Читать книгу Highland Love - Jessie Coe - Страница 10
Оглавление2019 • Wurmlöcher und verbrannte Pizza
Ich öffnete mein Notizbuch und las mir durch, was ich zum Thema Zeitreisen notiert hatte. Bevor ich anfangen konnte, daraus einen zusammenhängenden Text zu entwickeln, musste ich allerdings erst einmal klären, wie meinen Protagonisten die Zeitreise überhaupt gelingen sollte. Ich schaltete den Laptop ein und tippte `Zeitreisen´ in die Suchmaschine. Überrascht stellte ich kurz darauf fest, dass sich schon Albert Einstein mit dem Thema beschäftigt hatte. Gemäß seinen Studien waren Reisen durch die Zeit möglich, wenn man Wurmlöcher benutzte. Dabei handelte es sich aber, wenn ich das richtig verstand, um eine Art Brücke im Raum oder, vereinfacht ausgedrückt, um eine Abkürzung durchs All. Neugierig klickte ich weiter und landete in einem Chat.
Auf die Frage, wie ein Wurmloch funktionierte, fand ich die Antwort eines Chatbesuchers, der sich die Reisenden nannte. Er oder sie schrieb: »Nehmen Sie einen Zettel und machen Sie ganz links und dann gegenüber, ganz rechts, einen Punkt. Normalerweise ist der kürzeste Weg zwischen den Punkten eine Gerade, aber im All wäre dieser Weg immer noch zu lang. Ein Wurmloch faltet die Strecke, also den Zettel, so zusammen, dass Punkt links auf Punkt rechts zu liegen kommt und schon ist die Entfernung überbrückt.«
Mit dieser Erklärung konnte ich etwas anfangen. Allerdings erinnerten mich die aufeinanderliegenden Punkte an Hamish und unsere morgendlichen Aktivitäten. Der Sex mit ihm war noch besser gewesen, als ich es mir ausgemalt hatte. Seine Hände und seine Lippen auf meinem Körper, allein der Gedanke daran beschwor das Kribbeln herauf, das seine Berührungen verursacht hatten und ich bekam eine Gänsehaut. Energisch schob ich den Gedanken an Hamish beiseite und öffnete einen anderen Chat. Hier fand ich nichts Neues. Ich wollte ihn schon wieder verlassen, doch am Ende des Chatverlaufs hatte die Reisenden einen weiteren Kommentar hinterlassen.
»Wenn wir mal davon ausgehen, dass jemand die Möglichkeit gefunden hat, Wurmlöcher zu nutzen oder selbst welche künstlich zu erschaffen«, stand da, »dann wären Besuche auf fremden Planeten möglich.«
Andere Welten. Keine schlechte Idee. War das vielleicht ein Ansatz für mein Buch? Ich überlegte. Dann schüttelte ich den Kopf. Zeit! Ich hatte die Zeit vergessen. Wurmlöcher ermöglichten das Reisen durch den Raum, schneller als die Zeit, aber was war mit Reisen durch die Zeit? In die Vergangenheit oder die Zukunft, nicht nur, um schneller von A nach B zu kommen. Auf der anderen Seite: Wenn man 2019 durch ein Wurmloch flog und nur zwei Jahre brauchte, um zu einem Ort zu gelangen, der 200 Jahre entfernt war, dann wäre die Ankunft im Jahr 2221 und man somit durch die Zeit gereist. Doch was war mit dem Rückwärtsreisen? Wie kam man in die Vergangenheit? In einem der esoterischen Werke, die ich gelesen hatte, stand, dass Zeit nicht linear war, sondern alles gleichzeitig geschah. War Zeit eventuell gefaltet? Und wenn man durch einen gefalteten Raum reiste, musste man dann die Zeitfalten glätten?
Ich stöhnte. Wie war ich bloß auf die Idee gekommen, eine Zeitreise logisch erklären zu wollen? Ich schob den Laptop und die Notizen beiseite und schloss die Augen. Sofort lächelte mich Hamish an. Schnell öffnete ich sie wieder. Ich steckte fest. Der Gerechtigkeit halber musste ich zugeben, dass ich nicht bei der Sache war. Gewisse Stellen meines Körpers waren befriedigend wund und erinnerten mich permanent an unsere morgendlichen Aktivitäten.
