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Kapitel 14

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Eine schier endlose Reihe Laster schleppte sich den Anstieg hinter der Raststätte Teutoburger Wald die A2 hoch. Obwohl sein Caddy von Robben & Wientjes locker an der Karawane hätte vorbeiziehen können, wagte es Benjamin Krause nicht zu überholen.

Stattdessen starrte er unentwegt und immer nervöser werdend abwechselnd in den linken oder in den rechten Außenspiegel seines Autos. Seit ungefähr einer halben Stunde wusste er, dass er verfolgt wurde. Darin bestand für ihn kein Zweifel mehr.

Aufgefallen war ihm der silberfarbene Audi schon kurz hinter Milmersdorf, als er losgefahren war.

Nanu, wo kommt der denn plötzlich her, hatte er gedacht und sich dann nicht weiter darüber gesorgt.

Welche Strecke er Richtung Westen fahren sollte, war ihm nicht angewiesen worden, also fuhr Benjamin Krause zurück die B 109 bis nach Wandlitz, wählte dann den Berliner Ring und schließlich die A2 Berlin-Hannover-Osnabrück. Kurz hinter der ehemaligen deutsch-deutschen Grenze fiel ihm der silberfarbene Audi das zweite Mal auf.

Woher kommt der denn plötzlich wieder? dachte er und wurde neugierig.

Das Schwierige war, dass es in dem Caddy keinen Innenspiegel gab. Der geschlossene Kasten verhinderte den Blick nach hinten. So war Benjamin Krause gezwungen, die Außenspiegel zu benutzen. Und das bedeutete, um besser sehen zu können, ständig die Spur zu wechseln. Er wechselte die Spur, guckte, wechselte die Spur, guckte. Der Audi folgte.

Kurz hinter Wolfsburg nannte er sich einen hysterischen Depp, weil der Audi verschwunden war. Er blieb verschwunden bis zum Autobahndreieck Porto Westfalica und Benjamin entspannte sich. Und plötzlich war er wieder da. Direkt hinter ihm. Nicht zu übersehen. Benjamin wurde nervös und begann nun zu rauchen, als gelte es eine Meisterschaft im Schnell-Rauchen zu gewinnen.

Er schaltete das Radio aus, schaltete es ein und fixierte mit zusammengekniffenen Augen das winzige Audibild in einem der Seitenspiegel, in der Hoffnung, dass es vielleicht wieder verschwand. Es blieb. Mal überlegte er, so scharf zu bremsen, dass ihm sein Verfolger ins Heck krachte, mal überlegte er, die nächstbeste Abfahrt zu nehmen, das Auto irgendwo abzustellen und davon zu rennen.

Zwischendurch redete er sich immer wieder ein, dass er einfach nur von seinem Auftraggeber kontrolliert wurde, um seine Zuverlässigkeit zu testen. Schließlich war das sein erster Auftrag. Sollte irgendein Gangster hinter ihm her sein, um ihm das abzujagen, was er transportierte, handelte der Typ jedenfalls grob fahrlässig. Er hatte schon mehrere Möglichkeiten verstreichen lassen, relativ gefahrlos an die vermeintliche Beute zu gelangen. Einmal an der Autobahnraststätte Marienborn und einmal auf dem Parkplatz in der Nähe von Braunschweig während einer Pinkelpause.

Bliebe noch die Möglichkeit, dass die Bullen ihn observierten. Aber das wäre nur dann sinnvoll, wenn er etwas Illegales tat. Nun, das tat er vermutlich. Er war Kurier. Für was auch immer. Sein Auftraggeber war ihm unbekannt. Selbst schuld, dachte er und sein Blick flatterte zum wiederholten Male zum linken Außenspiegel des Caddys.

Er las die Aufschrift auf der Plane des Lkws vor ihm: Wenn Sie Ihren Joghurt oder Ihr Frühstücksmüsli per E-Mail verschicken können, sehen wir uns nie wieder.

