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Freunde

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Am folgenden Montag kam Katrin direkt auf unseren Schwimmbadbesuch zu sprechen und wie toll sie alles fand. Ich fürchtete zunächst, sie mache sich über mich lustig, aber sie sprach ganz ernsthaft davon, sich im Schwimmklub anzumelden. Ihr enger Zeitplan schien auf einmal kein Hindernis mehr zu sein. „Ich geh nur Montag und Mittwoch. Das ist der perfekte Ausgleich zum Volleyball.“ Ich war überglücklich, versuchte mir aber möglichst wenig anmerken zu lassen. Basti hingegen reagierte mit fast schon besorgniserregender Zurückhaltung. Ich beschloss, ihn zu ignorieren.

Ich sah Katrin in dieser Woche an jedem Tag irgendwo im Schulhaus. Jedes Mal grüßte sie mich zumindest oder blieb stehen, um ein paar Worte mit mir zu wechseln. Das schien irgendeine Art von Zauber in Gang zu setzen. Es begann mit Katrins Freundinnen, die ebenfalls begannen, mir zuzunicken. Dann grüßten mich ein paar von den cooleren Jungs aus der Elften. Schließlich ging sogar der Rambo, der mich zu seinem Lieblingsopfer auserkoren hatte, nur mit einem schiefen Grinsen an mir vorbei. Ohne mir das Bein zu stellen. Ohne mir ans Ohr zu schnipsen. Ohne irgendeinen Spruch. Ich war glücklich wie nie in meinem Leben und am Freitag konnte ich die Tatsachen nicht länger leugnen.

„Basti. Ich glaube, mich hat’s erwischt.“

Grinsen.

„Scheiße.“

Schweigen.

„Katrin?“

Nicken.

„Scheiße.“

Grinsen.

Wir saßen zu zweit im Forschungskeller und unsere Wasserplatte plätscherte fröhlich vor sich hin. Basti hatte mich gerade in Rekordzeit matt gesetzt, ohne dass ich wirklich viel davon mitbekommen hätte. Er fuchtelte mit meinem König wie mit einem Messer vor meiner Nase rum.

„Ich sag das nicht gern, Petey. Aber vergiss es.“

„Sie hat sich im Klub angemeldet.“

„Das ist eine andere Liga. Nicht meine und schon bestimmt nicht deine.“

„Sie hat mich an der Schulter berührt. Im Schwimmbad.“

„Sag mal hörst Du mir überhaupt zu?“

„Sie zieht die linke Augenbraue immer so hoch, wenn sie mich ansieht.“

„Scheiße.“

„Ja. Scheiße.“

Das Wochenende zog an mir vorbei, wie in einem Nebel. Ich dachte 48 Stunden lang pausenlos an Katrin. An ihren weißen Bikini. An ihre makellose Haut. An den Stups, den sie mir auf den Arm gegeben hatte. Die Bilder standen so real vor mir, dass ich glaubte, sie berühren zu können. Es fiel mir schwer, mich auf die Welt um mich herum zu konzentrieren und wusste keinen anderen Ausweg, als auf Bastis Rat zu hören. Katrins Brüste unter den weißen Stoffdreiecken - ich rannte ins Bad. Katrins Po unter Wasser - ich rannte ins Bad. Katrins Augenbraue - ich rannte ins Bad. Meine Mutter wollte mich schon zum Arzt schleppen, weil ich ständig die Toilette blockierte. Ich erzählte von Durchfall und bekam zwei Tage lang nichts, als geriebenen Apfel, Zwieback und Banane zu essen. Aber wenn das der Preis für meine Fantasien war, dann zahlte ich ihn gerne.

Am Montag kam Katrin nicht ins Labor und ich sah sie auch nicht auf dem Flur. Beim Training war sie dann aber da. Basti und ich waren gemeinsam von der Schule zum Schwimmbad gejoggt. Viertel vor fünf standen wir außer Atem, aber in Bestform, in der Halle. Katrin zog fleißig ihre Bahnen zwischen den anderen Mädels. Sie trug diesmal einen Badeanzug, aber das änderte nichts daran, dass sich ein neues erotisches Bild in mein Gehirn einbrannte, als sie aus dem Wasser stieg. Ben nahm sie zur Seite und erklärte ihr was. Dabei legte sie ihre Hand scheinbar gedankenlos auf seinen Oberarm und lachte. Dann kam sie auf uns zu.

