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3. Kapitel: Rückzug
ОглавлениеIm ersten Frühlicht beugte sich der Anführer naserümpfend über den noch immer zum Paket verschnürten Bauern. Der lag stinkend in seinen Fäkalien, gleichzeitig von ohnmächtiger Wut und dem Ekel über seine beschämende Situation geschüttelt. Der Kaid sprach genügend Euskaldun. Es folgte eine zynische Verabschiedung:
„Wie schön, dass du an deinen Baskengöttern fest hältst, Ungläubiger! Die befehlen euch ja das Teilen mit den Bedürftigen. Wir haben selbstlos zu deinem Heil beigetragen. Du hast ausgiebig deine Frau mit uns geteilt. Ebenso deine Herde und deine Ernte. Dafür bekommst du sicher einen besonderen Platz in eurem Heidenparadies. Vielleicht aber wäre es klüger, wenn du dich fortan zu Allah bekennst, und dich dem Schutz unseres Emirs in Saragossa unterstellst. Als einem Gläubigen erlaubt dir Allah fortan, deine ungläubigen und heidnischen Stammesnachbarn auszunehmen, sie und ihre Familien zu versklaven. So kannst du dir wiederholen, was du heute mit uns geteilt hast. Wenn aber nicht, dann seid hübsch fleißig. Seid fruchtbar und vermehret euch. Wie das geht, haben wir ja dir und deinem Weibe nun beigebracht. Baue den Rest deiner Herde wieder auf, den wir dir lassen. Spann dein Weib vor den Pflug und bespringe sie weiterhin emsig, und nicht nur immer deine Schafe, wie das bei euch ja so üblich sein soll! Wenn wir das nächste Mal zu Besuch kommen, darfst du uns wieder gefällig sein und mit uns teilen!“
Brüllendes Gelächter seiner Männer folgte dem Hohn. Sie prüften noch einmal die Fesseln des Paares auf Haltbarkeit. Vorzeitige Befreiung konnte ihnen Verfolger auf den Hals bringen. Mit Beute beladen, war der Rückweg nur langsam und unter beschwerlichen Umständen zu bewerkstelligen. Umsichtig gab der Kaid seiner letzten Anordnungen. Der Frau fesselten sie Füße und die rechte Hand fast unlösbar aneinander. Es sollte möglichst viele Stunden dauern, bis sie diese durchgenagt hatte. Von den Ausschreitungen, dem Mangel an Nahrung und Trunk geschwächt, war sie kaum dazu in der Lage. Das sicherte ihnen einen weiten Vorsprung.
Im Eilmarsch, so rasch, wie die hemmende Beute es erlaubte, und ohne Rast und Ruhepause zog die kleine Karawane das Tal hinunter. Der Rückmarsch durch das feindliche Gebiet der Bergmenschen war der gefährlichste Teil einer Razzia.
Voraus führte Faruk die beiden Esel. Jeder trug zwei prallgefüllte Säcke Korn auf dem Rücken. An ihre Schwänze war, mit einem Strick um einen Vorderlauf, je eines der fetten Schweine angebunden. Darüber hatte es erneut Streit gegeben. Seine Männer weigerten sich erst, die unreinen Tiere mitzunehmen. Erst als er ihnen den Sinn begreifbar gemacht hatte, akzeptierten sie widerwillig die zusätzliche Last. Beute war das Ziel, und die Schweine konnte man für einen ordentlichen Preis an Ungläubige verkaufen.
Es war eine lästige und bockende Begleitung. Immerhin erwiesen sich die Esel als hilfreich. Wollten die ständig grunzenden Schweine nicht laufen, wurden sie eben mitgeschleift. Das brachte sie rasch in einen beständigen Trab.
Es folgte die Schafsherde, angetrieben von den Kindern. Die Schlinge eines Strickes um den Hals fesselte den Buben an den Hals des Mädchens, und umgekehrt der Schwester Hals an des Bruders. Das Ende des Seils war am Gürtel eines Soldaten festgemacht. In den Händen hatte jedes Kind einen Stock, um die Schafe vor sich her zu treiben und beisammen zu halten.
Der Rest der Truppe trottete hinterher und kaute im Gehen die Reste des gebratenen Hammels. Zeit für die Morgensuppe hatte Ibrahim ihnen nicht mehr eingeräumt.
Am frühen Nachmittag verließen sie das Tal. Erleichtert fielen Wachsamkeit und Anspannung von ihnen ab. Das feindliche Gebiet der Basken lag hinter ihnen. Zwar gab es weit und breit keine Siedlung der Bergmenschen. Sicher war man in Vorgebiet der Frontera, in der Ischibanya jedoch nie. Wenig später war schon der hohe Turm der Burg von Urix zu erblicken, dem ersten Grenzdorf des Emirs von Saragossa und ihr Standort.
