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aa) Fahren ohne Fahrerlaubnis (§ 21 StVG)

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Der Inhaber einer ausländischen Fahrerlaubnis darf nur nach Maßgabe der §§ 28, 29 FeV am innerdeutschen Kraftverkehr teilnehmen; liegt diesen Vorschriften entsprechend keine – in Deutschland – gültige Fahrerlaubnis vor, macht sich der Inhaber einer ausländischen Fahrerlaubnis des Fahrens ohne Fahrerlaubnis gemäß § 21 StVG strafbar.

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Hat der Inhaber einer ausländischen Fahrerlaubnis im Inland (noch) keinen festen Wohnsitz begründet (§ 7 FeV), gilt § 29 FeV, wonach er im Umfang seiner Berechtigung am inländischen Kraftverkehr teilnehmen darf; eine Ausnahme gilt nur insoweit, als eine der in § 29 Abs. 3 FeV genannten Ausnahmetatbestände gegeben ist.

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Hat der Inhaber einer ausländischen Fahrerlaubnis seinen Wohnsitz im Inland begründet, ist zwischen EU/EWR-Fahrerlaubnissen einerseits und solchen sog. Drittstaaten andererseits zu differenzieren.

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Unter welchen Voraussetzungen eine EU/EWR-Fahrerlaubnis in Deutschland Anerkennung findet, stellt eine der umstrittensten materiell-rechtlichen Fragen der vergangenen Jahre dar.[1] Der EuGH hat hierzu in insgesamt sechzehn (!) grundlegenden Entscheidungen[2] Stellung genommen, ohne allerdings alle offenen Fragen abschließend zu beantworten. Nicht zuletzt deshalb wird dieser Themenkomplex in der Literatur bereits unter dem Begriff der „unendlichen Geschichte des Führerscheintourismus“[3] geführt.

Dem Stand der höchstrichterlichen Rechtsprechung folgend ist zunächst festzustellen, dass die in einem Mitgliedstaat ausgestellte Fahrerlaubnis grundsätzlich anzuerkennen ist, d.h. der EuGH propagiert in ständiger Rechtsprechung den Anerkennungsgrundsatz, von dem nur im Ausnahmefall abgewichen werden darf. Bzgl. der insoweit zulässigen Ausnahmen hat sich über die Jahre eine ausgefeilte Kasuistik entwickelt, deren Entwicklung bis heute nicht vollständig abgeschlossen ist. Im Einzelnen können folgende Umstände als „feststehend“ betrachtet werden:

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Die neuere Rechtsprechung misst zunächst dem Umstand maßgebliche Bedeutung zu, ob es sich bei der nach einem Entzug der Fahrerlaubnis im Inland erteilten ausländischen Fahrerlaubnis um die Neuerteilung oder lediglich einen Umtausch einer bestehenden Fahrerlaubnis handelt. Da nur im ersten Fall die Eignungsvoraussetzungen durch den Austellungsstaat geprüft werden, darf nach dem derzeitigen Stand der Rechtsprechung die Anerkennung der ausländischen Fahrerlaubnis verweigert werden, wenn lediglich ein Umtausch erfolgt ist.[4] Bzgl. der Abgrenzung ist auf die Informationen im Führerschein abzustellen, wobei als wesentliches Indiz für einen Umtausch die Tatsache gewertet werden darf, dass der Führerschein ein Datum aufweist, welches zeitlich vor der Erteilung der Fahrerlaubnis liegt;[5] eine Neuerteilung liegt hingegen vor, wenn die Gültigkeitsdauer verlängert wird, da dann die Eignungsvoraussetzungen in zeitlicher Hinsicht erweitert werden.[6]

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Ist nach diesen Grundsätzen eine Neuerteilung gegeben, kann die Anerkennung verwehrt werden, wenn

sich aufgrund von Angaben im EU/EWR-Führerschein – z.B. eingetragener Wohnsitz im Inland – selbst oder
sich aufgrund anderer vom Ausstellermitgliedstaat herrührender, unbestreitbarer Informationen

feststellen lässt, dass das Wohnsitzerfordernis zum Zeitpunkt der Erteilung nicht erfüllt war.

