Читать книгу Highland Love - Jessie Coe - Страница 8
Оглавление2435 • Auf der Erde – Die Distel
Tammes warf einen Blick ins Treppenhaus. Chiyo war alleine. Ihr Schutzanzug hing neben der Desinfektionskabine des Stockwerks. Er musterte sie, wie er hoffte, unauffällig und sein Puls beschleunigte sich. Sie hatte den Militäroverall gegen einen hellroten ausgetauscht, der ihren wohlgeformten Körper betonte und den Glanz ihrer schwarzen Haare hervorhob. Mit trockenem Mund machte er ihr Platz, ließ sie eintreten und fragte sich, ob sie ihr Outfit bewusst gewählt hatte, um ihn anzumachen oder ob ihr nicht klar war, wie sie immer noch auf ihn wirkte. Sobald er die Haustür geschlossen hatte, öffnete sich die Zwischentür und sie traten in den Wohnraum. Es würde etwa dreißig Sekunden dauern, bis der Sauerstoffgehalt in der Wohnung ausgeglichen war und er die Atemklemme abnehmen konnte. Chiyo hingegen würde weiter ihr Atemgerät benutzen müssen. Sie war unangemeldet aufgetaucht, deshalb stand kein zusätzlicher Sauerstoff zur Verfügung. Er beobachtete, wie sie in die Wohnung trat. Ihre Bewegungen erinnerten ihn wie immer an die einer Raubkatze. Auch daran hatte sich nichts geändert. Ein paar Schritte hinter der Tür blieb Chiyo stehen. Beinahe beiläufig sah sie sich um und blickte ihn dann direkt an.
»Tam, was soll das?«
»Was genau meinst du?«, erkundigte er sich mit unbeweglicher Miene. Seine Gedanken rasten, vergessen war ihr Aussehen. Wenn sie herausgefunden hatte, dass er durch die Zeit gereist war, gab es nur einen einzigen Weg, um zu verhindern, dass sie ihn auslieferte. Aber war er bereit, ihn zu gehen? War er fähig, sie zu töten?
»Das weißt du«, erwiderte sie kalt. Unbeweglich stand sie da, die Autorität ausstrahlend, die ihrem Rang innewohnte.
Tammes verschränkte die Arme. Dies hier war sein Zuhause und er würde den Teufel tun und sich von ihr in seinen eigenen vier Wänden einschüchtern lassen. Als Chiyo schwieg, trat er einen Schritt näher an den Schrank, in dem er die Waffen aufbewahrte, und sah sie abwartend an.
»Verdammt«, sagte sie wütend. »Ich brauche den fähigen Militär, den ich in Erinnerung habe, nicht den Schuljungen mit dem Hundeblick, der nach meiner Ernennung im Besprechungsraum saß und der mich auch jetzt jedes Mal anhimmelt, wenn er sich unbeobachtet fühlt. Kriegst du das hin oder muss ich dich austauschen?«
Ihm fiel ein Stein vom Herzen, gleichzeitig wurde er wütend. Auf sich und auf sie. Darum ging es also. Und sie hatte die Stirn, hier in diesem Outfit aufzutauchen, nur um ihm mitzuteilen, dass das, was er sah, für ihn unerreichbar war.
Er nickte. »Kein Problem.«
Sie musterte ihn einen Augenblick nachdenklich, dann nickte sie ebenfalls. »In Ordnung. Ich zähle auf Sie, Oberst.«
»Gibt es sonst noch etwas?« Er ging demonstrativ hinüber zur Zwischentür.
Chiyo schüttelte den Kopf. »Ich sehe Sie morgen beim virtuellen Meeting, Duncan.«
Erst als sich die Wohnungstür hinter ihr geschlossen hatte, ließ er der Wut freien Lauf und hieb mit aller Kraft gegen die Wand, aber der Schmerz brachte keine Erleichterung. Dieses Miststück! Ihn auszutauschen kam seinem Todesurteil gleich und das wusste sie. Er betrachtete seine Hand und meinte die Nanos, die darin gegen die entstehende Schwellung anarbeiteten, fast spüren zu können. Die Frage, ob er in der Lage wäre, das Nötige zu tun, um seine private Mission zu retten, hatte sich wohl beantwortet.
