Читать книгу Schwertbruder - Jennifer Roberson - Страница 11

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Del und ich wollten morgens gerade aus dem Bett steigen, als ein Kratzen an der Tür erklang. Ich hätte es vielleicht ignorieren können, nur dass es sich zu häufig wiederholte. Ich zog den Dhoti über und nahm mein Schwert aus der Scheide, während Del hastig eine Decke um ihre Nacktheit schlang.

Das Kratzen erklang erneut, zusammen mit der leisen Stimme einer Frau, die fragte, ob der Schwerttänzer und seine nordische Frau dort drinnen wären. Keine Namen. Interessant.

Ein Blick über die Schulter bestätigte mir, dass eine angemessen verhüllte Del mit dem Schwert in der Hand bereit stand. Sie nickte. Ich entriegelte die Tür und öffnete sie, das Schwert bereit. Es war durchaus möglich, dass jemand eine Frau vorschickte. Höflichkeit und ehrliche Gespräche waren nicht mehr gefragt.

Die Frau in dem engen Gang zuckte vor dem Funkeln des scharfen Stahls zurück. Als Schutzgeste und als Hinweis auf ihre arglosen Absichten zeigte sie ihre Handflächen. Ich blinzelte. Es war Silk, das Schankmädchen aus Fouads Cantina, in Gewänder und eine Kopfbedeckung gekleidet, während sie normalerweise nur sehr wenig trug.

»Ich bin allein«, platzte sie heraus. »Ich schwöre es.«

Ihre Nerven waren überaus angespannt. Ich öffnete den Mund, um sie zu fragen, was sie hier tue, als ich ihren Blick an mir vorbei zu Del wandern sah. Sie registrierte, dass Del unter der dünnen Decke nackt und das weiß-blonde Haar zerzaust war, und kurz flammte etwas in Silks dunklen Augen auf, etwas, wie ich dachte, das dem Gewahren und der Anerkennung der Schönheit einer anderen Frau sehr ähnlich war. Ihre Mundwinkel sanken kurzzeitig herab. Es war jedoch nicht Eifersucht. Es war seltsamerweise Bedauern. Resignation. Silk war attraktiv, auf billige Art, aber entschieden südlich. Del war in all ihrer herrlichen nordischen Pracht einfach unvergleichlich. Sie entsprach nicht dem Geschmack des typischen Südbewohners – für einige war sie zu groß, zu hellhäutig, zu blond und entschieden zu unabhängig –, aber niemand, der sie ansah, konnte verkennen, was sie war.

Ah, ja. Das ist meine Bascha.

»Fouad hat mich geschickt«, sagte Silk nervös. Ich bedeutete ihr einzutreten, aber sie schüttelte den Kopf. »Ich muss zurück. Er wollte, dass ich dir sage, dass jemand dich erkannt hat und sich die Nachricht deiner Anwesenheit hier bereits verbreitet. Er fürchtet, dass du vielleicht noch vor deinem Aufbruch herausgefordert wirst.«

Ich nickte wenig überrascht und stellte mir bereits vor, wie es geschehen könnte.

»Danke für die Warnung«, sagte Del.

Silk richtete ihre Kopfbedeckung und zog sie nach vorn, um ihr Gesicht teilweise zu verdecken. »Ich habe es nicht für Euch getan.«

Nach einem Moment des Schweigens lächelte Del schwach. »Nein. Aber wir wollen beide, dass er überlebt.«

Silk warf mir einen Blick aus geweiteten, kummervollen Augen zu. Ich war bestürzt, Tränen darin zu sehen. Ich öffnete den Mund, um etwas zu sagen, aber sie wandte sich jäh um und ging davon, eine schmale, dunkle Frau in hellem bauschigem Stoff.

»Tür«, sagte Del scharf.

Ich schloss und verriegelte sie, während Del die Decke fallen ließ und Unterwäsche und Tunika aufklaubte. Schweigend zogen wir Burnusse und Sandalen an, packten unsere Habe, überprüften erneut den Sitz unserer Harnische und der Schwerter.

Die Pferde waren draußen in dem kleinen, rückwärtigen Mietstall eingestellt. Solange niemand wusste, dass wir gerade in diesem Gasthaus logierten, konnten wir sie vielleicht aus der Box holen, unsere Habe aufladen und im Sattel sitzen, bevor wir entdeckt würden.

