Читать книгу Wahrheit und Verschwörung. Wie wir erkennen, was echt und wirklich ist - Jan Skudlarek - Страница 11
Krisenschauspieler und mediale Echtheit
Оглавление»Das ist doch alles gar nicht echt!«, ist eine Reaktion, die heutzutage häufig anzutreffen ist. Vor allem im Internet. Oder bei Terroranschlägen und Amokläufen.
Klingt unglaublich, ist aber so.
Fast immer, sobald eine Nachricht schockierender, brutaler Ereignisse um die Welt geht, sind sie zur Stelle. Diejenigen, die »Fake!!« brüllen.
In den letzten Jahren häufen sich Kommentare, die schreckliche Ereignisse wie den Anschlag auf die Sandy Hook Elementary School oder auch das Attentat auf den Berliner Breitscheidplatz als gefälscht bezeichnen. Verschwörungstheoretiker sagen, in echt sei nichts davon passiert. Mehr noch: Die Menschen, die einem in den Medien präsentiert werden, seien gar keine echten Opfer, gar keine echten Verletzten, gar keine echten Zeugen. Das seien alles Schauspieler. Krisenschauspieler. Indem man aber diejenigen, die unter einem schrecklichen Ereignis zu leiden hatten (und vielleicht sogar gestorben sind), einer Täterschaft beschuldigt, vollzieht man eine Täter-Opfer-Umkehr oder ein blaming the victim, ein böswilliges Beschuldigen und Verhöhnen des Opfers.
Alles eine große Täuschung.
Was so absurd klingt wie die Paranoia des paranoiden Truman aus unserem Gedankenexperiment oben, ist heute weit verbreitete, bittere Realität. Im Internet wimmelt es von Menschen, die anderen Menschen vorwerfen, nur Krisenschauspieler zu sein. Menschen, die wütend werden, weil man ihnen ihrer Meinung nach etwas vorgaukelt. Menschen, die zu Mobbing und Gewalt greifen, weil sie es satthaben, andauernd von »den Mainstream-Medien« über »den echten Lauf der Dinge« getäuscht zu werden.
Aber der Reihe nach.
Was ist hier los?
Für uns, die wir – zumindest aus Perspektive vieler Verschwörungstheoretiker gesehen – noch naiv genug sind, den »Mainstream-Medien« Glauben zu schenken, steht fest: In der Welt geschehen auch schreckliche, gewalttätige Dinge wie Amokläufe und Terroranschläge. Rolle der Medien ist es, die Öffentlichkeit so verantwortungsvoll und präzise wie möglich über alle wichtigen Geschehnisse zu unterrichten. Was ist durch wen geschehen, wo, wie und bestenfalls auch: warum. Diese Berichterstattung – ob nun z. B. über das Anis-Amri-Attentat auf den Breitscheidplatz, den Massenmord durch Stephen Paddock in Las Vegas 2017 oder den 11. September 2001 – ist vielleicht nicht immer sofort zu hundert Prozent fehlerfrei (und ist auch oft im Interesse der Täter, die ohne Berichterstattung nicht bekannt werden würden). Eventuelle Fehler in der Berichterstattung ändern jedoch nichts an der Tatsache, dass die grundlegenden Informationen stimmen. Für die genannten Beispiele heißt das: Es gab einen LKW-Anschlag durch einen islamistischen Extremisten auf Weihnachtsmarktbesucher am Berliner Breitscheidplatz. Es gab einen Angriff in Las Vegas, bei dem ein Schütze mit automatischen Schnellfeuerwaffen aus einem Hotelfenster ins Publikum eines Country-Konzertes schoss. Es gab von Osama bin Laden geplante Flugzeugentführungen, die den Einsturz beider Türme des World Trade Centers herbeiführten.
Das ist die klassische Vorstellung von echten Ereignissen und von Medien, die uns wahre Nachrichten über echte Ereignisse vermitteln. Der Grundgedanke: Wir entnehmen den Nachrichten Wahres über die echte Welt. Die Medien täuschen uns nicht. Sie informieren.
So viel sollte Konsens sein, oder?
Falsch.
Verschwörungstheoretiker sehen das anders.