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FC AUBERGINE

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Die gemeinsame Geschichte der beiden Starköche begann 1981 und schon damals war der Hofgarten ihr »Spielplatz« – direkt hinter der heutigen Staatskanzlei, wo seinerzeit noch die Ruine des ehemaligen Bayerischen Armeemuseums stand. Dort spielte Eckart Witzigmann mit seiner Küchenmannschaft – darunter auch Jungkoch Johann Lafer – fast täglich Fußball. Bei jedem Wetter, sommers wie winters, schlüpften die Köche nach dem Mittagsservice in ihre Trainingsanzüge und liefen geschlossen vom Kücheneingang an der Ottostraße zur Bolzwiese am Hofgarten. Offiziell war es zwar nicht erlaubt, die Brachwiese rund um das Kriegerdenkmal für sportliche Aktivitäten zu nutzen, weshalb sich die Köche ständig vor einem Wachmann in Acht nehmen mussten, der auf seinem Dienstrad die Anlage kontrollierte. Wie die Schulbuben rannten sie manchmal vor ihm davon, um bloß keine Strafe zu kassieren. Aber Aufgeben war keine Option. Das gemeinsame Fußballspiel an der frischen Luft war schließlich der dringend nötige körperliche Ausgleich für den anstrengenden Job in der Küche des »Aubergine«. Deswegen wechselten sie bald einfach auf die Wiese hinterm Haus der Kunst im Englischen Garten.

1979 wurde das »Aubergine« als erstes Lokal in Deutschland und als drittes außerhalb Frankreichs überhaupt mit den begehrten drei Michelin-Sternen ausgezeichnet. Das kam fast einem Gewinn in der Champions League gleich. Plötzlich spielte ein Münchner Gourmetrestaurant ganz weit vorn in der Liga der internationalen Spitzengastronomie mit. Für die Küchenmannschaft bedeutete das aber auch, täglich Leistung auf höchstem Niveau zu bringen und mittags wie abends in der heißen Küche bei grellem Neonlicht und ständig unter Zeitdruck ans körperliche wie kreative Limit zu gehen.

Im Genick dauernd die unsichtbaren Gegner: Zeit und Perfektion. Am Ende des Tages fiel man nach einem Feierabendbier mit den Kollegen völlig ausgepowert ins Bett, um wenige Stunden später wieder Spitzenleistungen am Küchenplatz zu bringen.

»Es gibt eine Zeit vor und nach Witzigmann.«

Wolfram Siebeck

Das »Aubergine« galt hierzulande zum damaligen Zeitpunkt, als ein Toast mit Räucherlachs und Sahnemeerrettich oder eine Pizza Regina mit einem Glas Chianti aus der bauchigen Bastflasche für einen Großteil der Deutschen der Mount Everest des guten Geschmacks waren, bei Kritikern und beim Publikum als absolute Nummer eins. In vielen deutschen Restaurants war der Dosenöffner der beste Freund des Chefkochs und junges Gemüse gehörte in den Playboy und nicht auf den Teller. Der Gastronomiekritiker Wolfram Siebeck schrieb daher völlig zu Recht: »Es gibt eine Zeit vor und nach Witzigmann.« Allerdings musste dieser Nimbus ständig verteidigt und erneuert werden, denn die wachsende Konkurrenz schlief nicht …

Als Johann Lafer 1981 im Alter von 23 Jahren als Chef-Patissier im Team Witzigmann anfing, war bereits ein leidenschaftlicher Kampf um die Spitzenposition in der kulinarischen Bundesliga entbrannt. In anderen Toprestaurants roch es mittlerweile ebenfalls schwer verdächtig nach Höchstnoten in Restaurantführern wie dem Gault&Millau – allen voran im West-Berliner »Maître« von Witzigmanns langjährigem Freund Henry Levy. »Wir standen wahnsinnig unter Druck und haben alle ein Ventil gebraucht«, erinnert sich Johann Lafer mit seinem ehemaligen Chef »Beim Sedlmayr«, Eckart Witzigmanns Lieblingswirtschaft am Münchner Viktualienmarkt, das vor über 30 Jahren von dem Volksschauspieler und »Aubergine«-Stammgast Walter Sedlmayr eröffnet wurde. Hier stärken sich die beiden erst einmal in aller Ruhe für einen sportlich angelegten Arbeitstag nach bayerischer Tradition bei einem genüsslichen Weißwurstfrühstück mit frischen Brezen, süßem Senf und einem Weißbier – persönlich serviert von Rudolf Färber, der schon lange den »Sedlmayr« übernommen hat und daher sinnigerweise auf den Namen »Rudi Sedlmayr« getauft wurde.

An der Wand über Witzigmanns Stammplatz hängt der Wimpel des FC Aubergine. »Wir alle waren sehr ehrgeizig beim Fußball«, erinnert sich Johann Lafer. Und dass es natürlich ständig Konkurrenzkämpfe auf der Bolzwiese gab – stellvertretend für die Nickligkeiten, die man in der Küche nicht austragen konnte. »Da hast du dir halt gesagt, jetzt nehm ich mir mal den Manfred vor oder den Harald. Der hat mich vorher drei-, viermal in der Küche auflaufen lassen. Und danach war wieder alles gut.« Bei seinem Chef machte der gebürtige Steirer allerdings manchmal eine Ausnahme: »Ich war ja im Tor und wenn der Eckart schlecht gelaunt war, hab ich mich besonders angestrengt. Wenn er aber gut gelaunt war, hab ich schon mal ein paar Bälle reingelassen.«

»Zum Glück war ich meistens gut gelaunt«, prostet Eckart Witzigmann seinem ehemaligen Chef-Patissier lachend zu. Hier haben sich zwei selbstbewusste Persönlichkeiten gefunden, von denen jeder von Anfang an die Qualitäten des anderen zu schätzen wusste, ohne sich selbst zurückzunehmen. Faire Sportsmänner eben, die nichts nachtragen, das Herz am richtigen Fleck haben und wenn es hart auf hart geht, zusammenstehen wie eine Wand – in der Küche wie auf dem Platz. So wie gegen den ewigen Stadtrivalen: das Restaurant »Tantris«.



»Dass heute jeder Zugang zu einer Entenbrust oder einem Loup de mer in Spitzenqualität hat, ist tatsächlich auf diese Münchner Keimzelle zurückzuführen.«

Eckart Witzigmann

Eine Freundschaft - 100 Rezepte

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