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ОглавлениеKapitel 7: Treffer
Bella nahm Cara den Lappen aus der Hand und warf ihn vom Tisch aus hinter sich in die Spüle. Er landete mit einem feuchten Platsch wie ordentlich aufgehängt auf der Mischbatterie. Sie verabscheute Hausarbeit zutiefst und sparte sich jeden unnötigen Arbeitsschritt. Die treffsichere linke Hand hatte unter den Brüchen zum Glück nicht gelitten.
„Weißt du, weswegen Erlinger und ich uns mal richtig gefetzt haben?“, fragte sie.
Cara seufzte innerlich auf und machte ein interessiertes Gesicht, wie sie hoffte. Na gut, dann eben Themenwechsel, wenn Bella so wollte. Bella hob beschwichtigend die rechte Hand.
„Nein, warte, ich lenke gar nicht ab. Es hat mit Jost zu tun.“ Sie schüttelte einen Milchfleck vom Foto und legte es sicherheitshalber auf den unberührt aussehenden Feuilletonteil.
„Ihr habt euch seinetwegen gestritten?“, entgegnete Cara fast ungläubig. „Mit Erlinger kann man sich doch gar nicht in die Haare kriegen. Er sagt doch nie etwas. Äh, ich meine, er sagt schon was, aber er hält sich doch immer aus allem raus.“
Bella nickte gedankenverloren.
„Ja, das stimmt natürlich. Er mischt sich nicht in die Angelegenheiten anderer ein, und das ist auch ein Grund, weswegen wir schon so lange zusammen sind. Dabei hält er sich noch nicht einmal zurück, etwa, weil er wüsste, dass ich sonst sehr schnell weg wäre. Er hat einfach nicht das Bedürfnis, andere zu beeinflussen. So merkwürdig das auch klingt, angesichts…“ Bella sah in Richtung Zeitungshaufen auf dem Tisch. Sie kicherte leise und sah sie an.
Cara musste nun auch lachen.
„Er hat eben seinen Auslauf anderweitig.“
Bella nickte wieder.
„Ja, so denke ich mir das auch. Na ja, aber einmal hat er sich eben doch für meine Begriffe eingemischt – wegen Jost.“
„Was hat er denn gesagt?“
Bella nahm einen Schluck von ihrem kaltgewordenen Espresso und verzog den Mund.
„Ich mach uns noch einen, willst du?“ Sie stand auf, stellte die Maschine nochmals zum Aufheizen an und setzte sich wieder.
„Mein diskreter Erlinger? Er hat eigentlich nur festgestellt, dass Jost ein Neidhammel ist. Da bin ich hochgegangen wie eine Rakete. Ich fand die Bemerkung absolut ungerechtfertigt und habe ihm an den Kopf geworfen, dass er wohl selbst ein Problem mit Eifersucht hat. Und noch ein paar Sachen.“
Cara konnte sich die Szene ausmalen. Anders als Erlinger war Bella nämlich ziemlich emotional, besonders, wenn sie etwas als ungerecht empfand.
Bella nahm die Tassen, kippte sie nachlässig über der Spüle aus und füllte sie an der Maschine neu. Sie stellte die große Tasse vor ihrer Freundin ab und stieß mit ihrem frischen Espresso an. Cara pustete auf den Milchschaum auf ihrem Cappuccino, so dass sich eine Wolkenlandschaft aus Bergen und Tälern bildete.
„Wie ist er denn darauf gekommen? Die beiden haben sich doch fast nie getroffen? Neidhammel ist aber gut, passt exakt!“ Jost und sie hatten sich jedenfalls nie besonders gut verstanden, obwohl Bella, Jost und Cara eine Zeitlang notgedrungen öfters zusammengesessen hatten.