So wurde das nichts. Vielleicht sollte ich zum Tea Room fahren und schauen, ob mich die Inspiration dort überfiel. Doch nach dem, was zwischen Hamish und mir geschehen war, zögerte ich. Er hatte gesagt, er würde sich melden. Falls er das wirklich vorhatte, sollte er das auch tun. Eigentlich ging ich davon aus, dass er anrufen würde. Etwas sagte mir, dass er die Sache wesentlich ernster nahm als ich. Nicht gut, oder doch? Ich stand auf und streckte mich. Nach einem heftigen Regenguss schien die Sonne durch die Wolken und ich hatte das dringende Bedürfnis, nach draußen zu gehen. Die Hafenstadt Oban kam mir in den Sinn. Auch dort gab es Tea Rooms und vor allem Geschäfte. Es konnte nicht schaden, meine Unterwäsche mit ein paar weiteren sexy Dessous aufzupeppen. Egal, ob die morgendliche Aktion ein One-Morning-Stand gewesen war oder nicht. Ich lief die Treppe hinauf, zog Jeans, Pullover und Winterjacke über, schnappte mir Handtasche und Autoschlüssel und ging zu meinem Kater, der sich auf einem der zwei vor dem Kamin stehenden Sofas zusammengerollt hatte.
»Ich komme gleich wieder, Kleinster«, sagte ich und kraulte ihm das Köpfchen. Mister Muh begann wie ein Motor zu schnurren und öffnete empört die Augen, als ich aufhörte, ihn zu streicheln.
»Hilft nichts, Katerchen, ich gehe jetzt.«
Wenig später saß ich im Auto und war auf dem Weg. Ich holperte die Auffahrt hinunter und winkte dabei Douglas, meinem Schafe züchtenden Nachbarn, zu, der am Zaun lehnte und eine Zigarette rauchte. Ich vermutete, dass er das heimlich tun musste, denn seine über achtzig Jahre alte Mutter führte noch immer ein strenges Regiment auf der Farm und Rauchen war ihr zuwider. Douglas hob grüßend die Hand und ich erreichte kurz darauf die Zufahrtsstraße zum Dorf. Ich folgte ihr und als ich an der Auffahrt zum MacGregor Castle Hotel vorbeifuhr, klopfte mein Herz bis zum Hals. Ich war noch nicht bereit, mich ihm in der Öffentlichkeit zu stellen. Am Liebsten hätte ich mich hinter dem Steuer kleingemacht, was schon allein deshalb völlig bescheuert war, weil das Hotel zurückversetzt lag und man es von der Straße aus gar nicht sehen konnte.
»Sei nicht albern«, schimpfte ich mit mir selbst und fuhr mit hocherhobenem Kopf weiter.
Der Weg am Loch entlang war traumhaft. Die enge Straße führte kurvenreich durch die Berge und gab immer wieder den Blick auf das Wasser frei, das still dalag und die Landschaft widerspiegelte. Es sieht aus, als würde die Welt zweimal existieren. Gleichzeitig und doch getrennt. Ich atmete tief durch, bog auf die Hauptstraße und folgte ihr Richtung Meer.
Normalerweise, wenn ich am Loch Linnhe vorbeifuhr und genügend Zeit hatte, hielt ich beim Café Castle Stalker View, um den Blick über das Castle, das Loch und die auf der anderen Seite der Bucht aufragenden Berge zu genießen, doch heute war ich zu hippelig dafür. Deshalb fuhr ich nur besonders langsam am Loch entlang und erhaschte einen Blick auf das Castle, das kaum mehr als ein gewaltiger Turm war. Es lag auf einer kleinen Insel, die etwa die gleiche Größe hatte wie es selbst. Die Sonne, die just in diesem Moment durch die blauschwarzen Wolken brach, tauchte Castle, Wasser und die Silhouette der Highlands in ein unwirkliches Licht. Alles glänzte und glitzerte, so als hätte der Regen Diamanten zurückgelassen. Den Blick so lange wie möglich auf das Castle gerichtet, fuhr ich weiter und setzte meinen Weg dann in normaler Geschwindigkeit fort. Kurz vor Oban geriet ich in einen Stau und entdeckte am Straßenrand ein Werbeplakat, welches ein Wintervolksfest ankündigte, das heute starten sollte. Verschiedene Bands und Dudelsackgruppen würden auftreten und es war anzunehmen, dass die Stadt aus allen Nähten platzte. Ich war kurz versucht, die nächste Ausfahrt zu nehmen und umzukehren, entschied mich aber dagegen. Wenn ich schon mal hier war, konnte ich mich ebenso gut von der Feststimmung anstecken und treiben lassen.