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Dass im Führerschein ein inländischer Wohnsitz eingetragen ist, stellt zwischenzeitlich eine seltene Ausnahme dar, in der Regel ist dies nur (noch) bei älteren Führerscheinen festzustellen, die vor 2006 ausgestellt worden sind. Ist im ausländischen Führerschein (ausnahmsweise) ein Wohnsitz im Bundesgebiet eingetragen, findet der Betroffene mit dem Hinweis, dass das Wohnsitzerfordernis erst nach Ausstellung des Führerscheins im Ausstellungsstaat eingeführt worden ist, kein Gehör;[7] da das Recht zum Führen von Kraftfahrzeugen im Inland in diesen Fällen nie bestanden hat, ist auch das Rückwirkungsverbot nicht tangiert,[8] d.h. es liegt eine Strafbarkeit nach § 21 StVG vor, wenn ein Fahrzeug im öffentlichen Straßenverkehr geführt wird.

Hinweis

Wird dem Betroffenen zu einem späteren Zeitpunkt durch den Ausstellungsstaat ein „neuer“ Führerschein ausgestellt, der einen ausländischen Wohnsitz enthält, ist (lediglich) von einem Umtausch auszugehen, wenn im „neuen“ Führerschein das Ausstellungsdatum des ersten Führerscheins genannt wird (vgl. oben Rn. 144), so dass in diesem Fall dem Betroffenen die Anerkennung seines Führerscheins gleichwohl verwehrt bleibt.[9]

Ebenso kann dem Führerschein die Anerkennung verwehrt werden, wenn der Betroffene eine ausländische Fahrerlaubnis erwirbt – z.B. Klasse D –, die die Fahrerlaubnis einer anderen Klasse – z.B. Klasse B – zwingend voraussetzt, wenn letztere unter Verletzung des Wohnortprinzips erworben worden war. Das die zweite Fahrerlaubnis „fehlerfrei“ erteilt worden ist, d.h. einen Wohnsitz im Ausstellungsstaat ausweist, steht dem nicht entgegen, da die erste Fahrerlaubnis notwendige Grundlage für die Erteilung der zweiten ist, d.h. diese mit dem Mangel infiziert[10]; folgerichtig ist auch dann von einem fortstreitenden Mangel auszugehen, wenn eine im Ausland zunächst fehlerhaft[11] erteilte bzw. gefälschte Fahrerlaubnis[12] in einem (anderen) Mitgliedstaat der Europäischen Union umgetauscht wird.

Ist der Erteilung der Fahrerlaubnis kein Entzug vorangegangen, handelt es sich also um einen Ersterwerb, soll der im Führerschein dokumentierte Verstoß gegen das Wohnortprinzip ebenfalls die Unwirksamkeit der Fahrerlaubnis im Inland bewirken.[13] Die Ansicht ist jedenfalls in Fällen zweifelhaft, in denen ein Missbrauch des Fahrerlaubnisrechts offensichtlich nicht gegeben ist (vgl. unten Rn. 149).

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Enthält der Führerschein einen im Ausland liegenden Wohnsitz, kann diesem die Anerkennung gleichwohl verwehrt werden, wenn unbestreitbare Informationen des Ausstellungsstaates vorliegen, die die Annahme zulassen, dass ein Wohnsitz entgegen der Angaben im Führerschein zum Zeitpunkt der Erteilung nicht bestanden hat. Gefordert wird also zweierlei: Es müssen Informationen vorliegen, die vom Ausstellungsstaat herrühren, wobei diese noch im gerichtlichen Verfahren eingeholt werden können;[14] daneben müssen sie als „unbestreitbar“ einzustufen sein.

