Читать книгу Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang - Johann Gottfried Herder, Christian Friedrich Hebbel - Страница 171

X.

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Inhaltsverzeichnis

Der Rest der Homerischen Briefe wird uns, wie ich glaube, den Weg verkürzen.

Hr. Kl. lobt Homer über seine genaue Charakteristik der Helden;1 längst längst bemerkt, bekannt, und besser ins Licht gesetzt.

Hr. Kl. vertheidigt Homer, daß er sich in Kleinigkeiten wiederhole.2 Längst vertheidigt, und sonst schon genauer auf die »Ruhepunkte seiner Epischen Muse,« und auf eine kleine süße Geschwätzigkeit der Griechen zurück geführt.

Hr. Kl. schweift weit aus über die Nachläßigkeit der Künstler im Nebensachen.3 Nichts Neues!

Ueber die edle Nachläßigkeit der Schriftsteller.4 Ein Gemische ohne Grundsätze und Bestimmung, das uns erst die weise Simplicität, und die strenge Schönheit im Ernestischen Aufsatze5 dieses Inhalts um zehnmal mehr fühlen läßt. Ernesti, in dem Geiste des Cicero, bestimmt, beweiset, schränket ein, macht die edle Nachläßigkeit, die er empfielt, liebenswürdig; und da er zu eben der Zeit mit der abgemessensten Sorgfalt spricht: so kommt er dem Misbrauche seiner Lehre zuvor. Unter den Händen unsers Autors wird die liebenswürdige Nachläßigkeit zu einer Regellosen und unstäten Franchezza, so in seiner Lehre und so in seinem Beispiele. Vergebens gab ihm die Muse die Gabe des leichten Vortrages, wenn dieser unüberdacht, ohne Plan, Gründe und Ordnung umher schweifet. Keinem prüfenden Leser wird diese leichte Freiheit, »schöne Nachlässigkeit der Alten« dünken; dem Halbkenner aber, und dem läßigen Schüler, der nur auf solche Lehren wartet, wird sie sowohl im Unterrichte, als Beispiele, verderblich.

Hr. Kl. vergleicht das Homerische Bild der Zwietracht mit den Gemälden andrer Dichter.6 Ich würde nicht vergleichen wollen, wenn ich die andern Dichter nicht gelesen. Das Bild der Zwietracht in Ariost, in Tasso, und wo weiß ich mehr? insonderheit das Klopstocksche große Bild der Religionszwietracht,7 sollte nicht vergessen seyn: denn das letzte übertrift Homer.

Hr. Kl. giebt die Scene von Hektors Tode, und den Klagen über ihn, aus Homer.8 Ich weiß nicht, wie ich die Gabe nennen soll. Nicht Uebersetzung, nicht freie Ekphrase: weder Lateinische Periodenprose, noch Homerische Cadenzen; ein widriges, und insonderheit, »in den Bindungen der Rede,« widriges Mittelding, in dem Homer, ohne Stärke und Leben, zerrissen da liegt.

Hr. Kl. giebt uns zu diesen Menschlich rührenden Klagen Parallelen, und die bekannte Geschichte des Ugolino in Lateinischen Versen.9 Nach dem Gradu ad Parnassum sind die Verse schön; mit der Meinhardschen Prose verglichen, matt und kraftlos. Die Macht der Simplicität des Italieners; die kurze Wuth des Schmerzes in demselben, bei jedem neuen Anfalle; die rührenden Einschiebsel desselben, die, wie ein einsilbiges Ach! die Rede stören, ist hier in schöne Lateinische Verse verflossen, ganz verflossen.

Hr. Kl. giebt den Auftritt der Andromache, und des Astyanax mit Parallelen rührender Kinderscenen.10 Ich weiß nicht, wer ein Deutscher ist, und die Scene des Benoni im Meßias auslassen: ich weiß nicht, wer Kinderscenen parallelisiren, und nichts aus den Trauerspielen der Britten nennen darf. Nicht mit Homers Astyanax, aber wohl mit Shakespearschen Scenen konnte Lessings Arabelle verglichen werden, wenn es verglichen seyn sollte.

Hr. Kl. zeigt, daß die Römer oft Griechische Dichter und Künstler nachgeahmet.11 Zu bekannt!

