Читать книгу Highland Love - Jessie Coe - Страница 6

Оглавление

2019 • Muskelkater und Whisky

Was mich am nächsten Morgen weckte, waren keine Gedanken, sondern der Muskelkater. Nachdem Hamish gegangen war, hatte ich mich langsam die Treppen hinaufgequält, war nach einer Katzenwäsche ins Bett gefallen und hatte, dank einer Schmerztablette, zumindest ein paar Stunden lang geschlafen. Aber ewig hielt die Wirkung von einer Tablette auch nicht an. Stöhnend und ohne die Augen zu öffnen, suchte ich mir eine bequemere Position. Dabei fiel mir ein, wie ich vor Hamish gestanden und darauf gewartet hatte, dass er mich küsste. Ging es noch peinlicher? Ich schüttelte den Kopf über mich selbst. Was war nur mit mir los? Warum hatte ich nicht einfach ihn geküsst? Bei Hamish verhielt ich mich vollkommen anormal. Das musste ich ändern. Ab jetzt würde ich bewusst mit ihm flirten und klare Zeichen setzen. Es wäre doch gelacht, wenn ich ihn nicht bekäme. Nicht zu wissen, wie es war, ihn zu küssen und in seinen Armen zu liegen, machte mich verrückt. Ob das Kribbeln, das ich jedes Mal spürte, wenn er meine Hand nahm, sich dann auf den ganzen Körper übertragen würde? Es wurde Zeit, dass ich es herausfand. Voller Elan schlug ich die Decke zurück, schwang ein Bein aus dem Bett, zuckte zusammen und stöhnte. Aber nicht heute. Wie eine alte Frau durch die Gegend zu schleichen war eher ein Abturner als ein Anturner. Ich schnappte nach Luft. Das war es! Deshalb hatte er sich gestern so verhalten, es lag gar nicht an meinem traurigen Versuch, von ihm geküsste zu werden. Nun, Mr `ich rubbele dich mit deiner Decke warm´, Sie werden sich noch wundern. Ich kann auch anders. Ich kletterte langsam aus dem Bett, schlüpfte in meinen Bademantel und beschloss, den Tag im Pyjama zu verbringen.

Zwei Tage später war ich fast die Alte. Meine Beine waren zwar immer noch sauer auf mich, aber sie taten wieder, was ich wollte. Außerdem zickten die Protagonisten meines Manuskripts herum, standen mit verschränkten Armen da und weigerten sich, mit mir zu reden oder gar etwas zur Handlung des Buches beizutragen. Es wurde Zeit, das Cottage zu verlassen und die Inspiration an anderer Stelle zu suchen. Mrs Frasers Verschwörungstheorien kamen mir in den Sinn. Der Tea Room des Castle Hotels, das war es. Außerdem bestand die durchaus realistische Möglichkeit, dort Hamish in die Arme zu laufen. Mit äußerster Sorgfalt schminkte ich mich und verbrachte eine Menge Zeit mit der Auswahl meiner Kleidung. Bis jetzt hatte Hamish mich nur in Sportbekleidung gesehen. Es wurde Zeit, ihm zu zeigen, dass ich auch Röcke und Schuhe mit Absätzen besaß. Nach einem Blick in den Spiegel lächelte ich befriedigt. Ich hatte zwar keine Modelfigur, aber Rundungen an den richtigen Stellen und meine Taille war schlank genug, um den breiten Gürtel zur Geltung zu bringen. Mit den Schuhen in der Hand, denn ich wollte meine Beine nicht schon jetzt überstrapazieren, ging ich die Treppen hinunter in den Wohnraum. Mister Muh sah von der Couch auf, die er sich zum Schlummern ausgesucht hatte.

