Читать книгу Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang - Johann Gottfried Herder, Christian Friedrich Hebbel - Страница 169

VIII.

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Inhaltsverzeichnis

»Auch Künstler sollen Gott und Christus würdig bilden!«1 Wie todt ist, was Hr. Kl. hierüber sagt, gegen das, was andre gesagt haben. Hier ist Klopstock, da er Winkelmann beurtheilet, und wem ist es nicht ein sehenswerther Anblick, zween solche Männer, zwei Enden des Menschlichen Geistes, zwei Extreme Deutscher Originale, von denen der Eine unter, der andre über Deutschland seinen Ort fand – ich sage, ists nicht ein merkwürdiger Anblick, solche zween Markgrafen Deutscher Hoheit von ihren Grenzsteinen zusammen treten zu sehen, zusammen sprechen zu hören. Das Stück ihres Gesprächs im nordischen Aufseher2 ist mir eine Art von Phänomenon! »Der einzige Weg für uns, unnachahmlich zu werden, sagt Winkelmann, ist die Nachahmung der Alten.« »Ich würde, versetzt Klopstock, diese Einschränkung hinzusetzen: in denen Arten der Schönheiten, die sie erschöpft haben. Denn welches Genie würde nicht erschrecken müssen, wenn es sich nicht erlauben dürfte, an der Allgemeinheit jenes Satzes zu zweifeln? Haben z.E. die Griechen die Vorstellungen ausdrücken können, die wir uns von Engeln machen müssen? Aber wie vortrefflich haben sie nicht oft die Götter vorgestellt! Sollten wir nicht die Engel so machen? Gewiß nicht völlig so! Wir sollten jene Vorstellungen der Götter übertreffen. Bisher zwar sind wir, von diesem Uebertreffen, sehr weit entfernt gewesen. Wir malen Kinderchen, Frauenzimmer, und wenn wir uns recht hoch schwingen, schöne Jünglinge; geben diesen Figuren Flügel, und bilden uns ein, Engel vorgestellt zu haben. So gar Raphaels Michael ist ein Jüngling; und er sollte doch wenigstens ein Jupiter seyn, der eben gedonnert hat. Wenn nun Raphael vollends einen Todesengel hätte machen sollen; z.E. einen, durch dessen bloßen Anblick der erstgebohrne Sohn Pharaos niedersinkt. Michael Angelo also, wird man sagen. Nein, der auch nicht: denn er übertrieb zu oft. Der Contour des wahren Großen ist sehr sein! Wenn die Hand nur ein klein wenig ruckt: so kann es übertrieben werden. Wer also? Vielleicht ein noch ungebohrner Künstler, dem es aufbehalten ist, die heilige Geschichte würdig vorzustellen, nämlich die meisten schon oft wiederholten, neu, und dann viele sehr erhabene, die noch niemals gemacht worden sind. Wie würde ich mich freuen, wenn er schon lebte, und dieses läse. Er ist es, der noch viel was anders sagen würde, als die Griechen haben sagen können. Gott vorzustellen, würde er sich niemals unterfangen; niemals! Aber den Versöhner der Menschen einigermaßen würdig abzubilden, würde er alle Kräfte seines Genies anstrengen, und sich den großen Empfindungen, welche die Religion giebt, ganz überlassen.«

Ich lasse über diese Klopstockschen Gedanken gerne einem jeden seine Gedanken; aber, wenn ich sie, und die beiden Aufsätze desselben Verfassers über die Poetische Composition einiger Biblischen Gemälde,3 und einige stille Winke Winkelmanns in den Schriften desselben, und verschiedene offenbarere Anmerkungen Webbs, über die Gemälde der Religion, zusammen setze: so dünkt mich dies Klotzische Gemische darüber

– – Staub, den der Wind zerstreut.

Hr. Kl. findet unter allen, die über den Glanz um das Haupt der Heiligen geschrieben, keinen, der die Maler darüber getadelt hätte: er thuts, und siehet nicht, was ein solcher Bogen zur Majestät Gottes thun sollte? Als Kreisbogen freilich nichts, aber wenn sich nur seitwärts einige rückbleibende Stralen verlieren: so sehe ich nicht, wie diese hinderlich wären. Bei Gestalten der Heiligen sind sie eine einmal angenommene Symbole, und der Gestalt Gottes, (wenn Gott anders Menschlich gestaltet werden soll,) ein Zeichen der Majestät, so fern, als der Dichter singet:

& avertens cervice refulsit,

Ambrosiæque comæ divinum vertice ododrem

Spiravere – –

oder so fern die Biblischen Dichter auch hierinn große Gemälde vom Glanze des Herrn geben. Diesen kann der Dichter innerhalb der Grenzen seiner Kunst so bescheiden folgen, als die Griechen den Poetischen Symbolen ihrer Religion folgten.

