Читать книгу Schwertbruder - Jennifer Roberson - Страница 10

4

Оглавление

Die Reise nach Julah verlief insgesamt ereignislos, bis auf eine gelegentliche uncharakteristische Zurschaustellung der Unsicherheit von Seiten des Hengstes, wenn der weiße Wallach ihn ansah. Dels Pferd war ein ruhiger, gleichmütiger Vertreter seiner Art, zufrieden damit, endlos dahin zu trotten, wobei der Kopf am Ende seines gesenkten Halses einschläfernd wippte – wenngleich Del behauptete, er trotte nicht, sondern sei schlichtweg das sanfteste Pferd, das sie je geritten hätte. Ich war mir nicht sicher, ob ich dergleichen noch kannte, da der Hengst jede Gangart vergessen hatte mit Ausnahme einer sehr vereinnahmenden, die mich an einen Mann mit Durchfall erinnerte, den er einzuhalten versuchte, bis er eine Latrine fand. Wenn diese Gangart ihn hinter Dels Wallach brachte, was häufig geschah, brach er in einen Trimmtrab aus, um ihn einzuholen und erneut seine Überlegenheit zu behaupten. Der Wallach blieb unbeeindruckt. Ich ebenfalls.

Julah war die typische Wüstenstadt mit quadratisch geschnittenen Gebäuden aus Adobeziegeln mit Flachdächern, tief liegenden Fenstern und zerfetzten Sonnensegeln in engen, staubigen Straßen. Aber hier gab es viel Wasser, sodass Julah gedieh. Mit der Absicht, uns zu erfrischen, bevor wir anderen Schwerttänzern begegneten, machten wir an einem Brunnen am Rande der Stadt halt und stiegen ab, um die Eimer hochzuziehen. Wir füllten die Pferdetröge, ließen unsere Pferde trinken, löschten dann erst unseren eigenen Durst und füllten die Botas wieder auf. Die Jahreszeit war noch nicht so weit fortgeschritten, dass die Hitze unerträglich gewesen wäre, aber andererseits hatten wir die Punja auch noch nicht erreicht. Dort gab es nur eine Jahreszeit: die heiße.

Del feuchtete den Saum ihres Burnus an und wischte sich damit den Staub vom Gesicht. »Heute Abend nehme ich das Bad.« Und dann: »Wie viele Schwerttänzer werden wohl hier sein?«

Ich wischte mir mit dem Handrücken Wasser vom Kinn und erkannte, dass ich mich rasieren musste, bevor wir in die Punja gelangten. »Oh, einige.«

»Dann sollten wir nicht länger bleiben als nötig.«

»Wir werden gleich morgen früh aufbrechen. Inzwischen werden wir uns zurückhalten – bis auf einen Besuch in Fouads Cantina.«

»Zu Fouad hineinzumarschieren, wo sich jederzeit ein halbes Dutzend betrunkene Schwerttänzer aufhalten könnten, erscheint mir absolut nicht zurückhaltend.«

»Vielleicht. Aber wir wussten, wem wir gegenüber stünden, wenn wir hierher zurückkämen.«

Del schwieg. Sie hatte nicht mit mir gestritten, als ich gesagt hatte, ich wolle nach Hause zurückkehren – wir hatten uns geeinigt, dass Skandi, auch wenn meine Eltern von der Insel stammten, keine Berechtigung als Zuhause besaß –, aber sie hatte ganz ruhig erklärt, dass es für einen Mann, der durch genau die Ehrenkodexe, denen er entsagt hatte, zum Tode verurteilt war, überaus töricht wäre, so zu handeln. Die bloße Tatsache, dass sie nicht gestritten hatte, erschien mir allerdings bedeutend. Vermutlich erinnerte Del sich daran, dass auch sie aus ihrem Heimatland verbannt war, und verstand, wie sehr ich es brauchte, in meine Heimat zurückzukehren. Anders als Del war ich nicht wirklich verbannt. Ich unterstand keinem Todesurteil, wenn ich wieder in den Süden zurückkehrte. Oh, man würde versuchen, mich zu töten, aber das hatte nichts mit Verbannung zu tun. Nur mit gebrochenen Schwüren.

