Читать книгу Just One Night: Gute Mädchen gibt es schon zu viele ... - Jana Aston - Страница 5

1. Kapitel

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Violet

Ich kann das.

Daisy kann es ja auch. Sie macht es ständig. Eigentlich möchte ich nicht andeuten, dass meine Schwester das Luder von uns beiden ist, aber letzten Endes ist sie das.

Ich richte meinen Blick wieder zur Hotelbar und sehe dem Fremden in die Augen. Drei Sekunden lang. Für drei ewige Sekunden starren wir uns an, ehe ich lächle und wegsehe. Diesen Tipp habe ich aus einer Frauenzeitschrift. Der Artikel hatte eine Überschrift, die in etwa lautete: Wie du in zwanzig Minuten oder weniger jeden Mann rumkriegst, den du willst. Der Drei-Sekunden-Blick und das Lächeln waren der zweite Tipp. Der dritte lautete, ihn anzusehen und sich dabei über die Lippen zu lecken. Doch ich glaube, dass das jenseits meiner Fähigkeiten liegt. Denn dabei handelt es sich schon um Verführung für Fortgeschrittene und ich bin definitiv eine Anfängerin auf diesem Gebiet.

Der erste Tipp besagte, man solle den Mann ansehen und dabei an seinen Haaren herumspielen. So dumm.

Ich hab’s trotzdem gemacht.

In verzweifelten Zeiten …

Wenn Tipp Nummer zwei nicht wirkt, gehe ich zurück auf mein Hotelzimmer. Allein.

Moment … sind diese Tipps vielleicht darauf ausgerichtet, dass man sie alle auf einmal anwendet? Hätte ich ihn drei Sekunden ansehen, lächeln und gleichzeitig noch mit meinem Haar herumspielen sollen? Vielleicht habe ich es verbockt? Ach, was soll’s. Ich meine, wie soll das überhaupt funktionieren? Als ob es wirklich nur drei Sekunden Blickkontakt bräuchte, um einen heißen Fremden dazu zu kriegen, mit mir ins Bett zu gehen. Wie soll das klappen?

Daisy wüsste es.

Manchmal hasse ich es, dass sie scheinbar immer auf alles eine Antwort hat, als hätte sie schon viel länger gelebt als ich, was definitiv nicht der Fall ist.

Ich seufze, während ich die Cocktailkirsche beobachte, die im Rest meines Drinks herumschwimmt. Ich frage mich, ob ich sie erreiche, wenn ich das Glas etwas kippe, oder ob sie einfach am Boden haften bleibt und mich wie eine Idiotin aussehen lassen würde.

Idiotin, entscheide ich.

Ich sollte um die Rechnung bitten und gehen, denn ich habe eine geschäftige Woche vor mir. Eine lange, bedeutende und mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit desaströse Woche. Daher sollte ich mir lieber eine ordentliche Mütze Schlaf gönnen, statt hier zu sitzen und Verführungstricks aus einer Zeitschrift auszuprobieren, die ich unter dem Sofa meiner Schwester gefunden habe. Aber als ich den Kopf hebe, um nach der Rechnung zu fragen, wird ein neuer Drink vor mich hingestellt.

»Von dem Typen in dem blauen Shirt«, sagt die Barkeeperin mit kurzem Blick in dessen Richtung. Dann lächelt sie mich an und zieht beiläufig eine Braue in die Höhe, ehe sie sich einem Gast zuwendet, der nach einem weiteren Drink ruft.

Heilige Scheiße, es hat funktioniert? Der dreisekündige Blick und das Lächeln haben tatsächlich gewirkt? Überrascht weite ich meine Augen, während ich zu dem Mann am anderen Ende der Bar spähe und dann wieder zu dem Drink vor meiner Nase starre. Was zur Hölle habe ich mir dabei gedacht? Was soll ich jetzt machen? Ich hätte besser den ganzen Artikel lesen sollen.