Die Mauren sicherten ihre Grenzdörfer durch eine seltene Mischung von Festung und Burgturm, Qal´a genannt. Daraus entstand verballhornt der spanische Begriff „Alkazar“. Dabei handelte es sich nur um einen mächtigen Burgfried. Der war integrierter Teil einer ebenso massiven Burgmauer, die einen freien Platz umschloss, und nur ein einziges Zugangstor besaß. Tausende dieser Fluchtburgen, die sich glichen wie Tausendlinge, standen damals in gesamt Al-Andalus in jedem Grenzdorf. Der Turm war nur des Dorf-Kaids oder dessen Amirs Wohnung, und zugleich deren Amtsgebäude. Die Stockwerke waren ansonsten durchweg mit Notvorräten zu-gestapelt. Und im Dachgeschoß hielten ständig 3 Wächter Ausschau, die alle 2 Stunden abgelöst wurden.
Die Burgbesatzung wohnte in Steinhütten direkt hinter der mächtigen Bruchsteinmauer des Wallbereiches. Die Wallmauer war auch zugleich die Rückwand der Hütten, der Ställe, der Vorratskammern und der Speicher. Alle Tür- und Fensteröffnungen lagen nach innen, zum Hof und zum Burgfried dieses Alkazars hin. Die Dächer waren Standtort der ersten sicheren Verteidigungslinie bei einem Angriff. Der fünf Stockwerke hohe Burgfried, mit dem Einstieg im zweiten Stock, war dann die letzte. Eine Qal´a war also einerseits die Kaserne der Garnison, und zusätzlich eine feste Fluchtburg. Denn der Burghof dieser Anlage war im Fall einer Krise die befestigte Zuflucht der nach wie vor christlichen Dorfbevölkerung, und auch ihres Pfarrers.
Ibrahims Zug an Kriegern war die Garnison der Qal´a von Urix. Ihnen war der Schutz der Siedlung gegen Baskenüberfälle anvertraut. Mehr noch die Überwachung der Dörfler. Schließlich waren die ebenso Basken, wie die in den Bergen. Vielfach sogar durch Verwandtschaft mit ihnen verbunden.
Die meisten der islamischen „Soldaten“ waren keine Mauren oder Araber sondern Kriegersklaven, als solche bei Maurenüberfällen auf dem Balkan oder bei Razzien im oströmischen Kaiserreich von Konstantinopel erbeutet. Die Mauren bezeichneten sie alle pauschal als „Saqaliban“, also Slaven. Dabei blieb es auch, obwohl im Zuge der Sachenkriege König Karls ganze Heere von gefangenen Sachsen als Sklaven ins Maurenland verkauft wurden.
Von Beruf waren die Kriegersklaven eigentlich Murabitun, Grenzschützer. Das waren speziell als Burgbesatzung trainierte Fußkrieger. Für echte Razzien wurden sie nicht eingesetzt. Nur zu Kommandounternehmen, um die lokalen Baskendörfer im feindlichen Vorfeld der Grenzburg für deren Eigenversorgung auszuplündern.
Jeder in der Garnison von Urix hatte inzwischen ein baskisches Mädchen erbeutet und in sein Bett gezwungen. Andere Dorfmädchen ließen sich aus freien Willen in ihr Bett locken. Es gab förmliche Ehen, die der katholische Pfarrer oder der muslimische Imam eingesegnet hatte. In jedem Fall mussten die Frauen auch den jeweiligen Haushalt führen, und für das leibliche Wohl ihrer Eigentümer und Kinder sorgen.
Die Murabitun des Emirs mussten ihr Brot und ihren Lohn selbst organisieren. Eine „Ghassia“ nannten die Beduinen ihre schnellen, weiten und großräumigen Beuteritte, woraus unser Wort „Razzia“ entstand.
In der Frontera waren es nicht berittene, kleinere Trupps. So wie der Ibrahims ständig zu kurzen Raubzügen in die nicht befriedeten Baskengebiete unterwegs. Da sie fleißig waren, wofür ihre Kaids und der Amir eifrig sorgten, denn nur so konnte sie sich bereichern, lebten sie als Fußkrieger zwar mehr riskant, aber in stetem Überfluss.
Die Abgabe der gesamten Beute einer Razzia, außer den Lebensmitteln, also dem Korn und den Tieren, die von ihnen selbst verbraucht wurden, füllte die Vorrats- und Schatzkammer des Emirs. Der musste ein Fünftel jeder Einnahme an die Kasse des obersten Emirs, an den Herrscher in Cordoba abführen. Dessen Nachfolger erst erhöhte ihren Rang zum unabhängigen Kalifen von Al-Andalus.