Ich hatte Glück bei der Parkplatzsuche, hängte mir meine Tasche quer über die Schulter, um die Hände frei zu haben, und mischte mich unter das Volk. Auf der Hafenmeile war eine Menge los und es herrschte ausgelassene Partystimmung. Nach wenigen Metern hatte ich drei Whisky dankend abgelehnt, freundlich lächelnd die immer wiederkehrenden Aufforderungen zum Tanzen ignoriert, da sich die potenziellen Tanzpartner kaum auf den eigenen Beinen halten konnten, und war mehreren überschwappenden Biergläsern erfolgreich ausgewichen.
Nach einem Zwischenstopp an einem Seafood Stand gelangte ich zu einer Bühne, auf der eine Dudelsackgruppe `Amazing Grace´ spielte. Das Lied, wenn es von einem Dudelsack gespielt wurde, verschaffte mir jedes Mal eine Gänsehaut. Ich schloss die Augen und genoss die Musik.
Jemand rempelte mich an und holte mich abrupt in die Wirklichkeit zurück. Als ich die Augen öffnete, sah ich, dass die letzten zwei Shrimps zuerst auf meiner Jacke und dann auf dem Boden gelandet waren. Fluchend warf ich die leere Pappschale in den nächsten, fast überquellenden Papierkorb und versuchte, den Fleck auf der Jacke mit Hilfe eines Taschentuchs zu entfernen. Es gelang mir nicht wirklich.
»Was soll’s«, murmelte ich und machte mich auf den Weg zu einem Dessous Geschäft.
Ich stand gerade mit einem schwarzen Hauch von Nichts bekleidet in der Umkleidekabine und überlegte, ob das Bäuchlein schon immer da gewesen oder erst durch die Shrimps entstanden war, als mein Handy klingelte. Nach einem letzten, kritischen Blick in den Spiegel, kramte ich das Telefon aus der Handtasche. Es war Hamish. Mein Herz machte einen Satz in Richtung Magen und dann ein angenehmes Stückchen tiefer. Ich schnitt mir selbst im Spiegel eine Grimasse, holte tief Luft und nahm ab.
»Na, sprechen deine Mutter und Ian noch mit dir oder strafen sie dich mit Schweigen, weil du sie früh aus dem Bett geschmissen hast und dann nicht aufgetaucht bist?«, erkundigte ich mich, bevor Hamish dazu kam, etwas zu sagen.
»Ich bin aufgetaucht, nur später als geplant und daran warst du nicht unschuldig, du unromantisches Weib. Ein `schön, dass du anrufst´, war wohl nicht drin?« Seine Stimme klang belustigt.
Ich lachte. »Schön, dass du anrufst.«
Hamish schnaubte. »Netter Versuch, aber zu spät und ja, sie sprechen noch mit mir und wir haben es geschafft, alles zu erledigen, was anstand. Jetzt bin ich bei der Jahresbilanz angelangt. Allerdings gehst du mir nicht aus dem Sinn, was sehr hinderlich für die Vorbereitung des Jahresabschlusses ist«, fuhr er fort. »Deshalb habe ich beschlossen, eine Pause zu machen. Zum Arbeiten müsste ich mich nämlich konzentrieren. Vorzugsweise auf die Zahlen. Und wie läuft es bei dir?«
Ich warf einen erneuten Blick in den Spiegel. Bauch? Hatte ich vorhin einen Bauch gesehen? Da war kein Bauch.
»Was das Schreiben betrifft eher gar nicht«, sagte ich. »Deshalb bin ich nach Oban gefahren, um mir ein paar neue, sexy Dessous zu besorgen. Ich dachte, damit kann ich bestimmt irgendwann auftrumpfen.«
»Gut überlegt«, stimmte Hamish mir zu. »Was hältst du davon, wenn ich heute Abend für eine Privatvorführung vorbeikomme?« Er schwieg abwartend.
Ich dachte an meine Notizen, warf einen Blick in den Spiegel und sagte dann: »Privatvorführungen sind aber nicht gratis, Mr MacGregor. Ich würde mich jedoch mit einer Champignon-Salami-Pizza zufriedengeben.«
»Ich werde sehen, was sich machen lässt.« Hamishs Stimme klang fast erleichtert und mir wurde mit einem Mal klar, dass er sich nicht sicher gewesen war, ob ich ihn hatte wiedersehen wollen.
»Ich freue mich«, sagte ich.