Aber vielleicht auch nicht.

Dels Blick begegnete meinem. Ihr Gesicht war ausdruckslos. Sie war wieder die nordische Schwertsängerin, eine Kriegerin, die einem Mann nicht nur gleichberechtigt entgegen trat, sondern ihn auch besiegen konnte.

Von einem Shodo ausgebildete Schwerttänzer würden nicht gegen sie kämpfen oder ihr Schaden zufügen wollen. Sie waren hinter mir her. Sie würden sie gehen lassen. Aber Del würde diese stillschweigende Übereinkunft zunichte machen.

Einer von uns könnte heute sterben. Oder keiner. Oder beide. Und wir wussten es.

Sie öffnete die Tür und trat hinaus.

Del und ich bemühten uns redlich, alle Hintergassen des verschlungenen Gewirrs zu nutzen, das die ärmeren Gegenden Julahs ausmachte. Eine Weile glaubte ich, wir könnten tatsächlich aus der Stadt hinausgelangen, ohne dass ich herausgefordert würde, aber ich hätte es besser wissen sollen. Wer auch immer der Schwerttänzer war, der mich erkannt hatte – er war klug genug zu wissen, dass er nicht überall gleichzeitig sein konnte. Er hatte Geld aufwenden müssen, um mich aufzuspüren, und Gott weiß wie viele Jungen angeheuert, um alle Straßen und Kreuzungspunkte zu besetzen; irgendwann trafen die Gassen darauf. Es dauerte nicht lange, bis die Nachricht die Runde machte, dass der Sandtiger und seine nordische Bascha gerade die Straße der Weber überquerten und auf die Straße der Töpfer zuhielten, die wiederum in die Straße der Blechschmiede überging.

Und dort, vor einem der blühenderen Läden, die mit Blechwaren handelten, fand uns der Schwerttänzer.

Er hielt sein braunes Pferd mitten auf der Straße an. Del und ich hätten wenden und den Weg zurückreiten können, den wir gekommen waren, aber es ist eine Sache zu versuchen, den Feind zu meiden, und eine andere Sache davonzulaufen, wenn man ihm tatsächlich gegenüber steht. Von den überreizten Jungen und dem Versprechen eines Schwerttanzes geschürt, hatte sich das Gerücht rasch verbreitet. Die Straße der Blechschmiede war zwar nicht die Hauptstraße der Stadt, aber das Händlerviertel war stets sehr bevölkert, und heute war noch dazu Markttag. Aufgeregtes Murmeln hob an, als Del und ich die Pferde anhielten, und schwoll, aufgestörten Bienen gleich, erwartungsvoll an, während wir gelassen auf unseren Pferden saßen, schwiegen und meinem Gegner die Führung übernehmen ließen.

»Sandtiger.« Er erhob seine Stimme, obwohl unsere Pferde nur ungefähr fünfzehn Fuß voneinander entfernt waren. »Erinnert Ihr Euch an mich?«

Es wurde still auf der Straße. Ich war mir starrender Gesichter und erwartungsvoller Augen bewusst. Die Sonne spiegelte sich als Muster auf den zu beiden Seiten der engen Straße aufgehängten Blechwaren. Ich roch Schmieden, Kohlen, den beißenden Geruch bearbeiteten Metalls.

Ich sah ihn an. Durch und durch Südbewohner und vollkommen Schwerttänzer, der Oberkörper in den Harnisch eingebunden, das Heft seines Schwertes über die linke Schulter hinausragend. Ja, ich erinnerte mich an ihn. Khashi. Er war zehn oder zwölf Jahre jünger als ich. Er war ungefähr zu der Zeit in Alimat angenommen worden, als ich es verlassen hatte, um meinen eigenen Weg zu gehen. Ich hatte, bevor ich gegangen war, genug von seiner Ausbildung mitbekommen, um zu wissen, dass er Talent besaß, und hatte im Laufe der Jahre Gerüchte darüber gehört, dass er gut sei, aber unsere Wege hatten sich nie beruflich gekreuzt, und so hatte ich ihn seit damals nicht mehr gesehen.

»Ihr wisst, warum«, sagte er.

Ich schwieg. Eine schwache Brise bewegte unsere Burnusse und die Gewänder und Kopfbedeckungen der Zuschauer und ließ die aufgehängten Blechwaren aneinander klingen. Die quengelnde Stimme eines Kindes erklang, bis es besänftigt wurde.