Aus den ihm verbleibenden 4/5 gewährte der lokale Emir, der selbständige Herrscher eines der 20 Wilayatun seinen Raubsoldaten eine Belohnung nach seinem freien Belieben.
Außerdem hatte die Truppe den christlichen Dorfbewohnern das Kopfgeld der Ungläubigen abzupressen. Eine beachtliche Last für die Betroffenen. Mindestens 12 Kupfer-Dirhams für die Familien der Handwerker und Bauern. 24 Dirham hatte die Mittelschicht zu entrichten, die Reichen 48. Das aber Monat für Monat! Obendrein musste der Landbesitzer eine Landsteuer abführen, und die Bauern jährlich 1/3 von all ihren Erzeugnissen, um den steten Zustrom an Nahrungsmitteln aus dem Dorf für den Emir in Saragossa zu sichern.
Diese Last der Landwirte klingt ungewöhnlich hoch. Sie wurde dennoch gutwillig getragen. Denn zur Römerzeit, also bis ca. um 400 n.Chr., waren die Iberer rechtlose Sklaven, die gefüttert wurden, und dafür die Latifundien bewirtschaften mussten. Der Ertrag gehörte allein den römischen Landherren. Der Germanenansturm änderte nichts. Statt Römern waren nun die Vandalen, Sueben, und ihre sarmatischen Bundesgenossen, die Alanen die Landherren und Sklavenhalter. Auch unter der nachfolgenden Herrschaft der Westgoten blieb es dabei.
Erst ab 711 n.Chr. änderte sich ihre Lage. Die von den Einheimischem „Chaldäer“ genannten Beduinenvölker des Islam, Araber wie Berber, Syrer oder Jemeniten, denen die Bewirtung von Grund und Boden fremd war, machten in ihrer Not und Unkenntnis daraus das Beste. Sie unterteilten die eroberten ausgedehnten Latifundien in kleine Bauernhöfe. Die Mauren zogen dafür die erwähnte Beteiligung am Ertrag an sich. So wurde aus iberischen Sklaven und Leibeigenen freie Landeigentümer, die, weil Christen, den minderen Rechtsstand der Ahl ad-Dhimma bekamen. Das bedeutete das Recht auf Leben, Religion, Landbesitz, bis hin zum Landverkauf. Sie hatten sogar die niedere Gerichtsbarkeit innerhalb ihrer Kommune. Verboten waren ihnen nur der Waffenbesitz, und die Heirat mit einer Muslimin.
Die höhere Gerichtsbarkeit war dem islamischen Kadi vorbehalten – vor dessen Richterstuhl keines Christen Zeugnis Beweiskraft hatte.
Verständlich, dass die einheimische Landbevölkerung ihren neuen Herren anhing. Nationalismus war noch nicht erfunden. „Wes Brot ich ess, des Lied ich sing“ bezeichnet es am Treffendsten. Das hatte nicht den geringsten anrüchigen Beigeschmack. Das wurde von allen als die moralisch anständige Grundhaltung betrachtet.
Der Kopfsteuer konnte man sich entziehen, indem man zum Islam übertrat. Nach und nach bekannten sich die Bauern überwiegend zu Allah. Den Maurenherrschern passte das gar nicht. Sie behinderten den Religionswechsel, wo immer es ging. Gegen den Koran, dessen Gebote auf Seiten der neuen Gläubigen lagen, waren sie jedoch machtlos. Immerhin erklärt sich so der Umstand, dass jede Islam-Missionierung unterblieb: Nur ein christliche Untertan war ein ergiebiger Steuerzahler!
In den isolierten und vereinzelten Baskensiedlungen im Gebirge dagegen herrschten Angst und Ohnmacht. Die Siedlungen und Clane in den Gebirgstälern hatten noch keine gemeinsame Organisation. Sie lebten abgeschieden für sich. Die Siedlungen waren meist durch unüberwindliche Gebirgshöhen voneinander getrennt Es gab nur den Zusammenhalt von Sippe und Clan. Als tatkräftige Krieger wussten sie sich im offenen Kampf überlegen zu verteidigen.
Den listigen Razzien der raubgeschulten Beduinen und ihrer nimmersatten Sklavenkrieger und deren unvorhergesehenen plötzlichen Überfällen waren sie hilflos ausgeliefert. Sie revanchierten sich schlecht und recht durch nächtliche Raubzüge ähnlicher Art.