Bella nippte an ihrem Espresso und sah sie etwas schuldbewusst an. „So hat er sich gar nicht ausgedrückt. Du kennst ihn ja. Den Neidhammel hatte ich herausgehört und ihm vorgeworfen. Eigentlich hat er nur gesagt, dass Jost sich vielleicht nicht gut mit anderen freuen kann. Ich habe dir das damals nicht erzählt, aber im Grunde warst du der Auslöser…“
Der ungewohnte Streit hatte am Morgen nach einem Ausflug nach Baden-Baden stattgefunden. Jost hatte angeboten, die beiden dorthin zu begleiten – sozusagen als Schützenhilfe. Bella und Cara waren in ihrem Leben noch nie im Kasino gewesen, wussten aber, dass Jost „ab und zu“ Roulette spielte. Er hatte dies als ein geradezu intellektuelles Hobby hingestellt, besser als jeder Theaterbesuch, da man dort wunderbar die unterschiedlichsten menschlichen Typen in Aktion beobachten könne. Die Freundinnen – obwohl ganz und gar keine Theaterfans – waren neugierig geworden, fühlten sich aber beide etwas eingeschüchtert von diesem gänzlich fremden Terrain.
Da sie keine Ahnung hatten, wie man sich in einem Kasino und am Roulettetisch zu verhalten hatte, willigten sie ein, zu dritt das Abenteuer zu wagen. Cara hatte erst nach kurzem Zögern zugesagt, was der aufmerksamen Bella nicht entgangen war. Ihr war bewusst, dass ihre Freundin mit Jost nicht recht warmwerden konnte. Auch sie hatte das Gefühl, dass Jost die Detektivin nicht ganz ernst nahm. Dennoch war es Josts Idee gewesen, Bellas Freundin einen Honorarvertrag zu verschaffen, als sie bei einem komplizierten Fall dringend Hilfe bei zeitraubenden Recherchearbeiten brauchten. Ihr gemeinsamer Vorgesetzter hatte sich zuerst geziert, dann aber eingesehen, dass dreistellige Überstunden noch teurer werden würden, als die Zuarbeit einer Freiberuflerin.
So standen sie also eines Abends im Sommer in einem großen Saal, nippten an einem teuren, aber wunderbar kühlen Weißwein für Cara und einem Roten für Bella und bewunderten den roten Samt an Wänden und Möbeln, die Kronleuchter an den hohen weißen Stuckdecken und die mehrheitlich festlich gekleideten anderen Gäste des Kasinos von Baden-Baden.
Mit Josts Hilfe hatten sie schnell die wichtigsten Rouletteregeln verstanden und setzten, sich sehr wagemutig vorkommend, einen Zwei-Euro-Chip nach dem anderen auf rot oder schwarz, gerade oder ungerade Zahlen. Jost stand auf der anderen Seite des Tisches und spielte mit größeren Chips, fünf oder 10 Euro. Er setzte nur auf einzelne Zahlen oder warf dem Croupier mehrere Jetons hin und murmelte Anweisungen, die Bella und Cara nicht verstanden. Sie wollten ihn später danach fragen. Jetzt schien er zu versunken ins Spiel. Die anderen Gäste fand er heute wohl nicht so spannend. Bella hatte schon mehrere Male getroffen und ihre umgetauschten 20 Euro bestimmt schon verdoppelt, wie die Freundinnen freudig überschlugen. Jost hatte ihnen zu dem Thema nichts erklärt, aber sie hatten beide das Gefühl, es gehöre sich nicht, vor den anderen Gästen die Chips aus der Tasche zu kramen und den Gewinn auszurechnen.
Von Gewinn konnte bei Cara keine Rede sein. Sie hatte nur noch eine Handvoll von ihren 25 Chips für 50 Euro übrig. Jost hatte auch kein Glück, wie es schien. Er spielte so schnell und platzierte jeweils so viele Jetons auf dem Roulettefeld, dass Bella und Cara den Überblick verloren hatten. Ein paar Mal hatte der Croupier zu ihrer größten Aufregung hohe Stapel von Jetons in Josts Richtung geschoben; dennoch hatte er schon zwei Mal jeweils einen Hunderter auf den Tisch geworfen und in neue Chips umgetauscht.
Er blickte zu ihnen herüber und schien mit einer Kopfbewegung Richtung Bar zu fragen, ob sie alle eine Pause machen wollten. Wegen des Stimmengewirrs im nun sehr vollen Saal konnte man sich anders nicht verständigen, wenn man nicht gerade wie Bella und Cara dicht nebeneinanderstand.