Ferner hat Hr. Kl. den Einfall,4 auch Flügel könnten aus den Göttlichen Bildungen der Alten beibehalten werden. Ich will glauben, er meine nur etwa Engel, oder den geflügelten Blitz in der Hand Gottes: denn der Gottheit selbst Flügel zu geben, halte ich, (Hr. Kl. führe mir noch ein so langes Register von Göttern an, die bekannter Weise geflügelt gebildet wurden,) unserm höchsten Gotte halte ich ein Paar Flügel ganz unwürdig. Kaum würdig der Engel, nach den edlen Begriffen unsrer Religion; wenn nicht, als unterscheidende Symbole, wenn nicht etwa im Fluge, um denselben dem Auge wahrscheinlich zu machen. Selbst die Griechen, nachdem sie die Allegorie nach und nach abgestreift hatten, in ihren schönsten und edelsten Bildungen, warfen dein Jupiter die Flügel ab, damit er nicht wie ein Ikaromenippus des Lucians erscheine, und gaben sie seinem Adler. In der That, den Allerhöchsten mit einem Paar Gänseflügeln vor mir zu sehen, ist unleidlicher, als, ihn graubärtig, und als Greis, zu erblicken. Dies giebt noch eine leidliche Allegorie von ihm, dem ewigen Vater; aber was soll jenes zu der Idee des Allgegenwärtigen? –

»Die Griechen bildeten Jupiter auf einem Donnerwagen.« Nun hat es Hr. Michaelis längst gezeigt, daß die Cherubim, die Donnerpferde der Juden, wahrscheinlich Geschöpfe der Aegyptischen Einbildungskraft sind, und daß die Griechen ihre Donnerpferde Jupiters ebenfalls daher ursprünglich entlehnet: könnte auch gezeigt werden. Hier fließen also aus Einer Quelle zween Flüsse, und die Poeten beiderlei Religionen scheinen nicht anders verschieden zu seyn, als daß sie sich Eine Vorstellung, jeder nach der Art seiner Nation, gedacht haben. Warum sollte also der Christliche Künstler nicht diese Bildung der verschwisterten Griechischen Vorstellungsart ablernen? warum sollte er nicht auch den wahren Gott wie einen donnernden Jupiter bilden, der seinen Donnerwagen und Donnerpferde mit dem Schalle des Schreckens durch den weiten Himmel jaget?

Hr. Kl. hat für gut befunden, diese Vorstellungsart anzupreisen;5 und ich fände es beinahe gut, davor zu warnen. Der Begrif der Gottheit, der jetzt, als Hauptcharakter, den Gemüthern der Menschen beiwohnet, ist erhabner und gereinigter, als daß er ein solches Bild ertrüge. In den sinnlichen Zeiten der Jüdischen Dichter war »furchtbare Macht« gleichsam der Hauptanblick, mit dem man sich den Herrn dachte; man schrieb nach einem Idol der Erziehung, und nach einem herrschenden Zeitbegriffe, dem Wagen Gottes die gewaltigen Donner zu, die über das Jüdische Land hinzogen, und dahin aus, auf diesen sinnlichen Begrif, gehen auch die höchsten Bilder der Propheten. Irre ich nicht, so ist die gemeine Vorstellungsart unsrer Christlichen Zeiten darinn sanfter. Das erste Bild, das wir uns von unserm Gotte machen, ist vielmehr das Bild von dem vollkommensten, weisesten, gütigsten Wesen, dem Vater, und unsichtbaren Erhalter der Welt; als von einem zornigen Donnerer, von einem allmächtigen Weltverwüster. Soll also ja der Höchste gebildet werden, so zeige man ihn in dieser, für uns der würdigsten Stellung, oder gar nicht. Die Propheten des alten Bundes schuffen Bilder für ihre Zeit, und auch in dieser nicht für den bildenden Künstler: nicht für den Anblick des Schönen; sondern für Poetische Seelen, und in diesen nichts als der Religionsbegriffe halben. Der Künstler unsrer Zeit thäte also Unrecht, wenn er sich solchenfalls damit, als mit Biblischen Vorstellungen, rechtfertigen wollte; denn der Kunst hat die Bibel wohl keine Bildergallerie liefern wollen.

