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Im Spital in Brünn – 29.9.2018

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Mama: Schließlich lag die Grenze hinter uns und wir hatten nicht mehr weit zu fahren. Die Sonne war längst aufgegangen, der 29. September angebrochen, und wir hatten nur ein Ziel: endlich die Klinik zu erreichen.

Auf dem Parkplatz der Uniklinik Brno angekommen wurde die Anspannung noch unerträglicher. Innerlich hoffte ich so sehr, dass es Jenny halbwegs gut gehen würde. Wir standen schließlich vor der Eingangstür der Intensivstation. Dahinter lag Jenny. Die Krankenschwester kam, und als sie die Tür öffnete, hörten wir das Schreien von Jenny. Sie wollte mich erst nicht zu ihr lassen, es war keine Besuchszeit, aber ich hätte niemals lockergelassen und so durfte ich schließlich doch eintreten. Beim Anziehen des grünen Mantels und der Plastikschuhe zitterte ich am ganzen Körper – und dann sah ich sie, wie sie dort lag, zugedeckt nur mit einer grünen Decke und umgeben von anderen Patienten.

Sofort fielen mir Jennys Wunde am Kopf, das blaue Auge und die vielen Verbände auf, später erschreckte mich auch der Fixateur an ihrem Bein, den im Moment die Decke verdeckt hatte. Jenny erkannte mich, doch ich merkte, dass sie unter dem Einfluss starker Medikamente stand. Trotzdem schien sie enorme Schmerzen zu haben, doch langsam hatte ich das Gefühl, meine Anwesenheit beruhigte sie etwas. Auch die Schwester merkte es und zeigte den Daumen hoch.

Jenny war verwirrt, wollte wissen, wo sie war und was passiert war. Wir sprachen kurz, dann zeigte mir die Schwester an, ich müsse raus, und sie versuchte mir zu erklären, um 14 Uhr dürfe ich wiederkommen.

Conny: Ich fuhr inzwischen nach Pressbaum zu jenem Turnier, an dem auch Stella, Jenny und Chee Tean teilnehmen hätten sollen. Dort angekommen wollte ich der Turnierleitung Bescheid geben, doch alle wussten schon, was geschehen war. Und so blieb mir nur noch meine eigene Situation klarzustellen: Ich würde bei diesem Turnier nicht antreten. Immer mehr Spieler trudelten munter in der Halle ein, während ich ständig wieder in Tränen ausbrach. Klausi hatte sich bereits in der Früh auf den Weg zu Jenny gemacht, doch ich hätte den Anblick, meine Schwester schwer verletzt dort liegen zu sehen, nicht ertragen. Mama hatte Jenny einmal kurz das Handy ans Ohr gehalten, als sie zu ihr durfte, und ich hatte versucht, mich mit ihr zu unterhalten, was nicht einfach war. Jede halbe Minute wiederholte sie die Frage, wo ich denn sei und was ich machen würde. Sie schien die Antwort von der einen auf die andere Minute wieder zu vergessen, und irgendwie musste ich trotz der schlimmen Situation darüber lachen. Die anderen Spieler wussten noch nicht, was passiert war, und als sie mich fragend ansahen, als »meine« Spiele kampflos an die Gegner gingen, wandte ich nur den Blick ab.

Mama: Gerhard und ich trafen uns in Tschechien kurz mit Stellas Mama und mir war sofort klar, die Situation war sehr ernst. Sie fragte nach Stellas Freund, und erst jetzt wurde mir klar, dass außer den beiden Mädels noch jemand im Auto gesessen hatte. Bei der Autobahnpolizei hatte die Mutter telefonisch keine Auskunft bekommen, weshalb sie uns bat, dort einen Sprung vorbeizufahren. Das kam uns gelegen, denn wir, Gerhard und ich, mussten beide raus. Wir hatten die gleiche schreckliche Vorahnung, doch keiner wollte sie aussprechen.

Wiederum half mir Martina von der Botschaft weiter. Sie verständigte den zuständigen Polizisten, der sich bereit erklärte, zur Polizeistation zu kommen, obwohl er mittlerweile nach einer durch den Unfall bedingten langen und arbeitsreichen Nacht außer Dienst war. Wir mussten etwas warten und wurden schließlich vom Polizisten freundlich empfangen. Niemand der Anwesenden sprach deutsch, und erst über einen weiteren eintreffenden Kollegen wurde die Verständigung auf Englisch möglich.