Die erfolgreiche Bella schmiss eine Runde an der Bar. Bei zwei großen Apfelschorlen und einem kleinen Pils – es war so warm im Saal und Bella und Jost mussten noch Autofahren – verglichen sie ihre Bilanzen.
Jost befand sich „im Moment noch im Minusbereich“, Bella war „nun steinreich“ und Cara zeigte leicht bekümmert ihre vier letzten Zwei-Euro-Chips.
„Kann nur besser werden“, meinte sie mit einem Blick zum Roulettetisch Nummer 2. Jetzt kommt wieder der nette Croupier, passt mal auf!“
Was dann passierte, hätte die Spielbank auch aufnehmen und als Werbefilmchen für ihre Website verwenden können. Cara ging zurück an den Tisch und setzte spontan alle acht Euro auf das leere Feld einer Zahl, die anscheinend niemand mochte, die 19. Bella gesellte sich zu ihr und beide hielten vor Aufregung Händchen.
„Du bist ja verrückt, Cara!“
„Oh, nein, was habe ich getan? Mir ist ganz schlecht. Jetzt mach schon, wirf die Kugel!“ Um den Tisch war ein solches Gedränge, dass die beiden kaum etwas sehen konnten. Immer mehr Jetons bedeckten das Feld mit den 36 Zahlen. Der Croupier ließ sich Zeit, um allen willigen Gästen Gelegenheit zu bieten, ihr Geld in die Staatskasse zu werfen. Endlich rotierte die Kugel im Kessel und die Freundinnen bewegten sich hinter den Croupier und die Absperrung, um besser sehen zu können. Ein wildes Rasen, dann Rollen und Klappern – die Kugel landete zuerst fast auf der 4, und hüpfte dann fröhlich - in Caras 19! Cara blieb fast das Herz stehen.
Bella fiel ihr um den Hals. „Gewonnen! Du hast gewonnen! Hurra!!“ Die beiden fielen sich um den Hals und hüpften dabei wie kleine Kinder auf und ab. Der Croupier auf dem Stuhl drehte sich kurz zu ihnen um und grinste breit.
„Glückwunsch, Madame. Kommen sie schnell an den Tisch.“
Zuerst wurden die meisten – erfolglosen – Chips ohne Mitleid in ein Loch im Tisch gewischt. Weg waren sie. Dann zahlte der Croupier die kleinen Gewinne aus. Das Beste kam stets zum Schluss. Der Croupier zeigte auf Caras Stapelchen auf der Nummer 19. Jemand legte ihr eine Hand auf die Schulter
„Du musst ein Zeichen geben“, befahl Jost, der nun dicht hinter Cara stand. Cara hob einen zaghaften Finger, wie in der Schule, und wurde etwas gefragt, das sie nicht verstand.
„Madame hat alle vier gesetzt“, kam es hilfreich vom Wachmann auf dem Stuhl.
„Glückwunsch, Madame“, sagte der Croupier, recht unbeeindruckt, und schob ihr einen Stapel roter und weißer Jetons zu.
Mit zittrigen Fingern klaubte Cara die Plastikplättchen auf und warf sie in ihre alte braune Handtasche.
„Komm, du Glücksritterin. Du musst dich hinsetzen“, rief ihr Bella ins linke Ohr und zerrte sie fast zu den Ledersesseln im Barbereich. Jost bestellte noch eine Runde Getränke und brachte sie an den kleinen Tisch. Cara blickte fast benommen um sich. Ihr Herz schlug immer noch schnell. Doch niemand sonst kümmerte sich mehr um sie, obwohl doch gerade Unglaubliches geschehen war. Für Casino-Verhältnisse war das wohl doch nicht sehr aufregend gewesen. Drüben an Tisch Nr. 2 ging das normale Geschäft weiter.
