Читать книгу Schwertbruder - Jennifer Roberson - Страница 8

2

Оглавление

Del war ein wenig übervorsichtig, weil wir uns in Haziz aufhielten und von sämtlichen Schwerttänzern, die uns schon früher einmal gesehen hatten, jederzeit erkannt werden konnten. Ich versuchte ihr zu erklären, dass Haziz für Schwerttänzer, die sich gewöhnlich im Binnenland aufhielten, nicht allzu interessant war und ich, dank meines Aufenthalts auf Meteiera, eigentlich nicht mehr so aussah, wie ich früher ausgesehen hatte, aber Del bemerkte, dass ich trotz dem kurzen Haar, Ohrringen, dem Flechtwerk von Tätowierungen am Haaransatz und ohne das Band mit den Sandtigerkrallen immer noch einen guten Kopf größer als die meisten südlichen Männer und entschieden breiter und schwerer war und noch immer die Krallenspuren im Gesicht trug.

Und wer sonst reiste mit einer nördlichen Schwertsängerin?

Woraufhin ich erklärte, dass wir uns trennen könnten, solange wir in Haziz weilten.

Del, die gerade ihre hochgeschnürten Sandalen schloss, während sie auf der Bettkante hockte – wir hatten die Nacht in einem recht verkommenen Gasthaus an den Docks verbracht –, zog zweifelnd die Augenbrauen hoch. »Und wer würde dich dann beschützen?«

»Mich wovor beschützen?«

»Vor Schwerttänzern.«

»Ich sagte dir bereits, dass hier wahrscheinlich keine sind.«

»Wir sind hier.«

»Nun, ja, aber ...«

»Und du hast bereits zugegeben, dass du meinen Schutz brauchst.«

Ich war erstaunt. »Wann war das denn gewesen?«

»Auf der Insel.« Nun zog sie die andere Sandale an. »Erinnerst du dich nicht? Du sprachst darüber, in Alimat eine neue Schule zu eröffnen. Ich sprach über Abbu.«

Als ich darüber nachdachte, erinnerte ich mich vage einer beiläufigen Bemerkung. »Oh. Das.«

»Ja. Das.« Sie schnürte die Sandale zu und stand auf. »Und?«

»Das war Bettgeflüster, Bascha.«

»Wir hatten kein Bett. Wir hatten Sand.«

»Ich bin besser in Form als seit Monaten. Leichter. Schneller. Du hast mit mir geübt. Du weißt es.«

Del neigte abschätzend den Kopf und wies bewusst nicht darauf hin, dass mir zwei Finger fehlten. »Ja.«

»Also brauchst du mich nicht zu beschützen.«

»Bist du bereit, Abbu Bensir zu treffen?«

»Hier? Jetzt?«

»Was wäre, wenn er tatsächlich hier wäre? Jetzt?«

Ich bedachte sie mit meinem schärfsten, grimmigsten Sandtigerblick. »Also willst du, dass ich mich hier in dieser Pissbude verstecke, während du in einer Stadt, die du nicht kennst, auf die Suche nach einem Schwertschmied gehst?«

Der Blick beeindruckte sie nicht. »Du kennst sie nicht viel besser. Und ich kann nach dem Weg fragen.«

»Eine Frau allein? Im Süden? Die einen Schwertschmied sucht?«

Del öffnete den Mund und schloss ihn wieder.

»Ja«, sagte ich. »Wir sind wieder im Süden.« Der sich sehr vom Norden unterschied, wo Frauen mehr Freiheit hatten, und noch mehr von Skandi, wo Frauen für alles zuständig waren.

»Ich könnte es«, sagte sie, aber es klang nicht unbedingt herausfordernd. Del war eigensinnig, aber sie begriff die Realität. Selbst wenn sie nicht gerecht war. (Sie hatte die Realität einmal ignoriert, aber die Zeit und – wenn ich ehrlich sein soll – mein Einfluss hatten sie verändert.)