Es bleibt also nur das Vorbild der alten Kunst übrig, die ihren Jupiter Donnerfahrend bildete – aber ich antworte, das war auch ihr Jupiter, und nicht unser Gott! Jener seine, Charakter nach der Donnerer, der

Ἐλατὴρ ὑπέρτατος βροντᾶς

ἀκαματόποδος

Ζεύς – –

wie ihn Pindar nennt, erhabner, als die spätern Dichter, die Hr. Klotz anführt. Jupiter hatte einmal nach altem guten Herkommen die Function, der ὑψιβρεμέτης, καταιβάτης, fulminans zu seyn, und wie man ihn mehr nennen will; als solcher konnte er Pferde jagen und Rosse lenken: das Kar Jovialisch. Ein solcher aber ist nicht unser Gott dem Hauptcharakter nach; und eine solche Kunstvorstellung nicht Göttlich. Die Kunst arbeitet für Einen ewigen Anblick; welch ein Anblick aber, Gott vor meinen Augen verewigt zu sehen, als – einen zornigen Fuhrmann!

Dazu muß Hr. Kl. aus Homer, Pindar und allen Griechen wissen, daß in denen Zeiten, da sich Mythologie erzeugte, und die Kunst galt, ein Pferd, wie noch bei den Arabern und Aegyptern, ein sehr würdiges Geschöpf, und Pferdeverrichtungen sehr edle Handthierungen waren – bei uns nicht mehr. Was sagt mir also dies Bild Gottes? Nichts, oder etwas Unwürdiges. – Der Künstler brauche es also nicht, und lasse den Klotzischen Einfall immer lieber wieder verunglücken.

Ueberhaupt weiß ich noch keinen Durchweg, um zwischen den höchsten Federungen der Religion und der Kunst mit einer Bildung Gottes, insonderheit für sich selbst, mit Gnugthuung meiner selbst, durchzukommen. Die Religion zeigt mir den Vollkommensten, den Allgnugsamen, den Geist: die Kunst bildet Körper, Geister geben keine Figur, das Vollkommenste hat kein Bild. Hr. Kl. wende nicht ein:6 »Gott schreibe sich ja selbst Hände, Hals, Füße, Nase zu.« Bekannt! aber jedes von diesen Theilweise, nichts mit dem andern zusammenhangend, daß es ein Ganzes bilden sollte, jedes Glied als ein sinnliches Bild Einer seiner Eigenschaften. Die ganze Anthropomorphie Gottes im alten Bunde ist also nicht bildend, sondern andeutend, symbolisch: und in weitem Verstande der Alten also, Allegorie. Dazu ist diese Allegorie nur Poetisch: das sichtbare Bild wird von dem geistigen Glanze, den es bedeuten soll, verschlungen; es verschwindet mit dem Worte, und die Idee, die zurück bleibt, ist eine Eigenschaft der Gottheit.

Wenn kann nun der Künstler die Beschreibung der Bibel für eine Erlaubniß halten, Gott nachzubilden? Wenn er seine Bildung der Gottheit in jedem Gliede derselben auch so andeutend, so Allegorisch machen kann, daß das Zeichen verschwindet, und nichts als der bezeichnete Begriff zurückbleibt – in keinem andern Falle sehe ich Erlaubniß. Kann ich Gott so zeichnen, daß mir bei seiner Hand der Allmächtige einfällt, der Welten wägt, und Erden anrühret, daß sie vergehen; außer dieser Bedeutung der Allmacht aber das Zeichen, die Hand selbst, nichts sey: kann ich Gottes Ohr und Auge blos als Sinnbilder seiner Allwissenheit darstellen, daß sie weiter keinen Eindruck lassen: Gottes Fuß nicht an sich, sondern als den, dessen Schemel der Erdball ist, nicht als den Theil eines Menschlichen Körpers – kann ich so den Geist malen und bilden, daß der Körper nichts, als Sinnbild des Geistes, und zwar des vollkommensten Geistes, ist: so kann ich ein Bildniß des Höchsten machen aus Autorität der Schrift.

Da dies nicht ist: so lasse ich ihr Beispiel weg, und vergleiche blos Foderung der Religion und Bedürfniß der Kunst – und siehe! fast überall Gegensatz. Gott der Unmäßliche – das Wesen der Kunst im Großen und Schönen sind Schranken. Gott der Ewige, und siehe einen erzeugten Körper. Gott der Allmächtige, der da will und es geschieht; die Kunst kann keine Macht ausdrücken ohne Ankündigung einer Bewegung. Gott der Würksame;. die Kunst kennt keine Würksamkeit ohne Bewegung: Gott der Unwandelbare, und siehe! jeder Ausdruck der Kunst wandelbar und wegeilend! Wer kann ihn fassen? wer kann ihn bilden?

