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7. Kapitel: Vorspiel

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In überschäumender Freude vergaß der angehende Chassa seine Würde. Lauro wusste nicht, was ihm geschah. Abdallah ibn Hisham, der arrogante Eigentümer, umarmte seinen Sklaven und brüllte seine überschäumenden Zufriedenheit in den Palastpark. Unmerklich und unaufhaltsam hatte sich das Verhältnis zwischen dem Herrscher über Leben und Tod zu seinem Sklaven verschoben. Freundschaft wäre zu viel gesagt. Eher war es freundliche Herablassung des Herrn zum Diener. Unausbleibliche Folge von drei Jahren eines engen Zusammenlebens. Lauro spielte dennoch eisern die Rolle des hingebungsvoll Untertänigen. Er registrierte den Wandel in seinem Herrn, zog es aber vorsichtshalber vor, den nie zu provozieren.

Nach Ende des Unterrichtstages hatte ein Sklave des Kanzlers und Vaters vor dem Studierzimmer auf sie gewartet. Er überbrachte seinem Sohn den Befehl zum sofortigen Besuch beim Hadjib. So erfuhr er aus seines Vaters Mund die lang erhoffte Zusage seiner Einbeziehung in die Razzia Unternehmung. Es regnete noch eine Reihe von einschlägigen Ermahnungen und Warnungen. Die rauschten alle zum einen Ohr hinein, und unbeachtet zum anderen wieder hinaus. Keine hatte seinen Verstand auch nur gestreift. Endlich durfte er sich als Krieger anerkannt fühlen. In Wirklichkeit war er nur auf Bewährung und zur Erprobung als ein Assistent ohne besonderen Auftrag, zugelassen worden. Dass er also vorerst nur seinen Sklaven als einzigen kommandieren durfte, kam ihm nicht. Er sah sich sofort als oberster Kaid des Unternehmens. Das Kommando führte der Amir. Den Erfolg, da gab es für ihn keinen Zweifel, konnte nur er allein sicherstellen.

Ungeduldig stürmten die beiden nun durch den Park zu den Ställen de Kaserne. Nicht nur sie, die gesamte Razzia Truppe würde beritten sein. Die Slaven-Krieger bekamen aber nur Maultiere zugeteilt. Die beiden Chassas bestimmtem jeder ein Reitpferd, und ein weiteres als Reserve. Lauro blieb bei seinem nun mit ihm vertrauten Wallach. Bedienungspersonal oder Gepäck waren nicht zugelassen. Nur was in die Satteltaschen passte, durfte mit. Und natürlich zu allererst die Waffen: Ein leichter Schild, Krummsäbel und Dolch. Nur Spezialisten führten zusätzlich den leichten Kriegsbogen und Pfeile, obwohl jeder Chassa als Jäger auch mit Pfeil und Bogen umgehen konnte. Eiserne Rüstungen kannten die Mauren nicht. Ein ärmelloser Kürass aus dickem Rinder Leder schützte den Oberkörper. Im Übrigen bestand die „Uniform“ aus beliebiger Alltagskleidung, wie sie jeder individuell für sich als zweckmäßig ansah. Einheitlich war nur der helle Kaik der Beduinen und Berber, ein mantelähnlicher Umhang mit Kapuze, aus Kamelhaar und Schafswolle. Der diente als Sonnenschutz, als Unwetterbekleidung, und nachts als einziges Bettzeug.

Es vergingen dann aber doch noch 14 lange Wartetage bis zum Aufbruch. Nur die umfassende gründliche Vorbereitung garantierte den Erfolg einer Razzia. Hier kam hinzu, dass die Raubkolonne erst zusammengezogen werden musste. Das erfolgte genauso wie der Wesir es vorgeschlagen hatte. Die 200 Kriegssklaven wurden gekauft und bei gleichzeitigem Abzug eines Teiles der erfahrenen Besatzungen auf die Grenzburgen verteilt. Auswahl der Reittiere, Überprüfung der Waffen, Aussonderung alles Überflüssigen, tägliche Inspektionen durch den Amir jagten sich mit Appellen der Unterführer. Es dauerte und dauerte. Abdallah und Lauro hatten den Eindruck, es würde kein Ende davon geben.

