktischen Pressearbeit in vermeintlich unspektakulären Fällen von Relevanz sein, wenn man sich die Bedeutung dieser Aussage nicht bewusst macht.

Ein Beispiel:

Eine kostenlose Wochenzeitschrift, die durch Werbeeinlagen finanziert und in der ganzen Stadt am Wochenende an alle Haushalte verteilt wird, plant einen Bericht über die Arbeit einer Polizeileitstelle des Polizeipräsidiums. Eine Journalistin begleitet dafür eine gesamte Schicht den diensthabenden Dienstgruppenleiter. Der Bericht umfasst eine ganze Seite mit Bild und beschreibt ausgesprochen anschaulich die Arbeit dieser speziellen Dienststelle. Soweit ist aus Sicht der Pressestelle der Behörde alles bestens. Der Bericht ist auch aus Sicht der Behördenleitung gelungen und trägt zum positiven Image der Polizeibehörde bei. Innerbehördlich entsteht jedoch ein Schwelbrand in der Dienststelle, über die berichtet wurde, von dem ich als Pressesprecher erst Tage später erfahre. Der Bericht enthält folgenden Satz, an dem sich die Geister scheiden: „Der Dienstgruppenleiter lehnt sich zurück und trinkt zunächst einmal in Ruhe einen Kaffee.“ Diese Form der Darstellung löst großen Unmut bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Leitstelle aus. Man ist der Meinung, es entstünde der Eindruck, dass in ihrer Dienststelle offensichtlich durchgängig dazu Zeit wäre, in aller Ruhe Kaffee zu trinken. Eine erstaunliche Wahrnehmung, die nachweisbar in dieser Intensität offensichtlich nur bei den dort Beschäftigten so angekommen ist. Ich erkläre, bemüht, die Diskussion zu entschärfen, dass dieser Eindruck von anderen überhaupt nicht gespiegelt wurde, im Gegenteil: Die Behördenleitung sei sehr zufrieden mit dem Bericht gewesen. Doch das Verständnis für meine Worte ist nicht ausgeprägt. Und dann kommt die Äußerung eines Kollegen, die die fehlende Kenntnis über die rechtlichen Zusammenhänge deutlich belegt. „Wie kann es überhaupt sein, dass ein solcher Text veröffentlicht wird, ohne dass die Pressestelle des Polizeipräsidiums ihn gelesen und korrigiert hat?“ Treffender kann man den Akt der (hier gewünschten) Zensur nicht beschreiben. Man kann sich vorstellen, dass meine vorsichtigen Erläuterungen zu diesem Thema zunächst auf wenig Verständnis stießen. Letztendlich konnte ich aber deutlich machen, dass genau das, insbesondere unter grundrechtlichen Aspekten, absolut unzulässig ist. Die Presse ist frei in der Berichterstattung. Sie allein bestimmt, in welcher Form über Themen berichtet wird und wie sie präsentiert werden. Doch diese Einschätzung ist kein Einzelfall. Immer wieder werde ich gefragt, wie es möglich ist, dass Dinge in der Zeitung stehen, die ich quasi nicht autorisiert habe. Dann kann ich nur sagen: Weil die Presse in ihrer Berichterstattung frei ist und eine Zensur nicht stattfindet.

Zensur:

Eine zumeist von staatlichen Stellen oder Regierungen angeordnete Kontrolle der Inhalte von Druckerzeugnissen oder auch elektronischen Veröffentlichung auf unerwünschte Inhalte mit dem Ziel, selbige zu löschen oder umzuschreiben.

Im Rahmen der guten Zusammenarbeit gibt es auch Journalisten, die sich darauf einlassen, dass der Text im Vorfeld durch die Pressestelle gegengelesen wird, und in beiderseitigem Einverständnis ist das auch absolut legitim. In der Regel will der Journalist sich in solchen Fällen absichern, dass der Bericht keine fachlichen Fehler enthält. Das ist ein wirklicher Akt der vertrauensvollen Zusammenarbeit, den die Pressesprecherin oder der Pressesprecher natürlich jederzeit einzufordern versuchen kann. Man sollte dies allerdings nur in Kenntnis der rechtlichen Voraussetzung und mit der gebotenen Vorsicht tun, um das gute Verhältnis nicht überzustrapazieren. Fängt man in einem solchen Fall an, den Text stilistisch umzuschreiben oder fernab von fachlicher Bewertung neu zu formulieren, könnte das sehr schnell das letzte Mal gewesen sein, dass ein Journalist den Text oder die Textpassage vorab zur Durchsicht zur Verfügung stellt. Die notwendige Sensibilität kann hier helfen, das vertrauensvolle Miteinander zu stärken und dafür zu sorgen, auch künftig gegebenenfalls bei komplexen Themen Gelegenheit zu bekommen, vor Veröffentlichung auf einen Text zu schauen.

