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BACK TO THE ROOTS

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Man scherzt, man lacht, man trinkt ein Glaserl. Ein Leben ohne Champagner ist schließlich nicht witzig, Mann! Egal, wo das Team Witzigmann/Lafer auftaucht, geht die Sonne für die Menschen ein zweites Mal auf. Das liegt an der angeborenen guten Laune, die die beiden Freunde verströmen und die sie sich auch während der Coronakrise nicht haben nehmen lassen.

»Ja, das ist noch nicht ausgestanden«, sagte sein Tiroler Lieblingsfreund Hans Haas – nach Heinz Winkler Küchenchef des »Tantris« und natürlich Witzigmann-Schüler aus der »Aubergine«-Ära – angesichts des Virus, das in Italien gerade wütete, als ihn Eckart Witzigmann und Johann Lafer in einer frühen Produktionsphase für dieses Buch in dem damals noch wie gewohnt ausgebuchten Kultlokal, das mittlerweile sogar unter Denkmalschutz steht, spontan zu einem kulinarischen Klassentreffen besuchten. Eine Woche später verabschiedete sich das »Tantris«-Team noch vor dem offiziellen Lockdown verantwortungsbewusst in einen vorgezogenen Osterurlaub, der bekanntlich deutlich länger dauerte als gedacht.

Seitdem ist vieles passiert wegen Corona – zum Glück aber auch vieles nicht. Dennoch sind die Folgen der gesellschaftlichen Vollbremsung bis heute spürbar, gerade in der Gastronomie, die es hart getroffen hat. Aber wie viele ihrer Freunde und Kollegen sind Eckart Witzigmann und Johann Lafer nicht nur Frohnaturen, sondern auch wahre Meister in Sachen Improvisation. »Man kann aus allem etwas machen«, lautet einer ihrer Leitsätze. Improvisationstalent ist für einen Koch genauso wichtig wie ein gut geschliffenes Messer.

Johann Lafer hat als einer der Ersten verstanden, was die Küchenuhr geschlagen hatte, als es mit den Hamsterkäufen losging und viele merkten, dass man von Nudeln mit Toilettenpapier zwar möglicherweise satt wird, es aber nicht so richtig schmeckt. Die Menschen waren offensichtlich völlig überfordert mit der Situation und brauchten dringend jemanden, der sie beim Kochen an der Hand nahm und ihnen zeigte, wie man auch aus wenigen Zutaten ein gutes Essen zubereiten konnte.

Diesen Job übernahm Johann Lafer – und zwar sehr gerne. Zusätzlich motiviert hat ihn eine lange SMS seines persönlichen Freundes Frank-Walter Steinmeier, in der ihn der Bundespräsident eindringlich darum bat, seine Medienpräsenz für eine gute Sache zu nutzen. Denn während die einen auf Bergen von Nudeln, Hülsenfrüchten und Mehl saßen, standen die anderen im Supermarkt vor leeren Regalen und hatten keine Ahnung, was man aus Pastinaken, Kohlrabistängeln und anderen übrig gebliebenen Lebensmitteln, die scheinbar keiner wollte, machen kann. Die Stimmung unserer Wohlstandsgesellschaft drohte zu kippen. »Also wenn mir mal einer gesagt hätte, wir werden in eine Zeit kommen, in der wir kein Mehl und keine Hefe kaufen können«, so Johann Lafer, »und ich beim Bäcker betteln muss, damit er mir zehn Kilo Mehl gibt, dann hätte ich den für verrückt erklärt.«

»Wenn ich dem Lockdown kulinarisch etwas Positives abgewinnen soll, dann eine gewisse Rückbesinnung auf traditionelle Werte.«

Eckart Witzigmann

Während Eckart Witzigmann das Internet nutzte, um auf die missliche Lage von hilfsbedürftigen Seniorinnen und Senioren hinzuweisen, für die das Leben auch schon vor Corona eine soziale wie finanzielle Herausforderung dargestellt hat, entwickelte der TV-Profi Johann Lafer mit seinen Medienpartnern verschiedene Fernseh- und Internetformate, die es bisher so nicht gab. Das Ganze wurde größtenteils in seinem hochprofessionellen Küchenstudio in Guldental produziert, das er seit über 35 Jahren konsequent ausbaut und modernisiert.