Anfänglichen Versuchen der deutschen Rechtsprechung auch Angaben des Betroffenen, die dieser im deutschen (Straf-)verfahren gemacht hat – z.B. ein Geständnis im Rahmen der Verkehrskontrolle[15] –, als „unbestreitbare Information“ einzustufen, ist der EuGH[16] in der gebotenen Deutlichkeit begegnet. Informationen müssen zwar nicht durch eine staatliche Stelle übermittelt werden, diese müssen aber von einer solchen herrühren. Es muss sich also um Informationen einer staatlichen Stelle des Ausstellungsstaates handeln,[17] so dass Ermittlungen deutscher Behörden – allein – nicht genügen. Ebenso wenig sind Mitteilungen nichtstaatlicher Stellen des Ausstellungsstaates geeignet, wie z.B. des (mutmaßlichen) ausländischen Vermieters.[18] Als ausreichend angesehen wird jedoch, dass eine staatliche Information des Ausstellungsstaates durch Dritte[19] – z.B. die deutsche Botschaft[20] – übermittelt wird. Diesen Grundsätzen folgend wurden Angaben zum inländischen Wohnsitz im Antragsformular,[21] Mitteilungen des Gemeinsamen Zentrums der deutsch-tschechischen Polizei- und Zusammenarbeit[22] oder der Einwohnermeldebehörden des Ausstellungsstaates[23] als vom Ausstellungsstaat herrührend eingestuft. Nach Ansicht des OLG Stuttgart[24] sollen auch Angaben eines Zeugen, die dieser im Rahmen der Rechtshilfe in einer richterlichen Vernehmung im Ausland gemacht hat, als vom Ausstellungsstaat herrührende Informationen angesehen werden dürfen. Dies erscheint trotz des Hinweises auf die Qualität der richterlichen Vernehmung zweifelhaft, belegt die Vernehmung doch nur, dass diese durchgeführt worden ist, einen Beweis für die Richtigkeit vermag sie indes nicht zu begründen. Hält man sich vor Augen, dass die Forderung bzgl. des Ursprunges der Information gerade die Richtigkeit derselben im Blick hat(te), vermag die Ansicht des OLG Stuttgart im Ergebnis nicht zu überzeugen.

Hinweis

Unabhängig von der Frage, ob man der hier vertretenen Auffassung folgt, bleibt festzustellen, dass die neuere Rechtsprechung im Bereich der „unbestreitbaren Informationen“ einen gangbaren Ausweg aus dem Dilemma des Führerscheintourismus sieht. Es steht also zu befürchten, dass die Rechtsprechung auch zukünftig versuchen wird, Informationen aus dem Ausland als „vom Ausstellungsstaat herrührend“ einzustufen, was es insbesondere im Bereich der Präventivberatung zu beachten gilt. Konsultiert der Betroffene einen Rechtsanwalt, hat dieser ferner zu bedenken, dass der Erlass eines feststellenden Verwaltungsaktes zur Gültigkeit der Fahrerlaubnis möglich ist, d.h. der Betroffene bei der zuständigen Behörde einen Antrag stellen kann, seine Berechtigung zum Führen von Kraftfahrzeugen festzustellen.[25]

Als ordentlicher Wohnsitz gilt der Ort, an dem der Führerscheininhaber aufgrund persönlicher und beruflicher Bindungen gewöhnlich, d.h. an mindestens 185 Kalendertagen, wohnt; umstritten[26] ist, ob die Aufenthaltsdauer bei Erteilung des Führerscheins bereits erfüllt sein muss oder ob die Prognose genügt, die notwendige Aufenthaltsdauer wird voraussichtlich erfüllt werden. Folgt man der letzten Auffassung bleibt aber zu berücksichtigen, dass in diesem Falle Probleme auftauchen können, wenn z.B. eine Meldebescheinigung vorgelegt wird, die eine lediglich kurze Aufenthaltsdauer bescheinigt und damit Argwohn der inländischen Behörden weckt.

Soweit § 7 Abs. 2 FeV Ausnahmen vom Wohnsitzerfordernis normiert, wenn der Führerscheinerwerber eine (Hoch-)schule besucht, steht dem die Ableistung eines Praktikums im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses nicht gleich; die gesetzliche Sonderregelung ist abschließend und einer Analogie nicht zugänglich[27].

Fehlen im Strafurteil notwendige Feststellungen zum Wohnsitz des Angeklagten[28] oder Eintragungen einer Sperrfrist im Fahreignungsregister,[29] ist dieses lückenhaft, wenn ohne entsprechende Feststellungen dem Revisionsgericht eine Prüfung der Wirksamkeit der Fahrerlaubnis im Inland verwehrt ist.