»Drück mir die Pfoten, Kleinster«, sagte ich, ging zu ihm und kraulte ihm das Köpfchen. »Ich weiß nicht, wann ich zurück bin, also mach keinen Unsinn.«

Beschwingt verließ ich das Haus. Heute war der Tag der Tage. Selbst das Wetter spielte mit. Es war sonnig und für schottische Verhältnisse richtig warm. Trotzdem begann sich das Farnkraut bereits zu verfärben, der Herbst war nah. Bald würde die Heide anfangen zu blühen und die Berge in ein lila Kleid hüllen. Ich stieg in meinen Wagen, drehte die Musik lauter und fuhr zum Castle Hotel. Je näher ich dem mit Zinnen und Erkern versehenen Gebäude aus dem 18. Jahrhundert kam, desto nervöser wurde ich. Was, wenn ich mich irrte, wenn ich mir nur einbildete, dass Hamish sich zu mir hingezogen fühlte? Und überhaupt. Ich führte mich auf wie ein Teenager, der seinen Schwarm stalket. Fast hätte ich angehalten und den Wagen gewendet.

»Quatsch!«, schimpfte ich mit mir selbst. »Du ziehst das jetzt durch. Wenn er heute nicht aus dem Quark kommt, dann war es das. Dann kann er alleine durch die Highlands hecheln!«

Mit erhobenem Kopf und rasendem Herzen betrat ich wenig später das Hotel, begrüßte den Hausdiener und ließ mich von ihm zum Tea Room begleiten. Dieser hatte, seit ich das letzte Mal dort gewesen war, eine faszinierende Wandlung erfahren. Vor knapp zwei Jahren, als sich herausgestellt hatte, dass die Renovierungsarbeiten in meinem Cottage etwas länger dauern würden, als geplant, hatte ich zwei Wochen im Castle Hotel gewohnt. Damals war der Tea Room dunkel getafelt gewesen, mit Gardinen in den Clansfarben der MacGregor und roten Plüschsesseln, passend für ein Castle, aber nicht für das 21. Jahrhundert. Als ich ihn jetzt betrat, blieb ich mit offenem Mund im Türrahmen stehen. Die dunkle Holztäfelung der Wände war im oberen Bereich verschwunden und bedeckte nur noch den unteren Teil bis zu einer Höhe von etwa eineinhalb Metern. Alles, Wände und Holz, war Petrolblau. Die Ornamente des Kamins direkt gegenüber dem Eingang waren schwarz gestrichen, darunter befand sich ein heller Marmorrahmen. Der Rest des Kamins, hatte die Farbe der Wand. Rechts und links von ihm standen Holzbänke mit dicken Kissen, die goldgelbe und orange Ornamente hatten, davor runde, dunkle Holztische und goldgelbgepolsterte Stühle und Sessel. Ein wunderschöner alter Teppich lag unter einer der Sitzgruppen. Zwischen dem Kamin und der linken Bank stand eine Stehlampe mit hellgelbem Schirm, auf der anderen Seite der Bank führte die alte Tür mit dem Sprossenfestereinsatz zwar immer noch in die Bar des Hotels, doch sie und soweit ich sehen konnte auch die Bar selbst, waren farblich angepasst worden.

An der Wand über den Bänken und über dem Kamin hingen unzählige, unterschiedlich große, dunkle, eckige Holzrahmen neben- und sogar stückweise übereinander. Sie zeigten Fotos aus allen Epochen des Hotels. Die alten Tartangardinen waren verschwunden, dafür hingen nun goldgelbe vor den Fenstern auf der rechten Seite des Raums. Runde und eckige Tischen waren davor und auch im restlichen Raum verteilt. Manche aus Holz, andere mit Tischplatten aus dem gleichen Marmor, der sich auch am Kamin befand. Viele der Sessel und Stühle im Raum hatten statt der goldgelben eine Polsterung in einem gedeckten Orange. Lampenschirme in Farben der Polster hingen von der Decke. Der Raum wirkte urgemütlich, aber nicht mehr antiquiert. Es war deutlich, dass ein frischer, moderner Wind ins Castle Hotel eingezogen war. Das Einzige, was sich nicht verändert hatte, war der alte, dunkle Holzfußboden. Er knarrte immer noch, als ich endlich in den Raum trat. Bis auf einen Tisch waren alle anderen belegt, da ich zur Zeit der Nachmittagtees gekommen war. Außerdem befanden wir uns in einer der besten Reisesaisons, doch zwischen den Touristen, die alle eine Etagere vor sich auf dem Tisch stehen hatten, sah ich auch viele Einheimische. Als ich auf den leeren Tisch zusteuerte, nickte mir der eine oder andere zu. Ich erwiderte die Grüße mit einem Lächeln und setzte mich in einen der bequemen, orangen Sessel.