Auf meine Veranlassung hin warteten wir bis Sonnenuntergang, bevor wir Fouads Cantina betraten. In der Zwischenzeit hatten wir unsere Unterbringung in einem nur leicht verrufenen Gasthaus mit einem winzigen Stall in einer angrenzenden Gasse geregelt und am Stand eines Straßenhändlers gegessen. Die Gerüche und Düfte des gewürzten, wenn auch zähen Hammelfleischs, der brutzelnden Paprika und des scharfen Ziegenkäses hatten mich sofort wieder in die Zeit zurückversetzt, bevor wir nach Skandi aufgebrochen waren. Ich bin mir nicht sicher, ob Del das so sehr schätzte, da sie einen erleseneren Geschmack hatte – oder zumindest behauptete sie das –, aber mir vermittelte es das Gefühl, zu Hause zu sein. Schließlich führte ich Del zu Fouads Cantina, die von den rauchenden Talgkerzen auf jedem kleinen, von Dolch- und Schwertnarben gezeichneten Holztisch nur mäßig beleuchtet war. Ich wählte einen Tisch in der am weitesten von der Tür entfernten Ecke, ein fensterloses, von einer erlöschenden Kerze in eiserner Wandhalterung rauchverhangenes Plätzchen. Als wir Stühle gefunden hatten, auf die wir unsere Hinterteile platzieren konnten, beugte ich mich vor und blies die tropfende Kerze aus. Düsterkeit senkte sich über uns.

»Oh, gut«, bemerkte Del, während sie Brotkrümel vom Tisch wischte. »So kann ich leicht erkennen, in wen ich mein Schwert versenken soll.«

»Wir werden in niemanden Schwerter versenken, Bascha.«

»Nicht einmal in Fouad?« Del schien wirklich auf die Tatsache konzentriert, dass mein Freund uns verraten hatte.

»Nicht sofort«, belehrte ich sie. »Vielleicht als Nachtischunterhaltung.«

Fouad, Besitzer meiner Lieblingscantina, war ein kleiner, ordentlicher, flinker Mann, der seine Gäste bereitwillig lächelnd willkommen hieß. Obwohl er viele Schankmädchen hatte – Silk bediente in unserer Ecke, obwohl sie mich offensichtlich noch nicht erkannt hatte –, genoss er es, Neuankömmlinge persönlich zu begrüßen. Er näherte sich dem Tisch mit einem forschen Gruß in südlicher Sprache und bot uns das Beste an, was seine Cantina zu bieten hatte.

In dem trüben Licht, in Rauch gehüllt, mein Haar überwiegend geschoren, mit doppelten Silberringen in den Ohren und dem blauen, tätowierten Flechtwerk am Haaransatz war ich für ihn auf den ersten Blick eindeutig ein Fremder – wie ich es gehofft hatte. Aber Del war wie immer Del, und kein lebender Mensch, der sie auch nur einmal gesehen hatte, vergaß, was oder wer sie war.

Oder mit wem sie reiste.

Fouad hielt jäh in seiner überschwänglichen Begrüßung inne. Er sah uns an. Um ein Haar wäre ihm das Kinn heruntergesackt.

Er war hilfreicher Weise in meiner Reichweite stehen geblieben. Ich erhob mich, trat meinen Stuhl zurück, beugte mich nahe zu ihm und schlug ihm auf freundschaftliche Art mit einer Hand auf die Schulter. »Fouad!« Ich schloss die Hand und umfasste seine Schulter so fest, dass ein schmerzvolles Zusammenzucken seine erschreckte Miene ablöste. »Setz dich zu uns, ja? Es ist lange her.« Ich schob ihn zu meinem leeren Stuhl und drängte ihn, sich zu setzen. »Wir haben vieles nachzuholen, meinst du nicht?«

Er zitterte. Das sah Fouad gar nicht ähnlich. Aber andererseits – so wirkte Verrat.