„Alles gut, Cara?“ Bella im Sessel nebenan legte ihr den Arm um die Schultern. „Du bist ja ganz blass. Na komm, Tasche her und zählen. Jetzt ist Anstand egal!“
Cara klappte folgsam die Tasche auf und begann, Chips aus dem Durcheinander von Taschentüchern, Schlüsseln und anderem Krimskrams zu räumen. Doch sie kam nicht weit, da eine Angestellte neben ihr erschien und sich zu ihr beugte.
„Madame, kommen sie bitte wieder an den Tisch?“ Cara und Bella blickten erschrocken auf.
„Habe ich etwas falsch gemacht?“, stotterte Cara fast, stand schnell auf und folgte der Frau zum Roulettetisch.
„Nein, gar nicht, Madame“, sagte die Dame lächelnd. „Sie sollten nur ihren Gewinn abholen.“
Cara stand wieder an der grünen Spielfläche und blickte verwirrt auf einen neuen Haufen Chips, den der Croupier nun mit seinem Schieber in ihre Richtung bewegte.
„Oh, danke, aber nein. Ich habe eben gewonnen. Ich habe die Chips schon bekommen“, rief sie über den Tisch.
Der Croupier lächelte amüsiert. „Madame hat ihren Einsatz stehen lassen.“ Er zeigte auf die Anzeigetafel, auf der zwei Mal die Zahl 19 erschien, die obere blinkte hektisch.
„Du hast noch einmal gewonnen“, flüsterte es in ihr Ohr. Wenn man die Jetons nicht selbst von der Zahl nimmt, spielt man damit noch eine Runde.“ Wieder stand Jost bei ihr. Er sah auch etwas blass aus und verzog den Mund zu einem merkwürdigen Grinsen.
„Nimm die Chips. Alle warten darauf.“
Cara warf noch eine Ladung Plastik in ihre unelegant offenstehende Handtasche.
„Oh, Gott, jetzt wird mir wirklich schlecht.“ Sie klemmte die Tasche unter die Achsel und hielt sich am gepolsterten Tischrand fest. Der Croupier hatte schon wieder die Kugel zum Surren gebracht. Klack, klack, klack – klack! Cara warf einen Blick in den Kessel.
„19!“, kam es vom Mann auf dem Stuhl.
Cara blickte auf den Tisch, auf dem weiterhin ihre vier weißen Chips auf dem Feld Nr. 19 lagen, obendrauf noch ein roter Jeton, den ein hoffnungsvoller Mitspieler dazugesetzt hatte…
In Bellas Auto auf dem Rückweg konnten sich die beiden Freundinnen gar nicht halten vor Freude und Begeisterung. Sie hatten noch eine halbe Stunde im Kasino verbracht und zwei Mal Caras Gewinn durchgezählt. Jost hatte bei ihnen am Tischchen gesessen und schien etwas genervt von ihrem Freudentaumel.
„Es gibt 35 Mal den Einsatz, wenn man eine Zahl trifft. Dreimal acht Euro auf Plein“, erklärte der studierte Betriebswirt, „das sind acht Mal 35 mit drei multipliziert. Da muss man nicht zehnmal nachzählen.“ Er gähnte. „Du hast einfach mal 840 Euro gewonnen. Die acht vom Einsatz waren ja weg, als dann die 15 kam. Nach drei Gewinnen muss man eben aufhören.“
Bella hatte gelacht.
„Ja, so ein Mist, dass die weg sind. Also wirklich, Jost!“
Als die Freundinnen meinten, sie könnten nicht mehr und wollten nach Hause und ins Bett, hatte Jost sie nur zum Ausgang begleitet und verabschiedet. Er wollte noch ein Stündchen weiterspielen.
„Dann gute Fahrt und Glückwunsch nochmal. Ist doch schön, dass du auch Mal einen Treffer gelandet hast“, murmelte er Cara zu, als sie sich die Hände zum Abschied gaben.
Bella sah ihn entgeistert an, sagte aber nichts. Die beiden waren halb müde, halb aufgedreht und wollten nur so schnell wie möglich auf die Autobahn und nach Hause. Der sparsame Erlinger würde Augen machen! Er hatte ihre Casino-Pläne sehr reserviert zu Kenntnis genommen, aber wie üblich nicht weiter kommentiert.