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»Da!« Der alte de Villa schob seinen Rollstuhl dicht an die Konsole und deutete auf den Monitor. »Der Blonde! Das muss er sein!« Der Mann, den er meinte, stieg zwischen zwei Besatzungsmitgliedern der PHOBOS über eine ausgefahrene Teleskoptreppe zum Flugfeld hinab.

»Wie klein er ist«, sagte der zweite, weitaus jüngere Mann im Raum. »Und wie gedrungen.« Er stand hinter dem Rollstuhl seines Großonkels, hielt die Arme vor der Brust verschränkt und fixierte den Monitor. Sein Name war Ettondo Lupos de Villa. »Sieht aus wie ein primitiver Raufbold. Bist du sicher, dass er was im Kopf hat? Am Ende lohnt sich die ganze Aufregung überhaupt nicht.«

Ettondo Lupos trug sein schwarz gefärbtes Haar streng zurückgekämmt und zu einem festen Dutt geflochten und gebunden. Die Ansätze seiner in einen Backenbart mündeten Koteletten und seines langen und dünnen Schnurrbarts waren weiß. Unter knielangen Hosen aus Kunstfasern trug er rote Strümpfe, unter seiner schwarzen Weste eine rote Samtjacke.

Eine künstliche weiße Blüte zierte seinen breitkrempigen Hut; eine gekrümmte Scheide, aus der ein mit Edelsteinen besetzter Griff ragte, hing an seiner rechten Hüfte. Scheide, Ohr- und Fingerschmuck waren aus Goldimitat.

»Gibst du immer noch so viel auf Äußerlichkeiten?«, krächzte der Alte im Rollstuhl. »Erinnere dich an die Bilder von John Carter und seinen Pionieren.« Er bedachte den Jüngeren mit einem tadelnden Blick und wandte sich dann wieder dem Monitor zu. »Was der Blonde da im Kopf hat, können wir erst nach seiner Vernehmung mit Sicherheit sagen. Bis dahin gehen wir davon aus, dass er wertvoll für uns sein wird.«

Ettondo Lupos repräsentierte das Haus der de Villa im Rat.

Mit zweihundertsechs Zentimetern war er relativ klein, dafür waren seine Schultern breiter und seine Oberschenkel und Handgelenke kräftiger als die eines durchschnittlichen Marsmannes. Im Vergleich mit seinem Großonkel allerdings ging er noch als normal proportioniert durch. Der alte Jarro Fachhid de Villa, Ettondos Vorgänger als Ratsdelegierter des de Villa-Clans, war massig und fett geworden, seit er im Rollstuhl saß.

»Dame Rätin Paxton!« Jarro Fachhid kicherte. »Wer hätte gedacht, dass sie als Resozialisierungsfall zurückkehren wird?«

In der Mittelluke des Schiffes war die Gestalt der Ratsdame erschienen, auch sie flankiert von zwei Personen. Zumindest in regierungsnahen Kreisen hatte sich ihre Verhaftung herumgesprochen.

»Resozialisierung?« Ettondo Lupos zog die schwarzen Brauen hoch. »Wenn die Berichte von Bord der PHOBOS der Wahrheit entsprechen, dürfen wir mit ihrer lebenslangen Verbannung rechnen. Ein schreckliches Schicksal, aber im Rat wird jeder heimlich aufatmen.«

Die wegen Mordverdacht festgenommene Ratsdame wurde ebenfalls die Treppe hinunter und zu einem Großraumgleiter geführt. Angeblich hatte sie auf der Mondstation eine von der Erde kommende Urahnin des Hauses Tsuyoshi getötet. Unvorstellbar eigentlich; die Entdeckung fast noch mehr als der angebliche Mord.

»Haben sie im Hause Paxton schon einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin für sie berufen?«, wollte der Patriarch wissen.

»Ihre Beraterin wird ihr Amt übernehmen, Kyra Jolana Paxton.«

»Die Metallurgin und Triebwerksspezialistin?«

Ettondo nickte.

»Das ist eine gute Nachricht!« Jarro Fachhid de Villa rieb sich die welken Hände.

»So ist es, verehrter Jarro Fachhid, und wir dürfen mit Recht darauf hoffen, dass Sie sich einen Berater suchen wird, der die Raumfahrt ebenfalls befürwortet.«

Noch immer beobachteten beide Männer den Monitor. Der Erdmann hatte das Fahrzeug schon fast erreicht. Seine beiden Begleiter kostete es einige Mühe, ihn festzuhalten.

»Sieh nur, was für große Schritte er macht.« Wieder kicherte der Patriarch des de Villa-Hauses. Diesmal amüsierte er sich über den Fremden. »Er kämpft mit der geringen Schwerkraft. Wenn sie ihn nicht gut festhalten, wird er noch über den Gleiter springen.«

»Glaub ich nicht.« Ettondo schüttelte den Kopf. »Denk doch, wie dünn unsere Luft für ihn sein muss. Wenn die Sauerstoffkonzentration in seinen Erythrozyten erst einmal sinkt, werden ihm die großen Schritte von allein vergehen.«

Jetzt schoben sie den Erdmann durch die Heckluke des Gleiters und stiegen hinterher. Die Ratsdame Meta Khalem Paxton führte man zu einer Luke hinter dem Cockpit des Großraumgleiters. Nacheinander stiegen auch die übrigen Besatzungsmitglieder des Mondshuttles ein. Der Gleiter startete und hob ab.