Daß Homer oft das Stillschweigen sehr glücklich gebraucht12 Die angeführten Beispiele sind nicht gesondert. In einigen ists ein Stillschweigen der Weisheit, in andern der Hoheit, in andern des Affekts; gar nicht alle und jede zu einem und dem nämlichen Zwecke. In einigen ists ein eilfertiges, in andern ein betäubendes, in dritten ein schmerzliches, unaussprechlich schmerzliches Stillschweigen; und endlich ein Zug des Erhabnen. Den letzten hat Moses Mendelssohn entwickelt, und die ersten hätte Hr. Kl. so entwickeln sollen. – –

Das Ende der Homerischen Briefe verliert sich völlig im Sande. Der Verfasser bekennet: »er habe geschrieben, was ihm in die Gedanken, und in die Feder gekommen, daß er ein gutes Gewissen dem Ruhme gelehrter Verdienste vorziehe, daß ein andrer Ausleger Homers freilich auch andre Dinge über denselben sagen könne: ego vero quid habeo, quo me extollam? Voluntas atque ardor nunquam defuit, sed defuere alia13 – –« Nur wie? wenn Hr. Kl. Homerische Briefe schreiben wollte, warum, daß er nichts würdigers schrieb? wenn er das Andenken Homers erneuern wollte, warum that er nicht, wie jener Thersagoras bei Lucian, an Homer ein Gebet, ihn würdig schreiben zu lassen? Warum übergab er der Welt seine Scherbensammlung von Meinungen für Homerische Briefe?

Als Homerische Briefe hat sein Buch, dem Inhalte nach, der eines Theils nicht tief gnug überdacht, andern Theils, gar zu gemein, und auf allen Scheidwegen bekannt ist, und, dem Vortrage nach, der aus einer Parenthese von Materie, levissimus transfuga! in eine andre fällt, und keine erschöpft; in beiden haben die Homerischen Briefe vielleicht nur den sicheren Nutzen, Homer durch eine feine Figur, die man Ironie nennt, zu loben. Sie klagen ihn als einen unzeitigen Lacher, an, damit man es desto tiefer bei ihm fühle; alles sey bei ihm an seinem Orte. Sie beschuldigen ihn der Ungeschliffenheit der Sitten seiner Zeit, damit man in diesen die edle Einfalt so mehr bewundere, liebe, und kennen lerne. Sie fodern ihn vor, daß er dem Leser manchmal beschwerlich falle; und um so fleißiger übe ich mich, die Musik in ihm zu empfinden, die eine Empfindung, wie eine Welle aus der andern hebt, und in eine dritte fort wälzet. Sie loben nur παρεργα an Homer, daß ich das eigentliche Wesen seiner Muse desto inniger verehren lerne. Sie scheinen, ihn nur aus Parallelen fühlen zu wollen; ich liebe die Schönheiten in ihm, die sich nicht plenis buccis vergleichen, die sich kaum in Augenschein setzen, kaum in Worte einfassen; aber desto mehr, an ihrem Orte, Homerisch empfinden lassen. Sie nehmen seinetwegen Gelegenheit, die Mythologie zu verbannen, und zu verkleinern; ich, die Schönheit, und Poetische Congruität der Homerischen Mythologie zu beherzigen. Sie halten es für die schönste Nachläßigkeit, vom Hundertsten aufs Tausendste zu kommen; mein Homer immer bei der Stange zu bleiben – – So will ich sie zu erst; alsdenn den Griechen selbst lesen, und ihm nachher jedesmal ein Stück dieser Homerischen Briefe opfern!

– – animamque poetæ

His saltem accumulem donis, & fungar inani

Munere – –

1 p. 136–144.

2 p. 144–147.

3 p. 148–158.

4 p. 158–188.

5 Ernest. Opusc. philol. critic. p. 126. Die Citation dieses Stücks im Indice des genannten Buchs ist zu corrigiren.

6 p. 188–223.

7 Viert. Gesang p. 120.

8 p. 224–232.

9 p. 233–51.

10 p. 251–67.

11 p. 274 etc.

12 p. 271–81.

13 p. 282.

Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang

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