Ich zog mir einen anderen Stuhl heran und ließ mich darauf nieder. »Also, was gibt’s Neues? Nachrichten von Sabra?«

Fouad warf Del einen Blick aus weiß geränderten Augen zu und sah dann wieder mich an. Die Forschheit war aus seiner Stimme gewichen. »Es heißt, sie wäre vermutlich tot.«

Ich wölbte eine Augenbraue. »›Es heißt?‹ Es ist nicht sicher?«

»Sie ist verschwunden.« Seine dünne Stimme war eine komplizierte Mischung von Empfindungen. »Einige behaupten, ein Sandsturm hätte sie erwischt oder ein Raubtier, oder die Vashni. Aber Abbu Bensir sagt etwas anderes.«

Ich grinste. »Das sieht Abbu ähnlich. Er hat immer eine gute Geschichte auf Lager. Also, was hat Abbu über Sabra gesagt?«

»Dass du sie getötet hast.«

»Das hat er nicht getan.« Das kam von Del, die niemals zuließ, dass eine gute Geschichte der Wahrheit in die Quere kam. »Sabra ist aus eigener Torheit gestorben.«

Tatsächlich war Sabra gestorben, weil sie Hand an ein Jivatma gelegt hatte, das zu der Zeit durch Magie äußerst verfälscht gewesen war, von einem Zauberer erfüllt, der unbedingt hatte hinausgelangen wollen. Was ihm gelungen war. Leider war das Gefäß, das er sich für seine Freiheit erwählt hatte – Sabra –, viel zu schwach gewesen, um ihn aufzunehmen. Aber der Begriff »Torheit« fasste das alles vermutlich leidlich zusammen.

»Und wann war der gute alte Abbu zuletzt hier?«, fragte ich beiläufig.

Fouad hatte aufgehört zu zittern. Sein Gesicht nahm wieder Farbe an. Wir waren stets Freunde gewesen, und vermutlich erinnerte er sich daran. Aber er blieb wachsam. Und schuldbewusst. »Vor Wochen«, sagte er. »Er hält sich jetzt nördlich von hier auf, wie ich gehört habe.«

Nun, zumindest würde ich mich nicht sofort mit Abbu Bensir auseinander setzen müssen. »Aqivi?«

»Für mich Wasser«, sagte Del.

Dadurch bekam er etwas zu tun. Er sprang lieber auf, anstatt Silk herbeizurufen.

»Dieses Mal«, sagte ich gelassen, »lass das Betäubungsmittel weg.«

Sein Gesicht verkrampfte sich. »Ich werde zuerst aus euren Gläsern trinken, wenn ihr wollt.«

Ich war bereit abzuwinken, da ich wusste, dass ich meinen Standpunkt klargemacht hatte, aber Del war weniger versöhnlich. »Tut das«, sagte sie in einem Tonfall, der die Temperatur im Raum merklich senkte. »Und Ihr werdet an diesem Tisch bleiben. Lasst die Getränke bringen.«

Kurz darauf verbeugte sich Fouad mit einer Hand am Herzen vor ihr und bat dann Silk, die sich in der Nähe aufhielt und nun, wo sie mich erkannt hatte – Silk war stets eine meiner Favoritinnen gewesen und ich, wie sie sagte, einer ihrer Favoriten –, meine Aufmerksamkeit zu erregen versuchte, Wasser, Aqivi, Brot und Käse zu bringen. Dann sank er wieder auf seinen Stuhl. Er wirkte älter als zu dem Zeitpunkt, da wir die Cantina betreten hatten.

Ich wartete.

Er atmete tief und scharf ein und ließ den Atem dann mit einem hilflosen Laut wieder ausströmen. »Sie hätte mich getötet, wenn ich ihr nicht gehorcht hätte.«

»Natürlich hätte sie das getan«, stimmte ich ihm zu.

»Ich habe sie gebeten, mich nicht dazu zu zwingen.«

»Natürlich hast du das getan.«

»Ich habe gebetet ...«

»Das reicht«, fauchte Del. Sie sah mich an. »Beabsichtigst du, ihn zu töten, oder soll ich es tun?«

Blutdürstige, nordische Bascha. Ich lächelte und ließ es zu, dass Fouad erneut zu schwitzen begann. Als das Wasser und der Aqivi eintrafen – und Silk verscheucht worden war –, goss er beides ein und kostete auch beides. Del drehte ihren Becher betont um, sodass ihr Mund den Rand nicht dort berühren würde, wo seiner ihn berührt hatte. Ich nahm den Aqivi einfach hoch und trank einen Schluck.

