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Haut hat sich unter der gnadenlosen Sonne in Leder verwandelt. Augenhöhlen werden sauber gescheuert. Zähne schimmern im elfenbeinernen Schlund. Wind, Sand und Zeit haben die Kleidung abgestreift. Sie trägt jetzt Knochen, kaum mehr, blank geschrubbt und zu der kristallenen Blässe passend. Einfachheit liegt in Sandrillen, die über ihren Rumpf geweht wurden ...

Ich erwachte jäh, als die Tür quietschte und Del den Raum betrat. Von dem Traum völlig desorientiert, sah ich sie ausdruckslos an, während mich langsam die Erkenntnis beschlich, dass ich noch immer in der Halbwanne lag, die ich mir hatte bringen und mit heißem Wasser füllen lassen. Dass das Wasser abgekühlt war. Dass eine reelle Möglichkeit bestand, dass ich mich vielleicht niemals wieder würde bewegen können.

Dels Miene war spöttisch, als sie die Tür schloss. Sie hatte die Arme voller Bündel. »Ich kann mir bequemere Schlafplätze vorstellen – und bequemere Schlafpositionen.«

Ich richtete mich vorsichtig auf, wobei das Rückgrat am rauen Holz scheuerte. In einer Stunde oder so könnte ich vielleicht stehen. Stirnrunzelnd fragte ich, ob sie unser letztes Geld ausgegeben hatte.

Del stapelte die Bündel auf dem Bett. »Vorräte«, entgegnete sie mit fester Stimme. »Ich nehme an, wir brechen morgen auf, oder?«

Ich sortierte mühsam meine steifen Beine und hievte mich tropfend aus der Wanne, während ich leise fluchte. »Ja.«

Del warf mir ein als Handtuch dienendes Stück Stoff zu, prüfte meine Miene und Bewegungen und runzelte dann die Stirn. »Deine Hände schmerzen.«

»Ja.« Ich wickelte mir das Tuch um die Taille.

»Tiger ...«

»Lass es gut sein, Del. Ich habe gerade den Hengst damit herumgestoßen, das ist alles.« Ich beugte mich herab, ergriff vorsichtig das Glas Ale, das ich auf dem Boden neben der Wanne abgestellt hatte, und trank es aus.

Sie wollte eindeutig noch mehr sagen, schwieg aber. Wandte sich stattdessen wieder dem Bett zu und sah die Bündel durch.

»Essen«, verkündete sie, »als Reiseproviant. Neue Botas. Wir können sie morgen früh füllen. Medikamente. Decken zum Schlafen. Eine Bratpfanne. Ein Feuerzeug.« Da war noch mehr, aber sie erwähnte nicht alles.

»Was ist mit einem Pferd für dich und Zaumzeug?«

»Erledigt. Wir können den Hengst und mein Pferd gleich morgen früh abholen.«

»Haben wir noch Geld übrig?«

»Nicht viel«, räumte sie ein. »Es ist teuer, sich neu auszurüsten.«

Ich konnte die Erinnerung an das Traumfragment nicht aus dem Kopf bekommen. Ich wandte mich von Del ab, ließ das Handtuch fallen und durchwühlte meine Habe auf der Suche nach einem frischen Dhoti und Burnus. Ich war fertig mit skandischer Kleidung. Ich war wieder im Süden. Zu Hause.

Wo die tote Frau war.

Del hielt mir eine kleine, lederne Feldflasche hin. »Einreibemittel«, sagte sie. »Einer der Zureiter hat es mir gegeben. Er sagte, es würde helfen.«

Ich schloss die Bänder meines Dhoti. »Ich glaube, der Hengst ist bei dem Kampf besser weggekommen als ich. Ich bin mir nicht sicher, ob er Hilfe braucht.«

»Er meinte es nicht für den Hengst.«

Ah. Vertraue darauf, dass ein Zureiter Bescheid weiß. Und Delilah.

Seufzend gab ich meinen Stolz und meinen Ärger auf und hinkte zum Bett. »Sei sanft, Bascha. Der alte Mann hat Schmerzen.«

»Morgen wird es noch schlimmer sein.«

Ich schloss die Augen, als sie damit begann, eine aromatische Flüssigkeit in meine Schultern einzumassieren. »Danke für diese hilfreiche Erinnerung.«

»Bei den Vorräten ist eine Bota mit Aqivi. Für unterwegs.«

Ich öffnete die Augen ruckartig. »Du hast Aqivi eingepackt?«

»Natürlich nur für medizinische Zwecke.«

Ich lächelte und ließ meine Augen wieder zufallen. Del war selbst die beste Medizin, die sich ein Mann vorstellen konnte.

