Читать книгу Highland Love - Jessie Coe - Страница 7
Оглавление2435 • Auf der Erde – Testlauf
Oberst Tammes Duncan stand mit verschränkten Armen am Fenster der Kommandozentrale, in der gleich die erste Einsatzbesprechung mit dem neuen Oberbefehlshaber der Auswanderungsmission stattfinden würde. Hinter ihm, auf einem Tisch aus recyceltem Plastik, lagen Tablets und Wasserkapseln, acht Stühle standen an den Längsseiten. Vor Kopf befand sich nur einer, der Platz des zukünftigen Staatsoberhaupts. Bisher war nicht bekannt, wer es werden würde, die Wahl lief noch, alles war offen. Eine der Deckenleuchten flackerte. Die Stromversorgung war schlecht, wie überall auf der Erde.
»Hoffentlich reichen die Reserven, bis wir mit allem durch sind«, dachte er, während er die enormen Arme aus Metall beobachtete, die im Hangar vor ihm Kisten in die Gleiter luden. Schwere Arbeiten wurden seit Langem nur noch von Maschinen ausgeführt. Lebende Wesen verbrauchten zu viel Sauerstoff und der war rar und teuer. Deshalb wurde er von der Weltregierung zugeteilt. Jedem stand nur eine festgelegte, monatlich zugeleitete Menge zur Verfügung. Manchmal reichte sie kaum zum Überleben. Die Einsatzbesprechungen, auf die er wartete, war deshalb eine absolute Ausnahme. Man hatte sie nur genehmigt, damit sich die Führungsspitze des Auswanderungsstabs vor dem Beginn der Mission persönlich kennenlernte. Er warf einen Blick auf seine Uhr und fragte sich, was so lange dauerte. Die Besprechung hätte bereits vor Minuten beginnen sollen. Frustriert atmete er ein und das Gerät an seinem Gürtel piepste warnend. Erst wenn alle da waren, würde atembare Luft in den Raum geleitet werden. Bis dahin atmete er aus der Dose und das bereits länger als geplant.
»Bald,« beruhigte er sich selbst. Es dauerte nicht mehr lange und er würde diesen zerstörten Planeten verlassen, der durch den ständig fallenden, schleimigen und stinkenden Regen nur eine Farbe hatte: Grau. Grau, so weit das Auge reichte, egal, auf welchem Teil der Erde man sich befand.
»Bald«, dachte er erneut. Der Moment, frische Luft zu atmen, die Sonne und die Natur wiederzusehen, stand kurz bevor, denn ein Teil von ihnen würde eine zweite Chance bekommen, die Möglichkeit, es diesmal richtig zu machen. Und wenn es so weit war, würde er sie wiedersehen und zu sich holen. Der Moment, auf den er sein ganzes Leben lang hingearbeitet hatte, war fast da. Sein Herzschlag und seine Atmung beschleunigten sich. Wieder piepste das Gerät, diesmal, zumindest kam es ihm so vor, warnender. Obwohl ihm aufgrund seiner Stellung mehr Sauerstoff zustand als anderen, war er dennoch rationiert und mit jeder Minute, die er hier rumstand und wartete, wurde er weniger. Er schloss die Augen, um sich zu beruhigen, und dachte an die Aufgaben, die es vor der Abreise zu bewältigen galt. In seinem Headset knackte es.
»Weißt du es schon?«
Er sah auf den Bildschirm an seinem Handgelenk. Dr. Magaret Mitchell, ein weiteres Mitglied des Auswanderungsstabs, winkte ihm zu. Sie würde nicht am Meeting teilnehmen, sondern im städtischen Ärztezentrum das Verpacken und Verladen der medizinischen Einrichtungen überwachen.
Er schüttelte den Kopf. »Wer ist es geworden?«
»Man hat den Oberbefehl für die Mission einer Frau übertragen. General Chiyo Black«, informierte sie ihn. »Kennst du sie?«
Tammes starrte sie an.
Chiyo.
Dunkle Augen und ein voller Mund, der zum Küssen einlud, erschienen vor seinem geistigen Auge. Ihre Geschichte war lange her, trotzdem setzte sein Herz für einen Schlag aus, als er an sie dachte. Chiyo. Sie kannte ihn gut. Zu gut. Sie wusste mehr über ihn als die meisten Menschen, aber sie hatten sich getrennt, bevor es ihm gelungen war, die Zeituhren zum Laufen zu bringen. Sie hatte keine Ahnung, dass sie funktionierten, und durfte es auch nicht herausfinden. Zumindest nicht, bevor er getan hatte, was er tun musste. Er zuckte zusammen. Dr. Mitchell hatte etwas gesagt.