»Auf mich oder die Pizza?«, wollte er wissen.
»Das sage ich dir nachher, mir wird kalt, ich habe nicht viel an. Du hast mich nämlich in der Umkleidekabine erwischt.«
»Großartig. Jetzt kann ich die Buchhaltung komplett abhaken.«
»Ich trage einen Hauch von Nichts aus Spitze, an den strategisch wichtigen Stellen durchsichtig«, erklärte ich ihm liebenswürdig. »Nur, damit du dich nicht in falsche Vorstellungen verrennst.«
»Ich weiß noch nicht wie, aber dafür werde ich mich zu gegebener Zeit rächen«, erwiderte Hamish in ebenso liebenswürdigem Ton.
Dann legte er auf.
Ich grinste und betrachtete mich im Spiegel. Ich hatte gerötete Wangen und meine Augen blitzten. Ich zog die Dessous aus, meine eigene Kleidung wieder an und verließ die Umkleidekabine.
»Die nehme ich«, sagte ich und legte die Dessous auf den Kassentresen.
Der Rückweg zu meinem Wagen, erwies sich als schwierig, denn in der Stadt war inzwischen die Hölle los. Als ich endlich im Auto saß, brauchte ich eine halbe Ewigkeit, um Oban wieder zu verlassen. Sobald ich es geschafft hatte, fuhr ich zügiger als gewöhnlich weiter, denn ich wollte zumindest die Notizen vom Tisch räumen, bevor Hamish mit der Pizza kam. Ich dachte an die Dessous, die in einer hübschen Tüte neben mir auf dem Beifahrersitz lagen. Je mehr ich überlegte, wie ich sie am besten in Szene setzen sollte, desto nervöser wurde ich und umso weniger gefiel mir die Idee. Mit einem Mal kamen mir die Dessous zu berechnend vor. So, als würde ich von Hamish nichts anderes wollen als Sex. Überrascht verlangsamte ich das Tempo und überlegte. Wollte ich etwa mehr von ihm? Bis heute hatte ich immer nur darüber phantasiert, wie es wäre, mit ihm in den Clinch zu gehen. Über das, was danach kam, hatte ich mir keine Gedanken gemacht, weil es normalerweise kein `danach´ gab. Doch Hamish war kein Fremder. Er lebte im gleichen Dorf wie ich und war außerdem witzig, intelligent und sexy. Aus uns könnte durchaus mehr werden. Falls ich das wollte. Oder er. Vielleicht wollte er ja nur Sex. Plötzlich fühlte ich mich befangen, wenn ich an den Abend dachte.
Als ich nach Hause kam, saß Mister Muh schon vor seinem Napf und sah mich so missbilligend an, wie nur Kater es können.
»Ich weiß, ich bin spät dran, aber ich glaube, du wirst trotzdem nicht verhungern«, beruhigte ich ihn.
Mister Muh maunzte klagend, kam mir aber entgegen und ich kraulte ihn zwischen den Ohren.
»Bin gleich wieder bei dir.« Ich ging an ihm vorbei und warf dabei einen Blick über die Schulter. Der Kater sah mir scheinbar fassungslos nach und bezog dann demonstrativ wieder Stellung neben seinem Napf.
Grinsend stieg ich die Treppe hinauf, ging ins Schlafzimmer, packte die Dessous aus der Tüte und in den Schrank. Unschlüssig blieb ich davor stehen und entschied mich schließlich für einen grünen Hausanzug, der fast die gleiche Farbe hatte wie meine Augen. Ich zog ihn über, ließ aber die Unterwäsche weg.
»Man kann auch zu angezogen sein«, sagte ich zu meinem Spiegelbild und öffnete den Reißverschluss der Jacke so weit, dass der Ansatz meiner Brüste zu sehen war. Dann kehrte ich ins Wohnzimmer zurück, schaltet die Lichterketten mit den Feenlichtern ein, die den Raum in ein warmes Dämmerlicht tauchten, und füllte endlich Mister Muhs Napf. Anschließend öffnete ich eine Flasche Rotwein, goss mir ein Glas ein, feuerte den Kamin an und ging hinüber zum Tisch. Während ich den Laptop wegräumte, las ich mir die Notizen über Wurmlöcher durch. Mit einem Mal hatte ich eine Szene im Kopf, in der sich ein Mann und eine Frau unterhielten. Ich wusste noch nicht genau, wie die beiden zueinander standen, aber ich konnte förmlich hören, was sie sagten. Schnell griff ich nach Papier und Bleistift und begann zu schreiben. Ich war eben beim letzten Satz angekommen, als es klingelte. Erschrocken zuckte ich zusammen. Hamish!
