Читать книгу Parsifal - Joachim Stahl - Страница 12
Оглавление2. Szene
Als Taunsend die Landekammer I betrat, empfand er wie immer ein Gefühl tiefer Zuneigung für das diskusförmige Schiff darin, das auf einem Magnetkissen ruhte. Er fragte sich, ob er seine Frau, die in der ORB-Verwaltung auf Moran arbeitete und gerade ihr erstes gemeinsames Kind im Bauch trug, wohl auch so häufig anhimmelte. Vermutlich nicht.
Fast zärtlich ließ er den Blick über die in tiefdunklem Grauton schimmernde Metallhülle gleiten. „GIORDANO BRUNO I“ stand in metergroßen roten Lettern als offizielle Bezeichnung nahe des Schiffsäquators, der einen Durchmesser von rund 170 Metern hatte. Auf der gegenüberliegenden Seite prangte in ebenso großen Buchstaben der Eigenname „DIANA“ neben dem Hoheitssymbol Morans, das aus einem goldenen Sternenkranz in einem scharlachroten Quadrat bestand. Dreieckig aus dem Äquator ragten die Projektoren der Kaskadenschutzschilde. Die verheerenden Lichtwerfer, Angriffswaffen auf Laserbasis, waren hinter ihren Luken verborgen, ebenso das Abschussrohr des sogenannten Overkills, der ganze Planeten zerstören konnte.
Über 30 Meter hoch war der Raumkreuzer, dessen Kommandant Taunsend seit nunmehr gut einem Jahr war. Davor war er drei Jahre Astrogator auf einer Fregatte der moranischen Kriegsflotte gewesen, ehe er auf der Raumakademie den Ausbildungslehrgang zum Kreuzerkommandanten erfolgreich abgeschlossen hatte und zugleich zum Major befördert worden war.
Mit federnden Schritten seiner langen, dünnen Beine betrat er den Einstieg des Teleskoplifts, der den Bauch des Kreuzers mit dem Hangarboden verband, drückte auf den mittleren der drei Schaltknöpfe an der metallenen Seitenwand und ließ sich emportragen. Die DIANA war in sechs Decks untergliedert, doch vom Zentrallift aus waren nur drei davon direkt erreichbar. Die übrigen Decks enthielten Maschinenräume, die durch andere Aufzüge angesteuert werden mussten.
Leutnant Jon Entwissel und Fähnrich Amadeus Buffon hoben synchron die Köpfe, als Taunsend die Kommandozentrale des Raumkreuzers betrat. Beide trugen die im Dienst vorgeschriebenen grüngrauen Bordkombinationen der moranischen Raumflotte, an deren linker Brustseite Name und Rangbezeichnung des Trägers zu lesen waren.
Taunsend nickte ihnen grüßend zu. „Kio, Ronja und Toni sind an ihren Plätzen?“
Der Kommunikationsspezialist Buffon betätigte in seiner etwas fahrigen Art die Kontrollen seines Leitpultes. „Ja, unsere drei Muskeltiere sind alle startklar.“ Seine Stimme klang wie üblich leicht krächzend.
Entwissel, Astrogator des Raumkreuzers, runzelte missbilligend die Stirn, die von schulterlangen schwarzen Haaren eng umrahmt wurde. „Kannst du deine Kalauer vielleicht mal auf die dienstfreie Zeit beschränken, Amadeus?“
Buffon warf ihm einen verwirrten Blick aus seinen braunen Knopfaugen zu. „Kalauer? Was meinst du damit?“
Taunsend seufzte. „Amadeus merkt das gar nicht, Jon. Du kennst ihn doch mittlerweile auch schon ein paar Monate. Er kann nicht anders reden. Es muss sich um irgendeine psychische Störung handeln.“
Er warf einen prüfenden Blick auf den für die Kommunikation zuständigen Fähnrich mit den kragenlangen braunen Haaren und dem schmalen Gesicht, der sich verlegen lächelnd wieder seinem Schaltpult widmete.
Buffon und die Armierungsspezialistin Toni Walker waren als Letzte zur Mannschaft gestos-sen. Ihre Vorgänger, beides langgediente Leutnants, waren den Weg gegangen, den auch Taunsend vor einigen Jahren eingeschlagen hatte, und hatten sich zu Weiterbildungskursen in der Raumakademie eingeschrieben. Mit Bedauern dachte Taunsend an sie zurück. Die sehr tüchtige Kommunikationsoffizierin und der herausragende Waffenexperte hatten leider nur etwa ein dreiviertel Jahr unter seinem Kommando gedient. Ihre Nachfolger waren noch sehr jung und entsprechend unerfahren. Walker, eine zierliche Frau mit kurzen dunklen Haaren und grünbraunen Augen, wirkte seltsam distanziert und nach wie vor wie ein Fremdkörper in der Mannschaft. Buffon hingegen bemühte sich zwar spürbar um seine Integration, aber mit einigen Marotten strapazierte er zugleich regelmäßig die Nerven der vier älteren Besatzungsmitglieder.