»Was du kannst, kann ich schon lange«, murmelte er, war sich aber nicht sicher, ob es stimmte. Im Gegensatz zu ihm hatte sie sich durch seine Anwesenheit nicht aus dem Takt bringen lassen. Er schüttelte die Hand, die bereits weniger schmerzte. Eine halbe Stunde noch und alles würde sein, als hätte er den Schlag nie ausgeführt. Von nun an musste er sich zusammenreißen. So kurz vor dem Ziel durfte er nicht scheitern.
Er zog den Taschencomputer aus der Brusttasche des Overalls und bückte sich, um die Schuhe aufzuschnüren. Auf halbem Wege erstarrte er. Knapp über dem Saum seines linken Hosenbeins klebte eine Distel. Ein eisiger Schauer kroch ihm über den Körper. Hatte Chiyo sie bemerkt und wenn ja, was würde sie tun? Auf Zeitreisen stand die Todesstrafe und es gab keine andere Erklärung dafür, wie eine schottische Distel an sein Hosenbein gelangt sein konnte, denn auf der Erde wuchs seit einem knappen Jahrhundert nichts mehr. Die einzigen Orte, an denen noch Vegetation existierte, die nicht nur für einen Teil der organischen Nahrung sorgte, sondern auch den wenigen Sauerstoff produzierte, den es noch gab, waren staatliche Gewächshäuser. Zu diesen hatten aber nur wenige Personen Zutritt. Er war keine davon und selbst wenn er es gewesen wäre, Disteln gab es dort nicht. Er pflückte das stachelige, trockene Gewächs von seiner Hose und sah es entsetzt an. Das Piepen des Computers ließ ihn zusammenfahren. War es schon soweit? Informierte Chiyo ihn darüber, dass er ab jetzt seine Wohnung nicht mehr verlassen durfte, dass er unter Arrest stand? Mit trockenem Mund nahm er den Computer zur Hand und öffnete die Nachricht.
»Hat es geklappt?«, stand auf dem Display.
Er atmete tief durch. Dr. Mitchell, Magaret, er hatte sie total vergessen.
»Bin noch in einem Stück, muss aber die Geschwindigkeit drosseln«, tippte er, berichtete ihr von der Reise und schließlich von Chiyo und der Distel.
»Du weißt, was zu tun ist, wenn ich auffliege«, tippte er zuletzt.
»Ja«, antwortete sie, dann wurde der Bildschirm dunkel.
Nachdem Margaret sich ausgeklinkt hatte, betrachtete er die Distel genauer. Sie war vertrocknet, nicht ein Hauch ihrer lila Farbe war noch vorhanden und doch stand sie für seine Heimat. Sie war eins der Symbole Schottlands. Alles in ihm sträubte sich dagegen, sie zu vernichten. Vorsichtig zupfte er so viele der noch vorhandenen Samen ab wie möglich, und legte sie in eine kleine Dose, die er fest verschloss. Erst dann zerkrümelte er den Rest der Pflanze und spülte sie im Klo hinunter. Mit der Dose in der Hand ging er zu seinem Safe. Außer ihm wusste nur Magaret, dass dieser existierte. Wo er sich befand, hatte er ihr erst vor ein paar Tagen verraten. Nach dem, was heute passiert war, wurde es Zeit, ihr auch den Zugangscode zu übermitteln. Er loggt sich erneut in den abgeschirmten, unaufspürbaren Kanal ein, den er eigens für ihre Kommunikation geschaffen hatte, und übermittelte ihr kommentarlos die Daten. Sie würde wissen, was sie bedeuteten. Dann tippte er den Safecode in den Computer und ein komplizierter Mechanismus löste zwei Ziegelsteine aus dem Zierstreifen über dem Bett. Das Mauerwerk war ein Statussymbol, denn die Steine, die den schmalen Streifen formten, der alle Wände seiner Wohnung in einem bizarren Mosaik verzierte, waren kaum noch zu bezahlen. Niemand, der noch alle Tassen im Schrank hatte, würde ein solches Kunstwerk beschädigen. Daher war es auch der einzige Ort, der ihm sicher vorgekommen war. Er legte die Dose in die sich hinter den Ziegelsteinen befindende Lücke und nahm die Zeituhr heraus. Es dauerte eine Weile, bis er sie entschleunigt hatte, und obwohl es bereits spät in der Nacht war, holte er auch die zweite Uhr hervor, die in einem goldenen Armband verborgen war. Er wiederholte die Prozedur und wischte sich müde über das Gesicht. Wenn er aufflog, würde Magaret sie zumindest benutzen können, ohne dass ihr Magen durchdrehte. Er stand auf, legte die Uhren zurück in den Safe, verschloss ihn und zog sich aus. Obwohl seine Gedanken sich wie ein Kreisel um Chiyo, und die Möglichkeit entdeckt worden zu sein, drehten, fiel er in einen unruhigen Schlaf, sobald sein Kopf das Kissen berührte.