»Ich sag dir was, Bascha. Ich werde einen Kompromiss eingehen.«

Übertrieben dramatisch: »Du?«

Ich ignorierte es. »Wir werden einen Jungen zum besten Schwertschmied in Haziz schicken und ihn hierher bestellen.«

Del dachte darüber nach. »Das ist nur fair.«

»Und danach«, sagte ich innerlich zusammenzuckend, »werde ich dem Hengst einen Besuch abstatten müssen.«

»Ah, ja«, stimmte sie mir nickend zu. »Vielleicht wird er den Schwerttänzern einigen Ärger ersparen und dich selbst töten.«

»Nun, da du so verteufelt bereit bist, mich zu beschützen – warum reitest du dann nicht zuerst auf ihm?«

Del runzelte die Stirn. Ich verließ grinsend den Raum und scheuchte einen viel versprechenden Jungen auf, der einem Schwertschmied meine Nachricht überbringen sollte.

Die beiden Diener des Schwertschmieds brachten mehrere dick umhüllte Bündel in unser Zimmer sowie eine Auswahl von Harnischen, Schwertgürteln und Scheiden. Dann verließen sie unter Verbeugungen den Raum und überließen ihrem Arbeitgeber die Verhandlungen. Dieser Arbeitgeber war ein älterer Mann in schwarzen Gewändern und Turban, mit grauem Haar und Bart, aber deswegen keineswegs schwach. Jedermann, der Jahre seines Lebens damit verbringt, Metall so dünn zu hämmern, dass er es unzählige Male falten kann, hält seinen Körper gut in Form – aufgrund unterschiedlicher Bedürfnisse vielleicht auf andere Art, als ich meinen Körper trainierte ... Aber das Alter hatte ihn nicht geschwächt. Und auch seine Einschätzung der Kunden nicht.

Nach formellen Höflichkeiten einschließlich kleiner Tassen herben Tees ließ er mich vor sich treten, betrachtete mich dann und sah alles, was Del zuvor beschrieben hatte, Einzelheiten registrierend, die bei der Auswahl einer Waffe wichtig waren. Die meisten großen Männer hatten lange Beine, aber kurze bis durchschnittliche Rümpfe. Meine Proportionen waren allerdings ausgewogen. Meine Größe erklärte sich nicht aus einem dieser Punkte, sondern aus beiden zusammen. Ich hatte in Skandi entdeckt, dass meine Gestalt normal war. Hier im Süden galt das nicht. Südbewohner waren kleiner, schmaler, aber drahtig, sehr schnell und bemerkenswert wendig.

Glücklicherweise war ich trotz meiner Größe schnell und äußerst kräftig. Beides hatte mir schon gut genützt.

Nun betrachtete mich der alte Mann also prüfend, um erkennen zu können, welche Art Schwert gut zu mir passen würde.

Kurz darauf lächelte er. Ihm fehlten zwei Zähne. Er wandte sich wortlos um, kniete sich hin und legte vier der Bündel beiseite. Zog dann ein fünftes Bündel hervor, das ich nicht bemerkt hatte, das weitaus schmaler und fester umhüllt war als die übrigen, und knüpfte Knoten auf.

Del, die auf dem Bett saß, wechselte einen Blick mit mir, die Augenbrauen hochgezogen. Ich zuckte wie verwirrt die Achseln.

Der Schwertschmied blickte auf und sah es, während er das Bündel auspackte. Ein Funke der Belustigung glomm in seinen dunklen Augen auf. In einem südlichen Dialekt, den ich seit über einem Jahr nicht mehr gehört hatte, sagte er: »Es ist Zeitverschwendung, urteilslosen Kunden meine beste Ware zu zeigen. Dann beginne ich mit den unbedeutenderen Waffen.«

»Und ich bin ein urteilsfähiger Kunde?«

Buschige Augenbrauen schnellten bis zum Schatten des Turbans in die Höhe. »Bei einem derart von Klingen gestalteten und gezeichneten Körper? Und doch atmet Ihr noch?« Er grinste erneut. »O ja.« Voller Ehrfurcht entfernte er Hüllen, schlug den Stoff mit großer Sorgfalt zurück. Stahl schimmerte im fahlen Sonnenlicht, das wie elfenbeinernes Eis schräg durch schmale, in die Lehmziegelwände gehauene Fenster fiel. Er erhob sich und vollführte eine Geste. »Bitte zeigt mir Eure Hände.«

Ich streckte sie wortlos aus. Sah, wie sich seine Augen jäh weiteten und er mir bestürzt ins Gesicht blickte. Es war offensichtlich, dass er über Themen wie fehlende Finger reden wollte. Ebenso offensichtlich war, dass es einen urteilsfähigen Kunden kränken würde, wenn er es täte, was seiner Ausbildung sowohl als Händler als auch als Handwerker widerspräche. Kurz darauf nahm er meine Hände in seine und begann, sie genauer zu betrachten, die Breite der Handfläche und die Länge der Finger zu messen, die Schwielen zu ertasten. Er achtete sehr sorgfältig darauf, die Stümpfe nicht einmal zu streifen.