Lange Übung hielt mich davon ab zu würgen. Lange Abstinenz – zumindest vom Aqivi – ließ eine Feuerlinie von meiner Kehle durch die Speiseröhre in den Bauch brennen. Aber da ich der berüchtigte Sandtiger bin, zeigte ich es nicht. Ich nahm einfach einen weiteren großen Schluck.

Del furchte kurz die Augenbrauen, nahm aber dann fast augenblicklich wieder eine ausdruckslose Miene an.

»Also.« Ich grinste Fouad umgänglich an. »Du hast unseren Wein auf Sabras Geheiß und aus Angst um dein Leben mit einem Betäubungsmittel versetzt. Ich habe mich, arglos wie ein Lamm, auf die Suche nach jemandem begeben und bin in die Falle getappt, die du mit aufzustellen geholfen hast. Del wurde inzwischen – ebenfalls betäubt – Umir dem Unbarmherzigen übergeben, um in seine Sammlung eingereiht zu werden.« Umirs des Unbarmherzigen Geschmacks war nicht Frauen zugeneigt, sondern ungewöhnlichen Objekten. Er galt nicht deshalb als unbarmherzig, weil er selbst besonders blutdürstig war, sondern weil er alles tun würde, um zu bekommen, was er wollte. Selbst wenn er andere anheuern musste, um für ihn zu morden. »Anscheinend hat Del das Gefühl, dass das, was du getan hast, die Hinrichtung verdient. Aber ich bin großzügiger. Was schlägst du vor, das ich tun soll?«

Fouads Tonfall war eine sorgfältig bemessene Mischung aus Resignation, Anregung und Hoffnung. »Es vergessen?«

Ich erstickte fast an einem Mundvoll Aqivi. Del, weitaus weniger belustigt, starrte ihn finster an.

Fouad wirkte auf seinem Stuhl plötzlich kleiner und seufzte tief. »Nein, vermutlich nicht.«

»Wir hätten getötet werden können«, sagte Del.

»Nein!«, rief Fouad aus. »Mir wurde versichert ...« Er brach ab und schwieg dann, als hätte er erkannt, wie lächerlich lahm seine Ausflüchte klangen. »Nun«, sagte er schließlich, »so war es. Ich bin nur ein einfacher Cantina-Besitzer, kein Schwerttänzer, der analysieren kann, was eine Drohung und was Aufrichtigkeit ist.«

»Du hast in der Vergangenheit genug analysiert«, erinnerte ich ihn. Fouad war stets eine ausgezeichnete Informations- und Auslegungsquelle gewesen.

Er debattierte darüber, ob man sich zu Schmeichelei bekennen oder sie ganz vermeiden sollte. In seinem gelben Gewand schrumpfte er noch weiter zusammen.

»Also«, sagte ich, »denkst du wirklich, dass sie uns nicht getötet hätten ...«

»Und sie haben es nicht getan!« Fouad, der einen springenden Punkt entdeckt hatte, setzte sich nun aufrechter hin. »Seid ihr nicht hier? Sitzt ihr nicht vor mir, esst mein Brot und meinen Käse und trinkt meinen Alkohol?«

»Wasser«, erklärte Del, auf ihren Becher deutend. »Aber ja, in diesen Punkten gebe ich Euch Recht: Wir leben in der Tat und sitzen vor Euch. Essend und trinkend. Ob das Eure Absicht war oder nicht.«

»Ich wollte nicht, dass ihr sterbt! Niemand von euch!« Er schaute von Del zu mir und wieder zu Del. »Warum sollte ich? Ich hätte keinen Nutzen von eurem Tod. Ich wollte nur meinen verhindern.«

»Was hat sie dir gezahlt?«, fragte ich.

»Nichts!«

Del war eindeutig skeptisch. »Nichts?«

»Sie hat mir mein Leben gelassen«, erklärte Fouad. »Ich hänge irgendwie an meinem Leben und fand die Bezahlung unter den gegebenen Umständen ausreichend. Obwohl mir andere darin zweifelsohne nicht zustimmen würden.« Er sah mich an, erwartete eindeutig eine Reaktion. Dann furchte er die Stirn. »Du siehst ... anders aus.«

»Das bewirkt ein erfülltes Leben«, erwiderte ich ernst. »Besonders wenn du an einen blutdürstigen weiblichen Tanzeer verkauft wirst, die dich dafür bestrafen will, dass du ihren Vater getötet hast, trotz der Tatsache, dass der besagte Vater langsam auf glühenden Kohlen geröstet gehörte.« Da es Aladar gewesen war, der mich in seine Minen geworfen und mich fast meine geistige Gesundheit gekostet hatte, fühlte ich mich zu meiner Haltung berechtigt.