Regelmäßig räumen Journalisten die Möglichkeit des Redigierens bei schriftlichen Interviews ein. Hier geht es um das vermeintlich persönlich gesprochene Wort. Zumindest wird dem Leser das über den Interviewartikel suggeriert. Auch hier besteht keinerlei Verpflichtung des Journalisten, so zu verfahren. Umgekehrt besteht aber auch für die Behörde keine Verpflichtung, ein persönliches Interview zu geben. Insofern findet man hier unter den beschriebenen Vorgehensweisen zusammen, sodass beide Seiten von der Berichterstattung profitieren. In jedem Fall sollte dieses Vorgehen bei einem persönlichen Interview entsprechend eingefordert werden, um Schiffbruch auf Kosten des Interviewpartners zu verhindern.

Die Auskunftspflicht der Behörden

Die Gewährleistung der Pressefreiheit bedeutet nicht nur, dass staatliche Organe die Presse in ihrer Arbeit nicht beschränken dürfen, sondern es ergibt sich daraus auch die Verpflichtung, die Pressearbeit in der Form aktiv zu unterstützen, dass zumindest auf Nachfrage der Presse alle notwendigen Informationen zur Berichterstattung zur Verfügung gestellt werden müssen. Nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen, die abschließend in den Pressegesetzen der Länder geregelt sind, kann von der Auskunftspflicht abgesehen werden. Auch dieser Punkt sorgt häufig für Unverständnis in der Kollegenschaft. Wieso muss man diese oder jene Information zum jetzigen Zeitpunkt der Presse auf Anfrage mitteilen? Warum müssen wir zu diesem Thema Stellung nehmen? Auch diese Frage ist simpel zu beantworten: Es ist das Recht des Journalisten. Und hier schließt sich der Bogen zur Einführung dieses Kapitels: „Dazu sagen wir nichts“, ist meist nicht die probate Lösung, im Übrigen aber auch häufig dann nicht, wenn keine rechtliche Verpflichtung zur Auskunft besteht. Denn wer nichts sagt, über den wird geredet und die Deutungshoheit geht komplett verloren. Doch vorab solcher „pressetaktischer Erwägungen“ geht es hier zunächst nur um die rechtlichen Voraussetzungen und Einschränkungen.

Die Einschränkung der Pressefreiheit

Grundsätzlich ist die Behörde zu Auskünften an die Presse verpflichtet. Dieser Anspruch ergibt sich unmittelbar aus Artikel 5 (1) GG. Die Rechte aus Artikel 5 (1) GG finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

Dieser Auszug aus Artikel 5 GG schränkt die Freiheit der Presse ein. Die Einschränkung des Presserechts manifestiert sich vor allen Dingen in den Landespressegesetzen als allgemeine Gesetze, die in ihren Ausführungen hinsichtlich der Einschränkung der Pressefreiheit nahezu identisch sind. Zur expliziten Benennung der gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und des Rechts der persönlichen Ehre in Artikel 5 (1) GG gibt es unterschiedliche Auffassungen, die unter anderem die These eines eher deklaratorischen Charakters dieser Formulierung stützen, um diese schutzwürdigen Güter besonders hervorzuheben. Da aber auch diese Rechte aus meiner Sicht vornehmlich ihren Schutz in den allgemeinen Gesetzen finden, vernachlässigen wir die explizite Benennung dieser Begriffe. In der alltäglichen Arbeit ist mir bislang kein Fall begegnet, in dem die rechtliche Definition dieser Begriffe oder daraus resultierende Einschränkungen des Presserechts zu Problemen geführt haben. Ist das im Einzelnen der Fall, so muss in der entsprechenden Fachliteratur nachgeforscht werden.

In Nordrhein-Westfalen gibt § 4 Landespressegesetz die abschließende Aufzählung der Fälle wieder, in denen die Presse keinen Anspruch auf Information gegenüber staatlichen Institutionen innehat. Aus Absatz 1 ergibt sich noch einmal expressis verbis das Informationsrecht der Presse.

