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8. Kapitel: Aufklärung und Erkundung

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Der Trupp dieser fünf Rastreros ritt zwei Tage später im ersten Morgenlicht aus dem Alkazar von Sadaba. Hinaus gings, ins die Ischibanya, ins Niemandsland. Zur grenzenlosen Enttäuschung der angehenden, vorher noch so stolzen Chassa, wurde ihnen befohlen, ihre so sorgfältig ausgesuchten Pferde im Stall zu lassen. Pferdespuren und Pferde“äpfel“ konnten Verdacht auslösen. Maultiere waren auch bei den Basken überall im Einsatz und daher unverdächtig. Ihre hohe Erwartung geknickt aber hatte der Befehl, ihre hoffeine Bekleidung gegen abgenutzte alte Bauernkittel der Basken auszutauschen. Formlose Röhrenhosen, ausgefranste Hemden, dazu die traditionelle baskische Wolljoppe, aus roher Schafswolle gestrickt. Alles flicken- und Löcher übersäte, wenn auch sauber gewaschene Lumpenkleidung. Dass selbst der Kaid Ibrahim diese Tarnkleidung trug, tröstete die stolzen Jungkrieger nicht. So hatten sie sich ihre erste Feind-Unternehmung nicht vorgestellt.

Ibrahim ließ sie die Marschformation im Feindesland einnehmen. 100 m voraus ritt Faruk. Nach weiteren 100 m folgte ihm Abid. Wie Ibrahim hatte sie von früheren Unternehmungen her eine ungefähre Vorstellung vom Gelände. Nochmals 100 m später kam der Haupttrupp. Die Abstände weiteten sich bis zu 1000 Metern in offenem Gelände. Sie schrumpften im Wald auf weniger. Die vorausreitenden Späher sollten frühzeitig eine drohende Begegnung entdecken, und die anderen warnen ohne selbst erkannt zu werden. Anfangs hatten sie in weitem Bogen nach Westen ausgeholt, um unentdeckt ins Tal zu gelangen.

Gegen Mittag erreichten sie die beginnende linke Talwand. Mühsam arbeiteten sie sich durch dichtes Gestrüpp in die lichtere Zone des Hochwaldes hinauf. Durch diesen ritten sie nun, dem Verlauf der Felsenhöhen folgend und im Wald geschützt, ins obere Tal.

Abends, im letzten hellen Licht, schlugen sie hoch am Steilhang ihr Standlager auf. Ein winziger Bach brach aus einer Felsenklamm hervor. Der gab den Trunk für Mensch und Maultiere ab. Die standen oder lagen fest angeleint unter den Bäumen und fraßen das Gestrüpp. Kalte Speisen aus den Satteltaschen mussten ihren Reitern als Mahlzeiten genügen.

Vom nächsten Morgen bis zum Abenddunkel saßen je zwei von ihnen abwechselnd höher in einem Ausguck. Ein mächtiger alter Baum gab ihnen Deckung. Das gesamt Tal lag mit seinen drei Dörfern unter ihnen. Jede Bewegung dort ließ sich deutlich bewerten.

Drei Tag lang saßen Abdallah und Laur mit im Versteck und langweilten sich. Abdallah schaffte es schon am zweiten Tage nicht mehr, seinen Unmut über die erzwungene Aktionslosigkeit zurückzuhalten. Ärgerlich stieß er hervor:

„Wenn doch nur endlich die Razzia losbrechen würde!“

„Ach Abdallah, du bist noch zu nass hinter den Ohren. Das ist keine Razzia. Das wird nur eine kleine Strafaktion. Auf deine erste echte Razzia wirst du noch eine Weile warten müssen. Nimm es gelassen! Als erstes realistisches Üben ist es Gold wert für euch. Umfassendes Training ist der halbe Erfolg. Was ihr richtig eingeübt habt, gelingt im Ernstfall umso besser.“

Das war Ibrahim.

„Und du, hast du schon mal eine echte Razzia geritten?“

„Nein, ich bin auch noch immer im Training“

„Woher willst du dann wissen, was eine echte Razzia ist“ begehrte Abdallah auf.