»Stört es dich, wenn ich mich zu dir setze?«

Als ich aufblicke, steht er neben meinem Stuhl, einen Drink in der Hand, den er dazu benutzt, auf den leeren Platz neben mir zu deuten. Und was war das? Habe ich da einen Akzent herausgehört? Ich glaube schon, aber so viel Glück kann ich nicht haben. Ich schlucke meine Nervosität hinunter und mustere ihn rasch von Kopf bis Fuß. Groß. Sportlich. Sein Hemd trägt er lose über ausgewaschenen Jeans. Seine Füße stecken in Lederschuhen und auf seinem Kinn ist ein Bartschatten zu erkennen. Dichtes, kurz geschnittenes und gut gestyltes dunkles Haar, dazu beeindruckend braune Augen, mit denen er mich interessiert ansieht.

»Ich hoffe, der Drink ist zu deiner Zufriedenheit.« Er nickt mit dem Kopf in Richtung meines Glases.

Oh.

Mein.

Gott.

Sein Akzent hat sich soeben bestätigt. Ich habe scheinbar den Heiligen Gral möglicher One-Night-Stands erwischt.

»Du bist Brite«, stelle ich fest und versuche, ein breites Grinsen zu unterdrücken.

»Ich werte das als ein Ja«, erwidert er, stellt sein Glas auf der Theke ab und setzt sich auf den Stuhl neben mir. Seine langen Beine muss er etwas anwinkeln, damit er seine Füße entspannt auf dem Boden abstellen kann. »Es sei denn, du hast ein Problem mit meinem Heimatland?«, fragt er nach, eine seiner Brauen in die Höhe gezogen und ein kleines Lächeln auf den Lippen.

Wisst ihr, was so toll an britischen Männern ist?

Alles.

Auch wenn ich vor ihm noch keinen getroffen habe und sie wahrscheinlich ganz genauso sind wie amerikanische Männer – aber der Akzent macht den Unterschied. Der ist das Beste. Glaubt ruhig, dass es sich dabei um ein Klischee handelt, aber mal ehrlich! Dieser Akzent ist einfach wahnsinnig scharf. Mir ist natürlich bewusst, dass er die gleiche Sprache spricht wie ich, doch die Worte klingen aus seinem Mund einfach so viel besser.

»Ich bin Jennings«, stellt er sich vor und streckt mir seine Hand entgegen, woraufhin ich mir nur knapp ein Lachen verbeißen kann.

Jennings? Das ist ganz offensichtlich nicht sein richtiger Name. Dieser Typ ist zu alt, um einen trendigen Millennial-Namen wie Jennings zu haben. Außerdem klingt er wie die britische Version von Ich nenne dir einen Fake-Namen.

Aber von mir aus, ich bin dabei. »Rose«, antworte ich und ergreife seine Hand. Er umschließt meine und streicht mit dem Daumen sanft über meinen Handrücken, anstatt mich sofort wieder loszulassen. Ich mag das Gefühl sehr. Die Wärme seiner Haut lassen in mir sofort den Wunsch aufflammen, noch ganz andere Dinge von ihm zu berühren.

»Rose«, wiederholt er und legt den Kopf ein wenig zur Seite, als würde er mir nicht glauben. Sollte er auch nicht, denn so heiße ich nicht. Aber es ist nah genug am Original und immerhin hat er mir auch nicht seinen richtigen Namen verraten, von daher ist das alles, was er bekommt. Ich sollte nicht mal hier sein, deswegen also Rose.

»Rose«, bestätige ich. »Und nein, ich habe keinerlei Probleme mit deinem Heimatland.« Ich lächle und lasse meinen Blick einen langen Moment auf seinem Gesicht verweilen. Ehrlich gesagt, bin ich sogar ein wenig anglophil. Als William und Kate geheiratet haben, bin ich extra früh aufgestanden, um mir die Übertragung im Fernsehen anzuschauen, und ich habe alle sechs Staffeln von Downtown Abbey durchgesuchtet. Zwei Mal sogar. Außerdem bin ich der Meinung, dass so ein Nachmittagstee genau meine Sache wäre, auch wenn ich bisher noch nie einen getrunken habe. »Danke für das Getränk«, sage ich und halte mein Glas hoch.