§ 4 Landespressegesetz NRW: Informationsrecht der Presse

(1) Die Behörden sind verpflichtet, den Vertretern der Presse die der Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgabe dienenden Auskünfte zu erteilen.

(2) Ein Anspruch auf Auskunft besteht nicht, soweit

1. durch sie die sachgemäße Durchführung eines schwebenden Verfahrens vereitelt, erschwert, verzögert oder gefährdet werden könnte oder

2. Vorschriften über die Geheimhaltung entgegenstehen oder

3. ein überwiegendes öffentliches oder ein schutzwürdiges privates Interesse verletzt würde oder

4. deren Umfang das zumutbare Maß überschreitet.

(3) Allgemeine Anordnungen, die einer Behörde Auskünfte an die Presse überhaupt, an diejenige einer bestimmten Richtung oder an ein bestimmtes periodisches Druckwerk verbieten, sind unzulässig.

(4) Der Verleger einer Zeitung oder Zeitschrift kann von den Behörden verlangen, dass ihm deren amtliche Bekanntmachungen nicht später als seinen Mitbewerbern zur Verwendung zugeleitet werden

In Absatz 1 manifestiert sich die Verpflichtung, Presseanfragen zu beantworten. Wichtig dabei: Es ergibt sich keine Verpflichtung zur aktiven Pressearbeit aus den rechtlichen Vorschriften der Pressegesetze. Immer wieder fordern Journalisten über nahezu jeden polizeilichen Sachverhalt informiert zu werden und führen dazu das Presserecht im Schilde. Das ist aber allerhöchstens dann legitim, wenn die Behörde die Veröffentlichung eines Sachverhaltes mit dem Ziel unterlässt, die Bevölkerung über einen allgemein bedeutsamen Sachverhalt im Dunkeln zu lassen. Das gilt sicherlich nicht für jeden Einbruchdiebstahl oder Verkehrsunfall. Aber: Aktive Medienarbeit ist heute aus den Polizeipressestellen nicht mehr wegzudenken. Auf der einen Seite benötigen Journalisten die Informationen der Polizei, um eine umfassende Berichterstattung über die Geschehnisse in einem regionalen Bereich überhaupt gewährleisten zu können. Auf der anderen Seite profitiert die Polizei als Lieferant der wirklich interessanten Geschichten aus dem Zuständigkeitsbereich einer Behörde natürlich auch von diesem Status. Denn die Journalisten könnten ohne die Informationen, die sie tagtäglich von den Pressestellen der Polizeibehörden erhalten, wohl keine aktuelle regionale Berichterstattung von Interesse für die Bürgerinnen und Bürger gewährleisten. Insofern können wir auch in dem Bewusstsein handeln, insbesondere für die Lokalpresse vor Ort ein überaus wichtiger Dienstleister und Informationsgeber zu sein. Aktive Pressearbeit, also das aus eigenem Antrieb ohne konkrete Nachfrage der Presse Veröffentlichen von Presseberichten über polizeiliche Sachverhalte, ist heute Alltagsgeschäft jeder Polizeipressestelle in Deutschland.

Regelmäßig bewegt die Pressestellen die Frage der aktiven Veröffentlichung, wenn beispielsweise Belange des Opferschutzes tangiert sind. Das ist zum Beispiel immer wieder bei Sexualdelikten der Fall. Auf der einen Seite steht das in vielen Fällen stark traumatisierte Opfer, dessen seelischer Schaden durch die Tat bereits immens ist und der durch eine aktive Berichterstattung, von Medien gegebenenfalls noch reißerisch präsentiert, zusätzlich verstärkt werden kann. Auf der anderen Seite handelt es sich um eine schwere Straftat, die in der Bevölkerung regelmäßig auch zum Anspruch auf umfassende Informationen führt. Schon jetzt ist klar, dass es sich um eine schwierige Rechtsgüterabwägung handelt. Dazu bewegt die Frage: Ist der Täter bekannt oder unbekannt? Können gegebenenfalls über eine aktive Berichterstattung Hinweise aus der Bevölkerung auf ihn erlangt werden, die zum polizeilichen Erfolg, nämlich zu einer Festnahme, führen? Und noch schwieriger wird es, wenn es Hinweise darauf gibt, dass der Täter einen Migrationshintergrund hat. Spätestens dann bewegen wir uns in einem hochpolitischen Minenfeld, wenn die Tat zunächst verdeckt gehalten wird, auch wenn das aus Gründen des Opferschutzes geschieht. Wenn sich bei Medien nur der Hauch des vermeintlichen Eindrucks einstellt, dass Informationen vielleicht auch zurückgehalten werden, um bestimmte politische Einschätzungen und Wertungen nicht zu befeuern, wird es für die handelnde Behörde extrem schwierig. Sie muss sich in einem solchen Fall auf entsprechende öffentliche Kritik einstellen, und häufig findet sich dann auch bei den politischen Entscheidungsträgern keine Rückendeckung mehr. Beispiele dafür gibt es aus der täglichen Pressearbeit zur Genüge. Wie geht man mit einem solchen Sachverhalt um?


