Читать книгу Tödliche Geschwister - Jo Caminos - Страница 17
13. Kapitel
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„Bist du wirklich so gut, wie Charlene immer tut?“
Tobey verdrehte die Augen. Er saß mit Rizzie zusammen in der Nähe eines Infoterminals. Charlene würde sich verspäten. Am liebsten hätte er die Frage einfach überhört, doch Rizzie war hartnäckig - und neugierig. Nervös kaute sie auf einem Kaugummi herum und sah hin und wieder auf ihre Armbanduhr. „Dass Charlene nie pünktlich sein kann …“ Sie sah zum Eingang, dann musterte sie einige der Gäste ziemlich abfällig. Dicker Arsch, flache Titten, geiler Hund, den würde ich auch nicht von der Bettkante stoßen …, kommentierte sie ohne Ende und nicht sehr leise, offensichtlich in der Annahme, es würde Tobey interessieren.
„Was ist nun? Sehr gesprächig bist du nicht“, meinte sie schließlich.
„Meine Songs sind gut - manche davon Spitze. Jetzt zufrieden?“ Tobey klang etwas genervt, doch er hatte nicht an sich halten können. Es war ihm im Augenblick egal, ob Rizzie eingeschnappt sein würde oder nicht. Als sie sich vor einer halben Stunde am Infoterminal trafen, um auf Charlene zu warten, war es ihm zuerst so vorgekommen, als wolle sie ihn anmachen, als er jedoch wenig später durchblicken ließ, dass er finanziell ziemlich abgebrannt sei, war ihr Interesse sehr schnell erloschen. Mit ihr zusammen zu wohnen, konnte lustig werden. Tobey mochte gar nicht daran denken. Wenigstens hatte jeder ein eigenes Schlafzimmer. Trotzdem. Rizzie war ihm zu oberflächlich - vor allem aber viel zu neugierig. Sie führte sich auf, als wäre sie ein Megastar, dem alle Beachtung schenken mussten. Schlecht sah sie gewiss nicht aus, allerdings wäre es gewiss kein Nachteil, wenn man ihr die Stimmbänder herausoperieren würde. Aber bei welcher Frau war das nicht so? Tobey grinste innerlich. Hoffentlich sagte er das niemals laut. Man galt sehr schnell als Chauvi - in diesen Zeiten.
„Hey, nur nicht gleich sauer sein. Man wird ja noch fragen dürfen, oder?“
Tobey reagierte nicht. Er sah stur geradeaus zum Empfang. Noch immer keine Charlene. Dafür sah er ein seltsames Pärchen - eine fette und ungepflegte Frau und einen Mann, der irgendwie nach Mafia aussah. Unschöne Erinnerungen an Carlo Moretti krochen in Tobeys Innerem hoch. Er erkannte diesen Menschenschlag selbst mit verbundenen Augen. So etwas wie die beiden da bedeutete Ärger, sehr großen Ärger.
„Mann, ist das eine fette, hässliche Kuh“, sagte Rizzie eine Spur zu laut.
Die dicke Frau sah in ihre Richtung. Tobey fiel auf, dass der Mafiosotyp sie am Arm festhalten wollte, doch die Frau ließ sich nicht zurückhalten. Offensichtlich hatte sie Rizzies Bemerkung gehört.
„Meinst du mich?“, fragte die dicke Frau, als sie vor Tobey und Rizzie stehen geblieben war. Tobey tat bewusst desinteressiert und sah in die andere Richtung. Dämliche Rizzie, da hast du den Salat.
„Ich rede mit dir, Flittchen!“
Rizzie riss die Augen auf. „Also, bitte - das muss ich mir wirklich nicht anhören, und …“
„Hast du mich eben fette Kuh genannt - oder nicht?“ Die Fette stemmte die Arme in die Hüften. Sie roch ziemlich streng. Ihr Top hatte einige Soßenflecke abgekommen, und da schienen auch einige Fettspritzer zu sein.
Rizzie wirkte nervös. Sie sah hilfesuchend zu Tobey, der kurz in ihre Richtung sah und dann zu Boden starrte. Das hast du nun davon, du dumme Nuss! Sieh zu, wie du mit der Dicken fertig wirst. Ich halte mich da raus.
„Was jetzt?“, presste die Dicke zwischen den Lippen hervor. Der Mann an ihrer Seite wollte sie erneut wegziehen. „Lass es sein, Sheila, das ist es nicht wert. Komm …“
„Lass sofort meinen Arm los, Eugene!“ Sie schenkte ihm einen giftigen Blick, worauf der Mann tatsächlich die Hand von ihrem Arm nahm. Offensichtlich weiß er, was ihm sonst blüht!, dachte Tobey. Er sah auffordernd zu Rizzie: „Entschuldige dich!“
Sie sah ihn mit großen Augen an. „Aber …“
„Los, mach schon. Damit die Sache endlich aus der Welt ist“, fuhr Tobey fort, als Rizzie sich weiterhin zierte. Ihm gefiel der Blick der fetten Frau nicht. Sie sah aus, als wolle sie jeden Moment zuschlagen. Und so, wie sie aussah, könnte das ziemlich wehtun.
Tobey sah hoch zu der dicken Frau. Er zuckte beschwichtigend mit den Achseln und runzelte die Stirn. Die Fette reagierte nicht. Ihr Blick war auf Rizzie fixiert. Die Frau war wirklich hässlich, richtig abstoßend, doch was ihn am meisten irritierte, war der kalte Blick ihrer Augen. Die kann einem die Kehle durchbeißen und dabei lächeln!, durchfuhr es ihn, womit er nicht so ganz daneben lag.