»Gern geschehen. Was genau trinkst du da eigentlich?«, fragt er und beäugt mein Glas, während er einen Schluck aus seinem nimmt. Ich glaube, er selbst trinkt Bourbon. Ein einziger Eiswürfel schwimmt in bernsteinfarbener Flüssigkeit. Sie sieht teuer aus, insofern ich den Preis seines Getränks mit einem Blick beurteilen kann. Dass der Kerl in einem unscheinbaren Hotel am Flughafen so nobel wirkt, muss wohl an seinem britischen Akzent liegen.

»Ein Champagner-Cocktail«, antworte ich und werde rot. Das ist ein komischer Drink, aber ich mag ihn.

»Ah«, erwidert er und selbst dieses halbe Wort klingt durch seinen Akzent gleich viel besser. »Ist das ein beliebtes Getränk in diesem Land?«

Ist es nicht.

Aber Halt. Das weiß er ja nicht, oder?

»Sehr sogar.« Ich nicke. Wow. Wer hätte gedacht, dass ich eine so gute Lügnerin bin? Die Woche wird vielleicht doch nicht so schlimm wie erwartet. »Also, was führt dich nach Washington?«, frage ich und wechsle damit rasch das Thema. Ich fahre mit dem Finger den Rand meines Glases entlang und überlege, ob ich das hier wirklich durchziehen kann. Andererseits – es ist eine großartige Gelegenheit, oder nicht? Er ist perfekt, wirkt an mir interessiert und ich werde ihn nie wiedersehen. Um mich wieder in den Sattel zu schwingen, könnte ich mir außerdem kein besseres Szenario ausmalen. Oder ein anderes Pferd. Ein echtes Vollblutpferd, das außerhalb meiner Liga spielt, ich aber definitiv gern reiten würde.

»Die Arbeit«, antwortet er. »Und dich?«

»Ebenso.« Ich winke ab. »War langweilig«, ergänze ich lächelnd und verdrehe die Augen.

»War langweilig, ja«, stimmt er zu und sieht mich an, ehe er seinen Blick auf meine Lippen senkt.

Ich spüre, wie ich erröte, und muss schlucken. »Bist du für eine Weile in der Stadt?«

»Was meinst du mit eine Weile, Rose?« Er lacht und nippt an seinem Drink, während er mich beobachtet.

»Ähm, vielleicht vier Tage?« Ich habe keine Ahnung, wie lang er auf seinem Businesstrip sein wird, aber das klingt zumindest gut.

»Auf jeden Fall werde ich keine zwei Wochen in Amerika sein.«

Perfekt.

Ich sehe auf seine Hände und schaue nach, ob er einen Ring trägt. Ich mag ihn gern dafür benutzen, um mein Sexleben aufzupolieren, aber einen Fremdgeher will ich dabei nicht unterstützen.

»Was ist mit dir, Rose? Wo bist du zu Hause, wenn du nicht in diesem Hotel übernachtest?«

Schmerzliches Thema. »Hier und da.« Auf der Couch meiner Schwester, aber das sage ich nicht. Ich bin viel zu alt, um keine eigene Wohnung zu haben und zwischen verschiedenen Jobs hin- und herzupendeln. Also erzähle ich ihm auch hundertprozentig nichts davon. Stattdessen lächle ich und genehmige mir einen großen Schluck meines Getränks. In dieser Woche geht’s sowieso ums Bluffen.

»Hier und da?«, hakt er mit hochgezogener Augenbraue nach und legt den Kopf schräg. Na toll. Jetzt denkt er vermutlich, dass ich für einen One-Night-Stand nicht gefestigt genug bin. Ich muss die Unterhaltung in eine andere Richtung lenken.

»Wo, hast du gesagt, lebst du?«, frage ich und ergänze ratend: »London?« Denn ja, meine Geographiekenntnisse sind so herausragend, dass London die einzige Stadt in England ist, die mir auf die Schnelle einfällt.

»London, ja«, bestätigt er, wobei er mich weiter unverwandt ansieht. »In Mayfair. Hertford Street.« Ich bin mir ziemlich sicher, dass er so genau antwortet, um zu betonen, wie vage ich mich ausgedrückt habe. Tja, Pech gehabt.

»Das klingt schön.«

»Ja?« Er lächelt mich an, als würde ich ihn amüsieren. Ich trinke einen weiteren Schluck und starre die Kirsche auf dem Boden meines Glases an. Die letzte ist mir durch die Lappen gegangen, als die Barkeeperin mein fast leeres Glas durch den Drink von Jennings ersetzt hat.