Die Kameraführung erlaubte jetzt einen Blick zur Aussichtsterrasse des Raumfahrtzentrums. Sie war voller Menschen. Auch vor dem Gebäudekomplex selbst und vor allem auf dem Dach des Parkhauses hatten sich Tausende von Bürgern versammelt. »Sie haben Fernrohre und Feldstecher mitgebracht«, sagte der Patriarch. »Sieh nur, wie sie glotzen!«

Er kicherte schon wieder. »Als hätte der Gleiter eine transparente Karosserie.«

Unter normalen Umständen wäre Jarro Fachhid de Villa ebenfalls zum Raumhafen gefahren, um den Erdmann zu sehen. Als in Ehren aus dem Amt geschiedenes Ratsmitglied hätte er sogar das Recht gehabt, die Besatzung der PHOBOS am Ausstieg willkommen zu heißen. Er hatte jedoch keine Möglichkeit, sich zum Raumhafen oder sonst wohin bringen zu lassen, und schon gar nicht war er in Ehren aus dem Amt geschieden. Beides hatte unmittelbar miteinander zu tun.

Der Patriarch schaltete den Monitor aus, und das Bild verblasste.

Für die Übertragung hatte übrigens die Außenkamera eines Regierungsfahrzeugs gesorgt. Eigentlich illegitim, doch als Patriarch eines Hauses mit besten Verbindungen zum Ratsdelegierten des eigenen Hauses standen einem Möglichkeiten offen, über die Normalsterbliche nicht ohne Weiteres verfügten.

Mit kraftvollen Bewegungen seiner Arme und Hände steuerte er seinen Rollstuhl zu einem Arbeitspult vor der Fensterfront des Raumes. Hinter ihr ragten Kuppeln und Wohntürme auf. Zwei Luftschiffe schwebten vorüber. In der Ferne konnte man die Konturen des Elysium Mons mehr ahnen als sehen.

»Welche Pläne hat der Rat?« Der Patriarch faltete seine kräftigen Hände auf der Pultplatte.

»Offiziell sind für heute der Bericht von Expeditionsleitung und Kommandantin geplant. Für morgen dann die Vernehmung des Erdmanns.«

»Und inoffiziell?«

»Dame Cansu Alison Tsuyoshi hat eine Spezialistin beauftragt, den Fremden auf Schritt und Tritt zu begleiten, eine Regierungsmitarbeiterin. Sie beherrscht einige alte Sprachen und die Geschichte der Erde vor der Marsexpedition.«

»So, so, eine Spezialistin …« Der Patriarch spielte mit den letzten weißen Haarsträhnen, die ihm noch geblieben waren. Einsamen Fransen gleich hingen sie ihm von seinem spitzen Kahlkopf. »Unsere verehrte Dame Präsidentin will sich wohl einen Informationsvorsprung verschaffen.«

»Es sieht ganz danach aus.«

»Und was hast du dem entgegen gesetzt?«

»Ich hatte Gelegenheit, die Garderobe zu begutachten, die wir dem Erdmann während seines Aufenthaltes auf dem Mars zur Verfügung stellen.« Ettondo Lupos nahm die Arme von der Brust, verschränkte sie auf dem Rücken und schlenderte zu dem Ranghöheren am Pult. »Mit anderen Worten: Kein Satz, den die Spezialistin und der Fremde wechseln, wird uns entgehen.«

»Sehr gut, mein lieber Ettondo, ausgezeichnet. Dann bleibt vorläufig nichts anderes zu tun, als aufmerksam die Ratssitzungen zu verfolgen, vor allem das Verhör. Danach werden wir weitersehen.« Der Patriarch griff nach einem kleinen gerahmten Standfoto und betrachtete es. »Mit dem legendären Verstand der de Villas, mit einigen genialen Ideen und mit ein wenig Glück werden wir das Optimum für unser Haus herausholen.«

Das alte Foto zeigte eine junge, ungewöhnlich schöne Frau.

Die handschriftliche Widmung lautete:

In großer Wertschätzung. Vera Akinora.

Diese Frau war verantwortlich dafür, dass er heute nicht am Raumhafen sein konnte. Er hatte sie sein Leben lang geliebt. Vergeblich.

Jahrelang hatte er unter ihrer Präsidentschaft im Rat gesessen. Bei den großen Unruhen vor dem Start zur Erdexpedition vor sieben Marsjahren war Vera Akinoras Berater und Gatte … nun ja: eines unnatürlichen Todes gestorben. Von dem Verdacht, eine Mitschuld an seinem gewaltsamen Tod zu tragen, hatte Jarro Fachhid de Villa sich nie reinwaschen können. Obwohl man ihm nichts nachweisen konnte, war er seines Amtes enthoben worden.

Der Ratsherr Ettondo Lupos de Villa blickte auf seinen PAC, seinen Persönlichen-Armband-Computer. »Es ist schon spät. In einer halben Stunde wird Dame Maya Joy Bericht erstatten. Ich muss gehen.« Er verneigte sich. »Einen friedlichen Tag wünsche ich dir, verehrter Jarro Fachhid.«

»Danke, danke, mein Lieber.« Der Patriarch winkte ab.

»Eines noch, Ettondo: Auf welchem Wege wirst du mich über die aktuellen Entwicklungen auf dem Laufenden halten?«

»Über den derzeitigen Bettgefährten meiner Beraterin. Er stammt aus dem Hause Paxton.«

Planet Mars sehen und sterben - 3 Romane Großband

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