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12. Kapitel

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Nach dem Sonnenbad am Pool waren Eugene und Sheila in Charley´s Steakhouse gegangen, um sich dort zu stärken. Das Mexican Steak galt als Spezialität des Hauses. Eugene konnte nur den Kopf schütteln, als Sheila in Rekordzeit ein Riesensteak verschlang. Das konnte man wirklich nicht mehr essen nennen. Sie fraß wirklich wie ein Scheunendrescher. Einige der Gäste hatten indigniert den Kopf geschüttelt, andere angewidert weggesehen.

„Schling nicht so“, hatte Eugene ihr zugeflüstert, doch Sheila hatte nicht hören wollen. Mehrmals war ihr ein lautstarker Rülpser entwichen. Ein vorbeigehender Kellner hatte etwas gequält gelächelt, aber nichts gesagt. Doch der Blick des Mannes hatte Bände gesprochen. Eugene konnte es ihm nicht verdenken. Sheilas Erscheinung war widerlich. Sie schnaufte und stopfte das Essen in sich rein, als wäre eine Fressmaschine am Werk. Ihr Top war bekleckert, die Finger fettig. „Das war nötig!“, stieß sie schließlich hervor, wobei ihr ein weiterer Rülpser entwich. Sie lehnte sich ächzend gegen die Stuhllehne und kratzte sich am Po. Eugene hatte die Augen verdreht. „Das war unglaublich lecker.“ Sheila roch am Finger, mit dem sie sich kurz zuvor am Hintern gekratzt hatte. Sie verzog angewidert das Gesicht. Eugene sah zu einem der Livrierten, der Gäste an einem der anderen Tische bediente, und leicht die Brauen hob. Tischmanieren schienen ein Fremdwort für Sheila zu sein. Wenigstens hatte sie keinen Nachtisch gewollt.

Sie hatten das Steakhouse gerade verlassen und wollten auf ihr Zimmer gehen, als Sheila ruckartig stehenblieb. Ihre Augen schienen zu glühen.

„Mutter!“, zischte sie.

Eine hochgewachsene Frau mit kurz geschnittenem blondem Haar war zusammen mit einem Mann an ihnen vorbeigegangen. Die beiden näherten sich dem Eingang zum Steakhouse, wo sie von den beiden Livrierten begrüßt wurden.

„Was regst du dich so auf?“, flüsterte Eugene, der keine Aufmerksamkeit erregen wollte. Nach dem Duschen hatte er sich die Haare zurückgekämmt und mit sehr viel Haargel fixiert, was sein Aussehen stark veränderte. Er besaß eine fliehende Stirn, die jetzt noch stärker hervortrat und ihn unattraktiv erscheinen ließ. Glücklicherweise hatte er sich den Schnauzer schon vor einer Weile abrasiert. Der Mann, dessen Foto im Fernsehen zu sehen war, hatte nicht viel Ähnlichkeit mit dem Eugene, der sich hier im Primm Desert Experience Resort aufhielt, trotzdem wollte er vorsichtig sein; auch, wenn er den Kick genoss - das Spiel mit dem Feuer.

„Die Frau, die eben am Arm des Mannes ins Steakhouse ging, sah aus wie meine Mutter. Eugene, kann das sein, kann das …“ Sheila stammelte. Sie wirkte fassungslos.

Eugene packte sie bei den Schultern und sah ihr tief in die Augen. „Bleib ruhig, Sheila! Verliere jetzt nicht die Nerven! Deine Mutter ist tot! Das hast du selbst gesagt!“

Sheila atmete tief durch. Sie ließ Eugene einfach stehen und ging zurück zum Eingang des Steakhouse. Die beiden Livrierten neben der Tür warfen ihr einen merkwürdigen Blick zu, als dächten sie: Ist das fette Weib noch immer nicht satt? Sheila beachtete die beiden nicht, die sie angesprochen hatten und fragten, ob sie ihr helfen könnten. Sie blieb neben der Tür stehen und spähte ins Innere. Eugene, der neben sie getreten war, bemerkte, dass sie zitterte. Schweißperlen waren auf ihrer Stirn erschienen. Ihre Augen glänzten fiebrig.

„Lass das, Sheila!“, flüsterte ihr Eugene ins Ohr. Er wollte sie fortziehen, doch sie schlug nach seiner Hand, als er sie am Arm packen wollte..

Sheilas Blick ging zu einem der Tische. Sie wirkte wie in Trance. Sie ist es!, durchfuhr es sie. Die Frau, die ihrer Mutter so unglaublich ähnlichsah, blickte in ihre Richtung, doch da war kein Erkennen, nichts. Für die Frau war Sheila eine Fremde. Höchstwahrscheinlich eine sehr ungepflegt wirkende, fette Fremde, eine heruntergekommene Schlampe, die hier im Steakhaus nichts verloren hätte. Abschaum … Sheila steigerte sich immer mehr in ihre negativen Gefühle. Wenn sie jetzt ein Messer hätte … Oh, Mami, ich habe dich ja so gar nicht lieb. Oh, Mami, ich werde dir jetzt, sehr, sehr wehtun, Mami. Wirst du weinen, Mami. Ja? Schrei nur, niemand wird dich hören. Niemand wird dir helfen …