Dann beugte er sich still herab, nahm ein Schwert auf, gab es mir in die Hände und verbeugte sich. Er trat zurück, während Del sich auf das schmale Bett zurückzog, gab mir Raum, mich zu bewegen, dem Schwert Leben zu verleihen, während ich seine Eigenschaften prüfte.

Ich brauchte nicht länger, um die Klinge zu beurteilen, als der Schwertschmied gebraucht hatte, um mich zu beurteilen. Er hatte die Klinge erwählt, die ihm am angemessensten erschien. Und das war sie in der Tat, in jeder wichtigen Hinsicht. Sie war mehr als angemessen – als zeitweilige Waffe.

Und mehr brauchte ich auch nicht, bis ich Samiel fand.

Die Miene des Schwertschmieds zeigte eine seltsame Mischung aus Verwunderung und nochmaliger Überlegung. Obwohl er richtig vermutet hatte, dass ich wusste, wie man mit einer Klinge umging – oder es früher gewusst hatte –, wurde deutlich, dass er wegen der fehlenden Finger Zweifel gehegt hatte. Die Stümpfe waren noch immer gerötet. Jedermann, der sich mit Wunden auskannte, besonders mit Amputationen, würde erkennen, dass ich die Finger erst kürzlich verloren hatte. Er hatte mir seine Anerkennung gezollt, indem er mir seine beste Klinge gezeigt hatte, aber er hatte hinsichtlich der Handhabung der Waffe eindeutig weniger von mir erwartet.

Leider waren die Prüfung einer Klinge und der Kampf gegen einen anderen Schwerttänzer zwei sehr verschiedene Dinge.

»Sie wird genügen«, sagte ich, nachdem ich ihm für seine Kunstfertigkeit ein Kompliment gemacht hatte. »Was ist Euer Preis? Ich werde auch eine Scheide und einen Harnisch brauchen.«

Er nannte eine ungeheuerliche Summe. Ich lobte sein Können, sein Produkt, lehnte aber höflich ab und bot weniger. Er lobte meine offensichtliche Sachkenntnis, meine Erfahrung, wies aber mein Gegenangebot höflich ab. So handelten wir, bis wir beide zufrieden waren.

Seine Augen glitzerten kurzzeitig. Er kniete sich erneut hin und begann, seine beste Klinge wieder zu umhüllen.

»Wartet.« Als er aufschaute, deutete ich auf Del.

Er verstand zunächst nicht.

»Ein Schwert«, erklärte ich, »für die Lady.«

Glücklicherweise konnte Del seinen Dialekt nicht verstehen, sonst hätte sie sehr wahrscheinlich eine der Klingen an ihm ausprobiert. Sie erkannte dennoch an seinem Tonfall, seiner Miene, seiner Körperanspannung, was er sagte. Sie war eine Frau. Frauen brauchten keine Schwerter.

»Diese wohl«, sagte ich. Und dann, dankbar dafür, dass Del es nicht verstand: »Tut es mir zuliebe.«

Das würde er akzeptieren – dass ein Mann töricht genug oder ausreichend der Wollust erlegen sein mochte, eine Frau zu umwerben, indem er vorgeblich auf ihre Hirngespinste einging, wie absurd auch immer sie sein mochten. Zwar setzte mich das in seinen Augen herab, aber solange es mit dem erwünschten Resultat endete, kümmerte es mich nicht. Er würde für diese Beleidigung seiner Person, seines Könnens, seiner südlichen Empfindlichkeiten einen Wucherpreis verlangen, und ich würde einen Wucherpreis bezahlen, aber Del würde ihre Klinge bekommen.

Sie erhob sich vom Bett und stand dann in ihrer cremehellen Ledertunika vor ihm, Beine und Arme bloß, ein geflochtener Zopf hellen Haars über einer Brust. Er schloss einen Moment die Augen, murmelte ein Gebet und forderte sie auf, ihre Hände zu zeigen. Als er sie berührte, zitterten die seinen.

