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Internet und Echtheit

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Einen wichtigen Bereich haben wir noch nicht angesprochen: digitale Echtheit. Polizisten, Diamanten und Zeugnisse müssen wir nur in Ausnahmefällen auf ihre Echtheit hin überprüfen. Doch Echtheitsfragen sind im 21. Jahrhundert durchaus Alltagsfragen, die wir uns mehr oder minder bewusst stellen. Vor allem im Internet ist Zweifeln häufig sinnvoll. Zur Medienkompetenz gehört die Beantwortung der Frage: Was lese ich da gerade? Wer spricht mit mir? Ist das Gelesene aller Wahrscheinlichkeit nach wahr?

In Zeiten von Fake News, Stimmungsmache und Propaganda ist das nicht immer einfach. Fake-Accounts treten als echte Menschen auf – und werden in Wahrheit von Agitatoren betrieben, um gezielt Stimmung zu machen. Nicht nur, dass es manche sich als Absender aufspielende Menschen hinter Fake-Accounts gar nicht gibt; oft betreiben solche Stimmungsmacher eine Vielzahl von Fake-Accounts, zwischen denen sie hin- und herwechseln. Sehr wenige aktive Nutzer sind also für sehr viele Kommentare verantwortlich. Von den social bots gar nicht zu reden, also von künstlichen Accounts, die maschinell reagieren und Meinungen zu beeinflussen versuchen.

Und noch weiter: Vermeintliche Nachrichtenseiten werden in Wahrheit nicht von Journalisten, sondern von Privatpersonen betrieben. Ein paar Bilder drauf, dem Ganzen einen wohlklingenden Namen gegeben, Webseitenstruktur imitiert – und schon glauben viele Nutzer, es handele sich um eine echte Nachrichtenseite. (Klonen kann man nicht nur Lebewesen, sondern auch digitale Infrastrukturen.)

Als Nutzer und Leser muss ich mich fragen: Was sind die Eigenschaften dieser Nachrichtenseite? Dieses Facebook-Accounts? Kann ich etwas über die Geschichte dieser Nachrichtenseite, dieses Accounts herausfinden? Postet er erst seit gestern? Auch zu anderen Themen? Wie ist der Tonfall, wird sich wenigstens im Ansatz um eine anderslautende Sichtweise bemüht? Ist alles nur emotional? Oder auch sachlich fundiert? Aus einem solchen Fragenkatalog können wir Indizien ableiten, die uns helfen, digitale Echtheit von digitaler Unechtheit zu trennen. Wer Quellen nicht nennt, Nachrichten emotionalisiert, aus Kleinigkeiten Skandale ableitet – der sollte bei uns unter Verdacht stehen, keine Quelle »echter Nachrichten« oder Informationen zu sein. Täuschungsabsichten lassen sich indirekt ableiten.

Unsere kleine Theorie der Echtheit kann also im Digitalen angewendet werden. Es geht immer darum, Eigenschaften und Geschichte einer Sache in einen Gesamtzusammenhang zu stellen.

Wahrheit und Verschwörung. Wie wir erkennen, was echt und wirklich ist

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