»Was?«, fragte er.
Sie lachte. »Ich wollte wissen, ob du nervös bist. Schließlich hast du sie seit Jahrhunderten nicht gesehen und bald ist es so weit.«
Er wusste, dass sie nicht Chiyo meinte, trotzdem fühlte er sich ertappt.
»Ziemlich«, sagte er lächelnd. »Und ja, ich kenne General Black.«
»Ist sie gut?«
Er nickte. »Die Beste, genau die Richtige für diese Mission und hart wie ein Diamant.«
»Was bedeutet das für unseren Plan?«
Er zuckte mit den Schultern. »Wir werden es herausfinden.«
Tammes warf sich auf sein Bett und versuchte zum wiederholten Male, das Treffen mit Chiyo aus seinen Gedanken zu löschen. Doch Peinlichkeiten waren hartnäckig. Er hatte sich wie ein kompletter Idiot benommen und sie sich wie das Staatsoberhaupt, das sie in Kürze sein würde.
Wie ein liebeskranker Schuljunge hatte er nach dem Gespräch mit Magaret Mitchell darauf gewartet, dass Chiyo durch die Tür des Besprechungszimmers trat. In seiner Vorstellung hatte sie offen ihre Freude darüber gezeigt, ihn wiederzusehen. Doch Wunsch und Realität waren, wie so oft im Leben, zwei Paar Schuhe.
»Oberst Duncan«, war alles, was sie gesagt hatte. Ein Nicken in seine Richtung und dann war sie zur Tagesordnung übergegangen. Sicherheitsmaßnahmen, Versorgungspläne und die Siedlerauswahl, all das war an ihm vorbeigerauscht. Er hatte sie unauffällig beobachtet, nach Veränderungen gesucht, die zumindest äußerlich nicht vorhanden waren, und dabei fast die Frage verpasst, die sie ihm stellte.
»Crash Kurs im Lächerlichmachen absolviert und bestanden«, dachte er, schob die Gedanken energisch beiseite und konzentrierte sich auf die Aufgabe, die vor ihm lag.
Inzwischen waren zwei Wochen vergangen und die Bewerbungsseiten im Auswanderportal online. Während der ersten Tage hatten sich so viele Menschen angemeldet, dass die Anzahl der Auswanderungswilligen die der verfügbaren Plätze um ein Vielfaches überstieg. Trotzdem hatte die Regierung wie geplant bekanntgegeben, die Anmeldefrist zu verlängern. Sie brauchten Zeit, um alles zu organisieren, und durften erst im letzten Moment publik machen, wie viele Plätze wirklich zur Verfügung standen. Diese Information galt es so lange wie möglich zu verheimlichen, um eine Revolution zu verhindern. Es fehlten nur noch wenige Wochen, aber sie brauchten jede Sekunde davon. Er brauchte jede Sekunde davon. Die Zeit, die sich sein Leben lang gedehnt und gezogen hatte, wie ein Kaugummi, schien jetzt zwischen seinen Fingern zu zerrinnen. Die Abreise rückte immer näher und der Moment, die Uhr zu testen, war gekommen.
Mit trockenem Mund stand er auf, fuhr sich durch die militärisch kurzgeschnittenen, dunklen Locken, ging zum Safe, nahm die Uhr heraus und legte sie um. Alles hing davon ab, dass sie korrekt funktionierte. Falls nicht, würde er sterben. Er steckte den Computer in die Brusttasche seines Overalls, spürte, wie ihm das Adrenalin durch den Körper schoss, und drückte mit rasendem Herzen auf den Knopf, der bei jeder anderen Uhr zum Einstellen der Zeit gedient hätte. In gewisser Weise tat er es auch bei dieser. Bevor er wusste, wie ihm geschah, riss ihn ein enormer Sog nach hinten, obwohl er dastand, wie angenagelt. Die Welt raste an ihm vorbei, doch er selbst war unfähig, sich zu bewegen. Er hoffte, dass das normal war, denn nun war es zu spät, um noch etwas zu ändern. Als es um ihn herum gleißend hell wurde, schossen ihm die Tränen in die Augen und er schloss sie automatisch. Zumindest das war möglich. Weiter und weiter riss ihn der Sog und ihm wurde schlecht. Gerade als er überlegte, was wohl mit seinem Mageninhalt geschah, wenn er diesen während einer Zeitreise von sich gab, hörte der Höllentrip auf und er stand still.