Und was jetzt?

»Was darf ich Ihnen bringen?«, erkundigte sich eine dralle Kellnerin mit ausgeprägtem schottischen Akzent. »Vielleicht einen Creme Tea?«

Scones mit Clotted Creme und Marmelade. Eine der leckersten Süßigkeiten, abgesehen von Shortbreads. Ich war kurz davor, zuzustimmen, als mir einfiel, warum ich hergekommen war. Bestimmt nicht, um mich von Hamish dabei erwischen zu lassen, wie ich in ein mit Creme und Marmelade beschmiertes Teilchen biss.

»Nur Tee«, sagte ich stattdessen und seufzte innerlich.

Während ich auf den Tee wartete, betrat eine Frau den Raum, die ich näher kannte. Wir hatten uns in der winzigen Bücherei des Ortes getroffen, in der sie arbeitete, und waren uns sofort sympathisch gewesen. Als ich bemerkte, wie sie sich suchend umsah, winkte ich ihr zu.

»Mrs Smith, wenn Sie möchten, setzen Sie sich gerne zu mir.«

Sie durchquerte lächelnd den Raum. »Nennen Sie mich Mabel«, bat sie und setzte sich. Im Gegensatz zu mir bestellte sie den kompletten Creme Tea und eine große Kanne Tee mit zwei Tassen.

Als die Bedienung die Scones brachte, bedauerte ich meinen Entschluss.

»Sie sollten ein Scone probieren, Sophie, sie sind herrlich«, sagte Mabel.

Bevor ich antworten konnte, stampfte Mrs. Fraser in den Raum und direkt auf uns zu.

»Na, wie war die Wanderung?«, wollte sie wissen und setzte sich ungefragt an unseren Tisch. Mabel schenkte ihr wortlos eine Tasse Tee ein. »Komme ich rechtzeitig zur Show?«, erkundigte sich Mrs Fraser und Mabel nickte lächelnd.

Verwirrt sah ich die beiden an. Keinen Wimpernschlag später rauschte eine Frau in den Raum. Bekleidet mit einer unvorteilhaften Hose, einem hellrosa Pullover und einem Twinsetjäckchen, das auf ihren Schultern lag.

»Es freut mich zu sehen, dass unsere Scones so gut bei ihnen ankommen«, flötete sie, sah mich, stutzte und warf mir aus unerfindlichen Gründen einen finsteren Blick zu.

»Wer ist das denn?«, erkundigte ich mich bei Mrs Fraser.

»Ihre Konkurrenz«, erwiderte sie trocken.

»Wieso?«, fragte ich verwirrt. »Schreibt sie auch Bücher?«

Mrs Fraser sah mich an, als wäre ich minderbemittelt und ich verstand.

»Ach so.« Ich schüttelte den Kopf. »So ist das nicht, zwischen Hamish und mir«, beeilte ich mich zu sagen. Auf keinem Fall wollte ich zum Klatschobjekt des Dorfes werden.

Mrs Fraser betrachtete mich skeptisch. »Sind Sie sicher? So wie er Sie angesehen hat?« Sie nahm einen Schluck Tee. »Hazel scheint Sie auf jeden Fall für eine Rivalin zu halten. Seit Sie mit Hamish wandern waren, gibt sie ganz schön Gas. Sie hat inzwischen sogar herausgefunden, wozu die Kosmetikindustrie den Lippenstift gedacht hat. Gestern waren ihre Lippen doch tatsächlich pink«, fügte sie bösartig hinzu und beschmierte ein Scone dick mit Creme und Marmelade.

»Sie war gestern schon hier?«, erkundigte ich mich unangenehm berührt.

