Читать книгу Tödliche Geschwister - Jo Caminos - Страница 14
10. Kapitel
Оглавление„Tobey? Was für eine Überraschung! Ich wollte gestern Abend mit dir skypen, aber du warst offline. Morgen Mittag finden die Castings für die neue Show statt, von der ich dir neulich erzählt habe. Kannst du um spätestens elf Uhr - besser um zehn - im Residio sein?“
Tobey schickte ein Stoßgebet zum Himmel. Im Residio, morgen Mittag … Alles entwickelte sich noch besser, als er angenommen hatte. Er hatte Charlene Connors in einem Online-Chat für Künstler kennengelernt. Das war vor ein paar Monaten gewesen. Die Chemie zwischen ihnen hatte von Anfang an gestimmt. Sie war keines dieser exaltierten Showgirls, die sich selbst für die Größte hielten. Ihre Begeisterung für seine Demoaufnahmen war echt gewesen. „Deine Stimme ist klasse, Tobey. Genau so etwas suchen wir für die neue Show. Aber du musst schnell sein, du weißt ja selbst, wie groß die Konkurrenz ist.“ Immer wieder musste er an ihren letzten Skype-Chat denken. Charlenes Reaktion war ehrlich, die Begeisterung nicht gespielt. Sie ist wirklich unglaublich süß.
„Wo bist du eigentlich?“, fragte sie kurz darauf.
Tobey runzelte die Stirn. Sollte er wirklich sagen, dass seine alte Karre den Geist aufgegeben hatte und er es gerade noch bis Primm geschafft hatte? Er hatte sich bei ihren Online-Dates nicht gerade als arm bezeichnet, was sich spätestens jetzt rächen könnte. Aber - was sollte er machen? Die Karre war in der Werkstatt, und nach der Reaktion des Mechanikers nach zu urteilen, sah es nicht gut aus. Der verfluchte Autohändler in L.A. hatte ihn also doch übers Ohr gehauen. Tobey war nicht wirklich überrascht, doch die Zeit hatte gedrängt. Er hatte unbedingt von L.A. weggewollt. Nun, für neunhundert Dollar konnte man wohl keine Luxuskarosse erwarten …
„Du, Charlene, ich hänge hier in Primm fest. Meine Karre hat komische Geräusche gemacht, da bin ich vorsichtshalber im Experience Resort abgestiegen. Ich dachte, du könntest mich vielleicht abholen? Ginge das …? Ich kann mir natürlich auch ein Taxi holen, nur …“
Für einen Moment herrschte Stille in der Leitung, dann lachte Charlene hell auf. „Ach, Tobey, du bist bestimmt genauso oft blank wie ich. Mach dir darüber keine Gedanken. Wir Künstler nagen doch alle am Hungertuch, es sei denn, man hat es endlich geschafft und ist etabliert. Meine Freundin Rizzie hat ein Engagement in Primm. Die letzte Vorstellung war gestern. Ich soll sie heute am frühen Abend abholen. Eher komme ich hier sowieso nicht weg. Du kannst mit uns zurückfahren. Wir haben bei uns in der Bude noch Platz, einer unser Mitmieter ist kurzfristig ausgezogen. Natürlich nur, wenn du es mit drei Weibern aushältst …“ Charlene kicherte.
Tobey schickte das nächste Stoßgebet gen Himmel. Er hatte es gewusst, endlich war er auf der Gewinnerstraße. Und die Scheißkarre konnte von ihm aus in der Werkstatt verrecken. Am besten ließ er sich dort nicht mehr blicken. Sollten sie doch mit dem Rosthaufen glücklich werden. Er bezahlte bestimmt keine dreihundert Dollar oder mehr für die Reparatur, da hatte er weiß Gott bessere Verwendung für das Geld.
„Du bist ein Schatz, Charlene, ein absoluter Goldschatz!“
„Ich weiß, Tobey. Ach, ich freue mich ja so.“ Charlene machte eine kurze Pause. „Meinst du, wir könnten das Duett einstudieren.“ Sie sang ein paar Takte, und Tobey erkannte, welches Duett Charlene meinte.
„Two lonely Lovers under a barren desert sky, das meinst du“, sagte er.
„Ja …“ Charlene seufzte. „Das ist so herrlich traurig, ich liebe den Song, damit könnten wir - du - ganz groß rauskommen …“
„Können wir machen!“, erwiderte Tobey schnell. Natürlich hatte er herausgehört, dass sich Charlene mit dem Song Chancen für sich selbst ausrechnete. Aber warum nicht? So egoistisch wollte er nicht sein, nicht so, wie die Geizkröte von seiner Mutter. Nein, Charlene half ihm - und er half ihr. Nur so konnte man in dieser Haifischbranche überleben.
„Oh toll!“ Charlene überschlug sich fast vor Freude. „Stell dir das nur vor. Wir beide im Scheinwerferlicht, auf der großen Bühne - mit all den Menschen im Zuschauerraum. Oh Tobey, das wird wunderbar …“
Tobey konnte durch die Leitung hören, dass jemand mit Charlene sprach.
„Tobey, ich muss Schluss machen. Die nächste Probe steht an. Man braucht mich unten. Ich bin gegen sechs oder halb sieben in Primm, vielleicht auch etwas später. Soll ich dir die Nummer von Rizzie geben? Mmmh … Besser nicht. Ich glaube, Rizzie ist nicht so dein Fall. Sie ist etwas - sagen wir mal eigen. Ich lasse an der Rezeption nach dir ausrufen, wenn ich da bin, ja?“
„Okay, bis später dann!“, konnte Tobey noch sagen, da hatte Charlene bereits aufgelegt. Offensichtlich drängte es mal wieder. Das tat es bei Bühnenproben immer.
So, Junge. Was machst du jetzt den lieben langen Tag? Er sah zum Fenster raus, hin zu dem satten Grün des Wellness-Bereichs, der inmitten der Mojave wie ein Fremdkörper wirkte. Tobey wollte gar nicht wissen, was die künstliche Bewässerung der Parkanlage täglich kostete. Der Pool! Ja, genau das würde er sich gönnen, einen verschlafenen Nachmittag am Pool. Vielleicht würde er später auch noch Achterbahn fahren. Das passte zwar nicht wirklich in sein Budget, aber wenn er schon einmal hier war.
Er konnte nicht wissen, welche Achterbahnfahrt ihm bevorstand, später …