»Eine Sekunde«, rief ich, schrieb schnell zu Ende, lief zur Tür und öffnete.
Hamish stand mit einem abgedeckten, runden Blech in den Händen vor mir und sah mich nachdenklich an. »Lass mich raten: Du warst in einem erzkatholischen Dessousladen, der normalerweise Nonnen ausstattet. Niemand sonst würde das, was du trägst, als einen Hauch von Nichts bezeichnen.«
Ich brach in schallendes Gelächter aus. Den Hausanzug hatte ich total vergessen. Hamish schüttelte den Kopf und schob mich ins Haus.
»Das ist heute das zweite Mal, dass du mich mit einem unerwarteten Outfit überraschst«, sagte er und drückte mir das Pizzablech in die Hand. »Du bist eine unberechenbare Frau!«
»Hör auf«, bat ich lachend und stellte die Pizza auf die Kücheninsel. »Mir tut schon alles weh!«
Hamish entledigte sich seiner Jacke und Schuhe und folgte mir in den Wohnraum.
»Warte, ich lenke dich ab.« Er kam um die Kücheninsel herum, nahm mich in den Arm und küsste mich. Zärtlichkeit und Leidenschaft mischten sich in seinem Kuss und ich vergaß all meine Bedenken. Bevor er mich losließ, hauchte er mir einen Kuss auf die Nasenspitze, dann zeigte er auf die Papiere, die sich auf dem Tisch stapelten.
»Warum bist du heute Vormittag nicht vorbeigekommen, als du steckengeblieben bist. Das machst du doch sonst auch?«
Ich löste mich aus seinen Armen und ging zum Tisch hinüber, um die Papiere einzusammeln.
»Dessous«, sagte ich beiläufig. »Schon vergessen?«
Ich konnte seinen Blick förmlich auf mir spüren.
»Fast«, gestand er. »Aber vielleicht möchtest du mein Erinnerungsvermögen auffrischen und sie mir doch noch vorführen?«
»Werde ich«, versprach ich, »aber nicht heute. Der Effekt ist größer, wenn du nicht weißt, was auf dich zukommt.« Ich grinste.
»Das weiß ich bei dir nie und ich glaube nicht, dass sich daran irgendwann etwas ändern wird«, sagte Hamish trocken.
»Ich finde, das ist nur fair.« Ich grinste. »Bis heute Morgen habe ich schließlich noch gedacht, dass du dich nicht die Bohne für mich interessierst.«
»Touché.« Hamish lächelte, ging hinüber zum Ofen und schaltete ihn ein. »Warum musste ich eigentlich die Pizza mitbringen?«, erkundigte er sich.
»Ist das nicht schottische Tradition?« Ich stopfte das letzte lose Blatt in mein Notizbuch. »Die Männer machen Jagd auf etwas Essbares, meist auf die Hochlandrinder des benachbarten Clans, und bringen die Beute mit zurück ins traute Heim, wo eine holde Maid das Feuer in Gang hält und sie erwartet.«
»Ich habe den Ofen angemacht«, erinnerte Hamish.
»Nebensächlichkeiten.« Ich winkte ab.
»Und das ist keine Jagdbeute«, bemerkte er.
»Pizza ist die moderne Version. Außerdem bin ich davon überzeugt, dass du sie in der Hotelküche erbeutet hast«, erklärte ich und kam zu ihm.
Er zog die Augenbraue hoch. »Ich hatte dich nicht für den traditionellen Typ gehalten.«
»Das ist situationsabhängig«, sagte ich ernsthaft. »Beim Jagen oder bei Gefahr darf der Mann gerne mit der Keule vorangehen.«
»Ich werde es mir für die nächste Eiszeit merken.« Er entfernte die Folie, die das Blech bedeckte.
Ich beobachtete, wie er den Ofen öffnete, die Pizza hineinschob und dann die benutzte Folie in den Mülleimer unter der Spüle warf. Ich war mir nicht sicher, was ich davon halten sollte, denn er sah aus, als würde er hierher gehören, so als hätte er das alles schon tausendmal gemacht. Ich nahm ein zweites Weinglas aus dem Schrank und füllte es.
Hamish trat zu mir und ich reichte ihm das Glas.