In Urix lag die Truppe als Besatzung und Schutzmacht in einer befestigten Anlage, die vor kurzem noch einem westgotischen Dorfherrn als Wohnstätte gedient hatte. Der war bei der Ankunft der Mauren in Al-Andalus mit seiner Familie und einigen Gefolgsleuten in die Nordwestecke des Landes geflohen. Dort, an der Grenze zum Lande der Franken, boten unzählige Höhlen in den Pyrenäenfelsen Schutz und Zufluchten. Dort hielt Graf Pelagius als letzter nicht zu unterwerfender Gote seine Grafschaft maurenfrei.
Nördlich davon und jenseits der Berge lag, wenn auch unter fränkischer Oberherrschaft, ein weiterer Rest des Westgotenreiches. Den regierte Graf Eudo im Auftrag der fränkischen Merowinger Könige, deren Hausmeier Karl Martell, und nach ihm als König Pippins Vasall. Daher war dieser Widerstand des Grafen Pelagius vom Islam nicht zu knacken. Angriff um Angriff der Mauren wurde abgeschmettert. Die Mauren gaben auf und nannten das nördliche Niemandsland der Christen-Goten „Ischibanya“. Es ist leicht zu erkennen: So entstand der Name „Espana“. Iberien bekam seinen Namen: Spanien.
Von hier aus, der Nordwestecke der Ischibanya, begann die Rückeroberung durch die freien spanischen Christen. Diese „Reconquista“ dauerte als endloses Blutvergießen, als ein 800-jähriger Krieg. Nach und nach wurde aus Al-Andalus dann Spanien. „Andalusien“ ist seither nur noch der Name einer Provinz.
Noch aber hielten die Saqaliban in der jetzt islamischen Burganlage, und von dem dazu gehörigen Burgfried aus, Tag und Nacht Wache. Dazu gab es reichlich Anlass. Sie spähten nach räuberischen Basken. Die hatten nämlich die freche Unart, sich für Razzien ihrerseits mit nächtlichen Überfällen zu rächen Nicht als kriegerische Auseinandersetzung! Der gingen sie vorsichtig aus dem Weg. Sie holten sich in nächtlichen Raubzügen einiges von dem wieder, was ihnen in Razzien der Mauren geraubt worden war. Wenn möglich auch ein wenig mehr. Dieser endlose Minikrieg bekam damals seinen Namen: „Guerilla“.
Ibrahim zog mit seiner Karawane über die Fallbrücke in den Alkazar, was mächtig Aufsehen erregte. Das Burgvolk lief zusammen. Frauen und Kinder begrüßten ihre Familienoberhäupter. Neugierige Fragen strömten auf sie ein. Einige kurze Befehle von Ibrahim. Seine Männer trieben das Vieh in den Pferch in der Ecke der Festung.
Ibrahim kletterte über die angestellte Leiter zur Türöffnung im zweiten Stock des Turmes hinauf. Er fand den Kaid von Urix zusammen mit dem Amir aus Olite, und meldete das Ergebnis der Razzia. Sein Kaid, Omar bin Merin war ein junger schlanker, hoch gewachsener Berber mit einem imposanten Bart, der sein Gesicht aber milde erschienen ließ. Er machte den Eindruck eines islamischen Knecht Ruprecht.
Der Amir Abd al-Rahman war nur zufällig zu einem Inspektionsbesuch anwesend. Ihm unterstanden alle Grenzfestungen der nördlichen Frontera. Auch er ein Berber, knapp 30 Sommer alt, nur mittelgroß, aber aufrecht und drahtig. Sein braunes Gesicht sprach von Intelligenz, prominent betont von einer ausgeprägten Adlernase und einem walnussbraunen Bart. Sein Haupt trug er im Turmgemach unbedeckt, sonst aber schmückte ihn die übliche Kopfbedeckung des Wüstensohnes, das nackenschützende Tuch mit der Kordel.