In Mrs Frasers Augen glitzerte es wissend. »Sie ist täglich hier. Immer zur gleichen Zeit. Ihrem Vater gehört die größte Bäckerei im Umkreis und sie lässt es sich nicht nehmen, die Richtigkeit der Lieferungen ans Castle Hotel persönlich zu überprüfen und an der Verbesserung der Zusammenarbeit zu arbeiten.« Sie schnaubte belustigt. »Warten Sie, gleich sehen Sie, was ich meine.«

Mein Blick wanderte zu Hazel, die gerade auf die Bedienung einredete. Diese nickte ergeben und kehrte kurz darauf in Hamishs Begleitung zurück, der in seiner hellgrauen Anzughose und dem enganliegenden, weißen Oberhemd verboten gut aussah. Mein Herz fing an, wie wild zu klopfen und für einen kurzen Augenblick, hatte ich das Gefühl, als würden tatsächlich Schmetterlinge in meinem Magen herumflattern, aber das war natürlich albern. Ich hatte Hunger, das war alles. Ich hätte mir doch ein Scone nehmen sollen. Hamish sah sich flüchtig um und wollte sich gerade Hazel zuwenden, als sein Blick an mir hängen blieb. Ein Lächeln glitt über sein Gesicht und er nickte mir zu. So unberührt wie möglich hob ich die Hand und winkte kurz.

»Jetzt geht’s los«, sagte Mrs Fraser, verschränkte die Arme und lehnte sich bequem zurück.

»Hamish, Darling«, zwitscherte Hazel mit hoher Stimme und legte die Hände auf seine Arme.

Mit offenem Mund beobachtete ich, wie sie ihm affektiert zwei Küsschen auf die Wangen hauchte. Zu meiner Genugtuung schien Hamish sich unwohl in seiner Haut zu fühlen. Ich grinste und er warf mir einen vernichtenden Blick zu.

»Auf dem Weg hierher sind mir ein paar einfach fantastische Frühstücksideen eingefallen«, fuhr Hazel fort.

»Gestern waren es welche für den Creme Tea«, sagte Mrs Fraser laut und ich hustete.

Hazel warf erst ihr und dann mir einen eisigen Blick zu und hängte sich bei Hamish ein. »Wollen wir sie kurz bei dir im Büro besprechen?«

»Natürlich«, sagte er freundlich. »Ich möchte nur gerne vorher jemanden begrüßen.« Er löste sich von ihr und kam auf mich zu. Sofort schlug mein Herz wieder schneller.

»Sophie, meine Damen«, sagte er, sobald er unseren Tisch erreicht hatte, und nickte Mrs Smith und Mrs Fraser zu. Dann wandte er sich an mich und nahm meine Hand. Sofort war das Kribbeln wieder da. »Ich freue mich, dass du es in den Tea Room geschafft hast. Was macht der Muskelkater?«

»Der wäre mir, wenn überhaupt, an anderen Stellen lieber gewesen«, lag mir auf der Zunge, aber da die beiden Mrs’s am Tisch saßen, konnte ich leider nicht so antworten, wie ich wollte. »Meine Treppenstufen und ich haben uns wieder lieb«, sagte ich stattdessen. »Allerdings würden meine Beine gerne wissen, was du für den nächsten Mittwoch planst.«

Hamish grinste, drückte kurz meine Hand und ließ sie dann los. Sofort hatte ich das Gefühl, einen wichtigen Körperteil verloren zu haben.

»Bleibst du noch ein Weilchen?« Hamish sah mir in die Augen und ich vergaß kurzfristig zu atmen. Wortlos nickte ich.

»Wenn du magst, lade ich dich nachher auf einen Drink ein, die Bar öffnet in einer Stunde.«

Zu gerne hätte ich jetzt Hazels Gesicht gesehen, doch Hamish versperrte mir die Sicht, aber zumindest hatte ich meine Stimme und Denkfähigkeit wiedergefunden.

»Alkohol am frühen Nachmittag. Ist das der Versuch zu beenden, was der Muskelkater nicht geschafft hat? Mich von den Füßen zu hauen?« Ich bedachte ihn mit einem strahlenden Lächeln.

»Man tut, was man kann«, erwiderte er lachend. »Also, was ist mit dem Drink?«

»Gerne.«

»Dann bin ich gleich wieder bei dir.« Er verabschiedete sich von den Mrs’s und ging hinüber zu Hazel, die mich giftig ansah und sich bei ihm unterhakte.

