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Auf Augenhöhe miteinander sein

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Gleichwürdigkeit in Beziehungen bedeutet nach meinem Verständnis, anzuerkennen, dass alle Menschen, egal welchen Alters, von gleicher Würde beziehungsweise von gleichem Wert sind. Folglich hat bereits ein Baby dieselbe Würde wie ein Jugendlicher oder ein Erwachsener. Und auch wenn es in der Zeit der Pubertät zwischen Eltern und heranwachsenden Kindern des Öfteren Differenzen gibt, sollten wir immer bedenken, dass wir die individuellen Eigenschaften, Gedanken und Gefühle unseres Kindes genauso ernst nehmen müssen wie unsere eigenen. Dabei ist Gleichwürdigkeit nicht zu verwechseln mit Gleichheit.

Man könnte sich fragen, ob wir dann überhaupt noch Erziehung brauchen. Was ich mit einem absoluten »Ja!« beantworten will. Denn der Mensch muss eine Art von Erziehung erfahren. Naturkinder, die ohne äußere erzieherische Einflüsse und ohne Druck aufwachsen, sind eine romantische Illusion.

Das Ziel oder das Endergebnis der Erziehung soll die optimale seelische und soziale Gesundheit eines Kindes, Jugendlichen und Erwachsenen sein. Um dieses Ziel zu erreichen oder ihm sich wenigstens anzunähern, sollte Erziehung als Führung verstanden werden. Die Eltern übernehmen die Führungsrolle. Allerdings muss sich diese Führung, entsprechend der Entwicklung des Kindes vom Kleinkind zum Teenager, verändern: Kleine Kinder brauchen Eltern, die als Leuchttürme fungieren. Sie brauchen Eltern, die regelmäßig klare Signale senden. So können sich kleine Kinder orientieren.

Teenager brauchen ihre Eltern als Sparringspartner – die maximalen Widerstand anbieten und dabei minimalen Schaden anrichten. Das bedeutet, dass Eltern ihren Teenagern gegenüber verantwortlich und zuverlässig sein sollten. Sie sollen sich selbst nicht verleugnen, müssen zu ihren Ansichten und Erfahrungen stehen – dabei jedoch nicht ihre Teenager zwingen, wie sie selbst zu sein. Die Erziehung »Wenn du nicht machst, was ich dir sage, dann …« hat weder in der Vergangenheit funktioniert, noch tut sie es heute.

Von Beginn der Pubertät an müssen sich die Jugendlichen selber finden, also ihre eigenen Grenzen, Wertvorstellungen und Potenziale ausloten. Und das dauert eben sieben bis acht Jahre. Und in dieser Zeit brauchen Jugendliche den Widerstand der Eltern. Und diesen (positiven) Widerstand der Eltern müssen die Teenager auszuhalten lernen.

Ein Beispiel: Der 15-jährige Sohn kommt sturzbetrunken nach Hause. Seine Freunde finden, Alkohol macht Spaß. Die Eltern hingegen halten den übermäßigen Alkoholkonsum für gefährlich. In diesem Spannungsfeld muss der Heranwachsende sich und seine Position selber finden.

Manche Eltern meinen, Regeln würden helfen, dabei sind Regeln nur eine sehr primitive Art der Führung. Jede Familie braucht zwar eine Handvoll Regeln, um angenehm zusammenzuleben. Aber Regeln funktionieren nicht als Problemlösung oder Problemvorbeugung. Wir können Verbote aufstellen und gleichzeitig mit Sanktionen drohen. Oder aber wir gehen stattdessen mit dem Jugendlichen in den Dialog. Wir erklären, warum wir dagegen sind. Wir zeigen unsere Ängste auf. Wenn wir nur Regeln aufstellen und uns stur auf diese Regeln berufen, dann erlangen wir nie eine persönliche Art der Autorität. Dann sind die Eltern nichts weiter als Polizisten, die die Einhaltung der Regeln kontrollieren. Aber dann fängt das ganze Theater erst an. Dann werden die Kinder entweder unterwürfig oder brechen die Regeln. Und damit wären wir weit entfernt vom gewünschten Erziehungsstil.

Vier Werte, die Eltern & Jugendliche durch die Pubertät tragen

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