Khashi verzog die dünnen Lippen. Seine Verachtung war offensichtlich. »Und mehr noch hörte ich, dass Ihr in Haziz den Feigling gespielt und Euch geweigert habt, eine Herausforderung anzunehmen.«

Ich schüttelte den Kopf. »Er war kein Schwerttänzer. Nur ein dummer, ruhmsüchtiger Junge.«

Braune Augen verengten sich. »Und was sagt Ihr über mich?«

»Nichts.« Ich zuckte die Achseln. »Mehr seid Ihr nicht wert.«

Wir waren uns nicht nahe genug, dass ich die Röte in seinem Gesicht brennen sehen konnte, aber ich erkannte durchaus, dass ich ihn getroffen hatte. Sein Körper wurde starr, die Hände umfassten die Zügel fester. Sein Pferd tänzelte nervös und schüttelte den Kopf, versuchte den Druck an seinem Maul zu lockern. Metall schnitt ein, und Ringe klangen.

»Und was seid Ihr wert?«, fragte er scharf. »Ihr habt Elaii-ali-ma erklärt.«

»Oh, ich bin niedriger gestellt als der Niedrigste der Niedrigen«, erwiderte ich. »Ich bin die Fleisch gewordene Schändlichkeit. Ich bin die verkörperte Unehre. Ihr werdet Eure Klinge mit meinem Blut beschmutzen.«

Er grinste, wobei sich seine weißen Zähne von dem dunklen Gesicht abhoben. »Blut lässt sich abwaschen. Rechtschaffenheit nicht.« Er erhob jäh die Stimme und sprach die Menge an. »Hört mir zu!«, rief er. »Dieser Mann ist der Sandtiger, der einst ein Schwerttänzer des siebten Grades war, der geschworen hatte, die Ehrenkodexe und geweihten Traditionen Alimats aufrechtzuerhalten. Aber er hat ihnen, seinem Shodo und allen seinen Waffenbrüdern entsagt. Wir haben das Recht, ihn dafür zu bestrafen. Ich werde die Ehre dieser Aufgabe heute bereitwillig übernehmen. Ich fordere jedermann hier auf, Zeuge des Todes eines Schwurbrechers zu werden!«

Ich seufzte und legte einen Zügel über den Hals des Hengstes, während ich Del den anderen reichte. »Ihr redet zu viel, Khashi.«

Betroffen, aber immer noch auf die Aufgabe konzentriert, legte er das rechte Bein über den Hals seines Pferdes, löste den linken Fuß aus dem Steigbügel und sprang hinab, während er einem der Jungen die Zügel zuwarf. Gruppen von Jungen säumten die Mauern der Läden, und Händler und Kunden drangen aus den Eingängen. Die Straße war eine Schlucht starrender Gesichter. »Dann werden wir aufhören zu reden«, sagte er, »und kämpfen.«

Anders als der törichte Junge in Haziz kannte Khashi den Unterschied zwischen Tanz und Kampf. Er streifte seinen Burnus, die Sandalen und den Harnisch ab, sodass er nur noch den üblichen, weichen Wildlederdhoti trug, und legte sie beiseite. Er hielt nicht inne, um einen Kreis zu zeichnen oder mich dazu aufzufordern, denn es würde keinen geben. Auf geschmeidige Art anmutig, schritt er mit dem Schwert in der Hand voran.

Ich hörte das einhellige Atemanhalten des Publikums, als ich abstieg. Ich legte Harnisch, Burnus und Sandalen nicht ab. Ich zog einfach ohne übertrieben dramatisches Getue mein Schwert aus der Scheide und ging meinem Herausforderer entgegen, der in sechs Schritten Entfernung mitten auf der Straße stand.

Er lächelte, taxierte seinen Gegner. Der Sandtiger, zwar berüchtigt, aber auch ein älterer, alternder Mann, der so töricht war, sich nicht von Dingen zu befreien, die seine Bewegungen behindern würden. Ich hatte dem jüngeren Herausforderer den Vorteil überlassen.

Weshalb er ungläubig auflachte, als ich in seiner Reichweite stehen blieb.

Ich wartete einfach nur ab. Nach einem Moment des Zögerns – vielleicht unbewusst die traditionelle Aufforderung zum Tanz erwartend, die nicht erfolgen würde – riss Khashi sein Schwert hoch und tat den ersten Schritt.