Fouad errötete. Er starrte angestrengt auf die Tischplatte. »Ich bin nicht stolz darauf.«

»Oh, das ändert die Dinge«, sagte Del mit feiner Ironie.

»Ihr würdet dasselbe tun!«, rief er. Und erinnerte sich dann jäh daran, mit wem er sprach. Mit zwei Schwerttänzern, die das Leben anderer – und ihr eigenes – verteidigten, ohne Zuflucht zu solch feigen Taten wie dem Versetzen des Weins mit Betäubungsmitteln zu nehmen.

Er atmete rascher. »Was wollt ihr dann? Mich töten?« Er hielt inne. »Wirklich?«

Ich lächelte sanft. »Zwei Drittel der Cantina.«

Del warf mir einen scharfen Blick zu, da sie in meinen Plan nicht eingeweiht war. Fouad entging das, da er vollkommen mit dem Ausmaß meiner Rache beschäftigt war.

Ich hob einen Zeigefinger, bevor er protestieren konnte. »Du hättest dich Sabras Forderung verweigern können.«

»Sie hätte mich getötet!«

»Das könnten wir auch tun«, erinnerte ich ihn. »Obwohl wir dir wenigstens die Gefälligkeit erweisen würden, dich persönlich zu töten, anstatt einen völlig Fremden für diese Aufgabe anzuheuern.« Ich umschloss die Cantina mit einer Geste. »Zwei Drittel, Fouad. Ein Drittel für dich, ein Drittel für mich, ein Drittel für Del.«

Del trank bewusst noch etwas Wasser, um ihre Nachdenklichkeit nicht zu zeigen. So verlaufen Verhandlungen. Selbst wenn man nicht wirklich verhandelt, sondern nur informiert.

Fouad glaubte es nicht. Zumindest klang seine Stimme ungläubig. »Ihr wollt Cantinabesitzer sein? Hier? Aber ... aber ihr seid Schwerttänzer!«

»Ich wäre tot, wenn Sabra Erfolg gehabt hätte«, sagte ich grob. »Aber ich bin überaus lebendig und bereit, dich am Leben zu lassen ... falls wir zu einer gerechten Einigung kommen.« Ich schnitt ihm das Wort ab, bevor er erneut reden konnte. »Und nein, ich will nicht den Wirt spielen oder dir vorschreiben, welche Vorhänge du ans Fenster hängen sollst, oder dass Del als Schankmädchen arbeiten soll.« Ich konnte mir denken, was sie später zu dieser Vorstellung sagen würde. »Ich dachte an eine stille Teilhaberschaft.«

»Ich erledige alle Arbeit, und ihr streicht zwei Drittel des Gewinns ein«, sagte Fouad verdrossen.

»Es freut mich, dass du die wichtigsten Einzelheiten erfasst hast.«

»Für wie lange?«, fragte er.

»Wie lange?«

»Wie lange muss ich das hinnehmen?«

»Was, planst du bereits, Abbu oder jemand Ähnlichen anzuheuern, um mich zu beseitigen?«

Fouad war bestürzt. »So etwas würde ich niemals tun!«

Woraufhin er sich daran erinnerte, dass er, während er genau das nicht getan hatte, tatsächlich zu der Falle beigetragen hatte, die sehr wohl mit meinem Tod hätte enden können.

»Zwei Drittel«, sagte Del fest. »Vier Mal im Jahr zahlbar.«

Ich nickte mit ernster Würde. Fouad verzog das Gesicht.

»Und ich hätte vielleicht eine Idee für die Vorhänge«, fügte sie hinzu.

Ein Messer im Bauch wäre für ihn wahrscheinlich weniger schmerzlich gewesen. Aber schließlich erklärte er sich mit äußerst verdrießlicher Miene einverstanden.