»Ich mag dein Hemd«, versuche ich es mit einem zweiten Themenwechsel. »Ist es eine Spezialanfertigung?«

»Was meinst du damit? Ob es maßgeschneidert ist?« Er schüttelt den Kopf und lacht. »Nein.« Er hält inne und betrachtet sein Hemd. »Dieses Hemd hier ist nicht maßgeschneidert.« Die Pause zwischen seinen Worten sorgt dafür, dass ich mich frage, ob seine anderen Hemden maßgefertigt sind. Er wirkt schon ziemlich schick, aber wer lässt sich seine Hemden schon auf Maß schneidern? Niemand, den ich kenne, das ist auf jeden Fall sicher.

Ich werde abgelenkt, als eine Schar von Kindern, die offenbar zu einem Fußballteam auf Reisen gehören, durch die Lobby zum Fahrstuhl läuft. Aufgeregte Rufe, wer mit wem in einem Zimmer schläft und über ein Treffen am Hotelpool, hallen durch die Räumlichkeiten.

»Es wird ganz schön laut hier drinnen«, sage ich und sehe zum Eingang der Lobby, durch den die Kinder längst verschwunden sind. Das stimmt nicht, nicht wirklich. Aber ernsthaft, wie willst du sonst von den Drinks zum Sex kommen? Wie?

»Hm«, murmelt Jennings, den Blick wieder auf mich gerichtet.

»Möchtest du irgendwo hingehen, wo es ein wenig ruhiger ist?«, schlage ich vor.

Er hält in der Bewegung inne, das Glas schon halb an den Lippen, und sieht mich überrascht an. Scheinbar bin ich echt schlecht in dieser Sache. Hat meine Schwester also doch recht? Argh. Es tut weh, so was auch nur zu denken. Gott, bewahre mich davor, es jemals laut aussprechen zu müssen. Meine Schwester hat selten recht, aber in diesem Fall hat sie es vielleicht. Möglicherweise bin ich nicht dazu in der Lage, etwas wie das hier über die Bühne zu bringen.

»Du kommst ja direkt zum Punkt, was?« Er grinst. »Ich dachte, du würdest noch zwei weitere Runden an Drinks herumdrucksen, ehe du bereit wärst.«

Bereit? Meint er bereit für Sex? Ich mustere wieder die Kirsche in meinem Glas und zwinge mich dann, zu ihm aufzublicken. Ich sehe ihn drei Sekunden lang an, ehe ich spreche. Hat ja schließlich vorhin auch gewirkt, oder? »Hör zu, ich bin eine sichere Nummer«, sage ich mit einem leichten Schulterzucken und wende den Blick ab, nur um ihn dann gleich darauf wieder anzusehen.

»Ist das so?« Seine Miene lässt deutlich erkennen, wie amüsiert er ist.

Nein, bin ich nicht. Das war ich auch noch nie. Aber ich war vorher auch noch nie Rose, von daher zur Hölle damit – heute Nacht bin ich es.

»Ja«, bestätige ich, wobei mehr Selbstbewusstsein in meiner Stimme mitschwingt, als ich tatsächlich empfinde.

»Hm«, sagt er wieder und meine Güte, sein Gemurmel ist das Heißeste, was ich je gehört habe. Er hält mein Glas schräg und fischt mit seinen langen Fingern die Kirsche heraus. Dann hält er sie mir hin und ich öffne den Mund und nehme sie. Mit der Zunge umspiele ich seine Finger, als ich mit den Zähnen die süße Frucht aus seinem Griff befreie. Ich lasse die Kirsche über meine Zunge rollen und sehe meinem Gegenüber in die Augen, mich fragend, wie es jetzt weitergeht.

»Na, dann lass uns gehen, oder?«

Oh Scheiße. Ich schlucke die Kirsche runter und mache mir für einen Moment Sorgen, dass sie in meiner Kehle stecken bleibt und ich würgen muss. Habe ich gerade wirklich einem Wildfremden gesagt, ich sei eine sichere Nummer?

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