Читать книгу Die Schimäre von Fouesnant - Jean-Pierre Kermanchec - Страница 12

Kapitel 10

Оглавление

Dan Cromwell fuhr, zwei Stunden vor der Verabredung mit dem Besitzer des Wohnmobils, an die Trévignon. Der Mann hatte ihm den Ort beschrieben, an dem er sich mit ihm treffen wollte, um das Geld und das Mädchen gegen seine Beweise der Entführung auszutauschen. Dan hatte sich den Ort auf einer Karte bereits genau angesehen und wollte die Stelle vor dem Treffen persönlich in Augenschein nehmen. Er fand den beschriebenen Feldweg, der an den wenigen Häusern vorbei zum See führte.

Der Weg war zu gefährlich. Würde er auf diesem Weg zum See gehen, könnte ihn der Mann, hinter einem Haus versteckt, erschießen. Dan Cromwell war ein vorsichtiger Mann und war dadurch bereits so manchem Komplott entgangen. Dan fuhr an dem beschriebenen Weg vorbei und steuerte den Parkplatz von Kerouini an. Von hier aus würde er den Übergabeort von der anderen Seite erreichen. So würde er einem eventuellen Überraschungsangriff aus dem Weg gehen.

Der Parkplatz war zu dieser frühen Morgenstunde menschenleer. Er stellte seinen Rover ab, faltete die Karte zusammen und steckte sie ins Handschuhfach. Dann nahm er seine Pistole zur Hand, prüfte das Magazin und steckte sie ein. Im Osten war ein schmaler orangeroter Streifen zu erkennen. Es würde nicht lange dauern, dann würde die Sonne den Morgennebel über dem See durchdringen. Es war eine herrliche Landschaft, die sich hier am Meer erstreckte. Vereinzelt waren erwachende Vögel zu hören. Ganz deutlich war das Quaken der Enten zu vernehmen und krächzende Schreie von Möwen. Dan bewegte sich vorsichtig am Schilfgürtel entlang, um nicht in Sumpf oder Morast zu treten. Gummistiefel wären angebracht gewesen, dachte er als der Boden unter seinen Füssen gluckste. Er hatte die Stelle des Treffpunktes erreicht und sah sich nach einem Versteck um. Aber im Schilf konnte er nichts finden. Er ging wieder ein Stück zurück. Dan sah auf die Uhr, es war noch fast eine Stunde Zeit bis zum vereinbarten Meeting.

Er setzte sich an eine ausgewählte Stelle, von der aus er einen guten Überblick über den Treffpunkt hatte. Seine Hand fuhr instinktiv über sein Jackett und fühlte nach der Pistole. Er sah wieder auf die Uhr. Die Zeit verging nur langsam. Es waren jetzt noch knappe zehn Minuten. Noch konnte er niemanden sehen. Dan fixierte das einzige Haus, das er von seinem Platz aus sehen konnte und von dem er wusste, dass der Mann um das Haus herumgehen musste, um zur Wiese zu gelangen. Er achtete auf Motorengeräusche. Er konnte nichts hören. Langsam näherte sich der Zeiger der Uhr dem avisierten Zeitpunkt. In zwei Minuten müsste der Mann erscheinen. Immer noch hörte er keinerlei Motorengeräusche. Zweifel stiegen in ihn auf. Würde der Entführer überhaupt erscheinen? Er konnte doch nicht provozieren wollen, dass Dan sich an die Gendarmerie wandte. Warum erschien er nicht? Oder war er vielleicht schon angekommen, so wie er? Dan wurde unruhig. Konnte es sein, dass der Entführer auch seit über einer Stunde zwischen dem Schilfrohr stand und auf ihn wartete? Wenn er wirklich dort stand, was hatte er vor? Dan stand auf und schlenderte, scheinbar lässig, zum Treffpunkt.

Wie aus dem Nichts tauchte jetzt am oberen Ende der Wiese eine Gestalt auf. Eine Gestalt, die in einen langen schwarzen Umhang mit einer Kapuze gehüllt war. Die Gestalt kam langsam auf den Treffpunkt zu. Dan sah weder einen Koffer noch eine Waffe in seiner Hand. Die beiden Männer näherten sich und Dan konnte inzwischen in das Gesicht eines Mannes um die vierzig sehen. Im Abstand von ungefähr drei Metern blieb er stehen.

„Haben Sie das Geld und das Mädchen?“, fragte Dan.

„Das Geld habe ich in meinen Taschen, das Mädchen ist in Sicherheit. Sie erfahren den Fundort, wenn Sie ihren Teil der Abmachung einhalten“, antwortete der Mann.

Dan hatte sich das Treffen so nicht vorgestellt. Er wollte sehen, ob Kate noch am Leben war.

