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Antwort von Jesper Juul:

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Lassen Sie mich zunächst etwas über die Einstellung der meisten Eltern zur Pubertät sagen. Es gibt wohl nur wenige Entwicklungsschritte im Leben eines Kindes, die derart mit Mythen und Problematisierungen behaftet sind. Fast scheint es so zu sein, als könnten wir uns in unserem Kulturkreis gar nicht genug Sorgen um diese Periode machen, die in anderen Kulturen als freudiges Ereignis im Leben des Kindes und der Familie gefeiert wird. Es lohnt sich für uns alle, die Sorgen beiseitezulassen und den kommenden Jahren mit folgender Einstellung zu begegnen: Da bin ich aber wirklich gespannt, in welche Richtung sich der Junge oder das Mädchen entwickeln wird!

»Aber es gibt doch so viele Gründe, sich Sorgen zu machen!«, werden viele Menschen jetzt einwenden. Und das stimmt natürlich. Wir befinden uns in einer Welt voller Gefahren, in der viel Schreckliches geschehen kann. Besorgnis hängt jedoch mit Vertrauen zusammen. Haben Sie Vertrauen zu Ihrem Sohn?

Vertrauen ist die beste Medizin gegen Ihre Angst und die beste Unterstützung, die Sie Ihrem Sohn in den nächsten fünf bis sechs Jahren zukommen lassen können.

Zwar kenne ich Ihren Sohn nicht persönlich, doch auf folgende Dinge können Sie sich verlassen, wie alle Eltern von Teenagern, sofern ihre Beziehung zueinander an sich in Ordnung ist:

 Alle Eltern können sich darauf verlassen, dass ihre Teenager einigen der Versuchungen erliegen werden, denen sie ausgesetzt sind. Schmerzhafte Erfahrungen werden ihnen also gewiss sein.

 Alle Eltern können mit großer Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass ihre Teenager ihr Verhältnis zu Alkohol, Drogen, Sex und Pornografie dadurch klären, dass sie diese Dinge ausprobieren.

 Alle Eltern können sicher sein, dass ihre Teenager sorgsam sortieren, was sie ihren Eltern erzählen und worüber sie nur mit Gleichaltrigen sprechen.

Alle Eltern können sicher sein, dass ihre Teenager das, was sie in den kommenden Jahren unternehmen, für sich selbst und nicht gegen ihre Eltern tun.

Beim Vertrauen geht es ja gerade nicht darum, dass unsere Kinder all das tun, was wir Eltern für richtig halten, und das unterlassen, was wir falsch finden. Das Vertrauen, das Kinder und Jugendliche unbedingt von ihren Eltern brauchen, ist das Vertrauen darauf, dass sie stets ihr Bestes geben, um der Mensch zu werden, der sie sein wollen. Das Fundament dafür haben sie gemeinsam mit ihren Eltern, im Kindergarten, in der Schule und in ihrem übrigen sozialen Netzwerk geschaffen.

Warum schreibe ich so viel über Besorgnis und Vertrauen? Weil es meine Antwort auf Ihre Frage ist, wie Sie am besten die Offenheit zwischen sich und Ihrem Sohn bewahren können. Im Laufe der letzten 30 Jahre bin ich unzähligen jungen Menschen aus verschiedensten Kulturen begegnet, und eines ändert sich nie: Sie dürsten nach dem Vertrauen ihrer Eltern und hassen deren Besorgnis. Das bedeutet nicht, dass Ihre Besorgnis der Beziehung zu Ihrem Sohn schadet. Es bedeutet nur, dass Sie diese Besorgnis mit anderen Erwachsenen teilen sollten, anstatt sie Ihrem Sohn aufzubürden.

Und Sie können noch etwas anderes Wichtiges tun. Sie können damit beginnen (oder dies fortsetzen), offen über sich selbst und Ihr Leben zu sprechen, wenn Sie mit Ihrem Sohn zusammen sind. Wenn Sie so sind wie die meisten Eltern, dann haben Sie Ihrem Sohn bisher vor allem viele Fragen gestellt: »Wie war’s heute in der Schule?«, »Wie geht’s dir?«, »Was machst du heute?«, »Bist du sicher, dass du gut genug nachgedacht hast?« … Fragen, die zugleich neugierig, interessiert, engagiert, aber auch kontrollierend waren. Von nun an ist es wichtig, dass Sie weniger Fragen stellen und dafür offener sind, was Ihre eigenen Gedanken und Gefühle, kleine und große Erlebnisse, Ihre Meinungen, Einstellungen und Überzeugungen betrifft.

Natürlich meine ich damit nicht, dass Sie sich Ihrem Sohn gegenüber wie eine erwachsene Partnerin in einer Paarbeziehung verhalten sollen, aber doch wie eine gute Freundin. Sie haben Ihr Privatleben, und er baut seines auf – und beide müssen dies respektieren, wenn sich ihre Freundschaft in den nächsten 50 Jahren erhalten und weiterhin positiv entwickeln soll.

Im Laufe der Pubertät gehen im Gehirn eines Kindes so enorme biologische Veränderungen vor sich, dass viele Eltern ihre Kinder nicht wiederzuerkennen glauben. Diese Veränderungen machen es für viele Jugendliche erforderlich, ihre Aufmerksamkeit für lange Zeit nach innen zu richten.

Die Eltern dürfen diese »Unnahbarkeit« nicht persönlich nehmen, denn sie ist weder ein Ausdruck für eine sich verschlechternde Beziehung zwischen Kind und Eltern noch ein Zeichen fehlender Vertrautheit.

Das Frustrierende daran ist ihr nonverbaler Charakter, die Verschlossenheit und abweisende Haltung der Jugendlichen. Aber Gespräche sind schließlich nur eine Möglichkeit der offenen Zuwendung. Allein die Tatsache, dass sich der Jugendliche in der Familie so gibt, wie er ist, zeugt von Offenheit und Vertrauen.

Das Zusammenleben mit pubertierenden Kindern konfrontiert Eltern mit der Tatsache, dass man dem Leben und seinen notwendigen, harten Erfahrungen nicht vorbeugen kann (eine häufige Illusion bei Eltern von Kleinkindern).

Ihr Sohn muss sein eigenes Leben führen, wie es sich nun mal entwickelt, und zugleich wissen, dass seine Eltern für ihn da sind, was auch immer passieren mag.

Kinder brauchen ihre Eltern nicht als Therapeuten oder Sozialarbeiter, sondern als Sparringspartner. Das kann sich für beide Seiten als harte Arbeit erweisen, doch glücklicherweise gibt es immer mehr Jugendliche, die ihr eigenes Leben mit größter Selbstverständlichkeit in die Hand nehmen und ihre Eltern nicht zu persönlichen Feindbildern erklären.

Die beste Gewähr für eine dauerhafte enge Beziehung zu Ihrem Sohn ist Ihr eigener fester Wille, sich gemeinsam mit ihm weiterzuentwickeln. Sie sind nicht mehr für seine Erziehung verantwortlich, doch tragen Sie weiterhin die Hauptverantwortung für Ihre Beziehung zueinander. Viel Vergnügen dabei!

Vier Werte, die Eltern & Jugendliche durch die Pubertät tragen

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