Vorsichtig öffnete er die Augen, die immer noch tränten, und schnappte überwältigt nach Luft. Er hatte es geschafft. Er blinzelte die Tränen weg, wischte sich über das Gesicht und presste die Hand auf den Bauch. Die Reisegeschwindigkeit würde er verlangsamen müssen, denn der Sog war eindeutig zu stark. Während sein Magen rumorte, sah er sich um. Das Wetter war unerwartet gut. Die Sonne schien und es war warm. Die schottischen Highlands hoben sich gestochen scharf vom blauen Himmel ab und das leuchtende Grün des Grases tat ihm fast in den Augen weh. Bewegt registrierte er die Schönheit der Natur. Himmel, wie er sie vermisst hatte. Die roten Beeren der Vogelbeerbäume stachen aus dem unendlichen Grün ebenso hervor wie das Pink der weit verbreiteten Rhododendronbüsche. Aus der Ferne erklang das Blöken von Schafen. Die Luft war frisch und schmeckte nicht künstlich auf der Zunge. Er nahm ein paar tiefe Züge und grinste, als er den Geruch erkannte. Schafmist. Er war zuhause. Als er sicher war, dass sein Magen mitspielte, machte er sich auf den Weg zu dem Dorf, das sein eigentliches Ziel war.
Sobald er die ersten Häuser in der Ferne sah, trat er hinter einen Busch, holte den Computer aus der Brusttasche und schaltete ihn ein. Es dauerte nicht lange, bis dieser ein WIFI ortete, in das er sich hackte. Tammes öffnete einen Link im Internet und tippte den vorbereiteten Text ein. Zwei weitere Links und Texte folgten. Dann schaltete er den Computer aus und steckte ihn zurück in die Brusttasche. Unschlüssig sah er sich um. Es schien ihm unmöglich, sofort wieder dorthin zurückzukehren, wo er hergekommen war. Ein kurzer Ausflug ins Dorf musste einfach drin sein. Nur einmal sehen, was er so lange vermisst hatte. Fast wäre er der Versuchung erlegen, doch am Ende siegte die Vernunft. Das Aufschieben seiner Rückkehr hatte nur ein mögliches Ziel. Für immer hierzubleiben. Und genau das würde er am Ende tun, dessen war er sich bewusst. Aber Bleiben bedeutete sterben. Nicht sofort, aber bald. Er sah sich um. Für das Privileg hierbleiben zu dürfen, hätte er seinen baldigen Tod mit Freude hingenommen, nicht aber den der unzähligen Menschen, die dadurch ebenfalls das Leben verlieren würden. Seufzend machte er sich auf den Rückweg zur Ankunftsstelle. Als er sie erreicht hatte, warf er einen letzten Blick auf die Highlands, entschuldigte sich im Vorfeld bei seinem Magen, änderte die Koordinaten und drückte auf den Knopf.
Die Rückreise war nicht so schlimm wie der Hinweg. Vielleicht, weil er nun wusste, was ihn erwartete. In seiner Wohnung ließ er sich auf das Bett sinken, steckte den Kopf zwischen die Beine und atmete ein paar Mal tief durch. Das Piepen des Sauerstoffkontrollalarms ignorierte er dabei geflissentlich. Gerade als er die Uhr wieder im Safe verstaut und diesen geschlossen hatte, klingelte es. Er zuckte zusammen. Hatte er etwas übersehen? Waren Zeitreisen aufspürbar? Es gab keine Berichte darüber, was aber nicht bedeuten musste, dass es nicht möglich war. Angespannt setzte er die Atemklemme in die Nase, ging zur mechanischen Tür des Zwischenraums, der verhinderte, dass der Sauerstoff aus der Wohnung entwich, wenn man die Wohnungstür öffnete, und trat ein. Er wartete, bis die Zwischentür sich hinter ihm geschlossen hatte und machte die Wohnungstür auf.
Es war Chiyo.
»Du musst damit aufhören, und zwar sofort«, sagte sie.