»Gut«, sagte ich. »Und was die Laufzeit betrifft, so ist es eine lebenslänglich geltende Vereinbarung. Wenn ich sterbe, bekommt Del mein Drittel. Wenn sie stirbt, bekomme ich ihr Drittel.«

Ich hatte Fouad eine Lücke verschafft. »Und wenn ihr beide sterbt? Ihr seid immerhin Schwerttänzer. Schwerttänzer sterben.«

Ich trank den Rest von meinem Aqivi und strich dann müßig über die Krallenspuren in meinem Gesicht. »Ich habe vor, ewig zu leben.«

Fouad sah mich an. Er sah es. Seine Lippen teilten sich. »Dein Finger«, sagte er rau.

Ich zeigte beide Hände. »Meine Finger«, erklärte ich. »Wie ich bereits sagte, hatte ich ein erfülltes Leben.«

Er war bestürzt. »Hat Sabra das getan?«

»Das? Nein.« Ich wurde nicht ausführlicher, was ihn in Verlegenheit brachte.

»Aber ... kannst du tanzen?«

Ich spürte Dels Blick, erwiderte ihn aber nicht. »Stell mich auf die Probe.«

Fouad war von meinen fehlenden Fingern widernatürlich fasziniert. Ich sah ihm an, wie er darüber nachdachte, sein Wissen um meine Vergangenheit und meinen Ruf auf die Gegenwart anwandte und alles, was sie beinhaltete. Er bemerkte nun genauer das geschorene Haar, die doppelten Ohrringe – und was auch immer sonst man vielleicht sehen würde, wenn man mich jetzt betrachtete.

»Ich habe gehört ...« Er hielt inne und räusperte sich. »Ich habe ein Gerücht darüber gehört, dass du Sabra überlebt hättest. Dass du erklärt hättest ...«

»Elaii-ali-ma«, half ich ihm aus, als er ins Stocken geriet. »Du verkaufst schon seit Jahren Getränke und Frauen an Schwerttänzer. Du weißt sehr gut, was Elaii-ali-ma bedeutet.«

Er wusste es. »Entsagung.«

»Und jeglicher Bestrafung unterworfen, die ein Schwerttänzer – natürlich nur einer, der sich noch immer getreu an die Schwüre hält – mir auferlegen will.« Ich zuckte die Achseln. »Also könntest du vielleicht in den Genuss meines Drittels des Gewinns gelangen, wenn es dazu kommt. Eines Tages.«

»Sie werden dich töten, Tiger.«

»Vielleicht«, stimmte ich ihm zu. »Vielleicht auch nicht.«

Sein Blick ruhte auf meinen verstümmelten Händen, die zu verbergen ich mir nicht die Mühe machte. »Das ist schlimmer«, sagte Fouad hohl. »Schlimmer als alles, was Sabra vielleicht getan hätte.«

»Möglicherweise. Aber es enthebt dich nicht deiner Verantwortung.« Er besaß den Anstand zusammenzuzucken. »Sie wollte meinen Tod, Fouad. Daher habe ich, ob Finger oder nicht, dabei einiges mitzureden.«

Fouad war nicht überzeugt. »Sie werden dich töten.«

Ich gönnte ihm mein freundlichstes Grinsen. »Oder bei dem Versuch sterben.«

»Warum?«, fragte Del später in dem winzigen Zimmer des Gasthauses hoch oben unter dem Dach. Ein gleichermaßen winziges Fenster – ein in die dicken Lehmziegelwände geschnittenes, schiefes Viereck – sorgte für fahl sepiafarbenes Licht, als die Sonne unterging und von den Messingschnallen unserer Habe abstrahlte.

Ich wusste es besser, als dass ich gefragt hätte, was sie meinte. »Wegen der finanziellen Sicherheit.« Ich streifte meinen Burnus ab.

Auf dem Bett aus Seilen und Holz mit dem dünnen Stroh und der noch dünneren Decke ausgestreckt, beobachtete Del, wie ich im Dhoti methodisch die Figuren absolvierte, die meiner Kraft, Wendigkeit und Ausdauer förderlich waren. Ich hatte mich die meiste Zeit meines Lebens auf eine natürliche Quelle reiner physischer Stärke, Kraft und Schnelligkeit verlassen können, ohne etwas für deren Erhalt tun zu müssen. Sie waren einfach. Nun aber brauchte ich mehr.