Taunsend wandte sich an Buffon und musterte ihn streng. „Bereite eine Durchsage an die Besatzung durch, Amadeus.“
Eifrig flogen Buffons feingliedrige Hände über die Steuerungsempfänger seines Schaltpultes. Untüchtig war der junge Bursche nicht, vielleicht würde aus ihm irgendwann tatsächlich ein brauchbares Mitglied der moranischen Expeditionsflotte. „Alles breit, Chef, du kannst Lose legen.“
Taunsend strich sich eine lange Strähne aus der Stirn und blickte in das Aufnahmegerät des Kommandantenpultes. Mit einem kurzen Räuspern klärte er seine Stimme. Auf dem Visiophon vor ihm sah er als Hologramme die fünf gespannten Gesichter seiner Besatzung. Auch Entwissel und Buffon blickten ihn über ihre Aufnahmegeräte an, obwohl sie sich im selben Raum wie er befanden. „Meine Damen, meine Herren, gleich wird der Startbefehl von der BRUNO kommen, dann legen wir ab. Amadeus wird kurz darauf unsere genauen Zielkoordinaten empfangen. Jon steuert unsere DIANA zu dem Planetoiden Torr IV, landet aber nicht. Stattdessen schleusen wir die Phönix aus. Kio und Ronja gehen damit runter.“
Der Bordingenieur Kio Mun verdrehte in seinem engen Maschinenleitstand drei Decks unterhalb der Zentrale die Augen und fuhr sich theatralisch durch die struppigen schwarzen Haare. „Ronja wird die Gelegenheit sicher nutzen und mich in irgendwelche Büsche zerren.“
Aus den Hologrammen erklang mehrstimmiges Gelächter, nur die zierliche Ortungsoffizierin Ronja Darlfrey verzog in gespieltem Grimm das hübsche, wenngleich bereits etwas faltige Gesicht. Mit über 50 Jahren war sie das älteste Besatzungsmitglied. „Kio, du bist sogar mir viel zu dick und hässlich. Außerdem bin ich grundsätzlich nicht an Familienvätern interessiert, mach dir also nur keine falschen Hoffnungen.“ Kokett zwinkerte sie mit ihren großen blauen Augen in das Aufnahmegerät.
„Schön, dass ihr immer so guter Laune seid“, meldete sich Taunsend wieder zu Wort. „Ich hoffe, eure Stimmung steigt sogar noch höher, wenn ihr erst dort unten in der Station seid und das fröhliche Datenträgersammeln losgeht. Keine Sorge, allzu groß scheint die Anlage nicht zu sein. Innerhalb etwa einer halben Stunde müsstet ihr sie durchforstet haben. Mannschaftsquartiere und dergleichen übergeht ihr einfach, fündig werdet ihr eher in den Arbeitsräumen. Ihr seid lange genug in der Flotte, um zu wissen, wie die aussehen. Die Raumbehörde hat riesiges Interesse an diesen Datenträgern. Ihr dürft euch also einbilden, etwas Bedeutendes für die moranische Sicherheit zu tun. Ihr steigt dann mit den Fundstücken wieder in eure Phönix, bitte ohne Abstecher in die übrigens vegetationslose Oberfläche von Torr IV, und kommt schnurstracks zurück zu Papa Petrus. Nähere Einzelheiten über die ganze Angelegenheit verrate ich euch bei Interesse nach Abschluss eurer Mission.“ Er legte eine kurze Atempause ein. „Und damit uns vieren hier an Bord der DIANA in der Zwischenzeit nicht langweilig wird, hat sich ein unbekanntes Raumschiff in diesem System vor der BRUNO versteckt und weigert sich, auf unsere Funkrufe zu antworten. Man kann daraus messerscharf schlussfolgern, dass die Kameraden dort an Bord nichts Gutes im Sinn haben. Man munkelt, es könne ein Schiff der Konföderation sein. Aber mit der BRUNO und den drei anderen Kreuzern als Leibwache sollten wir in Ruhe unsere Arbeit machen können. Nur weiß man eben nie. Das Weltall ist bekanntlich wie das Leben und steckt voller Überraschungen. Also, packen wir es an und hoffen auf ein gutes Gelingen!“