Sie hebt einen Arm. Winkt. Fordert meine Aufmerksamkeit. Als ich nachgebe, begreife, dieser Forderung entspreche, sehe ich, dass ihre gebrechlichen Handknochen allmählich abfallen. Ein Daumen und drei Finger bleiben. Der vierte, der kleinste, fehlt. Dann öffnet sich der Kiefer. Sand rieselt zwischen den Zähnen hervor. Umschattete Augenhöhlen flehen mich an.

»Komm nach Hause«, sagt sie.

»Ich bin zu Hause«, sage ich. »Ich bin nach Hause gekommen.«

Aber das ist es offensichtlich nicht, was die Frau will. Die Hand bricht die Geste ab. Die Knochen fallen herab, zerfallen in Bruchstücke. Liegen auf dem Sand verstreut.

»Nimm das Schwert auf«, sagt ihre Stimme, bevor der Wind sie auch abbricht.

Ich öffnete die Augen. Das quadratisch geschnittene Fenster ließ Mondlicht herein, das als greifbarer Streifen diagonal über das Bett fiel. Dels Haar schimmerte im Glanz von Perlen. Ihr Atem ging gleichmäßig, ohne Unterbrechung. Obwohl wir beide an fremden Orten nicht tief schlafen, hatten wir uns an unsere gegenseitigen Bewegungen und unser Abrücken gewöhnt.

Waren die Träume mein Erbe von Meteiera? Würde ich mein ganzes Leben lang im Schlaf die Überreste einer toten Frau sehen? War ich dazu verdammt, ihre Stimme allnächtlich aus einem zerstörten Mund dringen zu hören?

Oder war da etwas, was ich tun sollte, irgendeine Aufgabe, die ich erfüllen sollte, die ich aber noch nicht verstand?

Ich war zu ruhelos, zu beunruhigt, um schlafen zu können. Vorsichtig schlug ich die fadenscheinige Decke zurück, schützte die empfindlichen Stümpfe vor dem rauen Stoff und glitt aus dem Bett, wobei ich versuchte, die Seile nicht knarren zu lassen. Versuchte, wegen der Steifheit meines Körpers nicht zu stöhnen. Das Einreibemittel hatte geholfen, aber die einzig wahren Heilmittel waren die Zeit und Bewegung.

Ich blieb drei Schritte vom Bett entfernt stehen, von einem Gefühl von – etwas aufgehalten. Etwas im Raum. Etwas in der Dunkelheit. Etwas im Mondlicht.

Etwas in mir?

Ich hob das Gesicht an. Schloss die Augen. Speichel lief in meinem Mund zusammen. Das Fleisch kribbelte auf meinen Knochen. Daumen und sechs Finger spreizten sich.

Etwas war hier. Forderte Erkenntnis.

Es sang in meinem Körper. Das Mantra der Magier.

Disziplin.

Nihkolara, der blauköpfige Magier von Meteiera – und anscheinend ein Verwandter – hatte mir gesagt, dass es unmöglich sei, die Magie abzuweisen. Dass man wahnsinnig werden würde, wenn man es täte, Selbstmord begehen würde.

Ich hatte zu beidem keinerlei Neigung.

Die Priestermagier hatten versucht, meinen Namen zu stehlen und das Wissen meiner Selbst, dort auf den Steinkegeln. Beinahe erfolgreich. Aber etwas in mir, etwas Beharrlicheres als aufkeimende Macht, hatte mir trotz seiner schleichenden Verlockung die Kraft verliehen, den Einfluss abzuwehren. Zumindest in ausreichendem Maße, dass ich meinen Namen beibehielt, das Wissen meiner selbst wiederentdeckte.

Ich bin der Sandtiger.

Ich bin Schwerttänzer.

Für mich mehr als genug. Ich brauchte nicht mehr.

Selbst wenn ich es hatte.

Schweiß überzog meinen Körper. Die Schmerzen waren geblieben, die Quetschungen blühten. Aber solche Nichtigkeiten wie Unbehagen sind erträglich, wenn man sie an den größeren Erfordernissen der Welt misst.

Oder an den Geboten der Magie.

