Читать книгу Die Schimäre von Fouesnant - Jean-Pierre Kermanchec - Страница 9
Kapitel 7
ОглавлениеAnaïk und Monique hatten ihre Büros erst vor wenigen Minuten erreicht als Anaiks Telefon klingelte. Anaïk nahm den Hörer ab.
„Pellen-Bruel“, meldete sie sich knapp.
„Madame La Commissaire?“, fragte die Stimme.
„Ja, Pellen-Bruel, police judiciaire“, wiederholte sie.
„Madame La Commissaire, wir haben einen Notruf von einer Madame Swana Roué aus Fouesnant erhalten. Ein Mann hat versucht, in ihr Haus einzubrechen. Als wir eingetroffen sind, ist der Mann bereits verschwunden gewesen. Madame Roué hat uns ein Foto zeigen können, auf dem eine vermummte Gestalt abgebildet ist, die einen Revolver oder eine Pistole in der Hand hält. Auf dem Boden vor ihm ist eine Leiche zu erkennen gewesen. Wir denken, dass das ein Fall für die police judiciaire ist“, schloss Dunvel Burel seine Ausführungen.
„Hat die Frau Ihnen gesagt, wo sie die Aufnahme gemacht hat?“
„Ja, die Aufnahme hat sie an der Pointe de Trévignon aufgenommen“, antwortete Dunvel.
„Wir sind schon unterwegs! Nennen Sie mir bitte noch die Adresse“, sagte Anaïk. Sie notierte die Angaben und verließ das Büro.
„Monique, es gibt vielleicht eine Augenzeugin für den Mord. Wir müssen nach Fouesnant!“, rief Anaïk und ging weiter zur Treppe.
Monique eilte Anaïk sofort hinterher.
Die Gendarmen waren noch bei Swana Roué als die beiden Frauen in Fouesnant eintrafen.
Dunvel ging auf die Kommissarinnen zu und begrüßte sie.
„Sie sind aber schnell hier gewesen! Ist die Aufnahme von Bedeutung für Sie?“
„Und ob! Wir haben am Morgen eine Leiche an der Trévignon gefunden und sind auf der Suche nach dem Mörder. Da sind Bilder des Mörders natürlich von Interesse.“
„Auf dem Bild kann man das Gesicht des Opfers nicht erkennen, vielleicht kann die Kriminaltechnik mehr aus der Aufnahme herausholen“, meinte Dunvel und reichte Anaïk den Ausdruck.
Anaïk betrachtete das Bild kurz, dann ging sie zu Swana und stellte sich der jungen Frau vor.
„Sie haben einen Mord an der Trévignon beobachtet?“, fragte sie.
„Ich bin davon ausgegangen, dass es sich um einen Mord handelt. Ich habe die Vögel beobachtet und sie fotografiert. Plötzlich ist ein Schuss gefallen und die Vögel sind aufgeflogen. Ich habe meinen Fotoapparat gedreht und Bilder von dem Mann aufgenommen. Zuhause habe ich mir die Bilder angesehen und bin im Begriff gewesen, der Gendarmerie die Fotos zu senden. Da habe ich auf der Terrasse Geräusche gehört. Ich habe mich zum Fenster geschlichen und dieselbe vermummte Gestalt gesehen, die ich an der Trévignon fotografiert habe. Daraufhin habe ich die Gendarmerie angerufen und um Hilfe gebeten. Der Mann muss mich verfolgt haben, sonst hätte er ja nicht wissen können, wo ich wohne.“
„Das würde heißen, dass der Unbekannte gesehen hat, dass Sie die Fotos gemacht haben. Und das bedeutet, dass Sie in Gefahr sind solange wir den Täter nicht festgenommen haben.“
„Weil ich den Mann beobachtet hatte, konnte ich sehen, dass sich der Vermummte über die Wiese entfernt hat und den Leichnam liegen gelassen hat. Ich habe meine Sachen eingepackt und bin rund um den See gegangen, um nachzusehen, ob der Mann wirklich tot ist oder ob ich Hilfe holen muss. Als ich aber an der Stelle angekommen bin, ist von dem Opfer nichts mehr zu sehen gewesen. Das ist doch seltsam.“
„Sie haben sich in akute Gefahr gebracht. Wenn der Mörder Sie beobachtet hat, dann musste er noch in der Nähe gewesen sein als Sie auf der Wiese angekommen sind.“
„Darüber habe ich nicht nachgedacht.“
„Er muss zurückgekommen sein als Sie ihren Beobachtungsplatz verlassen haben. Wir haben die Leiche des Ermordeten zwischen dem Schilfrohr gefunden. Das bedeutet, dass der Täter die Leiche versteckt hat als Sie bereits aufgebrochen waren, um den See zu umrunden“, meinte Anaïk.
