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Infektionskrankheiten sind weltweit nach Herz-Kreislauf-Erkrankungen die zweithäufigste Todesursache. Doch Zahlen können kaum erklären, warum wir uns so für Seuchen interessieren. Schon Texte aus der Antike zeichnen das Schreckgespenst der Seuchen als furchtbare wie faszinierende Erscheinung. Das plötzliche massenhafte Auftreten tödlicher Krankheiten, das Herausgerissenwerden aus dem Leben vieler Menschen, das ist etwas, dem man mit Schaudern zusieht.

Auch wenn wir das heute dank den Entwicklungen der Medizin viel gelassener tun können als früher – ein bisschen Angst ums eigene Leben ist auch immer dabei. Doch vor allem suchen wir Erklärungen. Wir möchten wissen, warum der Schwarze Tod im Mittelalter so grausam gewütet hat und ein Drittel aller Bewohner Europas dahingerafft hat. Wir möchten wissen, woher es kam, dass die Grippewelle 1918 so heftig war, dass ihr mehr Menschen zum Opfer fielen als dem Ersten Weltkrieg. Wir möchten wissen, warum die Schweinegrippe so plötzlich aufgetaucht ist und was sie so gefährlich macht.

Dieses Buch kann keine Antworten auf alle diese Fragen geben. Aber es kann die Erklärungsansätze nachzeichnen, die Mediziner, Mikrobiologen und Historiker verfolgen. Denn die Geschichte der Seuchen ist weder für die Vergangenheit fertig geschrieben, noch ist sie abgeschlossen. Jede Epoche sieht die Vergangenheit in einem neuen Licht.

Heute gehen Medizinhistoriker viel vorsichtiger vor als bis noch vor wenigen Jahren. Sie versuchen nicht mehr, jede Krankheit bis in die Nebel der grauen Vorzeit zurückzuverfolgen. Das Problem, dass Dinge um so unsicherer sind, je länger sie her sind, das haben alle Historiker. Bei den Medizinhistorikern kommt hinzu, dass sie sich bei Krankheiten auf zeitgenössische Schilderungen verlassen müssen. Doch eine Infektionskrankheit ist heute dadurch definiert, dass sie von einem bestimmten Erreger ausgelöst wird. Die Pest also durch das Bakterium Yersinia pestis, die Cholera durch Vibrio cholerae. Diese beiden Erreger sind aber erst seit 1894 bzw. 1854 bekannt und können daher frühestens seit dieser Zeit nachgewiesen werden. Jede Krankheitsdiagnose, die davor liegt, ist also unsicher. Auch wenn sich mit molekulargenetischen Methoden vereinzelt tatsächlich an Leichen aus früheren Jahrhunderten Erreger nachweisen lassen, können sie für die Einordnung von Seuchen nur Hinweise geben, keine Gewissheit.

Und auch die Krankheitserreger selbst ändern sich: Das Grippe-Virus von 1918 ist – zum Glück – ein anderes als das, das uns heute für ein paar Tage ans Bett fesselt. Denn auch die Erreger wandeln sich im Lauf der Jahrhunderte, sie unterliegen der Evolution.

Das Buch versucht nicht, die Fortschrittsgeschichte der Medizin nachzuzeichnen. Es erzählt vielmehr viele kurze Geschichten aus der Medizinhistorie. Diese Form des Exemplarischen entspricht der komplexen Wirklichkeit besser als eine durchgängige, scheinbar logische Erzählung.

Dabei läuft man natürlich immer Gefahr, einzelne Personen als Helden darzustellen, Entdecker von Erregern oder Erfinder von Gegenmitteln zu glorifizieren. Dennoch erzählt das Buch viele solcher Geschichten nach, denn diese sind spannend zu lesen und sie zeigen an einem persönlichen Beispiel, wie Wissenschaft funktioniert. Sie machen also die Medizingeschichte erlebbar. Einige der Fotos stammen aus der filmischen Nacherzählung dieser Geschichten. Diese waren Teil der sechsteiligen Fernsehdokumentation „Schatten des Todes“, welche die Firma Inter/Aktion für den Sender BR-alpha produziert hat.

Die Serie war Ausgangspunkt dieses Buches. Hintergrund war vor allem, dass so viele spannende Aspekte aus Zeitgründen weggelassen werden mussten, teilweise nur angeschnitten werden konnten oder dass sie sich nicht filmisch darstellen ließen. All diese Dinge kann das Buch jetzt zeigen.

Schatten des Todes

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