Ich nahm das neue Schwert auf. Begann mitten im Mondlicht mit ausdrucksvoller Genauigkeit erneut zu tanzen, das Fleisch zu feilen, das die Knochen umgab. Und den Geist, der sie kontrollierte.

Damit ich ihn kontrollieren konnte.

Am Morgen war ich, wie zu erwarten, noch immer steif, obwohl der mitternächtliche Tanz geholfen hatte. Del und ich kleideten uns in Tunika beziehungsweise Dhoti, zogen Sandalen und Gazeburnusse an und legten über der Kleidung die Harnische an. Früher hatten wir einfach die linken Schulternähte eingerissen, damit die Schwerthefte frei herausragen konnten, aber das war zu einer Zeit gewesen, als die Herausforderungen dem Tanzen galten und nicht dem Sterben. Nun genossen wir diesen Luxus nicht länger. Wir packten unsere gesamte Habe und eilten dann zum Mietstall, um unsere Pferde zu holen und aufzuzäumen, wobei wir uns unterwegs bei einem Verkäufer etwas zu essen besorgten.

Der Hengst schenkte mir, als er in der hellen Morgensonne in den Stallhof hinaus geführt wurde, einen erhaben-gelassenen Blick, der nahelegte, dass er nur eine große, verträumte Miezekatze sei. Obwohl sich einer der Stallburschen anbot, sattelte ich den Hengst selbst, um meinem Körper die Gelegenheit zu geben, sich wieder an Bewegung zu gewöhnen. Ich nahm mir Zeit, den Sitz der neuen Ausrüstung zu überprüfen, einschließlich des Zaumzeugs, des Gebisses, der langen Baumwollzügel, die an beiden Enden verknotet waren, und natürlich des Sattels. Zufrieden lud ich meinen Anteil an Vorräten auf, prüfte die Gewichtsverteilung, warf eine bunt gewebte Decke über den neuen Sattel und wandte mich um, um nachzusehen, wie weit Del gediehen war.

»Was ist das?«, platzte ich heraus.

Sie schaute vom Einstellen der Steigbügellänge auf. »Ich glaube, er ruft Erinnerungen an dich nach einer Wirtshausschlägerei unter besonders viel Alkohol wach.« Sie hielt inne. »Ein wenig blass, mit zwei schwarzen Augen.«

Ein wenig blass? Er war weiß. Und sie meinte nicht, dass seine Augen selbst schwarz waren, denn das waren sie nicht, sondern die beiden darum herum sichtbaren Kreise. Seine Augen waren blau und wirkten in den schwarzen Flecken noch heller.

»Warum, bei den Hoolies, hast du dir ihn ausgesucht?«

»Arme Leute«, erklärte sie lakonisch, »dürfen nicht wählerisch sein.«

Nun, nein. Aber ... »Ein weißes, blauäugiges Pferd in der Wüste?« Tatsächlich war er ein rötlich-weißes, blauäugiges Pferd, weil ihm die Pigmente fehlten. Seine Nüstern und Lippen wiesen einen feinen, hellrötlichen Farbton auf.

»Darum habe ich Schmiere um seine Augen gerieben«, erklärte sie. »Das wird die von seinem Gesicht reflektierte Sonnenhelle mindern. Und ich habe ihm Allapaste auf Nase und Lippen gerieben.«

»Del, das ist ein Pferd, keine Frau, die sich schminkt.«

»Ja«, stimmte sie mir gleichmütig zu und fuhr damit fort, den Wallach aufzuzäumen.

»Weißt du, was du tust?«

»Ja.«

»Bist du sicher? Wir müssen durch die Punja.«

»Ich hatte als Kind einen weißen Hund«, bemerkte Del daraufhin beiläufig. »Er hatte blaue Augen und keine Pigmente. Mein Vater wollte ihn weggeben, aber ich bestand darauf, ihn zu behalten. Ich wurde belehrt, dass er aufgrund der vom Schnee reflektierten Sonne bald blind werden könnte. Also mischte ich Schmiere mit Holzkohle und ummalte seine Augen. Er wurde sehr, sehr alt. Und er wurde niemals blind.«

»Hast du dieses Pferd deshalb gekauft? Weil es dich an deinen Hund erinnert?«

»Ich habe ihn gekauft, weil er der einzige Wallach war.« Sie schaute auf. »Würdest du es riskieren, einen weiteren Hengst in der Nähe deines Pferdes zu halten?«