Swana Roué wurde bleich bei dem Gedanken, dass der Täter sie auf der Wiese beim Loc´h Coziou ebenfalls hätte umbringen können.
„Dürfen wir jetzt die restlichen Fotos sehen, die Sie aufgenommen haben?“, fragte Anaïk die junge Frau.
Swana gab ihr eine SD-Karte mit den Originalaufnahmen.
„Das erste Mal, dass wir Fotos von einem Mord erhalten“, meinte Monique und betrachtete das Bild.
„Jetzt überlegen wir uns, wie wir Sie schützen können. Ich gehe davon aus, dass der Täter Sie bestimmt nicht in Ruhe lassen wird. Sie sind eine Augenzeugin und damit eine Bedrohung für ihn“, spekulierte Anaïk.
„Aber wenn Madame Roué eine Gefahr für ihn darstellt, wieso hat er sie dann nicht sofort auf der Wiese angegriffen, er hat sie doch gesehen?“, fragte der Gendarm Dunvel Burel die Kommissarinnen.
„Eine gute Frage, die ich Ihnen leider auch nicht beantworten kann. Vielleicht wollte der Mörder herausfinden, wo Madame Roué wohnt. Vielleicht war er aber auch mit der Beseitigung der Leiche beschäftigt und wollte sich nicht zeigen. Aus der Entfernung war er mit seiner Kapuze nicht so leicht zu erkennen“, meinte Anaïk.
„Jedenfalls müssen wir Sie schützen“, fuhr Anaïk fort.
„Vielen Dank, ich glaube, dass ich in meinem Haus recht sicher bin. Außerdem gehe ich davon aus, dass der Unbekannte jetzt weiß, dass die Polizei informiert ist, so dass er sich eher in Gefahr bringt, wenn er mir zu nahekommt. Ich benötige keine weitere Bewachung“, bedankte sich Swana für das Angebot.
Diese Ansicht teilte Anaïk nicht, sie war der Meinung, dass die Frau immer noch in Gefahr war. Warum hatte der Vermummte Swana Roué nicht am Tatort angegriffen? Was wollte er jetzt in ihrem Haus? Konnte es sein, dass er etwas anderes suchte und nicht wegen der Fotos zu ihr gekommen war?
Anaïk bat die Gendarmen, mehrmals am Tag am Haus von Swana Roué vorbeizufahren. Falls sie auffällige Fahrzeuge entdecken sollten, könnten sie bei Madame Roué nachfragen, ob alles in Ordnung sei. Anaïk verabschiedete sich von der jungen Frau und hinterließ zur Sicherheit ihre Visitenkarte. Sie bat Sie, bei Auffälligkeiten sofort anzurufen. Dann fuhr sie mit Monique zurück ins Kommissariat.
„Wir sehen uns jetzt alle Bilder an. Vielleicht entdecken wir ja etwas, was uns bei der oberflächlichen Betrachtung entgangen ist. Warum hat der Mörder Madame Roué am See nicht getötet? Warum hat er sie verfolgt? Nur um herauszufinden, wo sie wohnt?“, grübelte Monique.
„Vielleicht ist ja auch etwas in ihrem Besitz, was er unbedingt haben möchte. Würde er sie töten, ohne die Möglichkeit gehabt zu haben ihr Haus zu durchsuchen, liefe er Gefahr, dass die Polizei den Gegenstand, das Bild oder was auch immer findet“, räsonierte Monique.
„Da ist etwas dran, Monique. Vielleicht ging ihm überhaupt nicht um die Beobachtung vom Morgen. Aber was könnte Madame Swana Roué von ihm besitzen? Ein Foto? Ein Bild auf dem er deutlich zu sehen ist?“
Monique war mit der SD-Karte zu Robert gegangen. Robert Gallic leitete die Kriminaltechnik der police judiciaire. Sie hofften, dass Robert aus den Aufnahmen wichtige Details herauslesen könnte.
Anaïk trat vor die leere Pinnwand. Sie heftete das erhaltene Bild an. Darüber schrieb sie mit großen Buchstaben MÖRDER. Dann notierte sie den Namen des Opfers, das Kennzeichen seines Fahrzeugs und weitere bisher vorhandene Informationen.
Dann sah sie sich das Handy von Monsieur Cromwell an, das Dustin ihr gegeben hatte. Sie fand insgesamt fünf Kontaktdaten im Speicher. Wie Dustin schon gesagt hatte, gehörten alle Nummern Personen, die auf der Insel ihren Wohnsitz hatten. Anaïk legte das Handy zur Seite und wandte sich wieder der Pinnwand zu.