„Hi Jungs.“ Katrin winkte, obwohl sie direkt vor uns stand. „Viel Spaß. Ich muss unter die Dusche.“ Und schon war sie weg. „Ja. Viel Spaß!“, rief ich ihr hinterher. Dann beeilte ich mich ins Wasser zu springen.

Schon bei den ersten Kraulzügen zum Aufwärmen wusste ich: Basti hatte recht. Ich starrte auf seine Zehen, die vor mir im Wasser tanzten und wusste, er hatte recht. Katrin Morgentaler war nicht in mich verliebt. Das war unmöglich. Aber vielleicht, so hoffte ich, vielleicht würde sie sich einfach meines jugendlichen Körpers bedienen wollen, um die wilde Lust einer erwachsenen Frau zu stillen. Ich starrte ein Loch in Bastis Füße. Ich hatte das Gefühl, sein Grinsen durch die Fußsohlen sehen zu können. Ich versuchte nicht an Katrins Brüste zu denken und konzentrierte mich auf die monotonen Armbewegungen. Es funktionierte nicht.

An diesem Tag brach ich das Training zum ersten und einzigen Mal vorzeitig ab. Was ich auch versuchte - ich kam einfach nicht in meinen Schwimmmodus.

Am Dienstagnachmittag traf ich meinen Schwimmtrainer Ben vor unserer Schule und bekam eine erste Ahnung, was mit Katrin wirklich los war. Am Mittwoch beim Training sah ich, wie er zärtlich über ihren Unterarm strich und am Freitag holte Ben sie aus dem Keller ab und all meine Befürchtungen hatten sich bestätigt.

„Dreiundzwanzig. Ich kapier das nicht. Ben ist dreiundzwanzig. Ist das nicht irgendwie verboten oder so?“

Basti legte tröstend seinen Arm um meine Schulter.

„Ich hab doch gesagt: eine andere Liga.“

„Aber mal im Ernst: dreiundzwanzig. Ben könnte fast ihr Vater sein. Er ist unser Trainer. Im Grunde so was wie ein Lehrer.“ Ich wollte es verhindern, aber meine Stimme bekam unwillkürlich einen weinerlichen Klang.

„Manche stehen eben auf ältere.“

„Aber dreiundzwanzig!“

„Das sind gerade mal sieben Jahre.“

„Ja eben: sieben Jahre. Das ist doch nicht normal.“

Basti klopfte mir aufmunternd auf die Schultern.

„Hey - wir haben sie im Bikini gesehen und wir werden sie wieder im Bikini sehen. Und außerdem sind wir immer noch Forscherkollegen.“

„Forscherkollegen? Ach Scheiße!“

„Ja, Pete. Scheiße.“

Das nächste Mal sah ich Katrin in der folgenden Woche in unserem Labor wieder. Sie kam in Begleitung ihrer Freundin Lisa. Schon durch die Tür hörte man die beiden laut „Baby, we keep on smiling“ singen. Basti begrüßte sie mit seinem theatralischen Blick. „Bitte. Wer hört das denn noch?“

Die Mädels gaben sich einem Kicheranfall hin und ließen sich ihre gute Laune nicht verderben.

„Entschuldigung, bitte. Aber was versteht ihr denn von Musik?“, fragte Lisa. Katrin übernahm der Einfachheit halber die Antwort.

„Nichts, meine Liebe. Aber wir wollen uns hier unten ja auch nur der Forschung widmen. Der Forschung und nichts als der Forschung.“

Wieder prusteten beide los. Basti zuckte nur mit den Schultern warf mir einen hilflosen Blick zu. Ich beugte mich mit dem Zollstock über einen unserer Wasserbögen und trug die Ausdehnung in die Liste ein. Dann setzte ich mich zurück ans Schachbrett und täuschte angestrengtes Nachdenken vor. Katrin erklärte Lisa zuerst ihren Windkanal und danach unsere Wasserplatte. Basti ließ mich alleine sitzen und zeigte ihr den genauen Aufbau. Lisa stellte ein paar Fragen, ließ dabei deutlich erkennen, dass sie all das nicht sonderlich interessierte und verabschiedete sich. Basti verließ den Raum mit ihr, um etwas zum Trinken zu holen.

