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Klinikum Klagenfurt

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Erzählungen und meinem Arztbrief zufolge wurde ich am 2. Oktober 2018 im Klinikum Klagenfurt aufgenommen. An den Rücktransport nach Österreich erinnere ich mich kaum. Alles, was ich weiß, ist, dass die Sanitäter und Ärzte sehr freundlich waren und ich sie in einer Pause vom Rettungsauto aus beobachtete und mich mit ihnen unterhielt. Im Klinikum erfolgte meine Aufnahme über die Notaufnahme. Den Arzt, der mich damals untersucht hatte, traf ich einige Zeit später bei einer Kontrolle wieder. Er grüßte mich ganz freundlich, während ich dachte: »Kennen wir uns?«

Nach erneuten Untersuchungen kam ich aufs Zimmer. Auch davon weiß ich nichts mehr. Und ich bekam nichts davon mit, dass meine OPs geplant wurden, und wenn doch, erinnere ich mich nicht mehr daran. Ganz allgemein hatte ich an diese ersten Tage in Klagenfurt lange kaum eine Erinnerung, nur ganz spezielle Momente sind später »wiedergekehrt«. Doch auch um mich an sie zu erinnern, waren gewisse Auslöser nötig.

Ich war da, also wach, aber irgendwie war ich auch nicht da – so beschrieb meine Halbschwester meinen Zustand in dieser Zeit, und es stimmte, so fühlte es sich aus der Ferne betrachtet an. Meine Mama meinte, ich sei entspannt gewesen, machte mir kaum Sorgen, auch wenn die Situation Anlass dazu gegeben hätte.

Obwohl sich die Momente häuften, in denen ich meinen Zustand wahrnehmen und begreifen konnte, hinterfragte ich diesen Zustand nicht und dachte nicht viel darüber nach, was gerade vor sich ging, was geschehen war oder was mir selbst fehlte. Es war fast so, als stünde ich unter Drogen, als machten sie die Situation erträglich.

Ich lag nun also im Krankenhaus in Klagenfurt und erhielt viele Infusionen und Medikamente. Schon in Tschechien hatte man mir außerdem einen Blasenkatheter gelegt. Immer noch konnte ich nichts allein machen und war vollkommen pflegebedürftig, in allen Situationen angewiesen auf die Hilfe anderer. Beide Arme waren eingegipst, mein Bein fixierte der externe Fixateur, den man mir in Tschechien bei der OP in der Nacht nach dem Unfall angelegt hatte. Man wusch mich mit dem Waschlappen im Bett, wischte mir den Hintern ab und fütterte mich. Viel mehr machte ich nicht bzw. wurde mit mir in diesen Tagen nicht gemacht. Ich lag einfach nur da, nahm mal mehr, mal weniger und mal gar nichts wahr und döste erschöpft vor mich hin.

Anfangs teilte ich mir das Krankenzimmer mit einer älteren Frau. An sie erinnert mich ein kurzer Moment, und seltsamerweise schienen es in diesen ersten Tagen in Klagenfurt immer noch die vergleichsweise angenehmeren, wenn auch unwichtigeren Dinge zu sein, die meinen durchsichtigen, löchrigen Flickenteppich an Erinnerungen verdichteten. »Und, was ist dir passiert?«, fragte sie mich eines Abends, nachdem mein Besuch sich verabschiedet hatte. In den kommenden Monaten würde ich diese Frage wieder und wieder beantworten müssen. »Wir hatten einen schweren Autounfall.« Ich erzählte es, als ob es nichts mit mir zu tun gehabt hätte, ganz sachlich, wie eine Geschichte, die nicht wahr sein konnte, und verzichtete auch darauf, ins Detail zu gehen. Ich realisierte den Unfall damals noch nicht wirklich und hatte nicht das Bedürfnis, darüber zu sprechen, deswegen auch schnell die Gegenfrage: »Und warum sind Sie hier?« Sie sprang sofort darauf an und begann zu erzählen. Ich lauschte ihrer Stimme. Vor meinem inneren Auge formte sich das Bild einer älteren, kräftigen Frau. Zu so jemandem könnte diese Stimme gehören. Sie war das Einzige, was ich von ihr wahrnahm, da ich nicht aufstehen, mich nicht aufsetzen oder zur Seite drehen konnte. Nur ihre Stimme und ihr blauer Samtumhang, der in meinem Blickfeld gehangen ist, sind mir in Erinnerung geblieben.

In diesen Tagen wurde ich zum ersten Mal wieder in eine aufrechte Sitzposition gebracht. Meine Zimmerkollegin empfing draußen gerade Besuch, als die Physiotherapeutin Petra sprühend vor Energie mit einigen Schwestern im Anhang ins Zimmer trat. Wenig später saß ich auf dem Leibstuhl – keine Ahnung, wie das möglich gewesen war, denn jede kleinste Bewegung hatte mir enorme Schmerzen verursacht. An den Moment erinnert mich ein Foto, das meine Mama geschossen hat. Ich fühlte einen seltsamen Schwindel und das dringende Verlangen, wieder in die Liegeposition zurückzukehren. Mama meinte nur: »Du bist total weiß geworden im Gesicht, dein Kreislauf hat das nicht lange mitgemacht.«

Ich bleib am Ball

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