„Aus den Erzählungen meines Vaters! Der kam schon im Jahre 89 der Hidjra, dem Jahr, dass die Ungläubigen 711 n.Chr. nennen, bei der zweiten Razzia nach Al-Andalus. Er folgte Tariq ibn Ziyad und seinen 7000 Murabitun von Ifriqiya herüber und blieb.

Er ritt neben ihm in die Schlacht an der Laguna Janda, wo sie das Heer der Westgoten vernichteten. Aus der Beute schenkte ihm Tariq eine westgotische Prinzessin, die er zu seiner Umm machte. Sie blieb sein Leben lang seine Hauptfrau, und wurde so meine Mutter.“

„Gleich wirst du noch behaupten, dein Vater habe den Westgotenkönig Roderich in jener Schlacht erschlagen!“ Der maliziöse Unterton war nicht zu überhören. Ibrahim überging den gelassen.

„Nun, du hast ja wohl genug Lektionen auf deinem Bildungspfad erhalten. Dir ist wohl bekannt, dass diese Frage niemand beantworten kann. König Roderich ging auf dem Schlachtfeld unter. Seine Leiche wurde nicht entdeckt.“

„Und so ruhmreich war diese Schlacht ja auch nicht für Tariq und deinen Vater! Roderich wurde von seinem halben Heer verraten. Seine Gotengrafen liefen zu uns über! Sie unterwarfen sich, und leisteten Tariq den Treueid, den sie zuvor gegenüber König Roderich gebrochen!“ ätzte Abdallah.

„Na siehst du, du wusstest das schon. Ein grandioser Sieg war es nicht, aber ein ertragreicher, und das ist der Sinn einer Razzia. Al-Andalus gehörte fortan uns. Dadurch sind wir reich und mächtig geworden. Aber seine richtige, und die wichtigste Razzia ritt er im Jahre 110, das die Ungläubigen 732 n.Chr. nennen. Er zog mit Abderrahman al-Ghafiqi ins Land der Franken.“

Misstrauisch verzog Abdallah sein Gesicht. „Wenn ich das alles richtig verstanden habe, bist du nicht nur der Sohn einer gotischen Christin, sondern auch eines verfluchten Syrers von der Mordbande der Abbasiden, die in Damaskus unseren heiligen Kalifen und sein Geschlecht der Omajjaden fast ausgerottet haben. Wie kommt es, dass unser Emir Abderrahman in Cordoba, den Allah beschützen möge, dir nicht den Kopf abschlagen ließ? Seit 10 Jahren herrscht er über Al-Andalus und ist der letzte der Omajjaden! Wie hast du es hinbekommen, unserer Blutrache zu entgehen?“

„Sag mal, du Naseweis! Hat dir der Alim nicht beigebracht, erst den Verstand einzuschalten, ehe du dein übergroßes Maul aufreißt? Nun, die Antwort liegt doch auf der Hand, du geistiger Fußsoldat! Mein Vater war kein Syrer. Er gehörte zu der Streitmacht der Yemeniten. Die stellten neben den Berbern die Eroberer von Al-Andalus. Er stammt aus dem Hadramaut. Dort war er siebter Sohn eines Stammeskönigs. Sein Erbe wäre eine Hand voll Sand in der Wüste gewesen. Er zog es vor, dem Ruf zu folgen. Eine Hundertschaft junger Wüstenkrieger seines Vaters folgte ihm in den Westen, nach Ifriqija. Er kam gerade richtig, um Al-Andalus mit zu erobern und hier sein Glück zu machen.“

„Nun, so viel Glück scheint er wohl nicht gehabt zu haben. Du bist doch nur ein armer Kaid für kleine Räubereien!“

Hochrot ob des vorherigen Hohnes und der ihm damit zugefügten Schmach ließ der Junge seiner Zunge allzu freien Lauf. Das hätte ihm auch einen Fausthieb oder noch weit Schlimmeres einbringen können. Schon so mancher war an so einem Satz gestorben.