»Egal, was Sie behaupten, Sie sind Konkurrenz«, stellte Mrs Fraser klar und ich lächelte erfreut.

In der Zeit, die ich auf Hamish wartete, ließ ich mich doch zu einem Scone überreden und lauschte, während ich den himmlischen Geschmack von Clotted Creme und selbstgemachter Himbeermarmeladen genoss, den neusten Verschwörungstheorien von Mrs Fraser. Ich selbst hatte das Projekt Clotted Creme nur einmal in Angriff genommen und dann nie wieder. Man musste Schlagsahne mit einem Fettgehalt von 35% aufwärts in eine Auflaufform gießen, so dass der Boden mindestens zwei Zentimeter bedeckt war und das Ganze dann bei 80º Grad zwölf Stunden lang im vorgeheizten Backofen lassen. Danach wurde alles bei Zimmertemperatur abgekühlt und kam abgedeckt für nochmal zwölf Stunden in den Kühlschrank. Für Menschen ohne Geduld, wie mich, nichts, was man wiederholen wollte. Seitdem kaufte ich die Creme fertig aus dem Kühlregal.

Als Hamish kam, um mich abzuholen, hatte ich das beruhigende Gefühl, jeglichen Alkohol locker wegstecken zu können.

»Meine Damen, ich werde Ihnen Sophie jetzt entführen«, sagte er charmant und reichte mir die Hand, um mir aufzuhelfen. »Die Rechnung geht selbstverständlich auf mich.« Er gab der Bedienung ein Zeichen und diese nickte.

Hamish ließ mich vorgehen und legte mir leicht die Hand auf den Rücken. Die Stelle begann sofort zu kribbeln. Als hätte er es ebenfalls bemerkt, zog er die Hand zurück.

»Rock und Highheels stehen dir«, sagte er leise. »Aber in Sportsachen gefällst du mir auch.«

Bingo. Das fing doch super an. »Danke.« Ich schenkte ihm ein Lächeln und verkniff mir ein: »Du solltest mal sehen, was ich darunter trage.«

In der Bar, die jetzt wirklich in dem gleichen Stil des Tea Rooms gehalten war, steuerte Hamish den Tresen an und wir setzten uns auf die Hocker, die sich als erstaunlich bequem herausstellten. Der Barkeeper war sofort bei uns.

»Was möchtest du trinken? Einen Whisky?«, erkundigte sich Hamish.

Ich nickte. »Ich bin zwar keine Expertin, aber die der Destillerie Edradour schmecken mir«, sagte ich. »Wobei ihr die wahrscheinlich nicht habt, von wegen kleinste Destillerie Schottlands und so.«

»Also bitte.« Er zog die Augenbraue hoch. »Das hier ist das Castle Hotel. Selbstverständlich haben wir Whiskysorten dieser Destillerie. Die Dame nimmt einen Edradour Fairy Flag«, wandte er sich an den Barkeeper.

Mist, den kannte ich nicht. Ich hatte bisher nur den Zehnjährigen probiert.

»Mit Eis?«, erkundigte er sich bei mir.

»Himmel, nein. Pur!«

Hamish lächelte. »Ich nehme das Gleiche und bringen Sie uns bitte auch Mineralwasser dazu.«

Ich schlug die Beine übereinander, was meinen Rock ein Stück nach oben rutschen ließ, doch Hamish schien es nicht zu bemerken. »Was ihr aus dem Tea Room und der Bar gemacht habt, gefällt mir ausnehmend gut«, ließ ich ihn wissen.

»Das freut mich, ich werde es der Innenarchitektin ausrichten, wenn sie zurückkommt, denn im Frühjahr sind der Speiseraum und dann, hoffentlich, das Foyer an der Reihe.« Er reichte mir lächelnd eins der Whiskygläser, die der Barkeeper gerade gebracht hatte.

