Читать книгу Wahrheit und Verschwörung. Wie wir erkennen, was echt und wirklich ist - Jan Skudlarek - Страница 16
Kein echtes Ende
ОглавлениеEcht und unecht liegen nah beieinander. Manchmal näher, als uns lieb ist. Durch die Blume gesprochen: Plastikpflanzen sehen echt aus, sind es aber nicht. Letztlich sind die Wörter »echt« und »unecht« Bewertungen unserer Realität. Sie sagen etwas darüber aus, was wir aus unserer Perspektive für wahr halten. Das gilt für uns als Individuen sowie für uns als Gemeinschaft. Anhand von Beobachtung und aus Erfahrung schätzen wir die Welt ein. Wie wir gesehen haben: Nicht immer richtig. Eher harmlose Fälle wie die Unsicherheit, ob es sich bei etwas um echtes Leder handelt, gehen nahtlos über in gesellschaftliche Fragen. Ist dieser Mensch vor mir der, der er vorgibt zu sein? Oder will er mich belügen? Betrügen? Das kann wie im Fall des falschen Polizisten Breivik tragische Konsequenzen haben. Deshalb ist es nicht grundsätzlich verkehrt, hier und da ein wenig misstrauisch zu sein. Auf sein Echtheits-Bauchgefühl zu hören.
Bei manchen von uns kippt ein grundsätzlich gesundes Misstrauen jedoch in einen verschwörungstheoretischen Zweifel. Bei diesen Verschwörungstheoretikern schlägt vor allem die Frage nach sozialer Echtheit hohe Wellen. Überall vermuten sie Lügner, Betrüger, Schauspieler. Sie fühlen sich von einer Medienmaschinerie getäuscht. Einer Medienmaschinerie, die auf nichts anderes ausgerichtet ist als darauf, die echte Wahrheit zu verdrehen. Diese Denkweise ist kein Randphänomen – sie ist bei Millionen von Menschen bestimmend. Die Opfer der Lügenpresse sind quasi vom Glauben abgefallen. Vom Glauben an die Verlässlichkeit der Medien, der Aufrichtigkeit ihrer Mitmenschen allgemein. Sie leben in einer feindlichen, auf Täuschung angelegten Umwelt.
Manche von ihnen macht das wütend, aggressiv. Solche Wutbürger teilen gegen jene aus, die sie vermeintlich täuschen und manipulieren. Weil man an die Hintermänner der Inszenierung nicht herankommt, werden häufig Journalisten selbst und jene zum Ziel erwählt, über die sie berichten. Menschen wie Lenny Pozner.
Der Glaube daran, dass alle Presse Lügenpresse ist, an False-Flag-Operationen mit Schauspielern oder gar an eine allumfassende Täuschung: Als Einzelner mag man darunter subjektiv fälschlicherweise leiden. Die irrtümliche Überzeugung, getäuscht zu werden, enthebt allerdings nicht ganz realer Konsequenzen. James Cohn, der Richter (vermutlich kein Schauspieler-Richter), der Lucy Richards, eine Sandy-Hook-Hetzerin, zu einer Gefängnisstrafe verurteilte, weil sie Lenny Pozner bedrohte, tat dies mit folgenden Worten:
»Dies ist die Realität und keine Fiktion. Es gibt keine alternativen Fakten.«15
Die möglichst wahre Beschreibung der Wirklichkeit ist und bleibt das übergeordnete Problem in einer unordentlichen Welt. Deshalb untersuchen wir im nächsten Kapitel, was eine verschwörerische Weltsicht bedingt, wie diese Mitmenschen ticken und was sie zu ihrer Weltsicht motiviert.