»Es gibt Stuten.«

»Das habe ich schon früher probiert. Dein Pferd hat, so weit ich mich erinnere, die meiste Zeit mit dem Versuch verbracht, sie zu decken. Manchmal, während ich darauf saß.«

Ich erinnerte mich daran. »Es gibt vermutlich noch andere Mietställe. Mit anderen Wallachen.«

»Aber nicht mit einem Wallach, den wir uns leisten können. Ich habe nachgesehen.« Del griff aufwärts, band etwas an die linke Seite des Zaumzeugs des Wallachs und führte es dann unter seinem Stirnhaar hindurch zur anderen Seite.

Mein Kinn sank herab. »Troddeln?«

»Fransen«, korrigierte sie mich.

»Du schmückst ein Pferd mit Fransen?«

»Es wird helfen, seine Augen abzuschirmen.«

Zuerst malte sie schwarze Flecke um seine Augen, und nun hängte sie Fransen über seine Stirn. Goldfransen, nicht weniger.

Ich schüttelte ungläubig den Kopf. »Wo, zu den Hoolies, hast du sie gefunden?«

»Ich habe sie von einem Schankmädchen in einer der Cantinas gekauft. Ich weiß nicht, was sie einmal waren. Ich hatte Angst zu fragen.«

»Du bist allein in eine Cantina gegangen?«

»Ja.«

»Ziemlich riskant, Bascha. Sogar gefährlich.«

»Tiger, ich war allein in einer Cantina, als ich dich traf.«

»Nun, ich sagte dir ja, es könnte gefährlich sein.«

Del stellte einen Fuß in den linken Steigbügel, schwang sich aufs Pferd und machte es sich mühelos auf dem mit einer Decke versehenen Sattel bequem. »Willst du nun den ganzen Morgen mit Streitereien über Pferde verbringen, oder wollen wir lieber losreiten?«

Es war lächerlich. Unser Ziel war die Punja mit all ihren Unbarmherzigkeiten, einschließlich der unaufhörlichen Sonne. Del kannte die Risiken gewiss selbst. Sie war einst so sonnenverbrannt gewesen, dass ich befürchtet hatte, sie würde sich niemals wieder davon erholen. Ein blauäugiges, weißes Pferd ohne Pigmente war eine Bürde, die wir uns nicht leisten konnten.

Aber Del hatte Recht: Wir konnten uns auch nichts Besseres leisten. Ich vermutete, dass wir nach Dels Besorgungstour nur noch wenige Münzen übrig hatten. Wenn wir den Wallach nicht mitnähmen, müsste der Hengst zwei Menschen durch die sengende Punja tragen oder wir müssten abwechselnd reiten und laufen, wodurch wir noch langsamer vorankämen. Außerdem würden wir den Wallach immer noch essen können, wenn er infolge eines Hitzschlags zusammenbräche.

Mit dieser erfreulichen Feststellung schwang ich mich in den Sattel des ungewöhnlich kooperativen Hengstes, zuckte zusammen, als mein Körper knirschte, und begann die aufbegehrenden Muskeln Faser um Faser zu entspannen. Schließlich erinnerte sich mein Körper daran, wie er auf einem Pferd sitzen sollte, und ein Teil der Schmerzen schwand. Die Stümpfe meiner fehlenden Finger waren noch immer ein wenig empfindlich, aber wenn der Hengst erst seinen Rhythmus fand und in eine gleichmäßige Gangart verfiel, brauchte ich nur noch Zeige- und Mittelfinger, um die weichen Baumwollzügel zu halten.

Del beugte sich auf ihrer weißen Torheit herab, um dem Stallburschen einige Kupfermünzen zu geben. Wahrscheinlich unsere letzten. Ich seufzte, wendete den Hengst und führte ihn aus dem Stallhof in die enge Gasse zwischen Mietstall und angrenzendem Gebäude. Er verlegte sich auf starre Herablassung, als der Wallach zu ihm aufschloss, und schnaubte betont verächtlich. Dann bemerkte er einen Blick aus einem traurigen blauen Auge, das ihn aus einem Kreis schwarzer Schmierefarbe in Verbindung mit herabhängenden, goldenen Fransen ansah, und scheute seitwärts auf die nächstgelegene Mauer zu.

