Читать книгу Option Färöer - Ein Färöer-Krimi - Jógvan Isaksen - Страница 7
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ОглавлениеWährend ich in die Stadt fuhr, dachte ich über Gaia International nach. Wie in allen unseren Nachbarländern jammert auch bei uns das Volk über die hohen Steuern.
Und genau dieses Gejammer hatte die Gesellschaft Gaia ausgenutzt.
Man konnte soundso viele Anteile an einem Tanker kaufen, brauchte auch nur eine kleine Anzahlung zu leisten, bekam aber den größten Teil der Steuergutschrift sofort. Der Rest konnte nach und nach bezahlt werden, aber die Werbeanzeigen versprachen, dass die Frachtschiffe große Gewinne erbringen würden, mit denen man die Anteile dann bezahlen konnte.
Die Gesellschaft erbrachte tatsächlich einen großen Überschuss, aber nur den Männern, die hinter Gaia International standen.
Der Ölfrachtmarkt lief schlecht und die Schiffe machten reichlich Defizite. Die mussten von den Anteilseignern ausgeglichen werden, während die Muttergesellschaft gleichzeitig noch zwanzig Prozent aller Einlagen für die Verwaltung brauchte. Ob es gut oder schlecht lief, konnte Gaia eigentlich egal sein, sie kassierten auf jeden Fall ihren Teil.
Hinzu kam, dass die Schiffe mit sechzig, siebzig Prozent Staatsgarantie gebaut worden waren. Als es also zur Zwangsversteigerung kam – was viele bereits von Anfang an prophezeit hatten –, saßen das Land und die Anteilseigner mit ihrem Jammer da.
Es war ein Riesenskandal gewesen und hatte mehrere Gerichtsverfahren gegeben. Aber es war nie bewiesen worden, dass die Gesellschaft irgendetwas Ungesetzliches getan hatte. Dass es moralisch verwerflich war, Menschen dazu zu verlocken, ihre Spargroschen auf dieses riskante Spiel zu setzen, daran gab es für viele keinen Zweifel. Die Kommentare der Presse waren scharf gewesen und die Urteile, die gesprochen worden waren, nicht gerade mild. Aber die Zeitungsleute wurden von der Staatsanwaltschaft gebremst.
Páll Hansen hatte also bei Gaia gearbeitet und schlechte Erfahrungen gemacht. Einiges von dem, was die Zeitungen über die Sache geschrieben hatten, hatte ich noch im Gedächtnis, aber zu der Zeit war ich viel herumgereist, sodass ich nicht alle Details mitbekommen hatte. Immerhin konnte ich mich noch schwach daran erinnern, dass der Direktor das Land verlassen hatte und sich später herausstellte, dass er nur dem Namen nach Direktor war. Wer wirklich hinter der Gesellschaft stand und die Fäden zog, das wurde nie geklärt.
Das war ja auch eigentlich ganz gleich. Das dahingeschiedene Gaia-Unternehmen und die Steuerspekulationen hatten wohl kaum etwas mit Pálls Tod zu tun.
Seine Frau wusste nichts, die Polizei wusste nichts und ich wusste auch nichts. Die Dreieinigkeit der Unwissenheit. Aber irgendwo saß einer, der etwas wusste, und diesen Mann musste ich suchen. Oder diese Frau. Es hieß ja, dass Gift eine Frauenwaffe sei, aber in diesen Zeiten der Gleichstellung konnte man nie wissen. Männer brachten Frauen mit Gift um, während Frauen dafür die Männer mit Jagdgewehren durchlöcherten.
Wie viele andere stellte ich den Wagen in der Fußgängerzone im Zentrum ab und ging in die Konditorei, um zu Mittag zu essen. Meine Mahlzeit bestand aus zwei Scheiben Weißbrot und einer Kanne Kaffee. Während ich aß, blätterte ich die Zeitungen durch und hörte die Nachrichten im Radio. Alles war wie gehabt, Zeitungen wie Rundfunk.
Nach den Nachrichten, als die Musik wieder das fast vollständig besetzte Lokal durchströmte, schaute ich mich diesseits und jenseits des Fensters ein wenig um. Um diese Zeit gab es draußen nicht besonders viel zu sehen und in der Konditorei gehörten die meisten Gesichter zu Stammgästen, die hier regelmäßig verkehrten.
Ein paar ältere Männer, die sich jeden Tag in der Mittagspause trafen. Geschäftsleute und Unternehmer, die einander schnell über irgendetwas informieren mussten, bevor das nächste Treffen von Rotary oder Lions stattfand. Alle trugen sie graue Anzüge; die Grauschattierung der Anzüge wechselte mit den Jahreszeiten. Goldene Abzeichen blinkten auf den Revers.
Und dann waren da die Junggesellen, von den Dreißigern aufwärts bis ins Pensionsalter. Sie waren nicht so gut gekleidet wie die Direktoren, trugen oft ihre Arbeitskleidung, aber einige auch Anzüge, die jedoch selten frisch gebügelt waren. Wenn man diese Herren näher betrachtete, wurde deutlich, dass das Hemd auch nicht den ersten Tag in Gebrauch war.
