Читать книгу Manimals - Jens van Nimwegen - Страница 5
ОглавлениеArtgerechte Schweinehaltung
Diese Ausflüge im Ruhrgebiet, halbnackt, in Gummistiefeln allen Blicken ausgesetzt, wurden häufiger. Eines Tages war ich sicher, dass ich immer als Schwein leben wollte, ohne Rückweg ins Bürgerliche. Immer nackt, oder jedenfalls nackter als üblich. Im Besitz nur weniger Kleidungsstücke, alle so ausgesucht, dass sie meine perverse Geilheit erregen und jedem zeigen, was ich bin. Ketten und Ringe, die mich immer meinen Schweinekörper fühlen lassen. Mein Hirn immer, ununterbrochen, eine Einheit mit meinem Knüppel. Und das zusammen mit anderen Schweinen und solchen, die eines werden wollen oder sollen.
Also erst mal alles verkaufen bis auf die paar Schweineklamotten. Einen perversen Roman schreiben, der monatlich etwas Geld einbringt. Sich herumtreiben in Berlin, die richtigen Leute kennenlernen. Ein meiner Art angemessenes Unterkommen suchen.
Alles ging ganz leicht, als ich in einer Kneipe mit dem Professor ins Gespräch kam. Er fand interessant, dass ich mit nicht mehr auf der Haut als Gummistiefeln und einer schlabberigen, ungefütterten Militärturnhose hereinkam, und fragte mich aus. Er ist ein wirklicher Philosophieprofessor, beschäftigt sich aber auch praktisch mit Grenzgebieten des Lebens. So besitzt er eine Lederkneipe, einen sehr teuren Edelpuff mit Restaurant und einen Internetserver mit Qualitätspornograhie. Alles im Rahmen der Gesetze, aber alles ziemlich krass.
Er ist Eigentümer des alten Fabrikskomplexes in Lichtenberg mit verschachtelten Hinterhöfen. Reizvoll sind die unterschiedlichen Eingänge. Einer liegt an einer besseren Straße. Von dort aus erreicht man die Lederkneipe und über einen Hof, in dem man auch parken kann, das perverse Luxusrestaurant mit Puff. Es wird gern von reichen Ausländern besucht. In diesem Komplex wurde mein Stall eingerichtet, aber so, dass er nur vom rückseitigen Eingang erreichbar ist. Ich kann Männer mitbringen und Besuch empfangen, aber der Zugang zu mir ist sehr weit vom anderen Eingang entfernt: an der einen Seite des Blockes versperrt der Bahndamm den Weg, an der anderen muss man um ein Firmengelände herumlaufen. Die beiden Tore liegen in verschiedenen Welten, aber mein Stall grenzt an den Darkroom der Kneipe und an einen exklusiven Speiseraum des Restaurants. In beiden Wänden sind halbdurchsichtige Scheiben. In meinem Stall weiß man nie, wer einen beobachtet. Und man kann sich nicht verstecken, auch nicht beim Scheißen und Wixen. Dieser Gedanke des Professors machte mich sofort geil, und der entsprechende Umbau war nach ein paar Wochen fertig.
Wer weiß, welche Luxustucken oder Ölscheichs an weiß gedeckten Tischen Austern geschlürft haben, während ich gestern mit dem kleinen Punker und dem Pissschwein rumsaute? Oder während ich mich neulich vor dem Ausgehen vollspritzte? Ich will es nicht wissen, aber ich höre gern, dass auf diese Weise auch noch Geld reinkommt. Vor allem hoffe ich, dass so mehr Männer sich trauen als Schweine zu leben.
In meinem Stall hängen auch überall Kameras. Die Bilder werden verkauft. Je nachdem, wie viel man zahlt, bekommt man gespeicherte Aufnahmen zu sehen oder kann live zuschauen. Wer sehr viel zahlt, darf von seinem PC irgendwo auf der Welt aus die Kamera unter der Decke steuern. Wir finden es geil, wenn sie sich herumdreht und einzoomt. Aber wir schauspielern nicht. Der Professor verlangt das auch nicht. Wir dürfen wir selbst sein und machen, was wir wollen, notfalls gar nichts. Meistens denken wir gar nicht an die Kameras und Wände.
Das Wissen, dass viele Perverse meine Schweinefresse kennen und wissen, wie ich lebe, lässt mein Adrenalin kreisen. Wer, weiß, welcher Blick auf der Straße oder im Tiergarten ein Kennerblick ist?