Del warf mir über seinen gebeugten Kopf hinweg einen Blick zu. »Da du der Jhihadi bist«, betonte sie, »warum fängst du dann nicht damit an, die Wahrnehmung der südlichen Männer zu verändern, die südliche Frauen als minderwertige Wesen betrachten?«

Ich grinste. »Einige Dinge sind vermutlich sogar dem Jhihadi unmöglich.«

»Sand in Gras zu verwandeln ist äußerst spannend«, bemerkte Del, »besonders bei Wüstenklima, aber Frauen in südlichen Augen – männlichen südlichen Augen – in Menschen zu verwandeln wäre ein weitaus stärkerer Beweis für die Allmacht dieses Jhihadi.«

Der Jhihadi wusste es besser, als dass er diesen Pfad beschritten hätte. Er lächelte sanft und schwieg.

»Feigling«, murrte sie.

Nachdem der Schwertschmied seine Einschätzung beendet hatte, ließ er Dels Hände beflissen sinken und wandte sich von ihr ab. Er erwählte mit fachmännischem Blick schnell ein Schwert, erhob sich damit und sah es dann offensichtlich mit Bedauern an. Seine wunderschöne Handarbeit, für einen Mann gedacht, würde einer wertlosen Frau gehören, die bloß Männerspiele spielte.

Wir brauchten das Schwert. Dels Blick sorgfältig meidend, beschied ich dem Schwertschmied in seinem Dialekt: »Wenn sie in ungefähr einer Woche genug damit gespielt hat, verkaufe ich es Euch zurück. Zu einem reduzierten Preis natürlich, wegen des verderblichen Einflusses.«

Das schien ihn zufrieden zu stellen. Er legte das Schwert in Dels Hände, trat dann in die hinterste Ecke des Raumes zurück und drückte sich hinein. Wohl wissend, was sie tun würde, um Gewicht, Ausgewogenheit und Reaktion zu prüfen, trat ich nur so weit beiseite, wie es nötig war. Der Schwertschmied sah mich aus erstaunten Augen an.

Ich grinste. »Seid nachsichtig mit mir.«

Del tanzte. Es war ein kurzes, aber wunderschönes Ritual, der Tanz gegen einen unsichtbaren Gegner, nur dazu gedacht, eine Beziehung zur Klinge aufbauen zu können, die Hände die Passform des Hefts ertasten und begreifen lassen zu können, wie der Knauf die Ausgewogenheit beeinflusste, wie die Klinge durch die Luft schnitt. Es dauerte nur Momente, aber es genügte, den Schwertschmied erkennen zu lassen, wessen Zeuge er wurde.

Unmöglichkeit.

Del hielt inne. Warf den Zopf über eine Schulter. Nickte.

Der Schwertschmied atmete rau ein. Er nannte einen Preis. Wohl wissend, dass unter den gegebenen Umständen kein Spielraum zum Handeln bestand, willigte ich ein. Bezahlte. Brachte ihn zur Tür.

Dels Stimme erklang hinter uns. In deutlicher südlicher Sprache, wenn auch nicht in seinem Dialekt, sagte sie: »Ich werde Euer Kunsthandwerk nicht entehren.«

Sein Blick schwankte. Dann wurde seine Miene unbewegt. Mit uns zugewandtem Rücken sagte er grimmig: »Erzählt niemandem, dass dies mein Schwert ist.«

Ich schloss die Tür hinter ihm und wandte mich dann zu Del um. Sie hatte das Schwert in die Scheide gesteckt, am Harnisch befestigt und prüfte nun seinen Sitz. Er würde angepasst werden müssen, war aber nicht schlecht. »Bist du jetzt glücklich?«

Sie lächelte träge. »Mit einem Schwert in der Hand kann ich sogar mit Schweinen wie ihm Nachsicht üben.«

»Dann sei auch nachsichtig mit mir, ja? Lass uns den Hengst gemeinsam besuchen.« Ich nahm meinen eigenen Harnisch auf und ließ das Schwert in die Scheide gleiten. »Vielleicht brauche ich dich zum Aufsammeln der Einzelteile.«

Der Hengst war, wie es vorauszusehen gewesen war, ziemlich übellaunig. Ich seufzte, als der Stallbursche ihn aus dem Mietstall führte, und erkannte den Blick in dem einen verdrehten Auge, das ich sehen konnte. Die Haltung der Ohren, der schlagende Schwanz und die eigenartig starre Bereitschaft seines Körpers deuteten darauf hin, dass der Hengst eine Meinung hatte und sie auch ausdrücken würde.

