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Blondmarie

Oder wie der Hans zum Großbauern wird

Eine schlechte Ernte steht ins Haus! Das muss man sich mal vorstellen. Sie steht ins Haus, sie ist noch gar nicht da. Bestens noch leben alle von der letzten Ernte, die Scheunen und Ställe und Vorratskammern sind voll. Hans schüttelt den Kopf und bestellt ein Bier. Die Sonne scheint und es riecht nach Frühling. Ihn will kein scheuendes Pferd abwerfen und er muss keiner spritzenden Kuh an das Euter. „Und was sollen wir im nächsten Jahr essen?“, fragt ihn der Jungbauer mit dem grünen Hut.

„Das wird sich schon finden“, sagt Hans und lacht.

„Sind wir dir egal?“, fragt der Jungbauer und runzelt die Stirn. „Wenn wir nichts zu essen haben, wirst du auch hungern.“

„Mal sehn“, sagt Hans. Über seine Hand buckelt eine Raupe.

Im Dorf seiner Mutter ist gerade Jahrmarkt. Deshalb ist er gar nicht erst nach Hause gegangen, Mutter läuft nicht weg. Er sitzt vor dem Tanzboden unter der Linde und redet ein bisschen mit den Jungs, die die Mundwinkel hängen lassen. Und die Schultern. Wegen der schlechten Ernte. Alle Mühe umsonst. Es reicht gerade noch zum Trinken. Zum Tanzen nicht mehr, aber das macht nichts, denn Hans ist immer zu einem Tänzchen aufgelegt. Und die Mädchen sind besser gelaunt und so tanzfreudig, dass sie sogar ohne Jungen tanzen.

Der Reiter mit dem gelben Hut bindet sein Pferd fest, tritt an die Theke unter der Linde, sieht zu den Tanzenden. Und dann staunt er: Da tanzt doch tatsächlich der Hans, dessen Pferd er eingetauscht hat. Tanzt der Hans da mit der Blondmarie? Wie macht er denn das! „Mit mir tanzt sie nicht, und ich habe zwanzig Morgen Land im Rücken.“

Die Glatze mit dem Ohrring lacht. Die Blondmarie wird die riesigen Felder im Westen des Dorfes erben. Die sieht nicht auf das Land, die sieht nur ins Gesicht, und du hast da eine Zahnlücke. Und der Hans ist hell und strahlt, als würde die ganze Zeit die Sonne scheinen.

Hans dreht sich rechts herum und flüstert der Marie ins Ohr: „Ich kann aber nicht reiten.“

„Bei mir wirst du das schon lernen“, lacht die Marie.

Hans dreht sich links herum und sagt ihr in das andere Ohr: „Ich kann aber nicht melken.“

Marie dreht sich, dass die Zöpfe fliegen, und ruft: „Dafür habe ich doch meine Knechte!“ Und sie walzen zusammen, dass das Zusehen eine Freude ist.

„Wer hätte das gedacht“, sagt der Scherenschleifer, und setzt sein Schnapsglas ab, „die Goldmarie. Jetzt macht der Hans sein Glück, ohne dass er ein Schleifer geworden ist. Wie macht er das nur?“

Der Pfarrer tritt unter die Linde und bestellt einen Weißwein. Nach dem ersten Schluck legt er dem Schleifer die Hand auf die Schulter: „Immer gewinnt die Liebe, mein Sohn, amor omnia vincit.“

„Mein Hänschen“, ruft die Mutter, als er ihr am Abend seine Braut vorstellt.

Schauderwelsch

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