»Die Pizza braucht ein paar Minuten mehr, denn der Ofen ist noch nicht heiß. Du sahst heute Morgen übrigens zum Anbeißen aus.« Er stieß mit mir an. »Als du mit den verstrubbelten Haaren und diesen herrlichen Schafhausschuhen vor mir standest, ohne dich zu rühren, da wusste ich: jetzt oder nie! Ich hatte allerdings nicht damit gerechnet, dass wir gleich auf dem Teppich vor dem Kamin landen. Ich wollte es eigentlich langsam angehen. Die Idee war, mit einem romantischen Candle Light Dinner zu beginnen und mich dann vorzuarbeiten.«
»Ich kann nachher Kerzen anzünden«, schlug ich vor. »Und wenn ich geahnt hätte, dass dich Flanellpyjama und alberne Hausschuhe anturnen, wäre ich dir schon vorher so entgegengetreten.«
»Ich stehe auf ungewöhnliche Outfits.« Er grinste, nahm mir mein Glas ab und stellte beide Gläser auf den Tisch. Dann zog er mich zu sich. »Und ich frage mich schon die ganze Zeit, was du unter diesem Hausanzug trägst.«
Statt ihm zu antworten reckte ich mich, um ihn zu küssen, und neckte ihn mit der Zunge. Er zog meinen Kopf noch näher zu sich und beendete das Spiel mit einem leidenschaftlichen Kuss, bei dem mein Herz kurzfristig versuchte, aus meiner Brust zu springen, und mir die Knie weich wurden.
»Warum findest du es nicht heraus?«, fragte ich, atemlos, sobald er mich freigegeben hatte.
Mit einem Lächeln zog er den Reißverschluss des Oberteils hinunter. »Das ist besser als ein Hauch von Nichts.« Er streichelte mich zärtlich.
»Gleiches Recht für alle«, murmelte ich, öffnete die Knöpfe seines Hemdes und hauchte ihm einen Kuss auf den Hals. Er erschauderte.
»Wenn wir hier weitermachen, verbrennt die Pizza«, warnte er und fuhr mit seinen Lippen meinen Hals entlang in Richtung meiner entblößten Brüste.
Ich stöhnte wohlig und war hin und her gerissen zwischen Lust und Hunger. Außer dem Frühstück und den Shrimps hatte ich heute noch nichts gegessen. Hamish schien meine Unschlüssigkeit zu spüren, denn er hauchte mir einen Kuss auf jeder Brust, und richtete sich auf.
»Wir könnten es auf nachher verschieben«, schlug er lächelnd vor und küsste mich provozierend.
»Ich gebe es ungern zu, aber die Pizza ist momentan ähnlich verlockend«, stimmte ich ihm zu.
Er nickte, griff nach dem Reißverschluss meiner Hausanzugjacke und schloss ihn gemächlich, ohne mich aus den Augen zu lassen. Auf Höhe meiner Brüste hielt er inne und fuhr mir dem Daumennagel erst über die eine, dann über die andere Brustwarze. Ich zuckte zusammen und holte scharf Luft. Das Gefühl, das er damit erzeugte, ließ mich die Beine zusammenpressen. Hamish lächelte wissend und schloss die Jacke.
»Das wird das erotischste Pizzaessen, das ich je hatte«, sagte er leise und seine blauen Augen waren dunkel vor Leidenschaft. »Ich werde an nichts anderes denken, als an das, was wir für den Nachtisch geplant haben. Und ich bin mir sicher, dass du schon jetzt ebenso bereit für mich bist wie ich für dich.«
»Scheiß drauf, ich esse die Pizza auch verbrannt!« Ich riss mir die Jacke vom Körper. »Jetzt, hier und sofort«, sagte ich und sah ihn an.
»Also das mit deiner Geduld«, murmelte er und zog ein Kondompäckchen aus der Tasche seiner Jeans.
In Sekundenschnelle waren wir ausgezogen. Ehe ich mich versah, hatte er das Kondom übergestreift und war in mir.
»Ahhh«, stöhnte ich.
»Du bist so was von bereit«, murmelte Hamish und bewegte die Hüften.
Ich klammerte mich an seinen Armen fest, um nicht den Halt zu verlieren.
»Nicht aufhören«, bat ich und er tat mir den Gefallen. Er umfasste mein Bein fester und stieß hart und schnell in mich. Jeder Stoß schickte elektrische Wellen durch meinen Körper. Ich wollte mich ihm entgegenstrecken, um ihn noch tiefer aufzunehmen, doch er presste mich mit seinem Gewicht an die Wand hinter mir. Es dauerte trotzdem nicht lange, bis ich mit einem Schrei kam. Er folgte mir nur einen Wimpernschlag später. An mich und die Wand gelehnt stand er da, ohne mein Bein loszulassen, und atmete schnell.