»Du wolltest ihn nur einfach nicht töten.«

Sie klang so empört, dass mir ein kurzes Lachen entwich, während ich mich von einer Seite auf die andere beugte. »Fouad ist ein Freund.«

»Ein Freund, der dich verraten hat.«

»Auf Sabras Beharren hin.« Ich spürte, wie sich meine Wirbelsäule streckte und die Knochen knackten. »Es war recht schwer, sich ihr entgegenzustellen, wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hatte. Hoolies, selbst ich wollte tun, was sie verlangte.« Im Kreis sterben, mit Abbu Bensir als Gegner.

»Aber du hattest eine Wahl.«

Ich verschränkte die Hände hinter dem Kopf und drückte ihn gegen den Widerstand nach hinten. »Sicher. Ich habe allen meinen Schwüren als Schwerttänzer des siebten Grades entsagt. Ich wüsste nicht, dass Cantina-Wirte mir bekannte Eide leisten. Obwohl es natürlich eine Art Geheimgesellschaft geben könnte, die all den verborgenen Machenschaften des Verkaufs von Alkohol und des Anheuerns von Schankmädchen geweiht wäre.«

Del hatte sich auf einen Ellenbogen gestützt. Nun richtete sie sich ganz auf. »Da wir gerade von Schankmädchen sprechen – du hast mich erwähnt ...«

Ich unterbrach sie, bevor wir uns auf diese Linie einschossen. »Gewiss nicht.«

»Gewiss doch«, sagte sie trocken. »Du hast auch etwas darüber erwähnt, dass Fouad Schankmädchen an Schwerttänzer verkauft.«

»Nun, vermutlich wäre ›vermieten‹ die genauere Bezeichnung.«

»Und du hast auch welche ›gemietet‹, wie ich annehme?«

»Nein«, erwiderte ich kurz angebunden. »Keine von ihnen hat mich jemals angeheuert.«

Nach einem Moment des verblüfften Schweigens sagte Del etwas höchst Deutliches in der Hochlandsprache.

Ich wechselte hastig das Thema. »Willst du Fouad wirklich töten?«

»Nein. Aber ich will wissen, warum du uns mit einer Zwei-Drittel-Besitzerschaft einer Cantina belastet hast.« Sie hielt nachdenklich inne. »Es sei denn, du erwartest, dass es dich dazu berechtigt, kostenlos Aqivi zu beziehen.«

»Nun, das tut es. Könnte eine gewisse Geldersparnis bedeuten.« Ich zuckte wiederholt unnatürlich die Achseln und lockerte die vom Hals zu den Schultern verlaufenden Muskeln. »Es ist keine Belastung, Bascha. Wir müssen nur viermal im Jahr vorbeischauen und unseren Anteil an den Gewinnen abholen.« Glücklicherweise hatte sich Fouad dazu bewegen lassen, uns einen Vorschuss zu gewähren; nachdem wir die Pferdeunterbringung, die Menschenunterbringung und etwas zu essen arrangiert hatten, brauchten wir Geld, um das alles zu bezahlen.

»Aber warum, Tiger? Du hast bisher noch nie Interesse daran gezeigt, Eigentum zu besitzen. Und eine Cantina?«

»Ich mag Cantinas.«

»Nun, ja, du verbringst genug Zeit darin ... aber warum eine besitzen?«

»Das sagte ich dir bereits. Wegen der finanziellen Sicherheit.« Ich beendete meine Lockerungsübungen und wandte mich zu ihr um. »Ich bezweifle, dass ich in nächster Zeit Aufträge als Schwerttänzer annehmen werde. Ich bin sozusagen verbannt.«

Del war verdutzt. »Du hast mir erzählt, du wolltest die Schule deines Shodo wiederaufbauen. Alimat. Und Schüler annehmen.«

»Das tue ich. Aber das setzt voraus, dass Schüler zum Ausbilden da sein werden und dass sie Geld haben werden, um mich zu bezahlen. Wir müssen einiges anschaffen, Bascha. Fouads Cantina wird zumindest die Unkosten decken.« Ich sah sie spöttisch an. »Ist das nicht verantwortungsbewusst?«

»Natürlich ist das verantwortungsbewusst«, stimmte sie mir zu. »Es sieht dir nur so unähnlich, dass du verantwortungsbewusst bist.«