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Sind die Informationen als vom Ausstellungsstaat herrührend einzustufen, bedarf es schließlich der zusätzlichen Prüfung, ob diese als „unbestreitbar“ anzusehen sind. Nachdem die Rechtsprechung des EuGH in der Vergangenheit mehrfach den deutschen Gerichten die Grenzen aufgezeigt hatte, sieht die neuere (obergerichtliche) Rechtsprechung insbesondere in diesem Bereich einen wirksamen Angriffspunkt dem ungeliebten Führerscheintourismus einen Riegel vorzuschieben; insofern verdient nämlich die Tatsache Beachtung, dass der EuGH[30] die Prüfung der Frage, ob die vom Ausstellungsstaat herrührende Informationen als „unbestreitbar“ einzustufen sind, ausdrücklich der Rechtsprechung des Anerkennungsstaates überlassen hat. Liegen Informationen des Ausstellungsstaates vor, hat es also die deutsche Rechtsprechung zu klären, ob diese im Ergebnis der Anerkennung entgegenstehen, wobei Erkenntnisse aus Deutschland – z.B. die Beibehaltung eines deutschen Wohnsitzes[31] – „lückenfüllend“ herangezogen werden dürfen.[32] „Unbestreitbar“ ist eine Information, wenn das Fehlen des Wohnsitzes so sehr wahrscheinlich ist, dass kein vernünftiger, die Lebensverhältnisse klar überschauender Mensch noch zweifelt.[33] Angenommen wird dies beispielsweise, wenn der im Führerschein angegebene Wohnsitz typischerweise als Scheinwohnsitz zum Zwecke des Führerscheintourismus verwendet wird oder die Meldeanschrift ein Hotel[34] oder eine Unterkunft für Obdachlose[35] darstellt, d.h. bereits dem äußeren Anschein nach Zweifel an einem dauerhaften Aufenthalt bestehen. Stuft das deutsche Gericht die Information dem folgend als „unbestreitbar“ ein, ist dem Betroffenen der Gegenbeweis jedoch nicht verwehrt;[36] gefordert wird in diesen Fällen jedoch ein „substantiierter Beweisantritt“, d.h. die bloße Behauptung des Gegenteils genügt nicht.

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Die Anerkennung kann weiter auch dann verwehrt werden, soweit die EU/EWR-Fahrerlaubnis während einer strafrechtlichen Sperrfrist oder eines Fahrverbots erteilt worden ist, sofern die Sperrfrist im Fahreignungsregister eingetragen und noch nicht getilgt ist.[37]

An diesen bereits seit längerem anerkannten Grundsatz anknüpfend hat der EuGH seine Rechtsprechung in den letzten Jahren wie folgt präzisiert:

