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Saki

Neue Richtung


Kälte kroch in meine Knochen. Sie bahnte sich einen Weg durch den Stoff meiner Kleidung, während ich meine Augen geschlossen hielt und die eisige Luft einatmete. Meine Muskeln zitterten und meine Kiefer klapperten aufeinander. Trotzdem konzentrierte ich mich nur auf meine Atmung.

Das hier war ein Test. Die Hüter wollten Beweise, dass ich es ernst meinte? Die konnten sie haben!

Stunden vergingen, in denen ich starr in meiner Position verharrte. Ich beschwor Kindras Bild in meinen Gedanken herauf und hielt verzweifelt daran fest. Meine Beine waren zum Schneidersitz verschränkt, die Hände auf den Oberschenkeln abgelegt. In meiner Hosentasche spürte ich den Holzvogel, der gegen mein Handgelenk drückte. Schnee bedeckte die Hochebene, auf der das geheime Dorf der Hüter, zwischen Felswänden verborgen, lag.

Das gleichmäßige Atmen der anderen Männer drang zu mir durch. Auch wenn es für sie lediglich eine Übung aus ihrem Training war, so gab es mir das Gefühl, nicht allein zu sein.

»Du kannst mit mir kommen«, sagte jemand und berührte mich an der Schulter. Ich öffnete meine Augen und richtete mich auf. Rung­uhm stand vor mir, er trug Fell und Wolle. Mehrere Schichten davon waren mit Lederriemen um seinen Körper geschnürt. An seiner Hüfte baumelte ein langer Dolch und an seinen Rücken war eine riesige Axt geschnallt. Mein Körper ächzte, als ich die steif gefrorenen Muskeln bewegte. Doch mein Herz schlug so schnell, dass meine Haut kribbelte. Hatte ich die Hüter überzeugt?

Wir schlängelten uns an den sitzenden Männern vorbei, die ihre Meditation ungestört weiterführten. Es erschien mir wie ein Traum, tatsächlich im Dorf der Hüter angekommen zu sein. Runguhm führte mich schweigend vom Trainingsplatz an den Zelten der Lehrlinge vorbei und zum eigentlichen Kern der Siedlung, die als solche kaum erkennbar war. Eine Felswand umgab das Dorf zur Hälfte. Höhlen verschmolzen mit dem Gestein oder befanden sich unter unseren Füßen, wie mir die Hüter erklärt hatten. Die bewohnten Hohlräume zeichneten sich nur als kleine Hügel unter dem Schnee ab. Durch vereinzelte Felsspalten, die als Fenster dienten, drang Licht heraus und erhellte den Weg trotz der verschwindenden Sonne. Aus Kaminen strömte die Wärme als Dampf ins Freie und brachte die geschäftigen Laute aus dem Inneren mit sich.

Ohne den Rauch und Feuerschein würden die Anzeichen, dass dieser Ort bewohnt war, sofort verschwinden.

Wir folgten der Felswand bis zum hinteren Teil des Dorfes. Ein schmaler, mannshoher Spalt klaffte in der Wand, und anders als an den Höhlen gab es hier keine Fenster, durch die flackerndes Licht nach außen fiel. Wir schoben uns durch die Öffnung ins Innere und gelangten auf einen Gang. An den Wänden hingen Fackeln, die das Gestein in dämmriges Licht tauchten. Wir drangen Schritt für Schritt tiefer in den Berg vor, bis wir eine erleuchtete Höhle erreichten, in der der Älteste saß und meditierte.

Mein Begleiter blieb neben dem Eingang stehen und deutete auf die Mitte des Raumes. »Der Bauernjunge«, stellte er mich dem Ältesten vor. Mit klopfendem Herz trat ich vor und wusste nicht wohin mit meinen Händen. Ich schob sie in die Hosentaschen und klammerte mich an den Holzvogel.

Der Älteste hatte eine große, hässliche Narbe auf der Stirn, die sich ein Stück in seinen Haaransatz zog, wo keine Haare mehr wuchsen. Alle anderen waren kurz geschnitten und dunkel. Seine Nase war krumm und ließ die vielen Kämpfe erahnen, in denen er sie sich immer wieder gebrochen hatte. Er hob den Kopf und sah mich mit durchdringenden Augen an. »Du bist noch hier.«

»Ich werde erst gehen, wenn ihr mich unterrichtet habt!«, erwiderte ich. Wie oft hatte ich das in den letzten Tagen gesagt? Jedes Mal wurde ich zu jemand anderem gebracht, sollte wieder meinen Willen beweisen. Ich wankte und sehnte mich nach Wärme und einem Bett. Das stundenlange Sitzen in der Kälte hatte an meiner Kraft gezehrt und ich zitterte am ganzen Leib.

Der Mann ließ seine Schultern kreisen. »Und was genau erhoffst du dir davon?«

»Ich habe die Hüter kämpfen gesehen! Sie haben einen Goldmagier getötet!« Meine Hände zitterten, während meine Gedanken wieder zu dem Kampf zurückwanderten. Es fühlte sich an wie eine Ewigkeit, vor der ich meine Familie verlor und die ich von Kindra getrennt war. Doch lag es erst ein paar Tage zurück.

»Das wird dir nicht helfen zu finden, was du suchst«, antwortete der Mann.

Ich schüttelte heftig den Kopf. »Das wird es! Ihr könnt mich darauf vorbereiten, Kindra in der Eisendynastie zu finden und mit ihr zu fliehen.«

»Erlösung findest du nur, wenn du den Tod als Freund begrüßt«, erwiderte der Mann.

»Sie ist nicht tot!«, erwiderte ich. »Sie werden versuchen, sie in die Finger zu bekommen. Aber ich werde sie zurückholen!«

»Auch tot können die Eisenmänner von ihr holen, was sie begehren.«

Hörte er mir überhaupt zu?

»Bringt mir das Kämpfen bei«, beharrte ich. »Zeigt mir, wie ich überlebe, bildet mich zu einem Spion aus. Bringt mich in die Eisendynastie und helft mir, sie zu finden!«

Der Mann erhob sich. Er war kleiner als ich, aber er strahlte eine unglaubliche Autorität aus. »Es ist ein langer, beschwerlicher Weg, den du wählst. Es werden Prüfungen auf dich warten und du wirst Opfer bringen. Jede Veränderung hat ihren Preis.«

»Ich werde tun, was nötig ist«, versprach ich und der Mann nickte. Eine kleine Geste, die so viel bedeutete. Meine Erschöpfung und Anspannung ließen von mir ab. Diese Entscheidung brachte mich Kindra ein kleines Stück näher. Sie zu finden und Grünfrey zu rächen war alles, was ich wollte.

Alles, was ich noch hatte.

Knochenfeuer

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