Dann hatten die Nornen des Schicksals wohl doch noch ein Einsehen. Im Falle Abdallahs konnte es sich aber auch um Allahs augenzwinkerndes Verständnis für die seelischen Nöte und den ungeduldigen Tatendrang der jugendlichen Ungeduld gewesen sein. Jedenfalls setzte der Amir den Zeitpunkt des Abmarsches fest. Zugleich ließ er Abdallah befehlen, sich mit seinem Sklaven bei ihm zum Rapport zu melden. Ihm war die übereifrige Ungeduld der Jungen geläufig. Ihr Tatendrang musste gezügelt werden. Disziplin schien ihm die Grundlage des Erfolges.

Sie fanden in nicht allein vor. Neben ihm stand sein Unter-Kaid Ibrahim! Beider Gesichter zeigten zwei sehr unterschiedliche Mienen. Nachdenklich gerunzelt die Stirn des Amir. Glatt und unbewegt besah sich der andere die Neu-Chassas. Entsetzt erkannte Lauro in ihm den Anführer bei seiner Versklavung. Der ihn aber nicht. Der Knabe von vor drei Jahren hatte sich zum Jungmann entwickelt. Mehr noch: Er trat auf wie ein junger Mozaraber. Zwar Sklave, aber eher ein nicht besonders hoch aufgeschossener, muskelstarker Krieger. Lauros nun geschärfte und voll ausgeformten Instinkte erfassten die Situation. Höflich und reglos stand er achtungsvoll hinter Abdallah vor seinen Vorgesetzten Er ließ sich nichts anmerken Doch er beschloss, zu gegebener Zeit die Initiative zu nutzen. Seine Stunde würde kommen. Er sah einen silbernen Hoffnungsschimmer für seine baskische Rache am Horizont aufleuchten.

Der Amir musterte zunächst schweigend die beiden Jungkrieger vor ihm. Was er sah, gefiel ihm. Je 15 Sommer alt, drahtig und schneidig. So wie er sich seine Adjutanten wünschte. Dumm war nur, dass in seinen Augen der Adelsspross einen starken Makel hatte. Ihm war sehr wohl bewusst: Da stand der Sohn des mächtigen Kanzlers. In seinen Augen ein Problemfall. Was konnte der Bursche an Unheil anrichten! Der musste wie ein kostbares dünnes Glas mit äußerster Vorsicht behandelt werden. Nicht weil der was zu sagen gehabt hätte. Vorläufig jedenfalls noch nicht. Aber der Amir wusste sich sehr gut auszumalen, welche Folgen es haben müsste, sollte er diesen Burschen auf dessen erster Razzia durch Schuld eines der Anführer verlieren. Und außerdem: Emire, Wesire, und auch ein Hadjib waren nicht unsterblich. Sie hatten allgemein keine lange Lebenserwartung. Zwar starben sie meist nicht auf einem Schlachtfeld sondern mit allem Komfort umgeben im Prunkbett ihrer Paläste. Das aber oftmals mit eifriger Unterstützung durch eine hilfreiche Hand, einem schnellen Dolchstoß oder einem wirksamen Gift im abendlichen Wein. Kein Herrscher konnte sich sicher fühlen. Jeder Fürst tat gut daran, sich gegen die Ränke seiner eigenen Söhne zu wahren. Über kurz oder lang würde Abdallah einer von denjenigen sein. Von seinem Wohlwollen konnten schon Morgen Karriere und Zukunft des Amirs abhing. Dennoch musste jetzt dem Burschen erst mal mit listiger Umsicht vermittelt werden, wer auf dieser Razzia sein Herr und Gebieter war.