Ich war mit Katrin alleine. Ich bohrte meinen Blick auf das Schachbrett und versuchte dabei aus den Augenwinkeln zu erkennen, was sie machte. Ich glaubte zu erkennen, dass sie sich mit dem Rücken an ihren Arbeitstisch lehnte. Ich konnte nicht ganz sicher sein, aber es schien, als sehe sie zu mir rüber. Mein Puls begann anzusteigen, so dass man das Pochen in meinen Schläfen wahrscheinlich sogar sehen konnte. Ich drehte meinen Kopf nur für eine winzige Millisekunde und zuckte sofort wieder zurück. Katrin sah mich direkt an.

„Peter. Ich muss mit dir reden.“

Ich schob meinen Bauern ein Feld voran und warf ihn damit sinnlos Bastis Pferd zum Fraß vor. Dann drehte ich mich zu Katrin.

„Klar. Was ist?“

Katrins Lächeln war ein wenig gequält.

„Es ist mir ein bisschen peinlich.“

Bong. Bong. Bong. Meine Schläfen puckerten dermaßen deutlich, dass ihr das einfach auffallen musste. Aber Katrin blickte zu Boden.

„Also. Du und ich…“, begann sie.

Ich sprang auf, ging zu unserer Wasserplatte und drehte den Hahn zu. Ich wusste selbst nicht genau warum. Katrin blickte mich entgeistert an.

„Ääh, das Plätschern.“, stammelte ich. „Das nervt.“

Katrin lächelte verständnisvoll.

„Was ich sagen will. Wir beide sind doch mittlerweile sowas wie Freunde, oder?“ In ihrem Blick lag fast so etwas wie Hoffnung.

„Klar“, hörte ich mich sagen.

„Es ist wegen Ben“, rückte sie heraus. „Ich brauche deinen Rat. Du kennst ihn doch ein wenig besser, oder?“

Ich hätte mir am liebsten wie ein kleines Kind mit beiden Händen die Ohren zugehalten, aber ich nickte nur.

„Ich hoffe, Du findest mich nicht kindisch, aber…weißt du, ob er eine Freundin hat? Ich meine, wir verstehen uns wirklich gut und wir waren am Freitag sogar im Kino. Aber ich hab das Gefühl, das ihn irgendwas blockiert. Weißt Du, wie ich meine?“

„Nein“, stammelte ich.

„Na, ich weiß eben nicht, ob er bereit ist, sich auf was Festes einzulassen, verstehst Du?“

„Nein“, sagte ich noch einmal. „Nein. Er hat keine Freundin.“

In Katrins Gesicht gingen mit einem Schlag alle Lampen an. Sie strahlte mit voller Leuchtkraft.

„Echt nicht? Bist du ganz sicher?“

„Ja“ sagte ich und quälte mir ein Lächeln ins Gesicht.

„Oh Mann. Das sind fantastische Neuigkeiten, Pete. Fantastisch.“ Sie hüpfte mit zwei Schritten durch den Raum und schloss mich in die Arme. Ihr Haar duftete nach einer Mischung aus Aprikose und Wildblumen. Ihre Wange war weich wie Seide und ihre Brüste drückten mit deutlicher Spannung an meinen Oberkörper. Ich stand einfach nur da und atmete tief ein.

„Na hier wird wohl für Fackeln im Sturm geprobt, oder was“, hörte ich Basti, der plötzlich in der offenen Tür stand. Katrin wandte sich von mir ab und strahlte in seine Richtung.

„Besser, Basti. Viel besser.“ Sie blickte sich noch einmal um, winkte mir zu, hüpfte durch dieTür und war verschwunden.

Skeptisch blickte Basti zu mir.

„Oder doch nicht?“.

Ich schüttelte den Kopf.

Denver-Clan. Oder Falcon Crest oder sowas.“

Basti reichte mir eine Fanta und setzte sich ans Schachbrett.

Falcon Crest? Na du kennst Sachen.“

Ich nahm einen Schluck und lächelte.

„Wir sind jetzt Freunde.“

Basti atmete geräuschvoll aus.

„Ey? Wer hat das Wasser abgestellt?“

Ich schloss die Augen. Es roch nach Aprikose.

Zwei Sommer

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