„Woher soll ich wissen, dass Kate noch lebt?“, fragte er den Mann.

„Woher soll ich wissen, dass Sie ihr Wort halten? Wir müssen uns schon gegenseitig vertrauen“, antwortete er und sah Dan ruhig an.

„Gut, geben Sie mir das Geld, dann sehen wir weiter“, sagte Dan und beobachtete genau, was der Mann jetzt tat.

„Sie scheinen sehr vorsichtig zu sein. Darf ich das Geld aus meiner Tasche nehmen?“, fragte der Mann ohne den Blick von Dan zu lassen.

„Ich bitte darum“, erwiderte Dan und verfolgte die Bewegungen des Mannes. Seine eigene Hand näherte sich langsam der Jacketttasche. Die Bewegung entging seinem Gegenüber nicht. Der griff langsam in die beiden Taschen des schwarzen Umhangs und zog jeweils einen Umschlag zur Hälfte heraus. Dan sah die weiße Farbe der Umschläge.

Dan entspannte sich etwas, ließ die Hände seines Gegenübers aber nicht aus den Augen. Blitzschnell zog der plötzlich die rechte Hand aus dem Umhang, der Umschlag fiel zu Boden und Dan sah in den Lauf der Pistole. Er kam nicht mehr dazu, seine eigene aus der Tasche zu ziehen. Dan Cromwell hörte den lauten Knall nicht, er sackte zusammen und fiel ins Gras. Der Schuss hatte sein Herz getroffen und ihn auf der Stelle getötet. Seine Vorbereitungen waren unzureichend gewesen. Kate Sullivan würde nicht mit ihm nach England zurückfahren.

Der Schütze sah sich nach einem Versteck für die Leiche um. Der Schuss hatte mehr Lärm gemacht als er erwartet hatte. Es war noch früh am Morgen, da könnte ein solcher Knall die Leute wecken. Seine Augen glitten über die Wiese und über den See, er konnte niemanden sehen. Was war das? Ein kurzes Aufblitzen streifte sein Auge. Er sah auf die andere Seite des Sees. Dort stand eine Gestalt hinter einem Strauch, die auf einem Stativ einen Fotoapparat mit mächtigem Teleobjektiv schwenkte. Jemand hatte ein Foto von ihm gemacht. Er würde aus der Entfernung darauf nicht zu erkennen sein. Zudem war sein Gesicht durch die Kapuze verborgen. Er würde sich jetzt schnell entfernen und darauf hoffen, dass sich die Person ebenfalls bald entfernte.

Ohne sich um die Leiche zu kümmern überquerte er die Wiese und verbarg sich hinter dem Haus, dessen Fensterläden verschlossen waren. Er nahm an, dass die Besitzer abwesend waren. Dann wartete er bis sich die Gestalt auf der anderen Seite auch vom See entfernte. Nach kurzer Zeit verließ die Person die Stelle. Er lief schnell zurück, zog die Leiche über das Gras und schob sie in den Schilfgürtel. Jetzt war sie nicht mehr sofort zu sehen. Er müsste feststellen, um wen es sich bei dem eventuellen Zeugen handelte und entsprechend überlegen, ob es Handlungsbedarf gab. Er ging schnell zu seinem Peugeot, stieg ein und fuhr los. Es gab nur drei Orte, an die sich die Gestalt begeben haben konnte. Der nächstgelegene Parkplatz war an der Route de Kerouini, die anderen beiden an der Route de Loc´k Vring oder in der Allée des Phoenix.

Er hatte den Platz an der Route de Kerouini schnell erreicht. Nur ein Fahrzeug stand auf dem Parkplatz, das Auto des Engländers. Er fuhr zum zweiten Parkplatz, einen Kilometer weiter entfernt. Der Platz war leer! Die Person, die ihn fotografiert hatte, könnte auch unmöglich schon bis zum zweiten Platz gekommen sein. Auch auf dem dritten Platz war kein Fahrzeug zu sehen. Die Person hatte ihren Wagen vielleicht am Maison du Littoral abgestellt. Warum war sie dann aber in die entgegengesetzte Richtung gegangen? Wie Schuppen fiel es ihm von den Augen. Die Person war überhaupt nicht zu einem Fahrzeug gegangen, sie hatte sich auf den Weg um den See gemacht. Sie wollte den gleichen Weg nehmen, den der Engländer genommen hatte! Ein Lächeln huschte über sein Gesicht. Er verließ den Parkplatz an der Allée des Phoenix und fuhr zurück. Vor der Kreuzung zum Maison du Littoral blieb er stehen. Dort stand ein Clio. Er brauchte jetzt nur noch zu warten, bis der ungebetene Zuschauer zu seinem Auto kam. Dann wüsste er Genaueres.

Die Schimäre von Fouesnant

Подняться наверх