In dem Moment klingelte das Mobiltelefon von Dan Cromwell. Im Display erschien der Name SULLIVAN, den hatte sie gerade eben unter den Kontakten gefunden. Anaïk nahm ab und meldete sich.
Der Mann am anderen Ende nannte seinen Namen und fragte auf Englisch, ob er mit dem Apparat von Dan Cromwell verbunden sei. Anaïk bestätigte das.
„Sie sprechen mit der Kriminalpolizei von Quimper in der Bretagne. Sie haben die Nummer von Dan Cromwell gewählt. Mister Cromwell ist in der Bretagne getötet worden“, erklärte sie ihrem Gesprächspartner.
„Dan Cromwell ist tot?“, fragte Tom Sullivan mit ängstlicher Stimme.
„Mister Sullivan, können Sie mir sagen, in welcher Verbindung Sie zu Mister Cromwell stehen?“, fragte Anaïk.
„Dan Cromwell ist von mir beauftragt worden, meine Tochter zu finden. Meine Tochter Kate ist seit einigen Wochen verschwunden. Sie hat in Spanien einige Tage Urlaub verbracht und ist von dort nicht wieder zurückgekommen. Die spanische Polizei hat nach ihr gesucht, jedoch ohne Ergebnis. Daraufhin habe ich Dan Cromwell beauftragt, meine Tochter zu suchen. Er hat mir regelmäßig berichtgegeben, aber seit einigen Tagen habe ich nichts mehr von ihm gehört. Deshalb möchte ich ihn jetzt erreichen.“
„Mister Sullivan, hat Mister Cromwell erwähnt, wo er ihre Tochter suchen wollte?“
„Ja, er hat mir gesagt, dass er auf dem Campingplatz in Spanien eine Spur aufgenommen hat. Er hat von einem Wohnmobil gesprochen, der Marke Hymer PremiumLine. Der Fahrer hat unüblicherweise am Vorabend des Verschwindens meiner Tochter Kate den Campingplatz verlassen. Normalerweise fahren die Camper erst am Morgen los.“
„Sie sagen, dass Mister Cromwell diesen Mann aus der Bretagne kommend vermutet hat?“
„Ja, er hat gesagt, dass der Platzwart ihm die Eintragung im Gästebuch gezeigt hat. Dort ist der Name, ich glaube es war Tosser, und die Zulassungsnummer des Wohnmobils notiert gewesen. Die Nummer gehörte zum Finistère. Daher hat Dan Cromwell sich sofort auf den Weg in die Bretagne gemacht.“
„Haben Sie die Zulassungsnummer des Fahrzeugs notiert?“, fragte Anaïk.
„Ja, ich habe die folgende Zulassungsnummer bekommen: 27 QCDE 71 und die Nummer 29 des Départements. Der Besitzer soll ein Martin Tosser aus Fouesnant sein.“
Tom Sullivan buchstabierte den Namen der Ortschaft. Dann gab er Anaïk noch die Adresse.
„Haben Sie einen Erpresserbrief erhalten? Oder hat ein Entführer Geldforderungen an Sie gerichtet?“, fragte Anaïk.
„Überhaupt nicht, niemand hat sich bei mir gemeldet! Haben Sie mich nicht verstanden? Meine Tochter ist verschwunden.“
„Das habe ich schon verstanden, aber in der Zwischenzeit hätte ja vielleicht eine Nachricht eintreffen können. Aber haben Sie vielen Dank für die Informationen Mister Sullivan, das hilft uns weiter. Sollten wir noch Fragen haben, dann melden wir uns wieder.“
Tom Sullivan gab Anaïk noch seine Anschrift und Telefonnummer. Anaïk nahm ihre Notizen, ging zurück zur Pinnwand und notierte sich die Punkte. Der Fall bekam plötzlich eine neue Wendung. Nachdem Sie die Zulassungsnummer unter den Namen Tosser geschrieben hatte, ging sie an ihren Computer und gab diese Nummer ein. Ihr Erstaunen war groß als sie feststellte, dass unter der Nummer 27 QCDE 71 kein Eintrag existierte. Die Nummer war gefälscht. Sie wechselte ins Personenregister und suchte nach einem Martin Tosser. Auch den konnte sie in Fouesnant nicht finden. Sowohl der Name als auch die Zulassungsnummer waren also erfunden.
Anaïk informierte Monique über die Entwicklung.
„Wenn unser Toter einem Entführer auf der Spur gewesen ist, könnte der sein Mörder sein. Aber wie hat er den Mann gefunden? Du hast doch gerade gesagt, dass Name und Kennzeichen gefälscht sind.“
„Er muss eine Möglichkeit gefunden haben und die müssen wir auch finden“, meinte Anaïk und ging zurück in ihr Büro.