Der einzige würdige Ausdruck für ihn wäre die seligste, allgnugsame Ruhe; allein auch da erscheint er nur als der seligste, allgnugsame Mensch: und weil die Menschliche Ruhe nur bei einer Feier von transitiven Handlungen möglich ist; so ist auch alsdenn bei der gebildeten Gottheit der Begrif von Unwürksamkeit beinahe unvermeidlich: der Begrif von Allmacht, Allwissenheit, Allweisheit, Einwürkung wird in seinen Ausdruck der Ruhe verschlungen, das Bild ist kein Gott mehr. Raphaels schaffender Gott steht mit gesenktem Auge, mit zeigendem Finger:

Kann der bewundern, Er, der die Sterne gemacht hat?

Raphaels ewiger Vater steht wie ein grauer Greis: ist das der Gott, der da bleibet, wie er ist? Gott sehe z.E. auf die Erde herab: ist das der Allwissende, was siehet er ewig auf die Kugel herunter? Siehst er auch was neben ihm ist? Gott wäge die Erde: sie hat ein Maaß gegen Gott, und muß dazu ein proportionirtes Maaß haben: was hat das Bild für einen Ball in der Hand, um damit zu spielen? – Nun setze man noch gar unwürdigere Vorstellungen: einen Klotzischen Postillon mit einem Brande in einer Hand auf einen Wagen – Blasphemien! »Wie wollet ihr mich bilden? und wem wollet ihr mich vergleichen?« spricht Jehovah.

»Christus als einen Apollo im Belvedere,«7 eben als wenn Christus einen Python im Zorne getödtet – doch hierüber mag ein Klopstock in der vorangezogenen Stelle, und ein Mann von der entgegengesetztesten Denkart, Webb, sprechen. Der Vatikanische Apollo wenigstens scheint nicht dem Charakter des Erlösers dem Hauptanblicke nach, und in der Bestimmung seines Lebens zu entsprechen, sonst – – Doch ich werde theologisch, da ich doch in der Schule eines Poetischen und Kunstcritikus bin – –

Und ei! da lerne ich wieder Etwas Neues! Gott auf einem Donnerwagen fahrend! »Von Christlichen Poeten erinnere ich mich keinen, der dieses Bild brauche, als Milton«8 – Keinen von Christlichen Dichtern? Hrn. Kl. Gedächtniß muß ihm den ärgsten Streich gespielt haben; denn das meinige erinnert sich bei allen Christlichen Dichtern keines häufigern, gemeinern, bekanntern Bildes. Denn ist Gleim, der Kriegssänger, kein Christ?

Wer hat dich, Pandur,

in Angst gesetzt, in Flucht gebracht?

Gott, der auf Wolken fuhr.

Ist Kleist kein Christ? –

Groß ist der Herr! Die Himmel ohne Zahl

sind seine Wohnungen,

sein Wagen sind die donnernde Gewölk,

und Blitze sein Gespann;

und wie der prächtige Ton weiter das Bild malet. Cramer kein Christ? –

Wenn nun dein Wagen, Gott der Götter,

Messias, donnert, und im Wetter

Dahin fährt – –

Ramler bei der Krippe Jesu kein Christ? –

Jehovah fähret durch den Himmel,

und sieht sein seliges Geschlecht.

Wir sehen Majestät! – –

Und so glaube ich, denn ich habe aus dem Gedächtnisse geschrieben, so Wieland, Bodmer und jeder Christliche Poet; ich kenne kein bekannteres Bild des donnernden Gottes. Nur Klopstock, wenn ich mich recht erinnere, braucht dies Bild nicht: sein Gott steigt herunter, den Meßias zu richten: er rollt nicht auf einem Donnerwagen, er ist selbst zu erhaben, um zu donnern. Sein Seraph Eloa schon kann tausend Donner fassen, und auch der steht nur auf einer Wolke. Ohne Zweifel schien Klopstocken das Bild zu niedrig selbst in der Poesie, für den –

Der Welten geheim und still den Untergang zuwinkt –

und Klotz darfs sehr vornehm für die Kunst empfehlen? So ists nach jenem Gemälde Galatons: was Homer ausspiee, war den andern Ambrosia!

1 p. 97. 98.

2 Nord. Aufseh. 3. B. St. 150.

3 St. 172. 174. 186. Nord. Aufseh. 3. Th.

4 p. 108. 109.

5 p. 115–122. Ostendi uno, eoque satis illustri exemplo, quomodo imitari possint nostri artifices veterum monimenta – ist das nicht viel?

6 p. 98. Ipse Deus sibi manus tribuit, dorsum, nasum, pedes etc. ist der Grund nicht bündig?

7 p. 111. 112. Hr. Kl. hat für gut gefunden, bei der Gelegenheit die Winkelmannische Beschreibung Apollo's in sein Latein hinzugießen.

8 p. 120.

Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang

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