Der Kaid erwies sich als klüger. Gelassen ging er darauf ein:

„Tja, da hast du Recht. Ich bin auch nur ein fünfter Sohn. Mein ältester Bruder Talib herrscht über das Wilayat von Valladolid im Westen, das mein Vater dem Gotengrafen Theodomir samt dessen Grafentochter wegnahm. Damals hat mein Vater unseren Amir entdeckt. Der war nur einfacher Krieger vom Berberstamme der Banu Quasi. Vater nahm ihn als Maula unter seine Fittiche, seinen Klienten. Manche nennen das auch einen „Mawali“. Heute bin ich Maula oder Mawali, also Ziehsohn des Amirs. Spätestens nach meiner ersten Razzia werde ich ein Kaid, und so Allah will, bald ein Amir sein.“

„Mit Sicherheit nicht!“ dachte Lauro, „lange vorher werde ich unauffällig mit dir abgerechnet haben. Ich weiß noch nicht wie. Der Baskenrache entgehst du auf jeden Fall nicht!“ Aber er saß schweigsam und unauffällig im Hintergrund der Runde, hörte zu und sammelte Informationen.

Abdallah hingegen dachte bei sich: „Was für ein Dummkopf! Nur vier Brüder zwischen sich und dem Thron! Wäre ich an seiner Stelle, wäre einer nach dem anderen unauffällig verstorben. Heute säße ich als Emir des Wilayates im Alkazar von Valladolid. Stattdessen spielt der Idiot hier den Truppführer. Der und Amir? Keine Chance! Ehe der aufwacht, hab ich ihm den Posten weggeschnappt! Der wird sich wundern, wie ich ihn dann herumkommandiere!“

Solche Gedanken stimmten ihn lustvoll friedlich. Scheinbar freundlich bat er:

„Nun, dann erzähl uns von der Razzia deines Abu ins Land der Franken! Davon hat mir unser faqi im Unterricht nichts erzählt.“

Ibrahim ließ ihn nicht weiter bitten. Zu gern erzählte er von alten Zeiten, und den Taten seines ruhmsüchtigen Geschlechtes.

„Es war im Jahre 110 der Hidjra oder 732 n.Chr., da befahl in Cordoba der Herrscher von Al-Andalus seinem Kaid Abderrahman al-Ghafiqi, eine Truppe von mehreren Tausend Reitern zur Razzia ins Frankenland zu führen. Sie wurde zur ertragsreichsten in Al-Andalus, und blieb es bis zum heutigen Tage.

Er sammelte seine Reitertruppe in Pamplona, das die Basken Irunea nennen. Mein Abu führte ihm 400 seiner besten Reiter zu. Darunter meine beiden ältesten Brüder. Ich wurde erst nach der Razzia geboren. Aber noch heute klingen mir die Ohren von den Erzählungen der drei. Die ritten als Vorhut. Sie überquerten wie immer den Pass Roncesvalles und brachen hinab ins Land der Franken. Sie jagten ohne Halt durch die Dörfer. Die glaubten sich verschont und blieben doch nur für den Rückritt aufgehoben. Nur des Abends schlossen sie einige größere davon ein, und nahmen die zum als Nachtquartier. Sie mussten sich ja Nahrung beschaffen. Morgens, wenn sie weiter ritten, waren ihre Satteltaschen und ihre Bäuche voll gefüllt. Die der dörflichen Weiber aber auch!

Sie ereichten in Windeseile die Stadt Poitiers und fanden die Tore geschlossen. Ohne sich aufzuhalten, ritten sie beidseits da-ran vorbei. Ihr Ziel war Tours, die größte Stadt der Region. Da lockte die reichste Beute. Sie nahmen die alte und gut gepflasterte Via Mediolanum unter die Hufe, die alte Römerstraße, die beide Städte noch immer verbindet. Sie verläuft auf einem Höhenrücken. Der ist vor Tours beidseits vom tief eingeschnittenen Flussbett des gekrümmten Rio Indre begrenzt, der bei Tours in die mächtigere Loire mündet. Diese Stadt im Norden, noch nie von uns besucht, sollte der Höhe- und Wendepunkt der Razzia sein. Auf dem Rückritt wollten sie dann halb Frankenland bis zu den Pyrenäen abernten. Sie haben Tours nie erreicht. Sie haben es noch nicht einmal von Ferne gesehen.