Ich konnte es ihm nicht wirklich vorwerfen. Er war auf einem Schiff eingepfercht gewesen, wäre bei einem Schiffbruch fast ertrunken, wurde auf einer Insel verlassen, wiedergefunden und dann wieder auf ein Schiff gepfercht. Jemand musste bezahlen.

Ich seufzte. »Nicht hier auf der Straße«, belehrte ich den Jungen. »Irgendwo, wo keine unschuldigen Zuschauer verletzt werden können.«

Der Stallbursche nickte mit seinem schwarzhaarigen Kopf und ging dann durch eine schmale Gasse zwischen dem Mietstall und einem weiteren Gebäude zu einem bescheidenen Stallhof voraus. Der Boden war zu feinem Staub zertreten, und der Hof war bereits freigeschaufelt und gefegt worden. Zumindest würde ich nicht in Dung landen, wenn ich abgeworfen würde.

Del, die mir folgte, erhob ihre Stimme über das Hufgeklapper des Hengstes. »Soll ich ein paar Jungen losschicken, um Wetter herzubitten?«

Der Tonfall war unschuldig. Die Absicht war es nicht. Del und mir war es tatsächlich gelungen, hier und da mit Wetten auf den Sieger ein wenig Geld zu verdienen, aber das war zu der Zeit gewesen, als der Hengst gut eingeritten und es wahrscheinlicher gewesen war, dass ich nicht abgeworfen würde. Del wusste ebenso gut wie ich, dass dieser Kampf schlimmer als gewöhnlich werden würde.

»Die einzig mögliche Wette hier wäre, wie schnell ich abgeworfen werde«, sagte ich verdrossen, während der junge dem Hengst die Zügel über den dunkelbraunen Hals legte. Gewöhnlich war seine Mähne kurz geschnitten, aber in der Zeit auf der Insel war sie gewachsen. Nun standen die Haare so lang wie meine Handfläche als schwarze Hecke aufrecht. Ich fuhr mir mit einer Hand durch meine Hecke. »Ich habe den schleichenden Verdacht, dass dies schmerzhaft enden wird.«

Aus Achtung vor der südlichen Sonne, wenn nicht vor südlicher Schicklichkeit, hatte Del einen gestreiften Gazeburnus übergezogen, bevor wir das Gasthaus verließen. Nun machte sie es sich an einer weiß getünchten Adobeziegelwand bequem, die Arme gekreuzt, ein Bein so angewinkelt, dass die Sandalenspitze an einer Unebenheit ruhte. Der dünne, mit der Hand verstrichene Verputz bröckelte ab und gab die groben, ebenfalls per Hand geformten Blöcke aus Gras-und-Sand-Ziegeln darunter frei.

Sie lächelte heiter. »Es wird nicht schmerzhaft sein, wenn du oben bleibst.«

Trotz meines Wunsches, die Angelegenheit mit dem Hengst allein auszufechten, fand sich allmählich ein Publikum ein. Stallburschen, Helfer, sogar zwei gertenschlanke Männer mit O-Beinen, die vermutlich Zureiter waren – sie alle sahen mit gespannter Aufmerksamkeit zu und tuschelten erwartungsvoll miteinander. Es fühlte sich eher wie ein Schwerttanz an, nur dass kein Kreis zu sehen war. Lediglich eine quadratische Fläche im Freien, auf drei Seiten von Ställen und auf der vierten von der massiven Wand eines angrenzenden Gebäudes umgeben. Mit einem Pferd als Gegner.

»Bring mich nicht in Verlegenheit«, sagte Del. »Ich muss mir immerhin noch ein Pferd kaufen, erinnerst du dich?«

»Ich verkaufe dir dieses günstig.«

Sie lächelte milde. »Du verschwendest Tageslicht, Tiger.«

Unter Flüchen legte ich Harnisch und Schwert ab, ließ sie auf einer Bank neben Del liegen und ging zum Hengst hinüber.

Grundlagenarbeit war gefragt, eine Gelegenheit, ihn bis zu einem gewissen Grad zu beruhigen, bevor ich überhaupt aufstieg, indem ich ihn am Ende einer langen Longe im Kreis um mich herumlaufen ließ, indem ich Kopf und Stimme einsetzte, indem ich ihn mit beruhigender Stimme lobte. Was tatsächlich zählt, ist der Tonfall der Stimme. Ich bedachte ihn oft mit den ungehobeltsten Bezeichnungen, die mir einfielen, aber er war niemals beleidigt, weil ich es mit milder Stimme tat.

