Читать книгу Planet Mars sehen und sterben - 3 Romane Großband - Jo Zybell - Страница 12

6

Оглавление

Das ferne Heulen der Triebwerke verstummte endgültig. Noch wogte das Laubdach des Waldes hin und her, doch schon verebbte das Rauschen der Blätter. Das Raumschiff auf dem Flugfeld stand still. Wie Ausläufer eines Orkans waren die aufgewirbelten Luftmassen weit über die Stadtgrenzen hinaus bis tief in den Wald gebraust.

Nach dem Blätterrauschen war das vielstimmige Summen und Singen unter dem größten Baum am Rande des Kraterinnenhangs nun umso deutlicher zu hören. Hoch oben in seiner Krone tönten die Führungsstimmen.

Was ein Vogel oder der Pilot eines Luftschiffes für eine späte und ungewöhnliche Blüte im Wipfellaub des alten Ginkgos gehalten hätten, war in Wirklichkeit der weiße Schopf eines jungen Waldmannes. Schwarzstein. Sein Bass pendelte gleichmäßig zwischen zwei Tönen hin und her, sein Zwerchfell, sein Brustkorb und die Kehle vibrierten.

Der Schüler des Baumsprechers warf einen letzten Blick nach Norden. Klein wie eine silbrige, harmlose Käferlarve wirkte das widerliche Schiff auf dem knapp sieben Kilometer entfernten Raumhafen. Über achthundert Kilometer entfernt schälten sich die Umrisse eines Gipfels aus dem Licht des neuen Morgens: der Elysium Mons. Aus dieser Entfernung nur eine spitze Erhebung am Horizont, tatsächlich aber ein ungeheures Bergmassiv.

Schwarzstein lockerte seinen Griff um die Äste. Behutsam und fast geräuschlos führte er sie in ihre Ausgangsstellung zurück. Dichtes Laub verdeckte nun die Sicht auf Raumhafen, Stadt und Berg. Er blickte hinauf zu Windtänzer. Mit einer Kopfbewegung bedeutete sein Lehrer ihm und Aquarius, wieder hinab zu den anderen zu steigen.

Windtänzers kräftiger Bariton gab die Grundmelodie des Gesanges vor, und Aquarius ließ seinen glockenhellen Tenor über der Hauptstimme und dem Chor tanzen. Während der Landung des Monstrums hatten sie den Gesang angestimmt.

Ein Gesang, der den Wald trösten und beruhigen sollte und ihm zugleich erklärte, was der Abstieg des eisernen Kolosses aus dem Marshimmel zu bedeuten hatte.

Vor mehr als siebzig Stunden waren sie aus der Felsenklause des Uralten aufgebrochen. Angesichts der drohenden Gefahr hatte der Meister ihnen gestattet, einen Gleiter in das Grenztal zu rufen. Ohne das Fahrzeug hätten sie sieben oder acht Tage bis hierher an die Nordwestseite von Elysium gebraucht.

Die drei Männer unterbrachen ihren Gesang nicht, während sie aus dem Baum kletterten; nicht einmal, als sie von den unteren Ästen ins Moos hinunter sprangen. An die dreißig Männer und Frauen aus Windtänzers Sippe standen im Kreis mit den Rücken zum Baumstamm und sangen das vielstimmige Lied in den Wald hinein. Auch die alte Städterin Vera Akinora Tsuyoshi hatte sich unter den Chor gemischt. Im Laufe der langen Jahre, die sie schon im Wald lebte, waren die Lieder des Waldvolkes ihre Lieder geworden.

Der Chor drehte sich langsam um, die Blicke der Männer und Frauen suchten den Baumsprecher. Windtänzer hob die Arme und schloss seine dunkelgrünen, leicht schräg stehenden Augen.

Seine Haut hatte die Farbe des Eises auf den höchsten Gipfeln in den Grenzlagen der Wälder. Unzählige braune Pigmentstreifen bedeckten sie. Seine Ohren und Nase waren auffällig lang und schmal.

Der hymnische Schlussgesang des Chores verhallte zwischen den Stämmen und in den Kronen. Windtänzer ließ die Arme sinken und öffnete die Augen. Eine Zeitlang schwiegen alle. Bis Windtänzer die Lippen schürzte und ein leises Zirpen anstimmte. Im Unterholz begann es zu rascheln, Sträucher und das Geäst von Büschen bewegten sich da und dort. Fußhohe und bis zu achtzig Zentimeter lange Käfer wurden sichtbar, schwärzlich braune Burschen mit langen Fühlern, kräftigen Kauzangen und kurzen haarigen Rüsseln.

Sie zogen kleine Wagen durch das Unterholz. Die Holzvehikel hatten jeweils vier hohe Räder aus einem korkartigen Material und waren mit Körben und Kisten beladen, in denen die Waldleute auch sonst ihre Waren zu den Straßenmärkten der Städte transportierten.

»Hier trennen sich unsere Wege«, sagte Windtänzer. »Zwölf gehen mit Morgenblüte zum Regierungsgebäude und errichten die Stände.« Die rothaarige Morgenblüte war Windtänzers einziges Kind. Trotz ihrer gerade einmal acht Marsjahre galt sie als umsichtig und mutig.

»Neun gehen mit Rosen und Felsspalter zur Luftschiffstation am Raumhafen.« Rosen, des Baumsprechers Lieblingsfrau, und Felsspalter hatten grüne Locken. Bedingt durch die schwere Arbeit mit seinem Lieblingsstoff – Stein – fiel Felsspalter durch einen muskulösen Körper auf. Sonst sah er seiner Zwillingsschwester zum Verwechseln ähnlich. Die Unzertrennlichkeit der Geschwister war sprichwörtlich unter den Waldleuten der südwestlichen Sippen.

»Drei begleiten Dame Vera Akinora Tsuyoshi in die Stadt«, schloss Windtänzer. »Die anderen gehen mit meinen Schülern und mir. Das Glück des reifen Augenblicks, die Kraft des Felsens und die Klugheit des Waldes mögen euch begleiten.«

Planet Mars sehen und sterben - 3 Romane Großband

Подняться наверх