Ich stieß ihm eine Ferse in die Rippen und trieb ihn von der Mauer fort, bevor mein Fuß mit den Adobeziegeln zusammenprallen konnte. »Tu das nicht.«

Der Hengst nahm meinen Hinweis auf und hielt sich nun von der Mauer fern. Stattdessen wandte er sich seitwärts, den Kopf nach hinten gebeugt, sodass er mit beiden Augen besorgt zu Dels Wallach schielen konnte. Seine Ohren waren wie Dolche auf das weiße Pferd gerichtet. Das begleitende Schnauben übertönte sogar das Hufgeklapper.

Del begann zu lachen.

»Was ist?«, fragte ich verärgert, während ich versuchte, den Hengst wieder auf eine gerade Linie zu bringen, als wir von der Gasse in die Straße einbogen.

»Ich glaube, er hat Angst vor ihm!«

»Viele Pferde haben Angst vor dem Hengst ...« »Nein! Ich meine, der Hengst hat Angst vor meinem Pferd!«

»Komm schon, Bascha, glaubst du wirklich ...« Aber ich brach ab, weil der Hengst, jetzt von den. Beschränkungen der engen Gasse befreit, drei Ausfallschritte seitwärts mitten auf die Straße machte, dann jäh steifbeinig stehen blieb und durch geweitete Nüstern feucht und laut schnaubte. Zum Glück war es früh genug, dass die Straße noch nicht bevölkert und ihm niemand im Weg war.

Del lachte noch immer.

»Vielleicht hättest du dir doch eine Stute kaufen sollen«, murrte ich. »Schau, Bascha, reite einfach voraus. Ich werde die Nachhut bilden.«

Sie nahm meinen Rat grinsend an. Der Hengst beruhigte sich kurz darauf und richtete die Ohren nach vorne aus, als Del losritt. »Na, gefällt dir der Anblick von hinten besser?«, fragte ich ihn. »Gut. Können wir jetzt aufbrechen?«

Und wir hätten tatsächlich mehr als die ersten zwei Schritte geschafft, wenn nicht jemand unmittelbar vor uns angehalten hätte. Zu Fuß. Ich konnte ihn entweder umreiten oder erneut anhalten.

Ich verhielt den Hengst jäh, fluchte und sah auf das Hindernis hinab. Es war ein junger Mann in einem rostrot-goldenen Burnus, ein Südbewohner mit glatter, dunkler Haut, ziemlich langem dunklem Haar, kräftigen, aber eindrucksvollen Zügen und mit dichten Wimpern besetzten honigbraunen Augen, die das Herz einer Frau dahinschmelzen lassen konnten. Es hätte vielleicht Zufall sein können, dass er vor den Hengst getreten war und meinen Weg behinderte, nur dass seine eine Hand an einem Zügel des Hengstes lag und ihn festhielt – und die andere ein in einer Scheide steckendes Schwert umfasste.

»Ihr seid der Sandtiger«, erklärte er mit erhobener Stimme. Er suchte eindeutig Publikum.

Ich hätte seine einführende Ausflucht im Interesse der Zeitersparnis vielleicht leugnen können, doch ich hatte mich in Meteiera beinahe verloren und würde mich niemals wieder vor meinem Namen verstecken. So blickte ich finster zu ihm hinab.

Ausdrucksvolle Augen forderten mich heraus. »Wollt Ihr tanzen? Wollt Ihr in den Kreis eintreten?«

Ich öffnete den Mund, um ihm zu erklären, dass ich nicht tanzen konnte, nicht auf die Art, die er so eindeutig meinte, mit einem in den Sand gezogenen Kreis und allen Ehrenkodexen. Stattdessen sagte ich bloß: »Nicht heute« und stieß dem Hengst die Fersen in die Rippen.

Er sprang erschrocken beiseite und ließ den Zügel los. Dann eilte er flink und gewandt aus dem Weg, uni nicht umgeritten zu werden, und ich hörte seine verklingenden Flüche, während ich in scharfem Trab zum Ende der Straße gelangte.

Dort wartete Del auf ihrem ruhigen Wallach. Der Hengst sah ihn einmal an, beschloss, erneut zu rebellieren, ließ sich aber umstimmen, als ich die langen Zügel auf seinen breiten Rumpf knallen ließ. Es gab keine weiteren Meinungsverschiedenheiten mehr, als Del neben uns ritt.