Ich konterte den Stoß, und einen weiteren, einen dritten, einen vierten, und wehrte seine Klinge ab. Ich griff nicht an, sondern verteidigte mich nur. Ich sparte meine Kraft auf, während Khashi seine verausgabte.

Obwohl wir nicht in einem Kreis standen und daher nicht gefordert waren, innerhalb eines begrenzten Bereichs zu bleiben, damit wir nicht verlören, indem wir die Grenze überschritten, hatten wir beide zu viele Jahre damit verbracht, die Kodexe und Rituale zu ehren. Es gab kein theatralisches Herumgespringe und -gerenne. Wir hielten einfach Stand, uns des geistigen Kreis bewusst – trotz des Fehlens eines physischen –, und kämpften.

Es war, wie immer, geräuschvoll. Stahl schlug gegen Stahl, schabte, wurde fortgerissen, kreischte, schrillte, schepperte. Der Atem zog rau durch verengte Kehlen und drang zischend aus unseren Mündern. Mühsames Brummen und Keuchen übertönten das Murmeln der Zuschauer, den leisen, verbalen Ausdruck der Erregung.

Ich konterte einen weiteren Stoß, lenkte die Klinge mit großer Kraft auf ihn zurück. Ich spürte einen stechenden Schmerz in meiner rechten Hand und einen weiteren in meinem linken Handgelenk. Das Heft verlagerte sich in meinen Händen leicht.

Alles, worüber Del und ich diskutiert hatten, wurde zu Fakten: Der Verlust eines Fingers an jeder Hand beeinträchtigte meinen Griff, und das beeinträchtigte wiederum die Handgelenke, Unterarme und Ellenbogen bis hinauf zu den Schultern und dem Rücken. Seitdem wir Skandi verlassen hatten, hatte ich unaufhörlich daran gearbeitet, den Verlust der Finger wettzumachen, indem ich meinen Körper umschulte, aber nur ein wahrer Kampf würde beweisen, ob mir das gelungen war. Nun, da ich einen führte, erkannte ich, dass der Körper in Haltungen, Griffe und Reaktionen zurückfallen wollte, die ich vor über zwanzig Jahren gelernt hatte. Der neue Geist hatte den alten Körper noch nicht gelehrt, sich zu überlassen.

Ich konnte mir keinen langen Kampf leisten, weil ich nicht in der Lage wäre, ihn zu gewinnen. Ich musste ihn begrenzen.

Mit der rechten Hand hob ich die Klinge hoch über den Kopf, das Handgelenk gebeugt, sodass die Spitze auf meine linke Schulter hinab wies. Khashi erkannte die Lücke, die ich ihm bot, die Gelegenheit zu siegen. Er glaubte es nicht. Aber er sprang vorwärts, konnte sich die Chance auf das Ziel nicht entgehen lassen, das ich aus meinem Körper gemacht hatte. Das Publikum hielt erschreckt den Atem an.

Ich führte das Schwert in einem harten, vernichtenden, quer zum Körper verlaufenden Stoß diagonal abwärts und drehte die Schneide durch eine Bewegung des Handgelenks, noch während ich meinen Ellenbogen dem anpasste. Das unelegante, aber kräftige Manöver fegte Khashis Klinge abwärts und zur Seite. Eine weitere rasche Bewegung des Handgelenks folgte, das Durchdringen von Fleisch und Muskeln, und ich ließ den Stahl in seinen Bauch gleiten. Eine schnelle, schaufelnde Bewegung schälte die Eingeweide aus der Bauchhöhle, und dann zog ich die Klinge wieder heraus.

Khashi ließ sein Schwert fallen. Die Hände wanderten zu seinem Bauch. Sein Kinn sank herab. Dann gaben die Beine unter ihm nach. Er kniete dort auf der Straße, umklammerte klebrige Eingeweide und wand sich unter Schock, während sein geöffneter Mund einen schrillen Schrei der Erschütterung und des Entsetzens ausstieß.

Ich erwies ihm die Ehre, seine Klinge beiseite zu treten, obwohl er nicht mehr die Kraft hatte, sie aufzunehmen, und wandte ihm den Rücken zu. Ich wollte direkt zum Hengst zurückgehen. Aber drei Schritte entfernt stand der törichte Junge aus Haziz. Er hatte das Schwert mit einer Hand blankgezogen.