Ich schmiegte mein glühendes Gesicht in seine Halsbeuge. »Ich glaube, meine Knochen sind weg.«
»Da sind wir schon zwei«, murmelte er, zog sich aus mir zurück und ließ mein Bein los. Dann stützte er beide Hände neben meinem Kopf an die Wand und sah mich an.
»So viel zum Thema Romantik.« Er küsste mich sanft. »Lass uns wenigstens Kerzen beim Abendessen anmachen.«
Ich prustete los und er grinste.
»Hier riecht es angebrannt«, sagte ich und schnupperte.
»Wundert mich nicht«, erwiderte Hamish und schüttelte den Kopf.
»Die Pizza!«, sagten wir wie aus einem Munde.
Wie sich herausstellte, war nicht die Pizza verbrannt, sondern ein Krümel, der sich im Ofen befunden hatte, und so saßen wir kurz darauf auf der Küchenbank. Mister Muh hatte sich zu uns gesellt, hielt aber auf einem Stuhl Abstand und beäugte sowohl Hamish als auch die Pizza.
»Dein Kater weiß nicht so genau, was er von mir halten soll«, sagte Hamish und nahm einen Schluck Wein.
»Du hältst mich davon ab, mit ihm zu kuscheln, das macht dich nicht zu seinem besten Freund«, erklärte ich.
»Verständlich. Ich würde es ihm auch übel nehmen, wenn er dich davon abhielte, mit mir zu kuscheln.«
Er zeigte auf das Notizbuch, das ich auf den Laptop gelegt hatte, um Platz auf dem Tisch zu schaffen.
»Worum geht es in deinem neuen Buch?«, wollte er wissen und nahm sich einen Champignon von meinem Teller.
»Zeitreisen. Und obwohl ich deine Finger und das, was sie mit mir anstellen, durchaus zu schätzen weiß, bist du gefährlich nah daran, sie zu verlieren, wenn du sie noch einmal in die Nähe meines Tellers bringst, MacGregor.«
Hamish verschluckte sich und hustete.
»Das kommt davon. Diebesbeute bleibt einem quer im Hals stecken!« Ich grinste.
»Rein rechtlich gesehen ist das alles meins, denn ich habe es mitgebracht«, erklärte er und nahm noch einen Schluck Wein.
»Jetzt nicht mehr.« Ich sah ihn provozierend an.
»Hm, ich denke, das diskutieren wir irgendwann nochmal aus«, entgegnete er. »Aber erst, wenn ich wieder zu Kräften gekommen bin. Du solltest dir also gut überlegen, wem du die Nahrung verweigerst!«
Ich lachte. »Das ist ein überlegenswertes Argument.«
»Wo hakt es denn bei den Zeitreisen?«, erkundigte er sich, nahm das letzte Stück Pizza in die Hand, biss zweimal und es war verschwunden.
Ich lehnte mich zurück und seufzte. »An allem. Es muss einen Grund für diese Reise geben und einen logischen, warum es funktionieren kann. Mir fällt nur keiner ein.« Ich hörte selbst, wie frustriert ich klang. »Aber ich will dich nicht langweilen.« Ich griff nach meinem Weinglas.
»Du langweilst mich nicht und vielleicht hilft es ja, wenn wir darüber sprechen.«
Ich lächelte. »Dafür bin ich gerade zu frustriert, aber wenn ich jemanden zum Brainstorming brauche, sage ich dir Bescheid. Versprochen. Nur nicht jetzt.« Ich legte die Arme um seinen Hals. »Ich denke, ich werde dich lieber küssen.«
»Ich stehe dir zur Verfügung, wann immer du mich brauchst. Und Küssen ist eine großartige Idee.«
»Finde ich auch«, bestätigte ich und küsste ihn.
»Küssen, wir sprachen von Küssen«, sagte Hamish kurz darauf atemlos und sah mich kopfschüttelnd an.
»Und genau das haben wir doch getan. Was kann ich dafür, dass meine Küsse solche Reaktionen bei dir hervorrufen?«, fragte ich mit unschuldigem Blick.