»Also«, sagte sie ruhig, »ist das Geheimnis deiner Rückkehr gelüftet.«

»Ja und nein.«

Sie runzelte die Stirn. »Warum sagst du das?«

»Er ist kein Schwerttänzer. Nur ein Bengel, der einen Ruf erringen will.«

»Woher weißt du das?«

»Er hat mich zum Tanz herausgefordert. Das würde ein Schwerttänzer nicht tun. Sie wissen alle, was Elaii-ali-ma bedeutet: dass es keinen Tanz, keinen Kreis, sondern nur einen Kampf auf Leben und Tod gibt. Das ist ein gewaltiger Unterschied.«

»Und jeder Schwerttänzer im Süden weiß das?«

»Jeder, der den Ehrenkodexen verschworen ist, ja.«

»Aber er hat dich erkannt.«

»Das«, sagte ich, »ist wahrscheinlich eher das Ergebnis davon, dass der Schwertschmied Gerüchte verbreitet hat.«

»Du denkst, er hat dich erkannt?«

»Wahrscheinlich nicht. Wie ich bereits sagte, gehen nicht viele Schwerttänzer nach Haziz, es sei denn, sie werden speziell angeheuert. Aber wie du bereits zuvor erklärt hast, sind wir nicht so wie der Rest der Menge. Es ist nur eine Beschreibung nötig, und jedermann, der uns gesehen oder von uns gehört hat, weiß Bescheid.«

»Also fängt es an.«

»Es fängt an.« Ich schaute zur Seite auf das lange Pferdegesicht mit den schwarz gemalten Augenkreisen und den herabhängenden goldenen Fransen – ich fragte mich kurz, ob Del dem Schankmädchen wohl gesagt hatte, was sie damit vorhatte – sowie den traurigen Augen. »Dieser Wallach ist eine Schmach für seine Art.«

Del zog die Augenbrauen hoch. »Nur weil dein Pferd Angst vor ihm hat, ist das kein Grund, ihn zu beleidigen.«

»Er sieht lächerlich aus!«

»Nicht lächerlicher als der Hengst aussah, als er wie im Boden verwurzelt dastand und wie Espenlaub zitterte.«

Wahrscheinlich nicht. Ich sagte stirnrunzelnd: »Wir sollten aufbrechen, Bascha. Es ist ein langer Ritt nach Julah ...«

»... und wir verschwenden Tageslicht.«

Nun. Das taten wir.

Del und ich hörten auf, Tageslicht zu verschwenden, als die Sonne unterging und sich in ihrer eigenen Feuersbrunst verlor, einer solch leuchtenden Farbenpracht, dass sie uns fast blind machte. Wüstenorange, flammendes Rot, Gelb, Zinnoberrot, dunkles Blaurot, Lavendel, die schwach brünierte Schattierung von Blau, das in Silbergold überging. Hier draußen vergeht die Dämmerung sanft, geht nur langsam in Dunkelheit über.

Wir befanden uns jenseits der letzten Oase zwischen Haziz und Julah, sodass wir keinen besonderen Schlafplatz anstrebten. Es endete damit, dass wir uns in einer Hügelkette niederließen, die von faserigen Bodendeckern mit kleinen, weißen Blüten bewachsen war, im fadenscheinigen Schutz eines ausgedünnten Hains niedriger verkümmerter Bäume, die sich einiger holziger Zweige mit staubigen, grünen Blättern rühmen konnten. Die Blätter würden innerhalb weniger Wochen vertrocknen, sich zusammenrollen und abfallen, wenn der Sommer sie zu Tode sengte, aber im Augenblick herrschte morgens noch genug Feuchtigkeit, dass die Blätter saftig blieben. Zwischen den Bodendeckern wuchsen höhere Wüstengräser mit krausen, büscheligen Spitzen.

»Das wird gehen«, sagte ich und verhielt mein Pferd, während Del bereits abstieg.

Da man dem Hengst nicht immer trauen konnte, wenn er in der Nähe anderer Pferde angepflockt war, brachte ich ihn zu einem Baum in acht Schritten Entfernung und führte eine kurze Diskussion mit ihm darüber, dass er so stehen bleiben sollte, wie ich ihn anpflockte. Del und ich beschäftigten uns damit, beide Pferde abzusatteln und zu striegeln, das Zaumzeug und die Gebisse gegen Halfter auszutauschen, Wasser in die zusammenlegbaren, geölten Segeltuchsäcke zu gießen, die als Eimer dienten, und den Pferden als Ergänzung zu den Gräsern Korn anzubieten. Es war kein besonders gutes Futter, aber es würde genügen. Und in der nächsten Nacht würden wir in Julah sein, wo sie reichlich gefüttert werden würden.