Bild: Vergewaltigung auf Friedhof, „Minister kritisiert Pressearbeit“

Vor weiteren Ausführungen zu den Einschränkungen des Presserechts ist der Fall rein rechtlich betrachtet, noch relativ eindeutig einzuordnen. Aktive Pressearbeit ist nicht verpflichtend, die Behörde muss den Sachverhalt aus presserechtlichen Erwägungen also nicht veröffentlichen. Medientaktisch sollten aber weitere Überlegungen eine Rolle spielen: Welche Vorwürfe tauchen in der Berichterstattung auf, wenn die Geschichte erst später in die Öffentlichkeit kommt (Verschleierungstaktik der Behörde, politische Einflussnahme, um Ausländer nicht in ein schlechtes Licht zu rücken …)? Wie wahrscheinlich ist es, dass die Geschichte auf anderem Weg als durch aktive Pressearbeit der Polizei in die Medien gelangt (Tatort, Tatzeit, Wahrnehmung in der Bevölkerung, wie viele Personen wissen von der Tat)? Wie stark ist das Recht des Opfers auf Schutz vor öffentlicher Berichterstattung im konkreten Fall zu werten (Alter, Herkunft, individuelle Persönlichkeit)? Außerdem muss bereits hier ein weiterer wichtiger Hinweis in der rechtlichen Bewertung platziert werden, auf den ich aber auch später noch einmal eingehe: die Frage der Zuständigkeit. Herrin des Strafverfahrens ist die Staatsanwaltschaft. Ihr obliegt in solchen Fällen (je nach Absprache mit der örtlich zuständigen Staatsanwaltschaft) auch die Hoheit über Presseauskünfte. Es gibt sehr unterschiedliche Regelungen zwischen den Strafverfolgungsbehörden zur Pressearbeit. Während in vielen Behörden die Polizei autorisiert ist, bis hin zum Tötungsdelikt zunächst eigenständig Pressearbeit zu betreiben, gibt es auch Regelungen, bei denen die Staatsanwaltschaft sich bereits bei einem Raub die Pressearbeit in eigener Zuständigkeit vorbehält. Wichtig ist: Die örtlich bestehenden Regelungen müssen zwingend beachtet werden. Aber natürlich hat die Pressestelle der Polizei in einem Fall wie dem oben skizzierten auch eine Beratungspflicht der zuständigen Stelle gegenüber. Unterm Strich wird es regelmäßig zu einer gemeinsamen Veröffentlichung kommen, in der Polizei und Staatsanwaltschaft als gemeinsam ermittelnde Partnerbehörden auftreten. In der Regel erfolgen enge Absprachen zwischen den beteiligten Institutionen, bei denen die benannten Fragen auch eine Rolle spielen. Institutionen, bei denen die benannten Fragen auch eine Rolle spielen. Im Falle eines schweren Sexualdelikts mit einem tatverdächtigen Migranten sollte in die Beantwortung der aufgeworfenen Fragestellungen unabhängig von grundsätzlichen Absprachen die StA immer eingebunden werden, da hier die für die Ermittlungen verantwortliche Behörde immer mit im Boot sitzt, wenn die Medienberichterstattung Fahrt aufnimmt.