Karl Martell, der Hofmeier der Merowinger Könige, hatte den in Eisen gehüllten Heerbann der fränkischen Fußkrieger quer über Straße und Höhe gelegt, an beiden Flanken durch den Abgrund geschützt. Fünf Glieder tief standen sein Fußvolk. Die Formation hatten sie den Römern abgeguckt, als sie denen die Provinz Gallien wegnahmen. Die nannten das die „Schildkröte“! Das erste Glied kniete Kante an Kante hinter den mannshohen Kampfschildern des fränkischen Fußvolkes. Zwischen ihnen ragten ihre langen Lanzen in Richtung der Unseren. Die Enden saßen in Erdlöchern. Das zweite Glied verankerte diese mit einem Fuß darüber. Wer da draufritt, wurde zum Schaschlik. Gleichzeitig hielten die im zweiten Glied ihre Schilde schräg über die des ersten Gliedes. Die folgenden stemmten ihre Schilder zum geschlossenen Wall über Kopf.

Unsere preschten heran und überschütteten die Franken aus sicherer Entfernung mit einem Pfeilhagel. Die Schildkröte sah danach eher aus wie ein Igel, aber das wars dann auch. Unsere strömten zurück und schlugen ein Standlager in den zurückliegenden Dörfern auf, die leider alle geräumt worden waren. Ewig konnten sich die Franken ja nicht dort aufgebaut halten. Auch die mussten essen und schlafen. Sowie sie sich auflösten, waren sie verloren. Doch die Franken bewiesen, dass sie es konnten!

Volle sechs Tage standen sie so. Unsere täglichen Pfeilangriffe taten sie ab, wie der Hund die Flöhe. Wie sie es schafften, dort zu bleiben, zu essen, zu trinken und ihre Bedürfnisse zu erledigen, wissen nur die, die in ihren Reihen standen. Die müssen bis zu den Knöcheln in Fäkalien gestanden, und nachts darin geschlafen haben. Es braucht wohl einen Franken, um sechs Tage lang den Gestank zu ertragen. Aber genau das taten sie! Der Sheitan muss ihnen das geraten haben. Eher wohl ihre westgotischen Gaugrafen. Die hatten ihre Erfahrung teuer erkauft. Nur verlustreiche Niederlagen hatten sie von uns in offener Feldschlacht erfahren. Martell, der schlaue, nahm ihre Ratschläge ernst. Er pflegte auf Rat zu hören!

Hast du zugehört, Abdallah???“

Der saß voll im Bann der Erzählung und zuckte mit keiner Wimper.

„Am Vormittag des siebten Tages verlor Abderrahman seine Geduld. Er befahl, in geschlossenem Galopp die dünne Front der Franken zu durchbrechen. Genau darauf hatte Martell so lange gewartet. So wie die unseren auf die Auflösung seiner Schildkröte. Er gewann. Weil er die schlimmste Abwehrwaffe besaß, die je einer unserer Gegner bisher angewandt hatte. Als die Unsrigen nahe genug herangaloppiert waren, brach aus dem Frankenheer ein Gewittersturm von Tausenden Franciscas her-vor. Das ist ein leichtes Wurfbeil aus Metall. Ähnlich einem Hagel von Bumerangs, aber solchen, die nicht zurückkehren, krachten diese Werkzeuge des Sheitans mit schreckerregendem Heulen in die Reihen der Unsrigen. Deren leichte Reiterschilde hielten meist dem Einschlag nicht stand. Weit über 100 fielen tot vom Pferd. Darunter der oberkommandierende Kaid Abder-rahman. Hunderte weiterer Krieger waren verletzt. Mein Vater und die anderen Kaids befahlen den Abbruch. Sie trabten zurück in die Lagerdörfer, versorgten die Verwundeten. Viele mussten für den sofort folgenden Weiterritt auf ihr Reittier gebunden werden. Sie stopften die wertvollste Beute zum dürftigen Proviant, den sie noch besaßen, in die Satteltaschen, Noch am selben Nachmittag ritten sie nach Südosten davon. Die Hälfte des bisherigen Raubes blieb zurück. Ebenso die gesamte Sklavenbeute. Was solls? Im jedem kommenden Dorf oder Städtchen waren Weiber und ihre Töchter im Überfluss zu haben. Es lohnte nicht, sie auf einen raschen Ritt mitzunehmen. Sie hätten den Razzia Ritt nur behindert.