Andererseits hatte ich den Hengst schon lange genug, um zu wissen, dass Grundlagenarbeit wirkungslos war. Damit hatte ich ihn niemals umstimmen können, wenn er in aufrührerischer Stimmung gewesen war. Gewiss nicht auf der Insel, als ich nach Monaten der Abwesenheit aufgestiegen war. Das war ein Kampf gewesen.

Und nun drohte ein weiterer.

Mit einem südlichen Sattel ist nicht viel anzufangen, und diesen hier hatte ich mir im Mietstall geborgt, da meine ganze Ausrüstung verloren gegangen war, als das Schiff auf dem Weg nach Skandi unter mir versunken war. Höchst einfach gehalten, war er bloß eine kleine lederne Fläche mit erhabenem Knauf und Pausche auf mehreren Decken, einem Sattelgurt um den Rumpf des Pferdes, damit der Sattel oben blieb, Steigbügelriemen, die nicht breiter als der Gürtel eines Mannes waren, und rundlichen, hölzernen Steigbügeln.

Fast gleichzeitig nahm ich die geflochtenen Baumwollzügel von dem Jungen entgegen, ergriff Hände voll der zu langen Mähne und schwang mich mit einem Ausbruch nervöser Behendigkeit in den Sattel, der mich genau dorthin brachte, wo ich sein sollte, auch ohne den Vorteil von Steigbügeln. Ich hatte das absichtlich gemacht. Es war eine Abkürzung in den Sattel und verschaffte mir einen zusätzlichen Augenblick Zeit, um Halt zu finden, bevor der Hengst bemerkte, dass ich ihn überlistet hatte.

Ich trug weiche, skandische Stiefel anstelle von Sandalen, da Letztere auf einem widerspenstigen Pferd nicht besonders hilfreich sind, sowie die karmesinrote Seide, die wir Wochen zuvor auf der Insel bekommen hatten. In unserem Zimmer wartete angemessenere, südliche Kleidung, aber ich hatte entschieden, den Hengst in Kleidung herauszufordern, die ruiniert zu sehen ich mir leisten konnte. In dem weiß getünchten Stallhof, unter der südlichen Sonne, muss ich wie eine blutbeschmierte Lampe geleuchtet haben, während ich die Stiefel in die Steigbügel schob.

Dann brach der Hengst aus, und ich hatte keine Zeit mehr für Vorstellungen.

Ein sich aufbäumendes Pferd zu reiten ist, wenn es nicht – absichtlich oder unabsichtlich – hintenüber fällt, nicht besonders schwer. Es ist eine Sache der Reflexe und des Gleichgewichts. Was nicht bedeuten soll, dass ein sich aufbäumendes Pferd keinen Schaden anrichten könnte, selbst wenn man sein dramatisches Benehmen überlebt. Erwischt es dich unerwartet, besteht die sehr reale Möglichkeit, dass der Kopf oder Hals des Pferdes mit deinem Gesicht kollidiert. Glaube mir, Nase und Zähne brechen, wenn das geschieht. Und ich spreche nicht von denen des Pferdes.

Ein buckelndes Pferd ist schwerer zu reiten, weil dich das rüttelnde, stoßende, drehende und wiederholte Steigen der Hinterhand, wenn das Pferd in einen unvorhersagbaren Rhythmus verfällt, nicht nur über den Kopf des Pferdes und schließlich zu Boden schleudern, sondern dein Rückgrat auch um gute drei Zentimeter verkürzen kann. Und deinen Hals verdrehen.

Dann gibt es natürlich Pferde, die sich zu einer Körperhaltung verbiegen können, die als »Entzweibrechen« bekannt ist, wobei sie die Mitte des Rückgrats plötzlich durchsacken lassen, den Kopf senken und dann zustoßen, sodass der Körper ein umgekehrtes V bildet, und in der Folge in jähen, steifbeinigen und beeindruckend senkrechten Sprüngen vom Boden abheben.

Mein Pferd war selbstredend äußerst talentiert. Es konnte praktisch gleichzeitig steigen, buckeln und entzwei brechen.