„Komm!“, drängte Eugene. „Du bist schon mehr als genug aufgefallen!“

Die beiden Livrierten warfen sich einen schnellen Blick zu, dann sagte einer von ihnen: „Können wir Ihnen helfen?“

Eugene schüttelte den Kopf. „Nein, nein, alles in Ordnung.“

Sheila warf den beiden Angestellten einen giftigen Blick zu. „Wohl nicht vornehm genug, das fette Mädchen, was?“

Eugene verdrehte die Augen. „Sheila, mach jetzt keinen Aufstand. Wir wollen doch unseren Spaß haben …“

Sheila schluckte. Sie trat ganz nah zu Eugene hin und zischte: „Sie wird mein erstes Opfer. Sie - und keine andere. Es wird lange dauern. Sie wird leiden. Sie wird kreischen!“

Eugene sah an seiner Schwester vorbei zu der Frau, die arglos mit ihrem Mann plauderte. Ein Kellner kam und nahm die Bestellung der beiden entgegen. Eugene nahm Sheila bei der Hand und führte sie vom Eingang weg. Wenigstens wehrte sie sich nicht. Die beiden Livrierten sahen ihnen mit ausdrucksloser Miene hinterher.

„Von mir aus, aber nicht so Hals über Kopf. Und vor allen Dingen nicht jetzt. Los, lass uns nach oben gehen!“, sagte Eugene, als sie an einer Informationstafel stehengeblieben waren. Er sah zurück zum Eingang, doch die beiden Livrierten schienen den Zwischenfall schon vergessen zu haben. Sie begrüßten ein Ehepaar, das kurz darauf das Steakhouse betrat.

Sheila hätte ihm am liebsten eine runtergehauen. Sie mochte es nicht, wenn man sie bevormundete. Das hatten zu viele in ihrem Leben versucht. Sie hatten alle bereut - auf die eine oder andere Art. Wehgetan, das hatte es immer, sehr weh sogar.

„Okay. Gehen wir … Ich bin satt.“ Sie hängte sich bei Eugene ein und sah ihn lächelnd an. Sheila wirkte wieder völlig normal. Sie strich sich eine Strähne zurück. Sie wirkte liederlich. Ihr Top war völlig durchschwitzt, die Haare klatschnass. Und in ihren Augen brannte ein wildes Feuer. Sie rang um ihre Beherrschung, auch wenn sie lächelte, das konnte er spüren. Sie mussten weg von hier, bevor jemand auf sie aufmerksam wurde.

Denkst du, bei dir wäre es anders?, höhnte Black in Eugenes Innerem. Denkst du das wirklich? Du solltest deine Visage mal sehen, wenn du Blut geleckt hast, Junge! Also nerv jetzt nicht!

Das fette Sheilalein hat sein Opfer gefunden. Bist du etwa neidisch? Ist es das? Eugene schüttelte irritiert den Kopf. Dann war es vorbei, die Stimme verschwunden. Black.

Ein Pärchen trat an ihnen vorbei. Ein gut aussehender Mann und eine sehr schlanke, sehr sexy wirkende Blondine, die Sheila einen vernichtenden Blick zuwarf.

Sheila lächelte nach wie vor, doch sie schäumte innerlich vor Wut. Sie musste hier raus, sonst würde sie nach einem Messer greifen. Nach irgendeinem, es lagen doch genug im Steakhouse herum. Sie könnte hineinrennen, ein Messer nehmen und Mami dann die Kehle durchtrennen. Sie wollte Blut sehen, oh ja.

Eugene zog sie hinter sich her. Sie folgte ihm mit ausdrucksloser Miene. Plötzlich standen Tränen in ihren Augen. Hässlich, das ist es. Hässliche Menschen werden nie geliebt, denen verpasst man immer nur einen Tritt - und dann noch einen.

„Ein seltsames Pärchen“, murmelte Barbra nachdenklich.

„Wie bitte?“ Dan sah von der Speisekarte auf.

„Ach, diese … na ja, dick trifft es nicht wirklich … Diese fette Frau mit dem seltsamen Mann, der viel zu viel Haargel in den Haaren hatte. Sie haben bis eben an der Tür gestanden und in unsere Richtung gesehen. Na ja, wahrscheinlich hältst du mich mal wieder für bigott oder konservativ oder beides …“ Barbra schenkte Dan einen langen Blick. Sie wusste, dass er sie hin und wieder für elitär hielt. Und es stimmte ja auch. Aber der Mann und die Frau waren schon ein außergewöhnliches Gespann. Sie brachte bestimmt 120 Kilo oder mehr auf die Waage - und das bei nur etwas an die einssechzig. Und der Mann sah aus wie ein Zuhälter oder Mafioso - oder so etwas. Besonders seine Augen wirkten kalt. Trotzdem flackerte irgendetwas darin. Selbst auf die Entfernung hin war es Barbra aufgefallen. Vielleicht war es auch nur der starre Blick, mit dem er in ihre Richtung gesehen hatte. Nein, Bekanntschaft möchte sie mit den beiden keine schließen. So jemand wollte sie noch nicht mal in der Nähe sitzen haben.

Barbra ahnte nicht, wie nah sie Eugene und Sheila bald schon sein würde. Bald, so bald …

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