Die beiden Kommandeure grüßten ihren hochgeschätzten Unterführer sehr freundlich. Der machte Meldung:
„Sihdi, wir sind erfolgreich zurück! Keine Verluste, aber beutebeladen“ und zählte diese auf. Ein Raubzug ohne Verluste, aber mit Erfolg beendet, löste stets Vergnügen aus. Das wuchs mit fortschreitender Beuteaufzählung zu einem immer breiteren Grinsen der Befehlshaber. Als aber Ibrahim zum Schluss die Schweine erwähnte, verfinsterte sich seines Kaids Gesicht. Und Omar bin Merin donnerte los:
„Ibrahim, du bist wohl vom Sheitan geritten!“ fauchte er ihn an. „Wie kannst Du es wagen, diese unsauberen Viecher in unsere islamische Festung zu treiben? Wärest du nicht mein geliebter Maula, ließe ich dir 10 mit der Peitsche überziehen!“
„Nicht doch“ verteidigte sich Ibrahim. „Die Schweine habe ich schon am Dorfrand dem Dorfältesten übergeben. Sie stehen in dessen Schweinepferch auf seinem Hof. Da er gerade sein Hoftor mit Teerfarbe anstrich, habe ich unsere beiden Tiere mit einem breiten Strich auf dem Rücken markieren lassen. So kann er uns später keines seiner mageren Ferkel unterschieben.“
„Das spricht wieder für deine Klugheit, Ibrahim, aber ebenso für deine Dämlichkeit! Du willst doch wohl nicht dem Dorfältesten auf meine Kosten Geschenke machen? Und was soll ich als Muslim mit diesen unreinen Viechern anfangen? Du willst mir doch hoffentlich keine Schweinezucht andienen?“
„Aber nein, weder das eine noch das andere“ verteidigte sich Ibrahim weiter. „Die Schweine soll der Älteste auf den Markt der 3 Dörfer, nach Irunea schaffen. Bei den Romäern heißt die Stadt Pamplona. Dorthin sind es nur 6 Farsach (ca. 36 km). Die Dörfler treiben ohnehin wöchentlich ihre Tiere zum Verkauf auf diesen Markt. Der ist um die Hälfte näher als Saragossa. Und dort hat der Emir keine „Augen“. Dort herrscht Graf Theuderich, ein Gote und Mozaraber. Der ist zwar Gaufürst unseres Emirs. Aber wie fast alle dort, sind der Graf und seine Untertanen Christen, und die zahlen jetzt, kurz vor dem Winter, einen hohen Preis für eine gute Sau. Jede bringt euch einige Silber-Dirham, oder zusammen vielleicht sogar einen Gold-Piaster für eure Börse ein! Mehr jedenfalls, als 3 Schafe einbringen!“
Omars gute Laune war schlagartig wieder zurück.
„Gut Ibrahim, das hört sich schon besser an! Ich weiß ja, du bist ein schlauer Kerl, genau das was ich als meinen Klienten brauche!“
„Faruk“, brüllte er nach seinem Leibsklaven, „schaff mir den Ältesten herbei!“
Wenig später keuchte der ärmlich gekleidete alte Velasco in den Innenhof der örtlichen Qal´a. Der Amir befahl ihm, den Beuteanteil des Emirs nach Saragossa treiben zu lassen und dort dem Hof-Wesir zu übergeben. Allzu genau brauchte das nicht zu sein. Die Hälfte der Schafe und des Korns hielt er zurück, zur späteren Versorgung seiner Männer in Olite, Urix und Sadaba. Was nicht hieß, dass die das tatsächlich alles essen durften. Was der Emir nicht weiß, macht dem Amir nicht heiß. So mancher Silberling, und nicht nur Kupfer, blieben nach jeder Razzia an seiner Hand kleben. Das war Brauch. Jeder, selbst der Emir wusste darum. Der ließ das, sofern es in Maßen geschah, gnädig zu. Schließlich tat er ja dasselbe mit seinem Oberherrscher, der fern im südlichen Cordoba, glänzend Hof hielt. Auch den Mohammedanern galt der schon den aus dem alten Testament bekannte Glaubenssatz: „Du sollst dem Ochsen, der da drischet, das Maul nicht verbinden.“ Diese löbliche Grundeinstellung konnte dem Razzia-Eifer seiner Krieger nur förderlich sein.
Die Schweine musste der Älteste daher in die dörfliche Herde übernehmen. Er hatte sie schnellstens auf dem Markt in Pamplona zu verkaufen und ihm den Erlös zu bringen.
Schweinegeld durfte man einem islamischen Emir nicht unterjubeln, tröste er seine leisen Gewissensbisse. Das behielt er besser für sich!
Und der Dorfälteste hatte begriffen. Er malte allen Schweinen des Dorfes einen schwarzen Strich auf den Rücken, wählte die zwei magersten aus und ließ sie nach Pamplona treiben.
Die beiden Kinder, und beide noch unberührt (auch Bubenschändung war ein Hobby der Moslems), ließ der Amir auf dem Sklavenmarkt in Saragossa versteigern. Das brachte die schöne Summe von 18 Silber-Dirham ein, und deren Weiterleitung an den Emir ihm dessen uneingeschränktes Wohlwollen.
Wahrhaftig, der Hauptmann wie auch sein Kaid in Urix hatten allen Grund, sich bei Allah für dessen großmütige Fürsorge zu bedanken.
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