Man konnte Johann Lafer im wahrsten Sinn des Wortes dabei zusehen, wie ernst er diese gesellschaftliche Verantwortung nahm, aber auch wie viel Spaß ihm diese neue Aufgabe machte. Plötzlich wurde ihm wieder klar, worum es ihm beim Kochen immer gegangen war: Menschen mit Essen eine Freude zu bereiten und ihnen zu zeigen, wie einfach es sein kann, ein Gericht nachzukochen, das gut schmeckt und gleichzeitig einen gewissen Pfiff hat. Das können zum Beispiel Spätzle sein, die er mit dem Saft von Roten Beten einfärbt und mit Käse überbackt: »Natürlich muss das immer auf höchstem Niveau sein und die Spätzle müssen auch weich und saftig sein. Aber ich glaube, es geht beim Kochen in den Medien nicht mehr darum, sich selbst in den Mittelpunkt zu stellen, sondern sich Gedanken zu machen über sein Gegenüber auf der anderen Seite des Bildschirms. Wie kann ich Leuten von meiner Berufserfahrung etwas geben, damit es ihnen zu Hause besser geht?«

Mit dem einzigartigen Fernsehformat »Essen wie Gott in Deutschland« zeigte die Elite der hiesigen Gastronomieszene 1987 erstmals einem breiten Publikum, worum es bei der neuen deutschen Küche geht. Eckart Witzigmann, Johann Lafer, Josef Viehhauser, Lothar Eiermann, Günter Scherrer, Franz Keller, Dieter Müller, Christian Begyn, Manfred Kurz, Gerhard Gartner, Manfred Schwarz und weitere deutsche Topchefs wurden mit hohem Aufwand in Szene gesetzt: »Das war wie Hollywood, zumindest hat sich der Regisseur so verhalten. Und einen rollenden Kameramann auf Schienen gab’s auch – ganz großes Kino«, erinnert sich Eckart Witzigmann zurück an die Hochglanzproduktion von Medienmanager und »Aubergine«-Stammgast Hans R. Beierlein. Dabei war die Philosophie dieser Sendung eher eine bodenständige. Man wollte den Zuschauern Lust auf Genuss machen und zeigen, dass man das, was die breite Öffentlichkeit unter deutscher Nouvelle Cuisine versteht, vielleicht als gehobene Küche bezeichnen kann, aber sicher nicht als abgehobene Küche, bei der niemand satt wird. Das stellte der einleitende Text des Offsprechers aus von »Essen wie Gott in Deutschland« gleich zu Beginn klar: »Ob Eier oder Fleisch, Gemüse, Butter oder Obst – stets sind Frische und Natürlichkeit der verwendeten Lebensmittel neben den handwerklichen Fähigkeiten unverzichtbar für die Meister der neuen Küche.« Hier schließt sich der Kreis wieder: Das Produkt ist der Star. Damals wie heute!

Das kulinarische Glaubensbekenntnis von Eckart Witzigmann und Johann Lafer hat wegen Corona nichts von seiner Bedeutung verloren. Im Gegenteil: In einer Welt, in der ein gesundes Immunsystem immer wichtiger ist, spielen frische, qualitativ hochwertige Lebensmittel eine entscheidende Rolle. Aber obwohl das Angebot solcher Produkte knapp 50 Jahre nach Eckart Witzigmanns Kick-off zur deutschen Geschmacksrevolution zusammen mit großartigen Mitstreitern reichhaltiger ist denn je, hat sich gezeigt, dass einem Großteil der Bevölkerung aus unterschiedlichen Gründen die wesentlichen Grundlagen des Kochens fehlen. Es herrscht definitiv großer Nachholbedarf, den Johann Lafer und andere Kochprofis seitdem auf allen Kanälen bedienen – mit einem enorm positiven Echo.