»Sie wollten mich sprechen, General?« Tammes trat mit mulmigem Gefühl in Chiyos Büro, schloss die Tür hinter sich und nahm Haltung an. Dass sie auf sein persönliches Erscheinen bestanden hatte, konnte nichts Gutes bedeuten.
Sie ignorierte ihn.
»Schicken Sie die Unterlagen auf dem sicheren Kanal zu Generalmajor Hauser, sie müssen unterschrieben werden«, wies sie jemanden über den Computer an. Dann stand sie auf und kam zu Tammes herüber, ohne ihn aufzufordern, sich zu rühren.
Er hielt den Blick auf die Wand gerichtet, während sein Herz wie verrückt schlug. Dass sie ihn so behandelte, war ein verdammt schlechtes Zeichen.
Chiyo umkreiste ihn wie ein Raubtier seine Beute. »Die Jahre haben Ihrem Körper nichts anhaben können, Oberst Duncan«, sagte sie und legte eine Hand auf seinen Oberarm.
»Was?«, dachte er verwirrt.
»Ich möchte sogar behaupten, dass Sie es geschafft haben, ihn weiter zu stählen und zu modellieren«, fuhr sie fort. Ihre Hand glitt über seine Armmuskulatur und blieb schließlich auf seiner Brust liegen.
»Was zum Teufel ...?« Tammes hielt ihre Hand fest.
»Ich habe Ihnen nicht gestattet, sich zu rühren, Oberst.«
Verwirrt ließ er ihre Hand los und nahm wieder Haltung an.
Chiyo holte tief Luft und legte ihm die Hand an die Wange. »Sieh mich an und küss mich endlich, du Idiot«, sagte sie heiser.
Überrascht wandte er den Blick von der Wand. Chiyos Lippen waren leicht geöffnet und ihre Augen dunkel. Sein Körper, der Verräter, reagierte sofort. Wider besseren Wissens vergrub Tammes sein Gesicht in ihren Haaren. Der Geruch beschwor Erinnerungen herauf. Chiyo seufzte und er vergaß alle Zurückhaltung. Er presste seine Lippen auf die ihren, zwang sie auseinander und erforschte ihren Mund. Er war ihm vertraut, aber nach der langen Zeit trotzdem fremd. Chiyo erwiderte seinen Kuss leidenschaftlich und drückte sich an ihn. Überrascht und erregt keuchte er. Das Gefühl der Lust, das ihn überrollte, war überwältigend, fühlte sich unglaublich gut an. Und gleichzeitig völlig falsch. Etwas stimmte nicht. Woher kam dieser plötzliche Sinneswandel? Er nahm all seine Willenskraft zusammen, gab ihren Mund frei und schob sie ein Stück von sich.
»Chiyo, Stopp! Sag mir, was los ist.« Schwer atmend sah er sie an.
Ihre Augen waren noch dunkler als vorher, schienen nur aus Pupillen zu bestehen. Sein Puls beschleunigte sich erneut. Er kannte diesen Blick, hatte ihn tausendmal gesehen, war jedes Mal von ihm in Brand gesetzt worden und anschließend in ihren Armen verglüht. Er schloss die Augen, um sich zu beruhigen, atmete tief ein, spürte wie sie sich von ihm entfernte, hob den Kopf und sah in die Mündung einer Waffe. Chiyo zielte damit auf seine Stirn.
»Verdammt, Tam!«, sagte sie heiser und außer Atem. Eine Träne lief über ihre Wange. »Wir hätten zum ersten Mal seit unendlich langer Zeit eine Chance auf eine gemeinsame Zukunft gehabt. Und was machst du? Du wirst nachlässig. Gesetzeswidrig handeln und nicht alles Menschenmögliche tun, damit es keine Spuren hinterlässt, ist vollkommen idiotisch. Das passt überhaupt nicht zu dir. Und nun sind wir beide in einer Situation, aus der es nur einen Ausweg gibt. Wegen einer schottischen Distel!«
Bevor er etwas erwidern konnte, drückte sie ab.