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Kapitel 2: Zusammenstöße

„Mist. So ein Mist aber auch!“ Sie hätte am liebsten noch ein paar selbstmitleidige Tränen vergossen, während sie entmutigt den Motor wieder anließ.

Was war das nur für ein grässlicher, erfolgloser Tag. Bella, ihre liebe Bella, war zurecht wütend auf sie. Ihr einziger Trenchcoat war klamm und dreckig, und die Observation hatte sie mittendrin abgebrochen. Schniefend und widerwillig fuhr sie zurück in die Stadt und steuerte ohne Hoffnung noch einmal die schäbige Spielhölle an. Sie hatte für den Trip aufs Land etwa eine Stunde gebraucht. Die Zielperson war mit größter Sicherheit längst über alle Berge und sie hatte keinen Schimmer wohin! Wie sollte sie das Taggert in ihrem Bericht erklären?

Als sie jedoch wieder in die kleine Straße einbog und langsam an Spielhalle und Imbiss vorbeiglitt, konnte sie ihrem Glück kaum trauen. In dem nun hell erleuchteten Dönerladen saßen einträchtig ihre Zielperson und der Umschlagmann an einem der kleinen Tische, irgendetwas essend und anscheinend in ein angeregtes – erregtes? – Gespräch vertieft. Sie saß mit dem Rücken zum Fenster, war aber an ihren rötlichen, glatten Haaren mit dem kurzen Pferdeschwanz gut zu erkennen. Schnell wandte Cara ihren Blick von beiden ab und wieder nach vorn, erspähte kurz vor dem Halteverbotsschild noch einen halbwegs passenden Parkplatz und navigierte mehr schlecht als recht in die knappe Lücke.

„Schwein gehabt, Marple!“, murmelte sie vor sich hin. Doch was jetzt? Wie sollte sie herausfinden, wer der Mann aus der Spielhalle war und was in dem Umschlag war? Sie konnte schlecht in den Imbiss stiefeln, vor der Frau mit ihrem IHK-Detektivzertifikat herumwedeln und Einsicht in den Umschlag verlangen. Bei der Vorstellung musste sie doch leise vor sich hin kichern. Schließlich sollte sie nur observieren und herausfinden, ob die Krankschreibung gerechtfertigt war oder nicht. Der Auftraggeber hatte betont, dass seine Angestellte auf keinen Fall merken sollte, dass sie beobachtet wurde, denn die „Aktion“ war, wie er sich ausgedrückt hatte, „nicht ganz indelikat“. Man könnte auch sagen „komplett illegitim“, dachte sie. Arbeitnehmerinnen dürfen nämlich nicht einfach ausspioniert werden, nur, weil sie sich öfters mal krankmelden. Und Umschläge in Spielhallen entgegenzunehmen ist auch nicht verboten, wenn man arbeitsunfähig ist.

„Alles was der Genesung förderlich ist“, so hatte der Kursleiter bei dem Thema doziert, „darf man auch tun, wenn man krankgeschrieben ist. Und wenn es ein schöner Shoppingausflug ins Schuhgeschäft ist, um die Depressionen zu vertreiben, meine Damen!“

Der Zertifikatskurs für künftige Privatermittlerinnen damals vor acht Jahren war eine Maßnahme der Arbeitsagentur nur für Frauen und der Dozent ein geradezu unglaublicher Chauvinist gewesen. Dennoch war er ein schlauer Fuchs, wie sich im Laufe der Zeit herausstellte. Seine Tipps hatten ihr schon oft aus der Patsche geholfen. Zum Beispiel die Masche mit der Handtasche, der „besten Waffe der Frau“, die sie zunächst für bescheuerte Macho-Fantasie gehalten hatte…

Verstohlen sah sie wieder in Richtung Imbiss. Die Frau stand gerade auf, lief am Tresen vorbei und verschwand im Hintergrund. Ihr dunkelblauer Wollmantel hing über ihrem Stuhl, der direkt vor dem bodentiefen Fenster stand, und aus einer der beiden übergroßen Jackentaschen blitzte etwas Eckiges erfreulich braun hervor…

„Na, dann mal los, Jane Wayne! Und die Pistolen im Anschlag!“ Im nächsten Moment stand sie im Imbiss und bestellte einen Döner „Mit allem“. Der Mann am Tisch tippte mit gesenktem Kopf auf seinem Smartphone und beachtete sie nicht.

„Kommt sofort, drei Minuten!“, rief der Dönermann begeistert und stürzte sich messerschwingend auf seinen Fleischspieß. Die Geschäfte nahmen ja ungeahnte Ausmaße an.

Also dann, Showdown!

„Danke, ich setze mich mal einen Moment“, antwortete sie in seine Richtung. Mit einem Schwung drehte sie sich um und fegte dabei mit ihrer Umhängetasche, einem schweren Ungetüm aus braunem Fettleder, den Stuhl um, auf dem eben noch ihre Zielperson gesessen hatte. Klappernd ging das Möbel samt darüber hängendem Mantel zu Boden. Der Inhalt ihrer Tasche lag darum verteilt herum.

„Oh Gott, entschuldigen Sie bitte! Wie ungeschickt von mir!“, rief sie und richtete den Stuhl wieder auf. Sie stopfte ihren Kram zurück in das Ledermonster und im Nu hatte sie den Mantel wieder ordentlich über die Lehne drapiert. Der Mann blickte nur kurz von seinem Smartphone hoch, befand das Geschehen wohl als uninteressant und wandte sich wieder seinem Bildschirm zu.

„So bitte, einmal mit allem!“, rief es vom Tresen.

Döner geschnappt, bezahlt und heraus aus dem Laden! Als die arme Krankgeschriebene wieder zum Tisch zurückkehrte, sah sie nur noch eine Gestalt mit altmodischer Ledertasche in Baseballmütze und Jogginganzug aus der Tür verschwinden und in einen Wagen vor der Tür steigen.

Cara lenkte einhändig und den Rest des Döners kauend auf den Parkplatz des geschlossenen Supermarkts, fuhr um das Gebäude und parkte dahinter unter einer großen Trauerweide. Sie stoppte den Motor und atmete tief durch. Nun zitterte sie nicht mehr vor Kälte, sondern vor schierer Aufregung. Hatte sie sich richtig entschieden, oder hatte sie eine Riesendummheit begannen?

„Wir werden’s gleich erfahren“, erklärte sie der Weide. Sie löste den Sicherheitsgurt, wischte sich die fettigen Hände an der Jogginghose ab und zog den Umschlag aus ihrer Tasche hervor. Sie knipste das Licht an. Mit klammen Fingern zog sie die Klappe auf und fühlte eine glatte Oberfläche, ein Foto?

Sie zog das Blatt heraus, sah es an und erstarrte vor ungläubigem Erstaunen. Die Person auf dem großen Hochglanzfoto, ihr ganz und gar nicht unbekannt, schien sie hämisch anzugrinsen. Was sollte das bedeuten? Doch es ergab sich keine Gelegenheit, länger über dieses Rätsel nachzudenken. Sie hörte ein Krachen, etwas stieß von hinten gegen die Stoßstange ihres VW, wie sie gerade noch begriff. Etwas Hartes kollidierte mit ihrer Stirn und jemand hupte ganz in der Nähe wie zum Protest. Dann wurde alles schwarz und still.

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