Die Polizisten führten uns in einen Raum, in dem drei Badmintontaschen, Jennys Jacke und ein schwarzer Sack aufbewahrt wurden. Auf dem Tisch lag eine Skizze des Autos, ich erhaschte einen Blick darauf. Stellas Name stand über Jennys Namen und neben Stella war ein Kreuz abgebildet. Die Polzisten wirkten bedrückt und nervös und Gerhard fragte: »Where is the friend of Stella?« Sie zögerten, doch die Skizze hatte unsere Frage bereits beantwortet und Gerhard fragte: »Did he die?« Die beiden Polizisten schauten einander an und nickten mitgenommen, jetzt hatten wir traurige Gewissheit.

Eine Dolmetscherin kam, Jennys Sachen wurden mir ausgehändigt und ich wurde gebeten, den schwarzen Sack durchzusehen und die darin gesammelten Kleidungsstücke zuzuordnen. Auf dem Tisch lagen auch drei Handys, die Bildschirme zerstört, Jennys Handy funktionierte als einziges noch. Nachdem einige Unterschriften getätigt waren, kehrten wir – immer noch geschockt – mit der schlimmen Nachricht ins Krankenhaus zurück.

Conny: Im Lauf des Tages machte die Nachricht vom Unfall in der Halle in Pressbaum die Runde. Von da an verfolgten mich bemitleidende und neugierige Blicke, wenn mein Handy klingelte und ich zum Telefonieren die Halle verließ. Beim Turnier wurde schließlich ein Krisentisch eingerichtet, und als ich von Mama die traurige Info über den Tod von Chee Tean erhielt, war es an mir, die Nachricht zu überbringen. Das war alles sehr schwierig für mich. Als eine Trauerminute abgehalten wurde, weinte ich bitterlich.

Mama: Endlich war es 14 Uhr und ich durfte wieder zu Jenny. Ich war froh, wieder bei ihr zu sein, und händigte ihr ihr Handy aus, das sie bis zur Rückkehr nach Klagenfurt nicht mehr losließ, obwohl sie es nur mit einem Finger bedienen und auch nicht telefonieren oder Nachrichten beantworten konnte. Aber allein der Gedanke, dass damit die Verbindung nach außen da war, reichte Jenny wahrscheinlich.

Wenig später standen auch Gerhard und Klausi vor Jennys Bett. Jenny, von den starken Schmerzmitteln gerade verhältnismäßig entspannt, begrüßte sie mit: »Hallo Gerhard und Klausi!«

Jenny so zu sehen, um die Fülle der Verletzungen zu wissen und dann so freundlich von ihr begrüßt zu werden – die Reaktionen der beiden Männer drückten Erleichterung und Verzweiflung zugleich aus. Jenny unterhielt sich mit uns, sogar ein Lächeln kam ihr über die Lippen. Doch es dauerte nicht lange, bis wir bemerkten, wie müde sie war, und schließlich ließen wir sie allein, damit sie sich ausruhen konnte. Nachdem wir auch kurz bei Stellas Familie vorbeigeschaut hatten, machte sich Klausi auf den Rückweg nach Pressbaum und Gerhard und ich versuchten für mich ein Hotel zu finden.

Die Suche gestaltete sich schwierig, da gerade eine große Messe in Brünn stattfand und alles ausgebucht zu sein schien. Nach dem vierten vergeblichen Versuch bat ich Gerhard, mich wieder ins Krankenhaus zu fahren. Er sollte die Heimreise antreten und tat das schließlich nach einiger Überzeugungsarbeit auch. Obwohl die Besuchszeiten im Krankenhaus vorbei waren, durfte ich glücklicherweise noch einmal zu Jenny. Die Lage war unverändert, im Moment hatte sie aber wieder enorme Schmerzen und bettelte um eine Spritze.

Danach saß ich unten im Eingangsbereich, trank einen Automatenkaffee und überlegte, was ich machen sollte. Wieder einmal versuchte ich es bei Martina in der Botschaft, und wie schon so oft war sie mir auch bei der Hotelsuche behilflich. Martina, mein rettender Engel, besorgte mir in einer scheinbar ausgebuchten Stadt in einem super Hotel ein Einzelzimmer mit Frühstück und der Möglichkeit, auch jetzt, spät abends, noch etwas zu essen.

Laut ÖAMTC-Arzt, der laufend mit den behandelnden tschechischen Ärzten in Kontakt stand, war Jenny noch nicht transportfähig. Sobald ein Transport nach Klagenfurt möglich sein würde, bekäme ich die Info. Bis ich schließlich müde ins Bett sank, erledigte ich noch ein Telefonat nach dem anderen.

Ich bleib am Ball

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