Benjamin wurde sentimental. Da er im Moment das Radio ausgeschaltet hatte, begann er zu summen und dann zu singen. „Rape me! Rape me, my Friend.“

Im Grunde hatte er keine Ahnung, was er jetzt machen sollte. Seine Erfahrungen mit Verfolgern waren gleich Null. Der Ex-Freund seiner Ex-Geliebten hatte ihn einmal verfolgt. Der Typ stand tagelang vor seiner Wohnung und tat als wäre er ein gottverdammter Privatdetektiv. Als er dann sogar vor dem Behindertenwohnheim aufkreuzte, platzte Benjamin der Kragen. Er ging geradewegs auf ihn zu und wollte ihn zur Rede stellen.

„Du fickst meine Freundin“, hatte der Typ ihn angeblafft und ohne Vorwarnung zugeschlagen. Benjamin Krause sah daraufhin einen merkwürdigen Sternenhimmel und wollte außer sich vor Wut zurückschlagen, treten oder irgendetwas tun. Aber der Typ war schon davon gerannt. Gesehen hatte er ihn seitdem nicht wieder.

Vielleicht wäre das eine Idee, dachte er. Anhalten, aussteigen und den Verfolger zur Rede stellen. Und was, wenn der einfach das Gaspedal durchtrat? Schon sah er sich mit gebrochenen Gliedmaßen durch die Luft wirbeln. Nur, wie sollte er sich jetzt verhalten?

Einen Moment dachte er daran, jene Handynummer zu wählen, um dem unbekannten Auftraggeber seine Situation zu erklären. Was aber, wenn der tatsächlich jemanden damit beauftragt hatte, ihn zu überwachen. Bis auf die Knochen würde er sich blamieren, möglicherweise das erste und das letzte Mal gefahren sein und die neue Wohnungseinrichtung vergessen können. Diese Möglichkeit wollte er auf gar keinen Fall riskieren.

Da ihm die Erklärung, dass sein Auftraggeber ihn vermutlich überwachte, am vernünftigsten erschien, beschloss Benjamin den silberfarbenen Audi zu ignorieren. Vor ihm wälzte sich noch immer die LKW-Karawane. Er setzte den Blinker und beschleunigte. Der Caddy von Robben & Wientjes flog an den Lastern vorbei und der silberfarbene Audi folgte. Leck mich doch, dachte Benjamin Krause und erneuerte seine Ignorier-Taktik.

Er ärgerte sich darüber, dass er es versäumt hatte, wenigstens eine CD seiner Lieblingsmusik mitgenommen zu haben, dann fiel ihm ein, dass er ja bestohlen worden war. Die kleinen Schweißperlen, die sich mittlerweile auf seiner Stirn gebildet hatten, ignorierte er.

Benjamin murmelte leise seine Zieladresse und betrachtete die vor ihm ausgebreitete Landschaft. Die Autobahn schlängelte sich durch saftige Wiesen und Felder, in denen die kleinen Ortschaften wie hinein gemalt wirkten. Schön ist es hier, dachte er. Vielleicht sollte ich meinen nächsten Urlaub im Münsterland verbringen. Sofort sah er sich mit Anja die Radwege zwischen den Feldern entlang radeln. Und bis dahin besäße er auch genügend Kleingeld, träumte Benjamin, nun schon fast wieder beruhigt.

Da er inzwischen einen kleinen Hunger verspürte, überlegte er, die nächste Raststätte anzusteuern, um sich vielleicht Pommes oder eine Boulette zu kaufen. Gleichzeitig dachte er, dass der Bericht des engagierten Aufpassers vermutlich besser ausfallen würde, wenn er die Strecke ohne weitere Pausen bewältigte. Den unbekannten Auftraggeber würde es freuen. Also bekämpfte Benjamin Krause den kleinen Hunger mit einer Zigarette, straffte seine Schultern und fuhr weiter.

Kurz vor der niederländischen Grenze war seine Ignorier-Taktik endgültig Essig.


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