Der Hengst war kein besonders großes Pferd. Das sind südliche Pferde meistens nicht. Aber er war kräftig, kompakt, mit steinharten Muskeln, wodurch er gewöhnlich schwerer zu reiten war als ein großes, grobknochiges Tier, und besaß, da er ein Hengst war, zusätzliche Kraft. Er war hinten breit, hatte einen runden Rumpf und eine breite Brust und den für Hengste typischen, kräftigen Hals und Kiefer. Das machte es für mich schwieriger, einen gewissen Einfluss auf sein Maul und seinen Kopf auszuüben.

Was er nur allzu gern demonstrierte.

Nachdem ich mich zum vierten Mal mühsam aus dem Dreck erhoben hatte, nahm ich eine kaum merkliche Veränderung in der Haltung des Hengstes wahr. Der Schwanz schlug nicht mehr so stark, dass er einem die Augäpfel aus dem Schädel peitschen konnte, und die nun nicht mehr angelegten Ohren schwenkten frei in alle Richtungen. Er schwang den Kopf herum, um mich durch sein herabhängendes Stirnhaar spöttisch anzusehen, betrachtete mich genau (suchte vielleicht nach Blut?), schüttelte sich dann von Kopf bis Fuß heftig, als wollte er sagen, er habe seinen Morgensport beendet, und schnupperte wieder müßig und unbekümmert im Dreck.

Ich klopfte mir den Staub von der Seide. Richtete die Tunika so weit, wie es möglich ist, wenn die Nähte gerissen sind. Versicherte mich, dass das Zugband meiner weiten skandischen Hose noch verknotet war. Schaffte es, mich gerade aufzurichten und zum Hengst hinüber zu gehen. Er stand recht ruhig da. Ich stieg auf, ließ mich im Sattel nieder und ließ ihn ausreichend lange gehen, um sicher zu sein, dass er den Kampf beendet hatte.

Applaus, Pfiffe und Jubel erklangen. Münzen wechselten den Besitzer, als Wetten beglichen wurden. Aber ich wusste es besser, als dass ich es als Sieg bezeichnet hätte. Gleichgültig, was die Menge glaubte: Der Hengst langweilte sich nur.

Ich stieg ab und ging zu Del zurück, den besagten Hengst im Schlepptau, ein Hinken unterdrückend. Ihre Miene war vollkommen nichtssagend.

Mit gequälter Stimme fragte ich: »Erinnerst du dich, wie ich erst neulich sagte, ich fühlte mich jünger?«

Del zog die Augenbrauen hoch.

»Zähl insgesamt ungefähr zweihundert Jahre hinzu.«

Einer der Stallburschen kam heran und bot an, den Hengst abzusatteln und zu bewegen. Es war ein warmer Tag, und die ganze Aufregung und Anstrengung hatte in Schweiß und Schaum geendet. Er brauchte Abkühlung. Ich brauchte Abkühlung. Ich wollte Wasser, Ale und ein Bad. In dieser speziellen Reihenfolge.

Oh, und ein neues Rückgrat.

Aber natürlich stand ich im Angesicht der Zuschauer, von denen viele von der Straße herangekommen waren, als sie den Tumult gehört hatten, hoch aufgerichtet da, grüßte und schlenderte dann beiläufig auf den zur Straße führenden Gang zu, wobei ich nur innehielt, um Del zu fragen, ob sie mitkäme, da sie keinerlei Anstalten dazu machte.

»Und hör auf zu lachen«, ermahnte ich sie.

»Ich lache nicht. Ich lächele.«

»Du lachst innerlich.«

»Ich kann mit meinem Innern tun, was ich will«, stellte sie fest.

»Kommst du?«

»Ich glaube, ich werde hier bleiben und mir ein Pferd kaufen. Und Ausrüstung für beide Pferde. Wir sehen uns im Gasthaus.«

Ich öffnete den Mund, um Einwände gegen Dels plötzlichen Einfall eines Kaufs in meiner Abwesenheit zu erheben, überlegte es mir dann aber anders. Sie war eine Frau, und es war der Süden, aber Del hatte immer wieder bewiesen, dass sie nur selten von jemand übervorteilt wurde.

Dieser Jemand war natürlich ich.

Ich nahm meinen Harnisch und das Schwert und machte mich auf zum Gasthaus. Und zu Ale und einem heißen Bad.

Schwertbruder

Подняться наверх