Die Dicke stampfte mit dem Fuß auf den Boden und tat einen Schritt auf Rizzie zu. „Also, was ist, Herzchen?“
Rizzie wühlte in ihrer Handtasche herum, als suchte sie darin nach der Lösung.
„Was ist, habe ich gefragt!“ Die Stimme der fetten Frau klang drohend. Sie tat noch einen Schritt nach vorne.
Rizzie zuckte die Achseln. „Ist mir so rausgerutscht, war nicht böse gemeint … Entschuldigung.“ Ihre Stimme wurde zum Ende hin immer leiser.
Die Dicke lächelte böse. „Na also, geht doch! Überleg dir beim nächsten Mal, über wen du lästerst, Herzchen. Ich kann so etwas nicht ab. Du könntest es irgendwann bedauern …“
„Ich sagte ja, dass es mir leidtut“, meinte Rizzie kleinlaut.
„Sheila, komm jetzt“, drängte der Mann mit der fliehenden Stirn. Tobey sah ihn irritiert an. Der macht sich absichtlich hässlich, so, als wolle er verhindern, dass man ihn erkennt. Viel zu viel Haargel - und das zurückgekämmte Haar steht ihm überhaupt nicht, nicht bei der hohen Stirn …
Eugene hatte auf einem der Fernseher im Empfangsbereich etwas entdeckt: sein Foto. Verdammt! Er fluchte innerlich. Sie mussten hier weg. Irgendwann wurde doch noch jemand aufmerksam. Sheila konnte es wirklich nicht lassen. Aber das war es nicht alleine, was ihn so stark erregte. Black frohlockte in seinem Inneren. Ja, ja, ja! Eugenes Puls raste. Nicht jetzt! Noch nicht …
Sheila hielt noch immer die Arme vor der Brust verschränkt und lächelte Rizzie böse an. Das Miststück hat Angst vor mir!, dachte sie. Ja, sie konnte es in den Augen des Flittchens sehen, sie konnte es riechen. Jetzt ein Messer. Sie würde es der kleinen Nutte genüsslich in die Eingeweide treiben, dann die Klinge drehen und schneiden, immer tiefer schneiden … Sheila spürte dieses seltsame Machtgefühl in sich aufsteigen, das ihr so vertraut war. Sie war die Herrin über Leben und Tod.
„Sheila …“ Eugenes Stimme riss sie aus den Gedanken.
„Bist du mit der Schlampe zusammen?“, fragte Sheila an Tobey gewandt. Er schüttelte den Kopf. Mein Gott, die hat Mordlust in den Augen …
„Glücklicher Mann. Ich würde bei der Schlampe vorsichtig sein, sonst holst du dir noch die Krätze. Einen schönen Abend noch!“ Damit wandte sich Sheila um und folgte dem hochgewachsenen Mann in Richtung der Aufzüge.
Rizzie stieß entrüstet die Luft aus. „Und bei diesem Miststück sollte ich mich entschuldigen. Die hat mich Schlampe genannt, und …“
„Halt einfach den Mund!“, herrschte sie Tobey an. Die Szene gefiel ihm ganz und gar nicht. Sheila und der Mann waren gefährlich. Das konnte er spüren. Tobey hatte eine Antenne für diesen Menschenschlag. Hoffentlich laufe ich denen nicht wieder über den Weg.
Genau das sollte geschehen, bald, so bald …
Die Aufzugtüren hatten sich gerade geschlossen, als Eugene Sheila anfuhr. „Wenn du so weitermachst, werden wir keinen Spaß haben, sondern im Knast sitzen! Was hast du dich über diese blöde Kuh so aufgeregt? Schalte die Ohren doch einfach mal auf Durchzug!“
Sheila sah grimmig zur Seite.
Eugene lehnte sich mit dem Rücken gegen die Wand. In ihm tobte es - und das lag nicht alleine an Sheilas nervigem Verhalten. Auch nicht an dem Foto, das im Fernsehen gezeigt worden war. Man musste schon genau hinsehen und viel Fantasie besitzen, um ihn darauf zu erkennen, dafür hatte er sein Aussehen zu stark verändert.
„Ist dir nicht gut?“, fragte Sheila, als der Lift angehalten hatte und die Türen sich öffneten.
Eugene winkte ab und trat in den Korridor. Sheila folgte ihm schweigend. Vor der Tür zu ihrem Zimmer blieb Eugene stehen und sah ihr tief in die Augen.
„Nicht nur du hattest eine Vision. Nicht nur du …“, murmelte er.
„Wie meinst du das?“
„Der Kerl bei der Schlampe - er sah fast so aus wie mein Stiefbruder. Wie Preston. Sheila, unsere Zeit ist gekommen, das ist der letzte Beweis. Ich bin mir sicher. Das muss ein Zeichen sein.“
„Der Beweis, dass wir sterben - oder dass wir Spaß haben werden?“
Eugene schluckte. „Ich befürchte beides. Aber ich garantiere dir: Es wird ein Schlachtfest werden … Preston hat mich belogen. Er hat nur so getan, als wäre er tot. Und ich Idiot bin auf ihn hereingefallen. Diesmal nicht. Oh nein. Diesmal wird es ihn zerfetzen, das garantiere ich dir. Oh, Sheila, das wird besser als der beste Sex sein, das schwöre ich dir!“
Sheila lächelte und schmiegte sich an ihn. „Du bist ein lieber Kerl, ich wusste es.“