Einige verheiratete Männer im besten Alter wurden während der Mittagspause ebenfalls regelmäßig in der Konditorei gesehen. Das waren Männer, denen nicht im Traum einfallen würde, ihre Frauen irgendetwas zu fragen oder ihnen irgendetwas zu erzählen. Sie taten, was sie wollten. Sie waren nach der letzten Mode gekleidet, und wenn man unter die Tische guckte, konnte man feststellen, dass ihre Schuhe frisch geputzt waren. Sie dachten nicht an ihre Ehefrau, sondern an das Mädchen, das sie als Nächstes verführen wollten. Diese Männer waren oftmals Vertreter, Handelsreisende oder Geschäftsleute, die mit dem Allerneuesten vom Neuen handelten. Sie blieben nur selten lange an einem Ort, lebten ein abwechslungsreiches Leben, und es schien immer, als würden sie ökonomisch keine Sorgen haben.
Abgesehen von den Kellnerinnen waren fast keine Frauen zu sehen. Ausgenommen eine Gruppe Schulmädchen und hier und da eine Frau, die von einem der männlichen Gäste mitgebracht worden war. In der Mittagspause waren die Männer absolut in der Überzahl. Zu anderen Tageszeiten war es gerechter verteilt.
»Was starrst du denn so vor dich hin?«, donnerte ein Orkan von einer Stimme über meinem Kopf, und als ich gleichzeitig einen kräftigen Schlag auf die Schulter bekam, hatte ich keinen Zweifel mehr, wer der Neuankömmling war.
Es war Haraldur, der Wirt des Eyskarið, der im blauen Overall dastand und auf mich herabschaute. Er war ein breitschultriger, kräftiger Mann von Ende vierzig mit einem rotbäckigen Gesicht und Augen, die wie gefrorenes Wasser funkelten. Dunkles Haar und ein Bart, in dem einzelne graue Haare zu finden waren, umrahmten sein Gesicht.
»Ich suche Antwort auf die tiefsten Geheimnisse des Lebens«, erklärte ich ironisch.
»Na, dann bist du hier ja an der richtigen Stelle«, nickte Haraldur und ließ sich von oben auf einen Stuhl fallen.
»Die Konditorei bietet dir ein komplettes Abbild des Lebens, dargestellt als eine eintönige Wüstendurchquerung, bei der sich wie die Jahreszeiten alles wiederholt.«
Ich warf ihm einen Blick über den Tisch zu. Er kugelte sich vor Lachen.
»So drückt ihr Journalisten euch doch immer aus, wenn ihr einen Leitartikel schreibt, oder?« Er erstickte fast an seinem Lachen.
Ich antwortete nicht, schaute nur auf die Sverrisgøta hinaus. Keine Menschenseele.
»Immer mit der Ruhe, nun sei mal nicht beleidigt. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich denken, deine Frau hat dich verprügelt. Aber Duruta ist immer noch in Dänemark, oder?«
Ich nickte. Ja, Duruta war in Dänemark und das ließ meine Laune nicht gerade besser werden. Duruta und ich waren seit ein paar Monaten zusammen und jetzt machte sie einen Kursus an der Polizeischule in Kopenhagen. Sie war nämlich Polizistin. Sie würde erst zu Weihnachten wieder zurückkommen.
»Hast du nichts anderes im Kopf als Selbstmitleid?« Haraldurs Stimme klang immer noch spöttisch, aber ich hörte eine Spur Ungeduld heraus.
»Ich denke nicht an Duruta. Und was das Selbstmitleid angeht, so solltest du mich besser kennen.«
»Ja, ja. Aber wie du hier sitzt, siehst du aus wie ein zerlegter Dorsch mit Seeteufelvisage, also muss was los sein.«
»Ich weiß nicht. Vielleicht ist es das Wetter ... Und dann die Sache mit Páll Hansen. Ich war bei seiner Witwe, aber da habe ich nichts rausgekriegt. Heulen und Zähneklappern. Doch, etwas habe ich erfahren. Páll hat eine Zeit lang für Gaia International gearbeitet, aber das hat sicher nichts mit seinem Tod zu tun.«
»Nee, sicher nicht«, stimmte Haraldur geistesabwesend zu.
»Weißt du was über Gaia International?«, fragte ich.
»Wie bitte, über Gaia?« Haraldur warf den Kopf nach hinten und war wieder voll da. »Nein, nicht viel. Es stand damals eine ganze Menge in der Zeitung, aber ich habe nicht alles gelesen. Wenn man so blöd und gierig ist, in ein Schiff zu investieren, nur um Steuern zu sparen, darf man meinetwegen gern Bankrott gehen. Das nenne ich selbst schuld.«
»Und was ist mit den staatlichen Zuschüssen? Schließlich müssen du und ich dafür geradestehen.«
»Ja, aber ist es nicht immer so? Ich meine, wenn es um Bestechung und Vetternwirtschaft geht, da könnten unsere Politiker noch die sizilianische Mafia beraten.« Haraldur breitete die Arme aus, als wolle er das ganze Lokal umarmen. »Aber weißt du was, lass uns zum Fischen rausfahren. In anderthalb Stunden ist Gezeitenwechsel. Wenn wir wollen, dann jetzt.«