Читать книгу Tödliche Geschwister - Jo Caminos - Страница 9
5. Kapitel
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„Freust du dich auch schon auf Vegas?“ Dan Miller warf seiner Frau Barbra, die auf dem Beifahrersitz saß, einen schnellen Blick zu.
Barbra war in Gedanken gewesen. Die Monotonie der Landschaft hier auf der Interstate 15 hatte sie etwas schläfrig werden lassen. Sie sah ihren Mann von der Seite her an und lächelte. Dan meinte es ja gut, also wollte sie ihn nicht enttäuschen. Las Vegas war nie ihr Ding gewesen, trotzdem hatte sie begeistert zugestimmt, als Dan ihr vorschlug, den fünfundzwanzigsten Hochzeitstag in Las Vegas zu feiern, fernab von der Familie und all den Gästen, die wohl ein rauschendes Fest erwartet hatten. Ihre Silberhochzeit sollte ihnen gehören, sonst niemandem, darauf hatten Dan und sie sich schnell geeinigt. Den Hochzeitstag selbst würden sie in einem 5-Sterne-Hotel in Vegas verbringen und dann noch eine Woche dranhängen. Sie beide waren stark in ihrem Job eingespannt und hatten sich eine Auszeit mit vollem Verwöhnprogramm redlich verdient.
„Ach Dan, Schatz, natürlich freue ich mich. Ich weiß gar nicht, wann wir beide das letzte Mal Gelegenheit hatten, die Seele so richtig baumeln zu lassen. Das muss eine Ewigkeit her sein …“ Sie legte ihm sanft die Hand auf den Arm.
Dan strich ihr kurz über die Hand. Nach all den Jahren liebte er sie noch immer. Vielleicht sogar mehr, als in den Jahren zuvor. Ihre Liebe war gewachsen, auch wenn es hin und wieder Differenzen gegeben hatte. Eine Ehe ohne Schraffuren gab es eben nicht. Und wie eintönig wäre es doch, wenn jeden Tag grenzenlose Harmonie herrschen würde, so wie bei Harry und Charlotte, einem befreundeten Ehepaar. Dan hatte Harry einmal darauf angesprochen, dass es zwischen ihm und Charlotte niemals Streit gab, doch Harry hatte lediglich gemeint: „Wir haben uns nicht so viel zu sagen, dass es Streit geben könnte …“ Nein, da war Dan doch froh darüber, dass er und Barbra sich nach wie vor fetzen konnten wie zu Studienzeiten. Sie beide galten als starke Persönlichkeiten, manche sagten auch Sturköpfe dazu. Aber so etwas konnte das sprichwörtliche Salz in der Suppe für eine Beziehung bedeuten - nicht wie dieses langweilige auf eitel Sonnenschein machen, das viele Paare als so erstrebenswert ansahen.
„An der Beacon Station tanke ich noch einmal nach“, sagte Dan kurz darauf. Er meinte eine der letzten Tankstellen auf der Interstate 15 vor der Staatsgrenze nach Nevada.
Barbra seufzte innerlich auf. Sie hatte die Wüste nie gemocht. Nur Felsen, Schotter, Sträucher und einige verkrüppelt wirkende Josua-Palmlilien, die auch Yuccas genannt wurden. Der Asphalt flirrte vor Hitze. Glücklicherweise war im Wagen selbst dank der Klimaanlage nichts davon zu spüren. Dan sah sie kurz von der Seite her an. „Der Tank ist zwar noch halb voll, aber auf diesen Strecken durch die Wüste, gehe ich lieber auf Nummer sicher. Kennst mich ja …“
Barbra nickte. „Alter Sicherheitsfanatiker.“ Sie grinste. „Ist nicht böse gemeint, hast ja recht. Wie weit ist es von der Beacon Station noch bis nach Vegas?“
„Ach, so um die 100 Meilen. Ist nicht mehr weit. Sollen wir nachher kurz anhalten? Vielleicht einen Abstecher in Primm?“
Barbra schüttelte den Kopf. „Lass uns einfach durchfahren. Ich mag die Mojave nicht. Ist alles so karg. Und Primm besteht doch nur aus Kasinos - ohne den Reiz von Vegas zu besitzen.“ Links und rechts der Fahrbahn war etwas Grün zu sehen, verdorrte Sträucher und Gräser, die unter der Hitze dieses extremen Sommers genauso zu leiden schienen wie die Menschen. Ansonsten wirkte die Landschaft öde. Selbst Yuccas waren mittlerweile eher selten. Der Streckenverlauf schien schnurstracks ins Nichts zu führen. Immer nur geradeaus. Am Horizont war eine durch Hitzeflirren verschwommen erscheinende Bergkette zu erkennen. Es war kurz vor Mittag. Es herrschte nur wenig Verkehr.
„Das stimmt“, meinte Dan lächelnd. „Aber ich muss an die Desperado denken.“ Er meinte die über 69 m hohe Achterbahn des Buffalo Bill’s Resort & Casino, die bis vor Kurzem als größte Achterbahn der Welt galt.
„Oh du meine Güte, nein!“ Barbra lachte auf. „Da bringen mich keine zehn Pferde mehr drauf. Wenn ich daran denke, wie schlecht es mir damals war. Nein, wirklich Dan, die Zeiten sind vorbei.“ Vor einigen Jahren hatten Dan und Barbra mit zwei befreundeten Ehepaaren einen Kurztrip ins Buffalo Bill´s Resort unternommen und dabei natürlich auch die größte Achterbahn der Welt testen müssen. Dan, der von Jugend an begeisterter Achterbahn-Fan war, hatte seinen Spaß gehabt; seinen beiden Kumpels war die Fahrt nicht ganz so gut bekommen. Und auch seine Frau war etwas grün im Gesicht gewesen, als die Fahrt zu Ende war.
Dan runzelte die Stirn. „So alt sind wir auch wieder nicht. Na ja …“ Er stutzte für einen Moment. „Ist das jetzt wirklich schon wieder zehn Jahre her, dass wir im Bill´s Resort waren …? Gott, wie die Zeit vergeht.“
„Stimmt - manchmal habe ich auch das Gefühl, die Zeit würde davonrasen. Und vergiss nicht, Schatz. Ich war nie die große Achterbahn-Fahrerin. Schon vergessen?“
Dan schien für einen Moment zu schmollen, doch dann lächelte er wieder. „Okay, Schatz. Ich weiß.“
Sie fuhren einige Minuten schweigend weiter. Einige Trucks schienen es eilig zu haben und überholten sie.
„Mein Gott, Barbra, weißt du eigentlich, wie froh ich bin, dass wir uns von unseren Freunden nicht haben irremachen lassen? Wenn ich daran denke, dass Patty für uns eine Riesenparty veranstalten wollte …“ Er meinte eine liebenswerte Nachbarin, die es allerdings hin und wieder etwas zu gut meinte und einem damit ziemlich auf die Nerven gehen konnte. Vielleicht lag es daran, dass Patty seit Jahren Witwe und bis dato solo geblieben war. Mehr als einmal hatte sie Dan und Barbra Miller gegenüber ihre Einsamkeit geklagt. Die Ehe mit ihrem verstorbenen Mann war kinderlos geblieben.
„Oh je - Patty …“ Barbra lachte. „Nein, nein, die Tage in Las Vegas gehören uns, Schatz. Uns ganz alleine.“
„Eben“, meinte Dan. „Ich glaube, das wird ein Riesenspaß.“
Hätte er gewusst, was sie erwartete, hätte er schleunigst umgedreht. So aber fuhren sie in froher Erwartung auf Las Vegas weiter durch die Mojave ihrem Schicksal entgegen …