»Wenn ich dem Lockdown kulinarisch etwas Positives abgewinnen soll, dann eine gewisse Rückbesinnung auf traditionelle Werte«, zieht Eckart Witzigmann eine temporäre Zwischenbilanz. »Die Menschen wollen zurück zum Ursprünglichen, zum Nachvollziehbaren.« »Ganz genau, die Zeit dieses übertriebenen Pinzettenkochens, wie ich das immer nenne, war für mich schon vor Corona vorbei«, sagt auch Johann Lafer. »Wir haben zum Teil auch in der Spitzengastronomie, die ja besonders für die Kochbegeisterten immer auch eine nachträgliche Vorbildfunktion hat, den Bodenkontakt verloren. Daher bin ich zu meinen Wurzeln zurückgekehrt, zur Kunst der einfachen Küche. Und so geht es spätestens seit Corona vielen Leuten. Die Grenzen waren einfach überschritten.«

»Back to the roots!«, fordern Johann Lafer und Eckart Witzigmann einvernehmlich. Beide Starköche sehen eine große Chance für unsere Gesellschaft, die einerseits beim Essen den Blick aufs Wesentliche verloren hat und gleichzeitig den tiefen Wunsch hegt, wieder im Einklang mit der Natur zu leben. Denn am Ende fällt ja alles wieder auf den Menschen zurück. »Der Faktor ist natürlich auch immer: Kann ich mir das leisten?«, so Johann Lafer. »Weil gewisse Lebensmittel ein bisschen Geld kosten, wenn man selbst frisch kocht und nicht nur Fertiggerichte isst, ganz klar.« Daher muss jeder verantwortungsvoll mit sich selbst ausmachen, mit welchen Produkten er sich letztlich ernährt. Unser Körper und unsere Umwelt werden es uns definitiv danken, wenn wir uns beim Einkauf wieder intensiver Gedanken machen, was wir da eigentlich im Wagen oder Korb haben. Allein dadurch entsteht automatisch eine neue Wertschätzung von Lebensmitteln, die wir dringend brauchen.


Die beiden »Geschmacksverstärker« schlendern über den Viktualienmarkt. Sie prüfen hier, sie schmecken da – und ab und zu landet etwas Gemüse oder Obst für das anschließende Fotoshooting in ihren Holzkisten, die schon recht gut gefüllt sind. »Beim Eckart muss man immer a bissl aufpassen, wenn er einkaufen geht«, lacht Johann Lafer. »Da hab ich früher im ›Aubergine‹ schon so meine Erfahrungen gemacht.«

Wer Eckart Witzigmann kennt, weiß, was er damit meint. Er neigt bei Lebensmitteln zu sogenannten Impulskäufen. Und so kann es durchaus vorkommen, dass er loszieht, um Zutaten für ein Kartoffelgulasch zu besorgen und mit einer Großladung Auberginen zurückkommt. Wie damals im Jahre 1981, als er Johann Lafer und die anderen Köche mit zwei Kisten davon überraschte: »Eigentlich brauchten wir damals Zucchini oder Brokkoli. Den hatte er aber vergessen und meinte nur: ›Ihr habt einfach keine Ehrfurcht vor dem Material.‹ Und so landeten die zugegeben sehr schönen Auberginen bei den anderen drei Kisten, die bereits im Kühlhaus lagerten.«

Bei Auberginen versteht Eckart Witzigmann keinen Spaß. Sie sind für ihn wertvoller als Bitcoins. Nicht umsonst hat er sein Restaurant nach der einzigartigen Eierfrucht benannt, die seiner Meinung in Deutschland immer noch unterschätzt wird. Da fehlen das Fachwissen, die Fantasie und oftmals die Qualität. Wenigstens sein Freund Johann versteht die enge Beziehung zu diesem Gemüse, dessen Geschmack er noch mehr mag als dessen violetten Farbton. Beide haben die Aubergine daher in diesem Buch entsprechend in einem Rezept gewürdigt: Johann Lafer mit einem mediterranen Auberginen-Piccata und Eckart Witzigmann mit seiner Aubergine mit Tomaten-Paprika-Coulis. Eine vegetarische Sünde, die er einst für die drei Tenöre Plácido Domingo, José Carreras und Luciano Pavarotti auf deren Welttournee kreierte, für die der große Pavarotti sogar die eigens für ihn in seiner Hotelsuite eingebauten Küche in einem Münchner Luxushotel unberührt ließ.

