Читать книгу Manimals - Jens van Nimwegen - Страница 9
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Wir scheißen, rasieren uns gegenseitig bis auf unsere Schweinestreifen und Rotz’ Augenbrauen und spritzen uns selbst, das Gummilager und den Fußboden mit dem Schlauch ab. Rotz zieht seine Kluft an, Drexau seine Radlershorts aus Gummi und steigt in seine Gummistiefel. Er stöhnt und lässt seine Pisse an seinen Beinen entlang in die Stiefel laufen. Er zieht sein kurzes T-Shirt an. Vorn links steht von oben nach unten: LIVING IN PISS. Von weitem sieht es wie ein senkrechter Streifen aus. Er kniet sich hin: „Jungs, macht mich mal nass. Es ist so warm draußen.” Wir pissen ihn ein. Hier drinnen traut er sich, auch wenn er weiß, dass er sich gleich draußen wieder schämen wird.
Ich ziehe Schürstiefel, meine kurze Jeans und die Lederweste an. Rotz muss meine Stiefel noch auf Hochglanz putzen, im Unterschied zu seinen abgewetzten Punkstiefeln, die schon Jahre nicht mehr gepflegt wurden.
So gehen wir zum Tätowierer. Rotz ist mächtig aufgeregt. Aber er will es. Er hat extra einen älteren Herrn verführt um das Geld zu verdienen.
Auf dem Weg fasse ich Drexau immer wieder zwischen die Beine, und er mir. Ich weiß, dass Drexau darauf geilt, wie seine dünnen Gummishorts seinen Knüppel und seine Eier zwar, wie in der Öffentlichkeit vorgeschrieben, vor Blicken verbergen, aber gleichzeitig deutlich hervorheben. Je steifer man ihn hält, desto mehr Adrenalin kreist in seinen Adern. Er dagegen probiert mich so geil zu machen, dass meine kurzen, abgerissenen Jeans den meinen nicht mehr bedecken können. Ich muss dann entweder meinen Knüppel durch eine Hosentasche in der Hand halten oder den Bund öffnen, um die Hose sacken zu lassen. Dann kann ich aber meine rasierte Schwanzwurzel kaum verbergen. Erregend! Und Rotz, der junge, halbnackte Punker, steht sowieso voll unter Adrenalin, weil er gleich seine erste, erniedrigende, obszöne Tätowierung erhalten soll.
Er soll Schwein auf die Brust bekommen, über dem Herzen zwischen Brustbein und Titte auf die schönste Stelle, leicht schräg. Unter der offenen Jacke wird man immer die ersten Buchstaben sehen und neugierig werden. Darum herum ein schwarzer Kreis wie bei Poststempeln, in dem eine Umschrift offen gelassen ist. Oben: ABRICHTUNG ZUM und unten: SEIT und das Datum an dem er mir zugelaufen war. Wenn seine Abrichtung mal abgeschlossen ist, kann man diese Umschrift schwärzen.
Der Tätowierer, verantwortungsbewusst wie immer, nimmt Rotz mit nach hinten, um herauszubekommen, ob er das wirklich will, nicht besoffen oder bekifft ist und so weiter. Auch muss er beweisen, dass er volljährig ist. Bevor er sich in den Stuhl setzt, öffnet er seinen einzigen Hosenknopf: „Ey, Drexau, komm mal mit deinem Maul und lenk mir ab.” Er macht wirklich nicht den Eindruck als ob wir ihn zu einer Dummheit angestiftet hätten.
Als er sich danach im Spiegel sieht, wird er von selbst wieder steif. Er zieht die Lederjacke an, die er nicht schließen kann. Man sieht ABRI… Schw… SEIT… – genug um neugierig zu machen.
Und dann entdeckt Rotz neben dem Spiegel ein Foto und ruft: „Det wil ick ooch! Berlin braucht mündije Bürjer. Ick loofe dafür jern Reklame.“
Wir erinnern ihn daran, dass er kein Hemd tragen darf und seine Jacke meistens offen lassen muss. Es ist ihm egal. Die Leute sollen mündiger werden. Also lässt er sich noch MAUL AUF! in einem Halbkreis um die Schwanzwurzel tätowieren, so, dass seine knappen Jeans es nicht verbergen können. Dabei braucht Drexau ihn diesmal nicht steif zu halten, das geht ganz von selbst.
Rotz strahlt. Er sieht ungeheuer verdorben aus und ist darauf mächtig stolz. Das Adrenalin kreist, weil es nun kein Zurück mehr gibt.
Leider muss aber erst einmal ne Frischhaltefolie drauf. Wir schicken ihn ein paar Tage in seine WG, zum Abheilen. Drexau und ich verbringen den Rest des Tages im Tiergarten.