Blut floss von meinem. Ich beobachtete seinen bestürzten Blick, welcher der Bewegung entlang dem Stahl folgte, rote, nasse Rinnsale, die vom Heft bis zur Spitze verliefen und auf den festgetretenen Boden tropften.

Dann sah er mich an. Sah mich, sah etwas in meinem Gesicht, in meinen Augen. Sein Gesicht war bleich. Aber er schluckte hart, und es gelang ihm zu sprechen. »Das war nicht ehrenhaft.«

Ich hatte eine zweite Herausforderung erwartet, keine Anklage. Nach einem Moment fand ich meine Stimme wieder. »Hier ging es nicht um Ehre.«

Sein Blick aus braunen Augen wirkte in dem gebräunten, aus Flächen und Kanten geformten Gesicht, die plötzlich scharf wie Klingen schienen, wie betäubt. »Aber Ihr müsst einen Mann nicht töten, um zu siegen. Nicht im Kreis.«

»Hier ging es nicht um den Kreis«, sagte ich. »Nicht um Riten, Rituale, Ehrenkodexe oder darauf geleistete Schwüre. Es ging nur ums Sterben.«

»Aber ... Ihr seid ein Schwerttänzer.«

Ich schüttelte den Kopf. »Nicht mehr. Jetzt bin ich nur noch ein Ziel.«

»Ihr seid der Sandtiger!«

»Das ja«, stimmte ich ihm zu. »Aber ich habe Elaii-ali-ma geschworen.«

Sein Gesicht bekam wieder Farbe. Die honigbraunen Augen blickten klarer, wenn auch nicht weniger entsetzt. »Ich weiß nicht, was das ist.«

Mit einer ruckartigen Kopfbewegung deutete ich auf Khashis ausgestreckt daliegenden Körper. »Frag ihn.«

Dann ging ich an ihm vorbei, weil ich erkannte, dass er mich nicht herausfordern würde. Nicht jetzt. Wahrscheinlich niemals wieder.

Aber andere würden es tun.

Bevor ich aufstieg, wischte ich an meinem Burnus das Blut von der Klinge, steckte sie in die Scheide zurück und nahm Del den Zügel wieder ab. Dann schwang ich mich in den Sattel. »Lass uns ziehen.«

Sie behielt ihre unbewegte Miene bei, verriet keinem Zuschauer etwas. Aber ihre Augen waren reines Mitleid.

Ich hörte, wie im Sprechchor mein Name gerufen wurde, als wir Julah verließen.

Nicht weit außerhalb der Stadt, nach einem kurzen, schweigenden Ritt, wandte ich mich jäh vom Weg ab. Ich ritt zum Kamm einer niedrigen, von Kakteen und verkümmerten Bäumen gekrönten Erhebung, stieg ab, ließ die Zügel schleifen, tat einige Schritte die andere Seite hinab und schlitterte auf Schiefer, bevor ich mich hinabbeugte und meinen Magen in einem Schwall krampfartig entleerte.

Ich blieb vornüber gebeugt stehen, hustete und spuckte, als auch die letzten Reste draußen waren, und hörte dann das Klappern von Hufen auf Stein. Vielleicht war es der Hengst. Aber für den Fall, dass es Del war, streckte ich eine gespreizte Hand aus, um ihr zu vermitteln, dass sie fernbleiben sollte.

Ich brauchte kein Publikum. Ich hatte bereits eines gehabt, in Julah.

Schließlich richtete ich mich auf und wischte mir mit dem Ärmel meines Burnus den Mund. Als ich mich umwandte, um wieder zum Hengst hinauf zu steigen, sah ich Del seine Zügel halten. Nicht mehr schweigsam.

»Bist du verletzt?«, fragte sie.

»Nein.«

»Bist du sicher?«

»Ja.«

»Hast du nachgesehen

Seufzend inspizierte ich meine Arme, ließ die Hände dann über die Vorderseite von Burnus und Harnisch gleiten und suchte nach Verletzungen, obwohl ich mir ziemlich sicher war, dass Khashi meine Deckung nicht durchbrochen hatte. Ich war blutbespritzt, aber es schien nicht meines zu sein. Und nur die Handkanten, wo die Finger fehlten, taten mir weh.