Ich runzelte die Stirn. »Ich hätte ihn beinahe getötet, und er könnte nicht mehr leiden oder Reue empfinden, wenn ich es getan hätte. Außerdem ist es annähernd die schrecklichste Strafe, die mir für Fouad einfiel. Er ist ein Pfennigfuchser.«

»Möchtest du sonst noch jemanden bestrafen? Werden wir letztendlich noch einen Weberladen, einen Gemüsegarten oder einen Blumenkarren besitzen?«

»Wohl kaum. Keiner dieser Leute hat jemals meinen Wein mit einem Betäubungsmittel versetzt und mich einem verrückten, blutdürstigen, mörderischen kleinen Miststück in die Hände gespielt, die mich im Kreis töten lassen wollte.« Ich rollte den Kopf und spürte, wie die Anspannung nachließ. »An welche Farbe für die Vorhänge hattest du gedacht, Bascha?«

Del stieß einen spöttischen Laut aus. »Als könnte sich irgendeine Cantina Vorhängen an den Fenstern rühmen. Wahrscheinlich würde ein Betrunkener sie bei der ersten Schlägerei, in die er geriete, in Flammen setzen. Und wir, die wir jetzt Partner deines treuen Freundes Fouad sind, würden zwei Drittel des Schadens tragen müssen.«

Daran hatte ich nicht gedacht.

»Ich wusste es«, sagte Del zutiefst empört. »Männer. Sie denken immer nur an den Profit. Nicht an all das, was dazu führt.«

Nun, nein. »Dafür haben wir Fouad«, sagte ich heiter. »Er wird sich um all das kümmern.«

Del runzelte die Stirn. »Ich behaupte immer noch, dass es töricht war, in Fouads Cantina zu gehen. Bis morgen früh werden alle Bescheid wissen, genau wie in Haziz.«

»Fouad wird es nicht sein, der die Nachricht verbreitet.«

»Natürlich wird es Fouad sein ...«

»Nein.«

»Warum? Weil du jetzt sein Partner bist?«

»Weil wir wirklich Freunde waren, Bascha. Und weil er sich schuldig fühlt.«

»Was er auch sehr wohl sollte!«

»Du weißt nicht, ob du nicht dasselbe getan hättest wie er, wenn du Sabra gegenüber gestanden hättest.«

»Ich finde diese Bemerkung unglaublich beleidigend«, erklärte Del.

Ich grinste sie an und fuhr damit fort, die Anspannung aus meinem Körper zu vertreiben. Der Besuch bei Fouad hatte meine Nervosität nicht gemildert, gleichgültig was ich sagte. »Du hast Sabra nicht gegenüber gestanden.« Zumindest nicht auf die gleiche Art. Als sich Del und Sabra nahe gewesen waren, war Sabra bewusstlos und auf einen Sattel gebunden gewesen.

»Ich hätte sie getötet«, sagte Del kurz angebunden.

Ein äußerst verblüffendes Bild stieg jäh vor meinen Augen auf: Del und Sabra. Die eine klein und dunkel, die andere groß und hell. Zwei gefährliche, Tod bringende Frauen. Nur dass Del weitaus ehrlicher war, wenn sie tötete: Sie tat es selbst.

»Es wird bekannt werden«, sagte ich, »aber nicht durch Fouad.«

»Solch eine vertrauenswürdige Seele«, erwiderte Del trocken.

»Lass mich dein Handgelenk sehen«, bat ich.

Del streckte zuvorkommend einen Arm aus. Ich schloss meine Hand darum und drückte zu. Fest. Sehr fest.

Kurz darauf fragte sie: »Versuchst du absichtlich, mir das Handgelenk zu brechen?« Sie bewegte die Finger. »Lass los, Tiger.«

Ich ließ lächelnd los.

Del seufzte. »Der Punkt geht an dich.«

»Das will ich auch hoffen.«

»Aber es wird dennoch anders sein«, warnte sie. »Schwieriger.«

»Da stimme ich dir zu, Bascha.«

Und es war sehr wahrscheinlich, dass ich morgen erkennen würde, wie anders es würde. Weil sich die Nachricht verbreiten würde.

Der Sandtiger ist zurück.

Ja. Das war er.

Schwertbruder

Подняться наверх