»Danke.« Ich nippte daran. Hm, lecker. »Warum wird das Foyer nur `hoffentlich´ renoviert?«, erkundigte ich mich dann und warf einen unauffälligen Blick auf seinen Oberkörper, der in dem schlichten Herrenhemd wesentlich besser zur Geltung kam, als in dem weitgeschnittenen, das er zu dem Kilt getragen hatte.

Hamish zog sein Glas zu sich hinüber, schwenkte es einmal und nahm einen Schluck. »Lass es mich so sagen: meine Mutter und ich haben einen etwas anderen Geschmack.«

»Ihr gefällt das neue Design des Tea Rooms nicht?«, fragte ich verblüfft und trank einen weiteren Schluck. Er rann mir die Kehle hinunter und wärmte meinen Magen.

Hamish schob ein Glas mit Mineralwasser zu mir. »Du musst noch fahren«, erinnerte er mich. »Doch, das Design gefällt ihr ausnehmend gut und auch das für den Speiseraum, aber beim Foyer teilen sich unsere Meinungen. Wie kommt es, dass du hier bist?«, wechselte er das Thema.

»Meine Protas haben gestreikt«, erklärte ich seufzend, trank brav ein paar Schlucke Wasser und fügte nach einem Blick auf seinen verwirrten Gesichtsausdruck hinzu: »Gähnende Leere im Hirn. Während ich frustriert auf den Bildschirm gestarrt habe, ist mir eingefallen, was du über Mrs Fraser und ihre Verschwörungstheorien gesagt hattest, und ich habe beschlossen, es zu versuchen.«

Hamish grinste. »Und, hat es was gebracht?«

»Allerdings! Sobald ich zuhause bin, setze ich mich sofort wieder vor den Computer.«

»Dann weißt du ja jetzt, wo du Inspiration findest, solltest du welche benötigen«, stellte er fest.

Ich nickte. »Was machst du eigentlich, wenn du nicht hier im Hotel bist?«, erkundigte ich mich.

»Momentan bin ich hier.« Sein Gesicht verschloss sich, doch damit kam er diesmal nicht durch. Heute würde er mir etwas über sich erzählen.

»Das ist mir klar.« Ich verdrehte die Augen. »Ich meine in Edinburgh. Hast du Gebäude entworfen, die ich kennen sollte?«

Er schüttelte den Kopf. »Wir sind keine Prestigeagentur. Wir haben ein paar Wohnhäuser entworfen und gebaut und den Umbau eines Einkaufscenters in Inverness unterstützt. Unser letztes Projekt hat uns zwar ein wenig mehr in den Fokus der Aufmerksamkeit gerückt, weil wir eine Gemeindehalle für eine Kleinstadt entworfen und die Bauarbeiten überwacht haben, aber dann starb mein Vater und es blieb keine Zeit, an den Erfolg anzuknüpfen.«

»Wir?«, erkundigte ich mich und nahm noch einen Schluck Whisky.

»Meine Geschäftspartnerin und ich«, erklärte er.

»Geschäftspartnerin, aha.«

»Genau«, bemerkte er mit einem halben Lächeln. »Seit ein paar Monaten ist `Geschäfts´ ein fester Bestandteil des Wortes.«

»Vermisst du sie?«, erkundigte ich mich. »Die Architektur«, fügte ich hinzu, als ich sah, wie sich sein Gesicht erneut verschloss.

Er zögerte einen Moment. »Sehr. Doch jetzt genug von mir. Wie sieht es bei dir aus? Was hast du gemacht, bevor du nach Schottland gekommen bist?«

»Ich hatte einen stinknormalen Bürojob und in der Freizeit habe ich geschrieben«, sagte ich. »Irgendwann ist eins meiner Bücher ein Bestseller geworden und wurde in mehrere Sprachen übersetzt. Da habe ich beschlossen, meinen Traum, in Schottland zu leben und zu schreiben, wahr werden zu lassen.«

»Und es gab niemanden, dem es nicht gefiel, dass du Deutschland verlassen hast?«

Ich dachte kurz an Marc und mein Herz krampfte sich zusammen. Verdammt, mit der Geschichte sollte ich wirklich längst durch sein. Nein, er hatte nichts dagegen gehabt, dass ich nach Schottland gegangen war. Er war damals schon seit einigen Jahren mit der Frau verheiratet gewesen, mit der er mich, während unserer Beziehung, betrogen hatte.