Unser Abendessen bestand aus getrocknetem Cumfafleisch, Knollen mit purpurfarbener Schale und flachem Maisbrot. Del trank Wasser, und ich nahm einige Mundvoll Aqivi aus der Ziegenhaut-Bota. Als wir gesättigt waren, legten wir uns entspannt auf unser zusammengerolltes Bettzeug und verdauten, während wir schläfrig blinzelnd in den dunkler werdenden Himmel blickten und zusahen, wie die ersten Sterne zum Leben erwachten.

»Das«, bemerkte Del kurz darauf, »war ein tiefer Seufzer.«

Ich hatte es nicht bemerkt.

»Der Zufriedenheit«, fügte sie hinzu.

Ich dachte darüber nach. Vielleicht. Auch wenn es Risiken beinhaltete, in den Süden zurückzukehren, war er doch meine Heimat. Ich war einmal mit Del im Norden gewesen, hatte wahrhafte Wälder erlebt, wahrhafte Berge und sogar Schnee. War nach Skandi gesegelt und auf einer vom Wind umwehten, gemäßigten Insel inmitten eines strahlend azurblauen Meeres meiner Großmutter begegnet. Aber hier fühlte ich mich am wohlsten. Draußen in der Wüste unter freiem Himmel, wo sich am Horizont nicht mehr zeigte als weiterer Horizont. Wo ein Mann niemandem etwas schuldig war, es sei denn, er wollte es.

Es sei denn, er war ein Sklave.

Del lag sehr nahe. Ihr Kopf und eine Schulter ruhten an meinen, die Knöchel verschränkt. Und ich erinnerte mich, dass ich ein Mann war, kein Kind; frei, kein Sklave. Dass ich schon seit Jahren kein Kind und kein Chula mehr war.

Ich erinnerte mich, dass ich Del, als wir uns auf die Abreise per Schiff aus Haziz vorbereitet hatten, einmal erzählt hatte, dass mir im Süden nichts geblieben sei. Das entsprach gewissermaßen der Wahrheit. Andererseits war es aber auch falsch. Es gab Dinge am Süden, die mich nicht kümmerten, Dinge, die ich vielleicht nicht erkannt hätte, wenn Del nicht gekommen wäre, aber es gab andere Dinge, die mir mehr bedeuteten, als ich erwartet hatte. Vielleicht lag es nur daran, dass mir diese Dinge vertraut waren, dass man leichter mit Bekanntem umging, als das Unerwartete herauszufordern. Oder vielleicht lag es daran, dass ich den Herausforderungen meines Lebens begegnet war, sie überwunden hatte und nicht in die Bedeutungslosigkeit verbannen wollte. Oder es war vielleicht auch nur Erleichterung darüber, dass ich lebend heimkehren konnte, nachdem ich in einem fremden Land beinahe gestorben wäre.

Ich grinste plötzlich. »Weißt du, eines vermisse ich wirklich an Skandi.«

Del klang schläfrig. »Hmm?«

»Das gekachelte Badebecken der Metri. Und was wir darin gemacht haben.«

»Das können wir auch ohne das Badebecken der Metri tun. Tatsächlich denke ich, dass wir das bereits getan haben.«

»Nicht wie dort.«

»Denkst du immer nur daran?«

Ich gähnte. »Nein. Nur meistens.«

Kurz darauf sagte sie nachdenklich: »Es wäre schön, ein solches Badebecken zu haben.«

»Hm-hmm.«

»Vielleicht kannst du in Alimat eines bauen.«

»Ich glaube, ich muss erst Alimat selbst wieder aufbauen, bevor ich ein Badebecken bauen kann.«

»Inzwischen ...« Aber ihre Stimme verklang.

»Inzwischen?«

»Wirst du hiermit zurechtkommen müssen.« Woraufhin sie den gesamten Inhalt einer Bota über mich spritzte.

Die daraus resultierende Betätigung ähnelte nicht einmal annähernd dem, was wir, vollkommen untergetaucht, im großen, warmen Badebecken der Metri erfahren hatten. Aber es genügte.

Oh, in der Tat.

Schwertbruder

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