„Nun Abdallah, wie ich höre, mogelst du mir verbotener Weise einen Sklavendiener in mein Aufgebot? Dir ist doch Bekannt, dass niemand einen Diener mitnehmen darf. Selbst ich, der Kaid, reite allein und ohne Bedienung! Dein Sklave bleibt also zu Hause!“

„Aber nein, Allah ist mein Zeuge: Dies ist zwar mein Leibsklave, aber ein voll einsatz- und verwendungsfähiger Krieger!“ Mit fast aufrichtigem Brustton und ehrlich klingender Stimme fügte er hinzu:

„Mein Vater, der Hadjib, hat mir befohlen, ihn als meine Leibwache mit zu nehmen. Er ist nicht mein Diener sondern er wird neben mir kämpfen! Ich habe ihm eine voll abgeschlossene Chassa Ausbildung zukommen lassen. Mir ist er zwar nicht gewachsen, aber ein ganz brauchbarer Kämpfer ist er schon. Unter meiner Aufsicht wird er sich im Zuge der Razzia ganz bestimmt bewähren und zum Erfolg beitragen.“ Stramm aufgerichtet und ohne zu zwinkern sah dem Amir in die Augen. 17 Jahre Erfahrung mit Harims- und Palastintrigen trugen nun Früchte.

Der Amir nahm Lauro ins Auge. Der hielt und erwiderte reglos den Blick:

„So, so, ein ausgebildeter Krieger bist du also?“ wandte sich der Amir mit deutlich erkennbarer Skepsis und zweifelndem Ton zu Lauro, obwohl er dessen Befähigung schon beim ersten Blick auf den Jungkrieger erkannte. Auftritt und Haltung ließen eigentlich keinen Zweifel zu. Dann schoss unerwartet, aber blitzschnell und durchaus mit der Absicht Schaden anzurichten, seine Faust in dessen Magenregion.

Der handelte nicht bewusst oder überlegt. Drei Jahre harter Ausbildung zahlten sich aus. Instinktiv die antrainierte Reaktion. Seine gekreuzten Unterarme fingen den Hieb ab und machten ihn unwirksam. Eine gleichzeitige flinke Wendung seitwärts, und der Amir taumelte mit der Wucht seines Schlages ins Leere. Im Schwung seines heftigen Angriffes wäre er auf seinem Bauch gelandet, hätte ihn nicht Lauro, auch zu seiner eigenen Verblüffung, wie ein Karnickel am Kragen des Wamses gepackt und so den Sturz verhindert.

Grinsend richtete sich der Amir auf. Anerkennend ließ er seine mächtige Pranke auf Lauros Rücken sausen, dass dem die Luft weg blieb. Einerseits Strafe für die Berührung des Anführers durch den Sklaven, andererseits Dank für die Verhinderung des Sturzes. Und schließlich respektvolle Anerkennung der instinktiven wirkungsvollen Blitz Reaktion:

„Du hast Recht, Abdallah“, räumte er diesem gnädig ein. „Jetzt weiß ich es. Du hast einen brauchbaren Krieger im Gefolge. Ich teile euch beide meinem Unter-Kaid Ibrahim zu. Ihr reitet mit ihm auf Erkundung. Aufbruch morgen früh, wenn der erste Hahn kräht. Ihr werdet die drei Dörfer im Gebirgstal des Rio Lorte, nordöstlich von Sadaba erkunden. Ich will wissen, wie wir den Bewohnern die Flucht in die Berge abschneiden können, und wo sie ihre Zufluchtshöhlen haben. Rückmeldung mit euren Erfolgen in 10 Tagen. UND, Abdallah! Ibrahim hat diesen Auftrag. Er ist euer Kaid! Ich erwarte von dir und Lauro bedingungslosen Gehorsam!“

„Schon wieder so ein Mahn- und Meckergreis, genau wie mein Alter!“ So dachte sich Abdallah das nur. Er sagte es wohlweislich nicht laut. Stattdessen zuckte er stramm mit dem Kopf. Mit einigem guten Willen konnte man darin eine angedeutete Verneigung erkennen. Dann schaltete er wieder jenen gut eingeübten Brustton der Überzeugung ein und spielte Papagei:

„Ibrahim ist unser Kaid!“ schmetterte er in den Raum. Des Amirs Gesicht zeigte wie sein Körper nicht die geringste Regung. Die arrogante, wenn auch verdeckte Provokation war ihm nicht entgangen. Scheinbar gleichmütig entließ er die beiden mit lässiger Handbewegung.

„Bei dem Bürschlein bin ich auf alles gefasst! Wandte er sich an Ibrahim. „Nimm den ja mit äußerster Vorsicht unter deine Fittiche und halt ihn dort unter Kontrolle!“ Ibrahim nickte nur. Die beiden verstanden sich längst auch ohne viele Worte.

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