In der praktischen Anwendung dürften die einschlägigen Vorschriften aus den Landespressegesetzen zur Einschränkung der Pressefreiheit die mit Abstand größte Bedeutung der Rechtsvorschriften für die tägliche Arbeit haben. Sie manifestieren sich in Nordrhein-Westfalen in § 4 (2) Landespressegesetz NRW. Im Kern finden sich in allen Landespressegesetzen ähnliche Vorschriften, die aber von Bundesland zu Bundesland durchaus in Nuancen variieren können. Sieht die Behörde ein Problem in der Beantwortung einer Anfrage, wird sie zunächst vorrangig prüfen, ob eine rechtliche Verpflichtung zur Beantwortung der Anfrage besteht (§ 4 (1) Landespressegesetz NRW) oder ob sich aus § 4 (2) Landespressegesetz NRW ein Tatbestand ergibt, der den Anspruch auf Beantwortung verneint. In der Kurzzusammenfassung sind regelmäßig folgende Punkte vorab zu prüfen:

1. Ist ein schwebendes Verfahren tangiert und wird es gegebenenfalls durch Berichterstattung beeinflusst?

2. Werden Vorschriften der Geheimhaltung tangiert (auch VS nfD!)?

3. Werden durch eine Berichterstattung auf Grundlage unserer Auskunft öffentliche oder private Interessen tangiert?

4. Übersteigt der Umfang der Beantwortung der Anfrage das zumutbare Maß?

Kommt der handelnde Pressesprecher oder die handelnde Pressesprecherin zu dem Schluss, dass einer der Punkte greifen könnte, sollte man nun in eine tiefere Rechtsprüfung des konkreten Falls einsteigen. Hier ist es ratsam, auf entsprechende Fachliteratur und gegebenenfalls einschlägige Urteilsrecherche zurückzugreifen, um möglichst rechtssicher und damit sattelfest in der Argumentation zu handeln. Aufgrund der Komplexität und der Vielzahl unterschiedlicher Sachverhalte, die hier von Relevanz sein könnten, wird auf eine detailliertere Erläuterung der rechtlichen Vorschriften zur Pressearbeit an dieser Stelle verzichtet. Im Grundsatz muss jeder Pressesprecherin und jedem Pressesprecher klar sein: Das Anspruchsrecht der Presse auf behördliche Auskunft zu angefragten Sachverhalten ist eines der wichtigsten Rechtsgüter für den Erhalt unserer Demokratie. Die Einschränkung muss zweifelsfrei rechtlich begründbar sein. Im Zweifelsfall empfehle ich immer, den Anspruchsberechtigten besser eine knappe als gar keine Antwort zu geben. Denn eine vom Journalisten als „Totalverweigerung“ empfundene Nichtbeantwortung einer Anfrage durch eine staatliche Institution führt regelmäßig zu einem hohen negativen Emotionalisierungsgrad und gegebenenfalls auch tatsächlich zur rechtlichen Überprüfung der behördlichen Entscheidung. Mit diesem Bewusstsein und der Kenntnis über die einschlägigen Paragrafen ist jeder Lebenssachverhalt im polizeilichen Alltag der PR-Dienststellen zu bewerten.

Ausgesprochen wichtig ist bei der Bewertung, dass es hier nicht darum geht, keine Auskunft geben zu dürfen, sondern keine Auskunft geben zu müssen. Stellen wir fest, von der grundrechtlich verbrieften Auskunftspflicht aufgrund der spezialgesetzlichen Regelungen entbunden zu sein, bleiben immer noch die medientaktischen Überlegungen bestehen, wie sie bereits im Sachverhalt der Vergewaltigung beispielhaft beschrieben wurden. Unter Einbeziehung dieser Parameter kann auch der Schluss im Einzelfall naheliegen, trotz der Entbindung zur verpflichtenden Auskunft den Medien die Informationen zu einem bestimmten Sachverhalt zu geben. Dadurch dürfen natürlich andere Rechtsbereiche, wie zum Beispiel die Pflicht zur Geheimhaltung, nicht tangiert werden. Die rechtliche Prüfung zur Auskunftsverpflichtung sollte also nie medientaktische Überlegungen ausschließen.

Merke:

Die Pressefreiheit ist einer der Grundpfeiler unserer Demokratie.

Behörden sind grundsätzlich zur Auskunft gegenüber der Presse verpflichtet. Ausnahmen davon sind abschließend in den Landespressegesetzen aufgezählt.

Eine Zensur findet nicht statt. Verschriftete Interviews werden im Rahmen guter Zusammenarbeit vor Veröffentlichung durch Journalisten zur Abstimmung zur Verfügung gestellt.

Zuständigkeiten müssen beachtet werden. Herrin des Strafverfahrens ist die Staatsanwaltschaft, auch in Presseangelegenheiten.

Die rechtliche Überprüfung zur Auskunftsverpflichtung gegenüber den Medien sollte immer auch medientaktische Aspekte mit einbeziehen.

Polizeiliche Presse- und Öffentlichkeitsarbeit im digitalen Zeitalter

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