Die Franken verfolgten sie nicht. Sie hatten wohl Angst, die Schildkröte aufzuheben. Sie standen und schliefen noch einen vollen Tag in ihrem Kot. Ruhmsüchtig machten sie daraus eine „Schlacht zur Rettung des Abendlandes“. Sie hatten einige Dutzend ihrer Krieger verloren, und knapp hundert wurden verwundet. Entweder hat doch so mancher unserer Pfeile sein Ziel gefunden, oder sie sind in ihrer eigenen Jauche erstunken! Darüber haben wir oft gekichert, und keines unsere Geschichtsbücher erzählt davon. Das war doch nur ein belangloses Scharmützel. Knapp 200 Mann hatten wir verloren. Denn in den Tagen nach dem Treffen starb noch mancher verwundete Krieger. Aber das war auf einer Razzia diesen Ausmaßes ganz normal.“

Vom Bann seiner eigenen Erzählung mitgerissen, hielt er sinnend inne. Und schon hakte Abdallah, der ebenso Vorlaute und Arrogante, wieder ein:

„Und das nennst du die ertragreichste Razzia? Na warte ab, die werde erst ich dann reiten, wenn meine Zeit gekommen ist“

„Vorlauter Grünschnabel!“ schnaubte Ibrahim, „das war nur der Beginn der Razzia. Von den Franken unbelästigt, ritten sie weitere 2 Jahre durch Ost- und Südfranken, und durch das Tal der Rhone hinauf in die Schweiz, an den Genfer See! Sie plünderten Toulouse und Narbonne, Avignon, Nimes und Arles, dazu Dutzende Kleinstädte. Die geplünderten Dörfer waren gar nicht mehr zu zählen! Und sie hatten gelernt. Aus den heimgesuchten Regionen wanderten endlos die Sklavenkarawanen an den Hof in Cordoba. Die jungen Weiber und Männer ächzten unter der Last von Gold und Silber aus den unglaublich reichen Kirchen und Klöstern, den Kaufhäusern und Patrizierpalästen dieser Regionen.

Erst nach vollen 3 Jahren ritten sie nach Hause. Der Emir in Cordoba überschüttete sie alle mit einem Teil des Goldes aus der Beute, und machte jeden der Rückkehrer reich! So, und seid ihr zwei dran mit der Beobachtung der Dörfer - Ablösung!“

Nur zögerlich lösten sich die Jungen aus dem Bann der Erzählung. Aus dem Gehörten zog jeder einen anderen, jeder seinen eigenen Entschluss. Aber beide hielten ihre Gedanken geheim in ihrem Kopf.

Die drei Tage hatten genügt. Alles Bemerkenswerte war erfasst. Derselbe Weg brachte sie unentdeckt nach Sadaba zurück. Das lag wie im Dornröschenschlaf. So wie sie es beim Aufbruch zurückgelassen hatten.