»Eine Menge! Aber da du mir vorhin die Nahrung verweigert hast und ich jetzt verschwinde, weil ich sonst morgen nicht mal ein einfaches Hallo zustande bekomme, geschweige denn eine Konversation, die aus mehreren zusammenhängenden Sätzen besteht, ignoriere ich deine Hand zwischen meinen Beinen heldenhaft.«
Ich grinste. »Einen Versuch war es wert, aber um ehrlich zu sein: Ich bin mir selbst nicht sicher, ob ich heute eine weitere Runde überlebt hätte.«
Hamish hauchte mir einen Kuss auf die Lippen und rutschte von der Bank. »Ich bringe lieber gleich einen Sicherheitsabstand zwischen uns.«
Ich sah ihm zu, wie er sein Hemd in die Hose stopfte und anschließend seine Socken anzog. Normalerweise waren solche Momente seltsam, aber mit Hamish nicht. Mit ihm war alles einfach und selbstverständlich. Lächelnd stand ich auf, trug das Pizzablech zur Spüle, schmiss die Reste der Pizza weg und spülte das Blech ab.
Hamish kam zu mir in die Küche. »Versprichst du mir, morgen in den Tea Room zu kommen, wenn du nicht weiterweißt?«
Mein Magen verkrampfte sich ein wenig, trotzdem nickte ich. »Sollte ich wieder feststecken, bist du der Erste, der es erfährt.«
Hamish lächelte. »Ich werde dich jetzt zum Abschied küssen«, erklärte er. »Also achte auf deine Hände!«
Ich hob die Arme und legte sie ihm um den Hals. »Siehst du, völlig ungefährlich.«
»Dich zu küssen ist nie völlig ungefährlich«, entgegnete er. Dann küsste er mich. Diesmal waren es seine Hände, die wanderten, und ich protestierte leise, als er sich von mir löste.
»Unfair«, murmelte ich.
»Gleiches Recht für alle.« Er sah mich augenzwinkernd an.
»Magst du thailändisch?«, erkundigte ich mich.
»Ehm ... «, machte er und ich brach in schallendes Gelächter aus.
»Essen«, erklärte ich immer noch lachend. »Ich spreche von Essen! Heute hast du für unser leibliches Wohl gesorgt, morgen bin ich dran.«
Hamish grinste. »Wann soll ich hier sein?«
»Ich denke, 19:00 Uhr gibt uns genügend Spielraum.« Ich griff nach dem Blech und folgte ihm in den Mudroom.
»Irgendwelche besonderen Spiele im Sinn?«, erkundigte er sich, zog seine Jacke an und schlüpfte in die Schuhe.
»Bis jetzt nicht, aber mir fällt bestimmt etwas ein.« Ich zog ihn zu mir und küsste ihn. »Ich habe eine blühende Fantasie und Sahne im Kühlschrank.«
Hamish holte tief Luft. »Du bist gefährlich. Aber da ich mir nicht sicher bin, ob wir das, was mir gerade durch den Kopf geht, auch beenden können, verschwinde ich jetzt lieber.« Er nahm das Blech entgegen, gab mir einen letzten Kuss, trat nach draußen und durchquerte den Vorgarten. Am Gartentor drehte er sich noch einmal um.
»Sahne«, sagte er kopfschüttelnd. »Die Bilder werde ich so schnell nicht los.«
Ich lachte auf. »Was kann ich für deine Fantasie? Ich hatte an heißen Kakao mit Sahnehaube gedacht.«
Hamish öffnete den Mund, um etwas zu erwidern, schloss ihn aber wieder, schnaubte und verschwand in der Dunkelheit.
Immer noch lachend schloss ich die Haustür und beugte mich zu Mister Muh, der mir in den Mudroom gefolgt war. Ich nahm ihn auf den Arm, ging mit ihm hinüber zum Kamin und setzte mich auf das Sofa gegenüber.
Die Kohle glühte noch und je länger ich in die Glut starrte, desto mehr hatte ich das Gefühl, als wäre diese lebendig und würde sich bewegen. Ich wandte den Blick ab und küsste den Kater aufs Köpfchen.
»Das mit Hamish ist anders als sonst, Kleinster«, murmelte ich. »Aber warum habe ich ihn dann gehen lassen? Wieso habe ich ihn nicht gefragt, ob er hier übernachten will?«
Der Kater schnurrte und kuschelte sich in meinen Arm.
»Das weißt du genauso wenig wie ich, nicht wahr?«
Ich streichelte Mister Muh eine Weile, dann setzte ich ihn auf seine Kuscheldecke und ging schlafen.