Ich spürte Hamishs Blick auf mir ruhen und schüttelte den Kopf. »Nein, obwohl viele meiner Freunde nicht verstanden haben, dass ich ausgerechnet in das Land mit dem gefühlt schlechtesten Wetter Europas ziehen wollte. Sie wissen nicht, dass Schottland magisch ist, können die Energie, die Inspiration, die ich hier verspüre, nicht nachfühlen.«

Ich zuckte mit den Schultern und sah ihn an. Seine blauen Augen blickten interessiert. Er schien wirklich wissen zu wollen, was ich dachte. Ich wollte nach meinem Glas greifen, doch mein Blick blieb an seiner linken Hand hängen. Sie lag auf dem Tresen und so nah an meiner rechten, dass sich unsere Fingerspitzen fast berührten. Er hatte schöne Hände. Hände, von denen man sich berühren lassen wollte.

»Du musterst schon wieder«, sagte er neckend.

»Du hast schöne Hände.« Ich wurde rot und nahm einen großen Schluck Wasser.

Er schnaubte.

»Verrätst du mir jetzt, was du für Mittwoch planst?«, wechselte ich das Thema und sah ihn an.

Seine Augen funkelten und er grinste. »Nope. Lass dich überraschen.«

»Wird mir wohl nichts anderes übrig bleiben. Aber an eins solltest du denken: Falls du mich am Mittwoch nicht nach Hause tragen möchtest, dann sollte die Strecke nicht zu anstrengend sein, denn mein Muskelkater ist noch nicht ganz weg.«

Hamish sah mich nachdenklich an. »Obwohl die Vorstellung, dich zu tragen, unter gewissen Voraussetzungen durchaus etwas hat, werde ich deinen Einwand berücksichtigen.«

»Was warst du noch mal, Anwalt?«, erkundigte ich mich, verdrehte die Augen, und versuchte mein wild schlagendes Herz zu ignorieren. Ob ihm wohl die gleichen Voraussetzungen durch den Kopf gingen wie mir gerade?

»Wenn es nach meinen Eltern gegangen wäre.« Er trank sein Glas mit einem Zug leer.

»Ist es aber nicht«, stellte ich fest und tat es ihm gleich. Sofort explodierte Wärme in meinem Magen und ich atmete unauffällig aus.

»Nein.« Er schob mir das Wasserglas zu und sah auf die Uhr. »Es tut mir wirklich leid, aber ich muss noch arbeiten.«

Ich trank einen großen Schluck Wasser. Was war jetzt wieder geschehen?

»Kein Problem. Meine Protagonisten scharren bereits mit den Füßen«, sagte ich und erhob mich lächelnd.

Er erwiderte das Lächeln und unterzeichnete die Rechnung. »Komm, ich begleite dich noch zum Wagen.«

Wir verließen gemeinsam das Hotel, dicht an dicht, jedoch ohne uns zu berühren. Ich war mir sicher, dass zwischen unseren Armen Funken hin- und herflogen, wagte aber nicht, mich zu vergewissern.

»Kannst du wirklich fahren?«, erkundigte er sich, als wir mein Auto erreicht hatten, und musterte mich besorgt.

Ich lachte auf. »Nach einem Glas Whisky und den Unmengen an Wasser, die du mir aufgenötigt hast, wird mein einziges Problem sein, rechtzeitig zu meiner Toilette zu gelangen.«

Er lächelte und neigte langsam den Kopf. Mein Herz fing an zu flattern. Jetzt war es soweit, er würde mich küssen. Endlich. In diesem Augenblick klingelte sein Handy und der Moment war zerstört. Er zog es aus der Hosentasche, warf einen Blick auf das Display und sah mich bedauernd an. »Fahr vorsichtig. Wir sehen uns am Mittwoch?«

Als ich nickte, nahm er den Anruf entgegen und ließ mich stehen.

Wie eine Idiotin sah ich ihm nach und fragte mich, warum zum Teufel ich eben genickt hatte.

Highland Love

Подняться наверх