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2.5.5 Ursachen des Vergessens

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Dem Behalten von Informationen steht das Vergessen gegenüber:

Behalten und Vergessen sind komplementäre Prozesse. Was nicht behalten wird, wird vergessen. Die Faktoren, die das Behalten positiv beeinflussen, beeinflussen das Vergessen negativ. (Dörner 1996: 174)

Als „Gegenpol zur Gedächtnisleistung“ (Kehrein 2013: 11) kann das Vergessen diverse Ursachen haben. Anhand der verschiedenen Gedächtnistheorien, aber auch neurowissenschaftlicher Vorgänge gibt es unterschiedliche Erklärungsansätze, warum eine Information vergessen wird und somit auf diese kein Zugriff besteht. Platons Metapher der wächsernen Tafel entsprechend funktioniert das Erinnern nicht, wenn das Abbild auf der Tafel verwischt oder zu Beginn schon nicht genug Kraft hatte, sich einzuprägen, wobei beide von Platon gegebenen Erklärungen auch heute noch neben anderen Begründungen als Ursachen des Vergessens für möglich gehalten werden (vgl. Becker-Carus & Wendt 2017: 382).

Reinfried (2006: 182) sieht für das Vergessen aus neurowissenschaftlicher Sicht die neuronale Inaktivität als ausschlaggebend. Werden die entsprechenden Neuronen nicht häufig genug aktiviert, ist es möglich, dass gelernte Inhalte nicht mehr abrufbar sind:

Eine Information ist so lange nicht mehr aktiviert worden, dass die sie speichernden Neuronen an synaptischer ‚Regsamkeit‘ verloren haben. Zuerst sinkt der Zugriff auf diese Information unter einen kritischen Schwellenwert, der je nach aktueller körperlicher Verfassung schwankend ist, schließlich kann sich die ‚Gedächtnisspur‘ völlig auflösen. (ebd.)

Hierbei spielt der Faktor Zeit eine Rolle, da ohne Wiederholung des Lerninhalts „die Stärke einer Gedächtnisspur […] kontinuierlich mit der Zeit zerfällt, bis sich die Spur schließlich vollständig aufgelöst hat.“ (Stork 2003: 60) Jedoch geben Becker-Carus und Wendt (2017: 386) zu bedenken:

Experimentelle Belege gibt es für das Nichteinprägen und die Nichtzugänglichkeit von Informationen. Ein Zerfall von Informationen im Langzeitgedächtnis kann dagegen nicht experimentell belegt werden.

Eine weitere Erklärung für das Vergessen besagt, dass diejenigen „stützenden Assoziationen, die zu einer Information hinführen, verblassen. Der Zugang zur Information ist dadurch erschwert.“ (Reinfried 2006: 182). Dies geschieht, wenn nicht ausreichend geeignete Hinweisreize (retrieval cues) zur Verfügung stehen (vgl. Stork 2003: 60).

Zudem können Interferenzen (Überlagerungen) den Abruf von Gelerntem behindern, was „durch Ähnlichkeit zweier zu unterschiedlichen Zeitpunkten erlernten Informationen stark begünstigt“ wird (Reinfried 2006: 182). Auch emotionale Faktoren können von Bedeutung sein, dass etwas behalten oder vielleicht sogar absichtlich verdrängt wird (vgl. Becker-Carus & Wendt 2017: 382).

Denkbar ist gleichfalls, dass sich die gesuchte Information gar nicht erst oder nicht ausreichend eingeprägt hat und daher nicht abrufbar ist, was bedeutet, dass sie nach dem Mehrspeichermodell nicht vom Kurzzeitspeicher in den Langzeitspeicher überführt wurde. In Bezug auf den Kurzzeitspeicher wäre ebenso möglich, dass ältere Informationen ersetzt werden oder entfallen, um den begrenzten Platz des Arbeitsgedächtnisses wieder freizugeben. Bei der Theorie der Verarbeitungstiefe wäre ein Vergessen aufgrund einer mangelnden Tiefe der Verarbeitung denkbar, was bedeutet, dass der Inhalt eher auf flachen Ebenen verarbeitet wurde. Bekannt ist auch das Phänomen, dass eine Information nicht komplett verloren gegangen ist, sondern einem quasi „auf der Zunge liegt“, was der Theorie der Nichtabrufbarkeit zugehörig ist (vgl. Stork 2003: 60).

Nach Glanzer und Cunitz (1966) macht in einer Wortliste die Positionierung des zu lernenden Wortes übrigens einen Unterschied in der Behaltensleistung. Versuchspersonen wurden Wortlisten mit 20 bis 40 Items gegeben, welche auswendiggelernt und anschließend reproduziert werden sollten, wobei die Reihenfolge irrelevant war. Aus diesen Ergebnissen ergibt sich die sogenannte serielle Positionskurve, die aufzeigt, dass die ersten, vor allem aber die letzten Wörter der Liste am besten behalten werden, während die Begriffe in der Mitte der Liste nur wenig abrufbar waren. Die zuletzt gelernten Wörter sind deshalb so gut reproduzierbar, da sie zum Zeitpunkt des Abrufs noch im Kurzzeitgedächtnis gespeichert waren (Rezenzeffekt), während für die ersten Wörter verhältnismäßig viel Aufmerksamkeit aufgebracht wurde (Primäreffekt) (vgl. Glowalla: 238f.). Informationen solcher Art können helfen, Vorgänge des Lernens und Vergessens zu verstehen und auf sie zu reagieren.

Durch Kenntnis darüber, warum Lerninhalte vergessen werden, kann durch gezielte Techniken und Strategien gegengesteuert werden, um das Behalten zu fördern (vgl. Kapitel 2.7). Für das Lernen fremdsprachiger Wörter ist jedoch nicht nur relevant, warum, sondern auch wann vergessen wird und daraus resultierend, zu welchen Zeitpunkten das Gedächtnis Wiederholungen benötigt. Hierzu sind Erkenntnisse aus der Wissenschaft von Interesse. Der wohl berühmteste Vertreter experimenteller Gedächtnisforschung findet sich in Ebbinghaus.

Lernen mit Bewegung und Lernen in Entspannung

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