wird die Fahrerlaubnis im Ausland nach Ablauf der inländischen Sperre erworben, muss diese im Inland auch dann anerkannt werden, wenn die Sperrfrist im Fahreignungsregister noch nicht getilgt ist, sofern im Führerschein ein ausländischer Wohnsitz eingetragen ist[38]; ob die Fahrerlaubnis vor oder nach Inkrafttreten der 3. Führerscheinrichtlinie am 19.01.2009 erworben worden ist, spielt entgegen früherer Ansicht[39] keine Rolle[40]. Hinweis Ist unter Hinweis auf das Inkrafttreten der 3. Führerscheinrichtlinie eine rechtskräftige Verurteilung ergangen, berechtigt die geänderte Rechtslage zwar nicht zur Wiederaufnahme des Verfahrens; in geeigneten Fällen sollte jedoch ein Gnadengesuch geprüft werden.[41]
einer durch das deutsche Gericht verhängten Sperrfrist steht die isolierte Sperre nach § 69a StGB gleich, d.h. der in diesem Zeitraum erteilten Fahrerlaubnis kann die Anerkennung verweigert werden[42].
wird die ausländische Fahrerlaubnis nach einem verwaltungsrechtlichen Entzug in Deutschland ohne Anordnung einer Sperrfrist erteilt, darf dem Führerschein die Anerkennung nicht versagt werden;[43] ob dies auch dann gilt, wenn die Fahrerlaubnis wegen des Erreichens der Punktegrenze entzogen wird und Kraft Gesetzes eine Sperrfrist zur Wiedererteilung der Fahrerlaubnis gilt (vgl. § 4 Abs. 10 Satz 1 StVG) ist immer noch ungeklärt;[44] die Entwicklung der Rechtsprechung lässt indes vermuten, dass der EuGH auch in diesem Falle der innerhalb der Sperrfrist erteilten Fahrerlaubnis die Anerkennung verweigern wird.
die Fahrerlaubnis ist auch dann nicht anzuerkennen, wenn die deutsche Fahrerlaubnis zwar nicht entzogen, der ausländische Führerschein jedoch während der Dauer eines Fahrverbotes ausgestellt worden ist.
gleiches gilt, wenn die Fahrerlaubnis erteilt worden ist, während der deutsche Führerschein gemäß § 94 StPO[45] beschlagnahmt oder vorläufig entzogen (§ 111a StPO)[46] war und die Fahrerlaubnis später aufgrund des der Beschlagnahme zugrunde liegenden Sachverhalts entzogen worden ist.
ebenso bleibt dem Führerschein die Anerkennung versagt, wenn der Verkehrsverstoß nach Anordnung der Sperrfrist begangen wurde, das Urteil aber erst nach Erteilung der Fahrerlaubnis rechtskräftig geworden ist.[47]
wird die Fahrerlaubnis nach einem Verzicht[48] oder einer bestandskräftigen Versagung[49] erteilt, steht dies der Anerkennung dagegen nicht entgegen.
die ebenfalls umstrittene Rechtsfrage, ob bei fehlender Anerkennung der EU/EWR-Fahrerlaubnis die Strafbarkeit gemäß § 21 StVG automatisch eintritt oder es zuvor eines gesonderten „Aberkennungsaktes“ in Form eines Verbotsvermerks im ausländischen Führerschein bedarf, ist zwischenzeitlich ebenfalls abschließend geklärt; die Rechtsprechung[50] folgt der bislang vorherrschende Ansicht[51], die die erstgenannte Auffassung vertritt; ein an den Fahrerlaubnisinhaber gerichtetes Verbot, von der Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen, hat somit rein deklaratorischen Charakter,[52] wird aber in Streitfällen als sinnvolle Klärungsmöglichkeit empfohlen.[53] Obwohl zwischenzeitlich seitens des EuGH (vgl. oben Rn. 146) Stellung bezogen worden ist, verbleibt es bei der bisherigen Kritik. Der propagierte Automatismus vermag allenfalls in den sog. „Missbrauchsfällen“ zu überzeugen. Weshalb z.B. die Strafbarkeit automatisch eintreten soll, wenn ein in Deutschland lebender Franzose – aufgrund nicht vorhandener Deutschkenntnisse – im grenznahen Ausland – Frankreich – die Fahrerlaubnis (redlich) erwirbt, ist insbesondere vor dem Hintergrund der in Europa geltenden Dienstleistungsfreiheit kaum begründbar.[54] Da auch der (vermeidbare) Verbotsirrtum allenfalls eingeschränkt Hilfe liefert (vgl. hierzu unten), ist im Ergebnis – auch weiterhin – der Gesetzgeber gefordert.
Umstände, die nach Erteilung der Fahrerlaubnis verwirklicht werden, dürfen stets berücksichtigt werden,[55] d.h. auch dann, wenn der Fahrerlaubnisinhaber seinen Wohnsitz unstreitig im Austellungsstaat hat;[56] die oben genannten Grundsätze gelten somit nicht, weshalb es den deutschen Behörden nicht verwehrt ist, der Fahrerlaubnis die Anerkennung zu verweigern, wenn dem Betroffenen – nach (!) Erteilung der ausländischen Fahrerlaubnis – das Recht zum Führen von Kraftfahrzeugen im Inland aberkannt wird; den deutschen Behörden ist es in diesem Fall somit auch gestattet, die Neuerteilung des Rechts, im Inland von der Fahrerlaubnis Gebrauch zu machen, auch dann von einer erfolgreichen MPU abhängig zu machen, wenn die Sperrfrist im Inland abgelaufen ist. Weigert sich der Betroffene eine MPU durchzuführen bzw. fällt diese negativ aus, ist er grundsätzlich erst nach Tilgung der Sperre im Fahreignungsregister (wieder) befugt, von der ausländischen Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen; eine Ausnahme gilt nur dann, wenn die Tilgungsfristen unverhältnismäßig lang sind, wobei der EuGH[57] eine solche von 5 Jahren ausdrücklich gebilligt hat.