Beim Anblick der herrlichen Auberginen am Obst- und Gemüsestand von Martin Sutors »Fruitique«, dessen Vater Walter zu den »Tantris«-Lieferanten der ersten Stunde zählte, gerät er sofort wieder ins Schwärmen: »Wir sollten noch was Süßes von der Melanzane ins Buch reingeben, Johann. Einen süßen Auberginenstrudel, weißt? Gefüllt mit griechischen Reisnudeln, cremigem Frischkäse und Thymianhonig. Und dazu dann eine schöne Orangensauce.«

»Eckart, bitte. Jetzt fang nicht wieder von vorn an«, antwortet Johann Lafer händeringend. »Wir müssen den Sack irgendwann mal zumachen. Sonst kommen wir vom Hölzchen aufs Stöckchen.« »Eher vom Auberginchen aufs Eierfrüchtchen«, kontert Eckart Witzigmann, für den bei der Aubergine die perfekte Reife entscheidend ist. Und die hängt unter anderem eben auch von der Saison ab und der Umgebung, in der das Gemüse gewachsen ist. Eine sonnengereifte Freilandaubergine, im Sommer frisch in Italien geerntet, schmeckt einfach viel aromatischer als eine unreif gepflückte Gewächshausaubergine von woher auch immer.

Regionalität und Saisonalität: Diese beiden Begriffe sind heute aktueller denn je. Eckart Witzigmann jedoch rannte im Deutschland der 1970er-Jahre damit fürwahr keine offenen Türen ein. Und auch als Johann Lafer und seine Ehefrau Silvia 1987 für seine Küchenkünste und ihre exzellente Serviceleitung im gemeinsamen Restaurant »Le Val d’Or« mit zwei Michelin-Sternen und 18 Punkten im Gault&Millau belohnt wurden, konnte mit diesen Grundfesten einer genussfreudigen, am Produkt orientierten Marktküche immer noch nur ein kleiner Kreis von Feinschmeckern etwas anfangen – mal abgesehen von der damals milde belächelten Ökobewegung, zu der man unbedingt auch die ursprünglich italienische Slow-Food-Bewegung zählen muss, deren Gründer Carlo Petrini 2004 mit dem Eckart-Witzigmann-Preis ausgezeichnet wurde.

Mittlerweile wissen mehr und mehr Menschen: Wer zu saisonalen Produkten aus der unmittelbaren Region greift, bekommt frische, aromatische Lebensmittel, unterstützt lokale Produzenten und leistet einen wichtigen Beitrag zum Klima- und Umwelt-schutz. »Aber weil diese Begriffe nicht gesetzlich geschützt sind, werden die Leute im Supermarkt besonders mit Pseudolabels wie ›regional‹ oder ›von hier‹ von der Lebensmittelindustrie leider oft hinters Licht geführt«, hakt Johann Lafer ein. »Und gleichzeitig müssen wir auch der Tatsache ins Auge sehen, dass gerade regionale Produkte nur begrenzt verfügbar sind. Drei Millionen Berliner können nicht gleichzeitig Milch vom Bauern um die Ecke kaufen. Wo soll die herkommen?«

»Der Wunsch nach einer Ernährung mit ausschließlich regionalen Lebensmitteln der Saison für alle, womöglich auch noch aus biologisch-dynamischem Anbau, ist ein ab-solut wünschenswerter Gedanke«, ergänzt Eckart Witzigmann, »aber derzeit zu sehr durch die romantische Brille betrachtet. Dafür müsste sich auch die Politik deutlich klarer positionieren. Man kann es halt nicht allen recht machen. ›Everybody’s darling is everybody’s Depp‹, hat Franz Josef Strauß mal gesagt. Und so bleibt die Verantwortung wie so oft beim Konsumenten, der sich mehr informieren und beim Einkauf gleichzeitig noch kritischer sein muss als bisher. Ich komme mir oft vor wie ein Prediger in der Wüste, wenn ich mir die Verkaufszahlen von Tiefkühl- und Fertigprodukten ansehe: Irgendwie klafft da eine Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit.«

Dennoch oder gerade deshalb werden die beiden Ausnahmeköche nicht müde, diese kulinarischen Werte zu predigen. Sie sind davon überzeugt, dass ökologisch einwandfreie Lebensmittel nicht nur dem eigenen Körper guttun, sondern auch besser schmecken. Das haben sie bereits seit ihrer Kindheit verinnerlicht – und sie haben es später in der Küchenphilosophie der feinen, marktfrischen Genussküche wiedergefunden.

Eine Freundschaft - 100 Rezepte

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