Читать книгу Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang - Johann Gottfried Herder, Christian Friedrich Hebbel - Страница 156
XXIII.
ОглавлениеDas Häßliche kann in der Dichtkunst gebraucht werden, um das Lächerliche zu erwecken, und, wie gesagt, hat die Dichtkunst alsdenn in Veranstaltung der Formen keine andre Einschränkung, als Wahrscheinlichkeit und Gleichgewicht des Kontrasts, nämlich das scheinbar Schöne. Aber das Häßliche, ein Ingrediens des Lächerlichen bei dem Maler? Kann der Maler sein Häßliches in Kontrast des seyn wollenden Schönen setzen, daß das Lächerliche hervorblickt: so wohl. Da dies aber selten ist, da selbst bei der geistreichsten Hogarthschen Composition die Malerei immer augenscheinlicher häßliche Formen, als den lächerlichen Kontrast durch häßliche Formen schildert: so bleibt sie gleichsam körperlich, um dem Dichter des Lächerlichen folgen zu können. Der Dichter trift den Geist des Lächerlichen durch das Häßliche; der Künstler bleibt am Körper des Häßlichen kleben – und die Hauptsache ist unsichtbar. Jener stimmt meine Seele, und mein Mund lachet willig; dieser kitzelt mich häßlich, und ich soll lachen!
Das Häßliche zum Schrecklichen? Nichts! in Poesie und Malerei nichts. Will aber der Dichter Abscheu erregen: eine abscheuliche, bösartige, grimmige Seele an sich schon, wird sich durch häßliche Verzerrungen äußern. Soll der Abscheu verstärkt werden; so gebe er ihr ganz einen häßlichen Körper: denn wie anders kann wohl das Wohnhaus seyn, das sie sich gebauet, in dem sie so lange gewirket? Soll der Abscheu sich in Mitleid brechen; will der Dichter in Entfernung eine Seele zeigen, die besser seyn könnte: so mildre er ihren Abscheu wenigstens durch Stralen ihrer guten Anlage, durch einen nicht häßlichen Körper. Der Maler hat hier Schranken seiner Kunst: denn wie selten will diese wohl Abscheu, höchsten Abscheu erregen? und wenn sich mit dem Häßlichen kein Schrecken, sondern nichts, als Abscheu, erreichen läßt: wie frei geht der Künstler aus?
Das Ekelhafte endlich – hier bin ich mit Hrn. L. gar nicht einig. Das Wiesel, das Sokrates unterbrach, ist an sich kein ekelhafter Gegenstand, und die ekelhaften Züge, die Aristophanes sonst einmischt, sind ein Geschenk an den Griechischen Pöbel, das wir demselben auch lassen können. Alle Hottentottische Erzälungen, so bald sie den Ekel zur Hauptwirkung haben, so dünken sie mir Ausgeburten des Brittischen Ueberwitzes und bösen Humours. In Hesiods Abbildung der Traurigkeit bin ich mit Longin von einerlei Empfindung: es sey, aus welcher Ursache es sey – Ich mag die fließende Nase nicht sehen: ich mag nichts sehen, was wirklich Ekel erwecket. Ekel, als solcher, läßt sich schlechthin mit keiner andern gefälligen Empfindung verschmelzen; und wenn das Gräßliche nichts, als ein ekelhaftes Schreckliche, ist: so ist in diesem Gräßlichen, was sich vom Ekel darein mischet, allemal unangenehm, widrig.
Nur muß man auch freilich nichts für Ekel erregend halten, was nur einen Nebenbegriff des Ekels, durch weite Zurückerinnerung haben möchte: nichts für Ekel erregend, was, ohne dem Geschmacke und Geruche zuzugehören, blos widrig genannt werden könnte: nicht alles endlich in einer künstlichen Nachahmung für ekelhaft, was kaum in der Natur selbst, die keiner unangenehmen Empfindung solch eine enge Sphäre gegeben, als dem wahren Ekel – –
Doch ich vergesse aus meinem Kritischen Wäldchen beinahe gänzlich den Rückweg. Wie habe ich in demselben umhergeirret! Wie verschiedne Aussichten boten sich mir dar! Wie manchen richtigen und irrigen Gedanken mag ich auf meinem träumerischen Pfade gedacht haben! Es sey! Leßings Laokoon hat mir Materie zum Nachdenken verschaffet: Homer, und die Menschliche Seele waren die Quellen, aus denen ich dachte. »Wenn mein Raisonnement nicht so bündig ist, als das Leßingsche, so werden vielleicht meine kritischen Erörterungen mehr nach der Quelle schmecken.«1
Uebrigens sey jedes Wort, und jede Wendung verbannet, die wider Hrn. L. geschrieben schiene. Ich habe über seine Materien gedacht, und wo ich insonderheit nach Leitung der Alten davon abgehen mußte, sprach ich offenherzig, und wollte in Form eines Sendschreibens sprechen, wenn es die Abwechselung und der Inhalt der Materien zugelassen hätte. Wenn meine Zweifel und Wiedersprüche die Leser des Laokoons dahin vermögen, ihn nochmals, ihn so sorgfältig, als ich, zu lesen, und ihn aus meinen Zweifeln, oder meine Zweifel aus ihm, zu verbessern: so habe ich der Sache des Laokoons weit mehr gevortheilet, als durch ein kaltes Lob, hinter welchem jeder Leser, so, wie sein Urheber und Besitzer, gähnet. Meine Schrift selbst: wie würdig mir Laokoon geschienen, um darüber zu denken! sey ein Opfer meiner Achtung an den Verfasser desselben: Lobworte darzubringen habe ich nicht.
1 Leß. Vorr. zu Laok.