Hinweis

Ist den vorgenannten Grundsätzen folgend der Tatbestand des § 21 StVG erfüllt, gilt es schließlich zu beachten, dass die Flut von Entscheidungen des EuGH zu einer ständig wechselnden Rechtsprechung der Instanzgerichte geführt hat, weshalb deutsche Gerichte[58] in der Vergangenheit häufig einen „unvermeidbaren Verbotsirrtum“ angenommen haben; nach der inzwischen erfolgten Klarstellung durch den EuGH und dem damit korrespondierenden Veröffentlichungen in der Tagespresse dürfte dies allerdings nur noch in Ausnahmefällen in Betracht kommen.[59]

Ist eine entscheidungserhebliche Frage des Unionsrechts bislang nicht entschieden, gilt es zu beachten, dass dem Betroffenen der gesetzliche Richter entzogen wird, wenn es das Instanzgericht – unvertretbar – unterlässt eine Vorabentscheidung des EuGH herbeizuführen, so dass in diesen Fällen eine Verfassungsbeschwerde Aussicht auf Erfolg verspricht.[60]

Wird die Fahreignung durch Umstände nach Erteilung der Fahrerlaubnis in Zweifel gezogen, ist die Frage der Zuständigkeit für die Anordnung eines Gutachtens nach deutschem Recht zu entscheiden; da der Anerkennungsgrundsatz in diesem Fall nicht tangiert ist, liegt im Ergebnis keine europarechtlich zu beantwortende Fragestellung vor.[61]

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Wird die Fahrerlaubnis eines Drittstaates umgetauscht, gelten die vorgenannten Überlegungen im Ergebnis entsprechend. Zwar ist die Führerscheinrichtlinie in diesem Fall nicht direkt anwendbar; der deutsche Verordnungsgeber geht jedoch in der FeV von der Gleichbehandlung aus, so dass die oben genannte Rechtsprechung des EuGH entsprechend gilt.

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Die Wirksamkeit anderer Fahrerlaubnisse ist dagegen auch weiterhin auf die Dauer von sechs Monaten – in Ausnahmefällen 12 Monate (§ 29 Abs. 1 Satz 3, 4 FeV) – begrenzt.

Die Frist beginnt mit der Begründung des ordentlichen Wohnsitzes. Da insoweit u.a. auch auf die subjektiven Vorstellungen des Fahrzeugführers abzustellen ist, kann die Bestimmung dieses Zeitpunkts in der Praxis erhebliche Schwierigkeiten bereiten[62]. Unterhält der Fahrerlaubnisinhaber einen in- und ausländischen Wohnsitz, unterliegt er der 6-Monats-Frist;[63] vorübergehende Auslandsaufenthalte unterbrechen die laufende Frist nur dann, wenn die Ausreise von dem Willen getragen ist, den Inlandswohnsitz für längere Zeit – mind. 185 Tage – oder für immer aufzugeben;[64] bei Personen, die abwechselnd im In- und Ausland wohnen, ist gemäß § 7 Abs. 1, 2 Satz 2 FeV entscheidend, ob der Inlandswohnsitz mind. 185 Tage besteht.[65]

Hinweis

Beruft sich ein Kraftfahrzeugführer – im Fall der Fristwahrung (§ 29 Abs. 1 Satz 3, 4 FeV) – auf das Bestehen einer ausländischen Fahrerlaubnis, setzt seine Verurteilung die Überzeugung des Tatrichters voraus, dass er über die ausländische Fahrerlaubnis nicht verfügt; die Strafbarkeit lässt sich nicht allein darauf stützen, dass der Fahrer den Nachweis der ausländischen Erlaubnis weder bei der Fahrt noch später erbracht hat, da dies einer unzulässigen „Umkehr der Beweislast“ gleichkommt.[66]

Verteidigung von Ausländern

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