Ungeduldig und unmutig rückte sich Abdallah im Sattel zurecht. Er hatte sich im ungefügen Holzsattel des Maultieres einen bestimmten Körperteil wund geritten. Ärgerlich wandte er sich an Ibrahim. „Warum zum Scheiten ist die Truppe noch nicht da? Wie lange soll diese Trödelei denn noch andauern? Wenn das so weitergeht, sind wir erst im Winter in den Dörfern!“

„Wäre gar nicht so verkehrt“, meinte Ibrahim leichthin, „denn dann wäre in den Dörfern richtig was zu holen. Aber du liegst in deinem Übereifer mal wieder voll daneben. Der Amir ist längst mit seine Truppe hier!“

„So, so!“ triefte der Bursche Ironie. „Wo bitte siehst du die? Kann es ein, dass Allah dem Amir die Gnade der Unsichtbarkeit verliehen hat?“

„Damit liegst du heute zum ersten Male richtig“ raunzte der Kaid zurück, „Der Amir sitzt garantiert im Turm, hat uns lange schon im Blick, und die Truppe nahebei in einem Tal versteckt.“ Und nach kurzer Kunstpause, mit hohntriefender Stimme: „Du Naseweis hättest natürlich den Weiler besetzt. Das wäre deine direkte Botschaft an die Baskendörfer. Die wüssten jetzt schon, was auf sie zukommen wird. Warum glaubst du wohl, warum beim Überfall auf Sadaba nur geraubt wurde, aber keinem Dorfbewohner ein Haar gekrümmt? Unter ihrer christlichen Tünche steckt immer auch ein halber oder ganzer Baske oder eine Baskin. Die sind alle miteinander verwandt!“

Während Abdallah die verbale Abreibung wieder einmal zutiefst gekränkt hinnahm, ritten sie durch das Tor in den Hof des Alkazars.

„Da steht der Amir schon im Turmaufgang und winkt mir. Ich muss sofort Meldung machen. Hier Abdallah, nimm die Zügel meines Reitesels. Den darfst du für mich versorgen! “ vollendete er dessen Demütigung.

Den wütenden Tritt in den Bauch des Maultieres, den Abdallah hinter seinen Rücken dem unschuldigen Halbesel verpasste, sah er nicht. Das Tier nahm den Tritt gelassen hin! Ganz so als ob es wüsste, dass es den nur stellvertretend erdulden musste. Er hatte seinen Herren gegolten.

Ibrahim sah das Gesicht des Amirs und wusste, sein Bericht wurde ungeduldig erwartet. Nach kurzem Gruß legte er los. Präzise, kurz und prägnant meldet er:

„Drei Dörfer sind es im Tal des Rio Lorte. Sie liegen nebeneinander in Reihe, auf einem Zwischenplateau. Mit 18 Häusern ist Leache das Hauptdorf. Es liegt in der Mitte. Einen halben Farsach ostwärts Sada mit 11, und Aibar mit 8 Häusern ¾ Farsach westlich. Müssten also knapp 200 Basken sein, davon rund 5o wehrfähig. Sind völlig unbekümmert. Haben keine Ahnung. Kaum Vieh in den Dörfern. Nur einige Milchkühe bei den Häusern. Die Weideflächen stehen hoch im Gras. Sie machen gerade Heu. Keine Fluchthöhle entdeckt. Mit 50 Mann kann ich das Tal oberhalb der Dörfer abriegeln. Der Rest der Truppe kann die Dörfer gleichzeitig von unten her frontal einnehmen. Wenn meine Männer sich dann offen zeigen, werden sie nicht mehr flüchten wollen. Es kann keiner entkommen.“

„Gut, dann keine Sekunde verzögern.“

„Faruk! Brüllte er in den Hof. „Reite los und hol die Truppe ins Dorf!“

„Ali!“ wandte er sich an den Kaid des Alkazars, der neben ihnen im Turm stand, „jag deine Murabitun vor das Dorf. Riegele es nach Nordosten ab. Ausgangssperre! Kein Dorfbewohner darf in den nächsten 12 Stunden Sadaba verlassen!“

„Ibrahim, so wie die ersten 50 Krieger da sind, reitest du mit denen los. Keine Rast darüber hinaus! Die beiden Burschen nimmst du auch mit. Die müssen richtig rangenommen werden. Reite sie zu, wie störrische Wallache. Was du zu tun hast, hast du eben selbst vorgeschlagen. Wir folgen in 3 Stunden, und besetzen die Dörfer morgen im ersten Tageslicht.“

***


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