»Es geht mir gut.« Ich kletterte auf den Hengst, nahm ihr die Zügel ab, zog dann eine der Botas hervor und nahm einen großen Schluck Wasser. Ich spülte meinen Mund, spie aus, spülte ihn erneut und stieß dann aus der Gegend meiner Zehen geräuschvoll den Atem aus. »Metzelei«, murmelte ich rau, meine Kehle von Gallenflüssigkeit brennend.

»Es musste sein.«

»Ich habe schon früher Männer getötet, Männer enthauptet, Männer in die Speckringe geschnitten. Borjuni. Banditen. Diebe. Es hat mich nie gestört. Es ging ums Überleben, nicht mehr. Aber dies ...« Ich schüttelte den Kopf.

»Es musste sein«, wiederholte sie. »Wie hättest du andere Schwerttänzer besser warnen können, dass du keine leichte Beute sein wirst?«

Das war genau der Grund, warum ich es getan hatte, wohl wissend, dass die Geschichte weitererzählt werden würde. Zur Legende ausgeschmückt werden würde. Aber mit den Nachwirkungen war weitaus schwerer umzugehen als erwartet.

»Tiger«, sagte Del ruhig, »du hast viele Jahre damit verbracht, alle Rituale des Schwerttanzes zu erlernen. Die Anforderungen des Kreises. Es war deine Flucht, deine Freiheit, aber auch eine Art der Lebensführung, aus Regeln, Riten, Kodexen verwoben. Beim formellen Schwerttanz geht es nicht ums Töten, sondern um die Ehre des Tanzes – und um den Sieg. Was du heute getan hast, stand in Widerspruch zu allem, was du gelernt hast, zu allem, was du angenommen hast, als du vor deinem Shodo in Alimat die Schwüre eines Schwerttänzers geleistet hast.«

»Ich habe schon früher Tänze auf Leben und Tod bestritten.« Selten, da die meisten Schwerttänze eine verhältnismäßig friedliche Weise waren, Streitigkeiten für unsere Auftraggeber zu regeln; aber es war vorgekommen.

»Noch immer formalisiert«, bemerkte sie. »Es ist eine elegante Art zu sterben. Eine ehrenwerte Art zu sterben.«

Khashi zu töten war keines von beidem gewesen. Aber es musste sein, ja.

»Zu einem anderen Zeitpunkt hättet ihr beide einen richtigen Tanz bestritten. Einer von euch hätte gesiegt. Und danach wärt ihr wahrscheinlich zusammen in eine Cantina gegangen und hättet euch glorreich betrunken. Es ist anders, Tiger, was heute geschehen ist.«

»Du kannst es nicht wissen, Bascha ...«

»Ich kann. Ich weiß. Ich habe Bron getötet.«

Ich brauchte einen Moment. Dann erinnerte ich mich. Del hatte einen Freund getötet, einen Übungspartner, der sie ansonsten daran gehindert hätte, zu der als Staal-Ysta bekannten, nördlichen Insel zurückzukehren, wo ihre Tochter lebte.

Aber dennoch.

Ich spritzte mir noch mehr Wasser in den Mund, spie erneut aus und trank dann. Blickte angestrengt über die Landschaft, erinnerte mich an den Gestank der herausgeschälten Eingeweide, den Ausdruck auf seinem Gesicht, als sein Leben verging, das Gewicht der Klinge, als ich seinen Bauch öffnete.

Metzelei.

»Würdest du dich besser fühlen, wenn du gestorben wärst?«

Ich sah sie zum ersten Mal seit dem Kampf direkt an. Spürte, wie ein verzerrtes Lächeln meinen Mund verzog. Vertraute darauf, dass Delilah es einordnen konnte.

»Es muss dir nicht gefallen«, sagte sie. »Wenn es dir gefiele, wenn es dir auch nur annähernd gefiele, würde ich dein Bett nicht teilen. Aber auch das hat mit Überleben zu tun, und es ist die unkultivierteste, primitivste Art. Es wird andere geben. Töte sie schnell, Tiger, und mitleidlos. Erweise ihnen kein Erbarmen. Weil sie auch dir gewiss keines gewähren werden.«

Was sie nicht sagte, was sie nicht zu sagen brauchte, war, dass einige dieser anderen besser als Khashi sein würden.

Schwertbruder

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